Serbische Gesellschaft im Lichte der verpaßten Modernisierung

Dunja Melcic

Der Soziologe Ognjen Pribicevic wies vor den letzten Parlamentswahlen 1996 auf die weitreichende Tatsache hin, daß Serbien (zusammen mit Montenegro) das "einzige Land in der Region" sei, in welchem eine "umbenannte Kommunistische Partei", die Sozialistische Partei Serbiens, die Wahlen (für das Republikparlament) dreimal hintereinander – 1990, 1992 und 1993 – gewonnen habe; desgleichen 1992 und 1996 auf Bundesebene (Savezno vece, Bundesparlament) und er diagnostizierte "die serbische Abweichung von den Tendenzen in anderen post-kommunistischen" Ländern.1 Einer der Gründer der Demokratischen Partei, Desimir Tosic, gab bei einer Diskussion 1996 zu bedenken, daß, obwohl mit der Bildung der oppositionellen Koalition (Zajedno = gemeinsam) die bis dato günstigste Konstellation für einen Wahlsieg geschaffen wurde, die Bedingungen für einen Wechsel im Staat und für einen Wandel der Gesellschaft kaum gegeben seien.2 In Serbien herrsche die Mentalität der Verweigerung von Änderungen und eine "Stagnationspsychose": "Bei uns" sei die Bereitschaft zu "Systemänderungen" nicht "verwurzelt". Im Unterschied etwa zu Kroatien oder Polen hätte es in Serbien auch früher keine Massenbewegung gegen das kommunistische System gegeben. Mit Forderungen nach radikalen Änderungen "müßten wir uns beinahe gegen die ganze Gesellschaft stellen". Es gibt auch andere Hinweise darauf, daß Widerstand gegen gesellschaftlichen Wandel und Reformen – also gegen Modernisierungsprozesse – geradezu zur Tradition in Serbien gehört. Die Historikerin Latinka Perovic wies oft auf die grundlegende Ambivalenz der serbischen Gesellschaft gegenüber der Moderne und dem Westen3 hin, die auch das Serbien seit Mitte der 80er Jahre kennzeichnet und sich als "Flucht vor der Modernisierung" äußert. Dem Soziologen Pavle Jovanovic zufolge hat sich die "Dominanz der einen Partei nach dem Umbruch" 1989/90 stabilisiert; auch wenn es sich bei dieser nicht mehr um die gleiche Partei handelt und sich auch die Art ihrer Vorherrschaft geändert hat, bewahrte sie dennoch durch die Beibehaltung der "Führung, des Kaders, teilweise des Programms ... in Grundzügen ihre Identität". Niemand könne das Ende dieser monopolistischen Position in der Gesellschaft absehen.4 Die renommierte Soziologin Zagorka Golubovic vertrat die Ansicht, daß Serbien wirtschaftlich um zwanzig Jahre hinter anderen Ländern des ehemaligen Ostblocks geblieben sei5.

So wie nach den verlorenen Kriegen in Kroatien und Bosnien-Herzegowina die Erwartungen nach einer Kehrtwende, die Überzeugungen, daß eine solche "unumgänglich" sei, laut geworden sind, versucht die Opposition nach dem Kosovo-Krieg und den NATO-Luftschlägen – nachdem also eindeutig klar wurde, daß Serbien vollkommen isoliert in der Welt und eigentlich gegen sie steht – mit Protesten und Demonstrationen eine Ablösung des Milosevic-Regimes zu erzwingen. Doch daß diese Forderungen kaum die nötige Basis in der Bevölkerung finden, scheint auch die in der "Allianz für den Wandel" zusammengeschlossene Opposition zu ahnen. Nur so ist zu verstehen, daß sie zwar die Ablösung Milosevics verlangt, aber gegen vorgezogene Wahlen ist6 und sein muß, weil sie diese gegenwärtig schwerlich gewinnen kann. Auch wenn sich die Bevölkerung Serbiens mit dem Regime Milosevic immer unzufriedener zeigt, gibt es wenig Anzeichen für eine breite Forderung nach einer demokratischen Umwandlung der Gesellschaft und nach einer klaren Absage an das Regime; statt dessen scheint Apathie und Resignation vorzuherrschen.7 Wahrscheinlich wird sich in Serbien auch in der Zukunft keine breite Bewegung formieren, die allein zu einem schnelleren Systemwechsel und zügigen gesellschaftlichen Änderungen führen könnte.8

Hier geht es offensichtlich um Tiefenstrukturen einer Gesellschaft, die sozialgeschichtlich und sozialpsychologisch verankert sind und sich in bestimmten Konstanten der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung manifestieren. Eine solche Konstante scheint das Verhältnis zu gesellschaftlichen Reformen zu sein. Um den gegenwärtigen Zustand der serbischen Gesellschaft, und damit hat auch die Dauerhaftigkeit des Regimes Milosevics zu tun, in all seinen Facetten zu erschließen, bedarf es einer langfristigen, umfassenden sozial-geschichtlichen, -ökonomischen und -psychologischen Analyse. Sie, also so etwas wie "Soziologie der serbischen Gesellschaft", wäre ein Desiderat, das uns Antworten auf die Frage ermöglichen könnte, was mit dieser Gesellschaft los ist, warum sie den Weg Milosevics in Verbrechen, Isolation und Verderben mitgehen konnte und nicht einmal nach allen Niederlagen und dem kompletten politischen und wirtschaftlichen Desaster aus diesem System herausfinden kann9. Nicht nur eine solche Untersuchung fehlt, sondern es fehlt an Daten, empirisch und methodisch erschlossenen Phänomenen der serbischen Gesellschaft und transparenten Informationen insgesamt.

Der besondere serbische Entwicklungsweg in die Moderne

Der maßgebliche Befund der Südosteuropahistoriker in diesem Zusammenhang besagt, daß die gesellschaftliche Entwicklung in Serbien durch eine strukturelle Blockade der Modernisierung in der Landwirtschaft gekennzeichnet war.10 Die verpaßten Modernisierungsreformen nach der Bauernbefreiung werden dafür verantwortlich gemacht, daß Serbien anders als andere europäische Nachzügler (etwa die skandinavischen Länder) keinen Anschluß an die industrielle Entwicklung schaffte. Die junge Historikerin Calic sieht daher im "Fehlen einer umfassenden Gesellschaftsreform" ein "erstes Spezifikum des serbischen Entwicklungsprofils". Soweit es staatliche Reformpolitik gab, blieb sie ambivalent, "weil sie die einmal mobilisierten Kräfte stets wieder zu fesseln versuchte".11 Diese Politik der gesetzgeberischen "Fesselung der Marktkräfte" und der "Konservierung quasifeudaler Wirtschaftsstrukturen" stand "in diametralem Gegensatz zu den reformpolitischen Maßnahmen beispielsweise Preußens, Rußlands und der mitteleuropäischen Länder im 19. und frühen 20. Jahrhundert". Der Berliner Historiker Holm Sundhaussen, dem wir eine systematische Aufarbeitung der statistischen Daten Serbiens, unter Berücksichtigung der europäischen Vergleichsdaten12, und eine Reihe wichtiger kultur-, sozial- und wirtschaftsgeschichtlicher Untersuchungen zum südosteuropäischen Raum verdanken, erkannte in der "verpaßten Agrarrevolution" den Kern der eigentümlichen Entwicklungsgeschichte Serbiens. Nach der "Bauernbefreiung" kam es zu keinen innovativen Impulsen im Ackerbau; eine elementare Modernisierung der Landwirtschaft blieb aus, so daß "auch sieben Jahrzehnte nach Abschaffung der osmanischen Agrarverfassung die Intensivierung der Bewirtschaftungsmethoden über bescheidene Ansätze nicht hinausgelangt war". Sogar für den Zeitraum seit der Mitte des vorigen bis zur Mitte dieses Jahrhunderts gilt, daß die Produktivitätssteigerung im Agrarsektor jährlich unter einem Prozent blieb, weshalb Sundhaussen von einem "säkularen Nullwachstum" spricht.13 Einen weiteren Faktor bildeten die hergebrachten Lebensgewohnheiten, frühes Heiratsalter und geringe Quoten Lediger. Unter der kollektiven Lebens- und Wirtschaftsweise in Form von "Zadruga" entfiel "ein wesentliches ökonomisches Regulativ der Gebürtigkeit" und verfestigte sich ein gegenüber sich wandelnden ökonomischen Verhältnissen "extrem unflexibles demographisches Verhalten" (Calic). Nicht minder wichtig für den serbischen Sonderweg war das Verhalten zu Boden und Landbesitz, der eine Autarkie der Selbstversorger versprach. Diese Eigentumsverfassung stand jeder Bodenkonzentration im Wege. "Trotz niedriger Agrarproduktivität und wachsender Unterbeschäftigung" blieb "der Überschuß der Erwerbsfähigen auf dem Dorfe".

Dieser Befund für die Zeit bis vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges läßt sich nicht gänzlich auf die Lage am Ende des Jahrhunderts übertragen, aber einige analoge soziostrukturelle Konstellationen scheint es auch heute noch zu geben. In einer Untersuchung aus 198414 mit Daten zum engeren Serbien (= ohne Provinzen Kosovo und Vojvodina) stieß Sundhaussen auf "die gleichen strukturellen Defizite wie vor einem Dreivierteljahrhundert", obwohl es in Betrieben des gesellschaftlichen Sektors ab den 60er Jahren zu "graduellen Verbesserungen" kam.

In der Zeit vor der Schaffung des modernen serbischen Staates war die Gesellschaft in der Auflösungsphase des Osmanischen Reiches, vor allem nach der kurzzeitigen österreichischen Okkupation (1718-1739), in Bewegung geraten: Immer mehr serbische Familien kamen aus den Bergen, wo sie als Wanderhirten in patriarchalisch organisierten Großfamilien lebten, in die fruchtbare Ebene von Zentralserbien.

Die serbische Gesellschaft hatte in der osmanischen Zeit so gut wie keine eigenen Eliten. Die großen Familien- und Dorfgemeinschaften lebten in starkem Gegensatz zu islamisch geprägten Städten; nach der Beschreibung des berühmten serbischen Gelehrten Vuk Karadziç wurden jene Serben, die in Städten lebten und sich dem osmanischen Brauchtum und der Ordnung anpaßten, verachtet.15 Dieses bäuerliche Element wurde durch den Zuzug aus herzegowinischen und montenegrinischen Bergen verstärkt. Nachdem durch die Verordnung des Sultans die muslimischen (türkischen) Besitzer von Lehnsgütern (Sipahis) ihre Güter aufgeben und das Land verlassen mußten, erhielten die serbischen Bauern das Eigentumsrecht an dem von ihnen bearbeiteten Boden (ohne Ablöseverpflichtungen). In Serbien war bis in das 20. Jahrhundert mehr als die Hälfte des Landes staatliches oder kommunales Eigentum.16 So war die osmanische agrarfeudale Ordnung abgeschafft, aber einer Transformation in marktorientierte Produktion standen weiterhin große Hindernisse im Wege. Obwohl die Auflösung der alten Familienordnung, also der "Zadruga", bereits einsetzte, wurde durch Übernahme wesentlicher Elemente des alten serbischen Gewohnheitsrechts ins Bürgerliche Gesetzbuch von 1844 die alte patriarchale und quasifeudale Sozialstruktur konserviert. Die "Zadruga" setzte sich aus mehreren verwandten Familien (in der Regel Ehepaar mit Söhnen und deren Ehefrauen mit Kindern) zusammen und stellte eine Lebens-, Arbeits- und Gütergemeinschaft unter einem von männlichen Mitgliedern gewählten Oberhaupt dar.17 Diese "Hauskommunion" wurde als Subjekt in das Gesetzbuch aufgenommen und das kollektive Eigentum anerkannt: "alle Habe gehört nicht einem einzelnen, sondern allen insgesamt" (Calic). Bodenverkauf wurde verboten und ebenso die Aufnahme von Hypotheken für Kleinbauern. Dennoch wurde familienrechtlich auch die Gegentendenz der Realteilung des Landbesitzes mit der Möglichkeit der Parzellierung in beliebig kleine Einheiten erlaubt. Durch neue Bodenverordnung (das Heimstättengesetz) blieben die Bauern an die Scholle, de facto also an einen Splitterbesitz gebunden.

Diese und andere restriktive Maßnahmen verbauten die Modernisierung der Landwirtschaft, so daß die serbische Agrarreform im Grunde hauptsächlich "ein Instrument zur Beseitigung der osmanischen Fremdherrschaft" war. Die überfälligen Anpassungsmaßnahmen auf die sich modernisierenden Produktivkräfte in der Landwirtschaft wurden nicht als Aufgabe wahrgenommen. Obwohl zur Jahrhundertwende 84 Prozent der Bevölkerung von der Landwirtschaft lebten und Agrarprodukte 88 Prozent des serbischen Exports ausmachten, kümmerte sich die Regierung kaum um die berufliche Lage der Landwirte; es gab nur zwei landwirtschaftliche Fachschulen; die im Haushalt vorgesehenen Mittel zur Förderung der Landwirtschaft waren kaum der Rede wert. Nach einem Bericht des Volkswirtschaftsministeriums von 1907 war das "Unwissen der Bauern" als der ausschlaggebende Grund für das niedrige Niveau der Landwirtschaft festgestellt worden. Ein Wirtschaftswissenschaftler schrieb ein halbes Jahrhundert später, es sei "unfaßbar, wie wenig bis 1957 unternommen worden sei, um mittels der achtjährigen Schulpflicht und entsprechender Fachschulen, auf die Qualifikation der Produzenten enzuwirken`". Überhaupt ist der Analphabetismus ein chronisches Problem Serbiens geblieben. 1866 waren 96 Prozent der Bevölkerung Analphabeten; zur Jahrhundertwende waren es 86 Prozent und noch 1971 waren es (im engeren Serbien) 18 Prozent. Zagorka Golubovic berichtete sogar, daß eine von ihr geleitete Untersuchung 1999 einen unglaublichen 60prozentigen funktionalen Analphabetismus festgestellt hat.

Statt Modernisierung der landwirtschaftlichen Produktion und der Transformation der Gesellschaft verfestigte sich anscheinend im Zusammenhang mit der Aufhebung der osmanischen Agrarordnung und der Bauernbefreiung eine Art serbische Bauern- und Bodenideologie, deren leitende Idee eine Besitzgleichheit war, sprich: gerechter Bodenbesitz für alle. Das Bevölkerungswachstum und die Einwanderungspolitik des Fürsten Milos führte zur höchsten Verdichtung der landwirtschaftlichen Bevölkerung in Europa; zwischen 1897 und 1931 nahm die Zahl der Bauernhöfe in Serbien "um rund 74 % zu, mehr als in jeder anderen südslawischen Provinz".18 Die extensive und archaische Bewirtschaftung, die Zurückdrängung der Viehwirtschaft durch den Ackerbau, hatte zudem zur Folge, daß der ursprünglich fruchtbare Boden ausgelaugt wurde. Durch Urbarmachung wurden auch die Eichenwälder und damit auch die kostenlose Nahrungsquelle für Schweinezucht vernichtet. Die Ideologie vom "freien Bauern" führte letztendlich zu einer Population pauperisierter Bauern, die von ihrem Besitz weder leben noch die Familie ernähren konnten und gleichzeitig ihre Höfe nicht verkaufen durften.19

Eine Art Neuauflage dieser "serbischen Agrarreform" war das primäre serbische wirtschaftliche Anliegen in Bosnien-Herzegowina; noch vor dem Ende des Ersten Weltkrieges war die Aufteilung des Großgrundbesitzes an die Bauern, die das Land bearbeiteten, vom Serbischen Nationalrat in Bosnien-Herzegowina beschlossen, und die Agrarfrage war eine der wichtigsten Fragen, die König Aleksandar bei seiner ersten Rede an das Volk im neuen Staat am 6. Januar 1919 ansprach und umgehende Bauernbefreiung, Aufhebung des Großgrundbesitzes und Verteilung des Landes an arme Bauern versprach.20 Eine Bodenreform war dringend nötig, allerdings wurde sie geleitet von den erwähnten serbischen ideologischen Vorstellungen, deren Einbettung in das serbische Nationalprojekt wirtschaftliche Gesichtspunkte – etwa auch vollkommen unterschiedliche Ausgangslagen in den jeweiligen Gebieten – in den Hintergrund rückte. Der amerikanische Wirtschaftshistoriker Jozo Tomasevich dazu: "Die Agrarreform war ein wichtiger Schritt für die Erstarkung (strenghtening) des südslawischen Elements in Vojvodina ... und des christlichen Teils der Bevölkerung in Bosnien-Herzegowina und Makedonien." Begleitet wurde sie von Kolonisierungsmaßnahmen, die ja auch als Zuteilung des Landes an serbische Bauern in nichtserbischen Gegenden (Kosovo, Makedonien und Vojvodina) erfolgte. Diese idee fix der serbischen politischen Vorstellungswelt kam auch nach dem Zweiten Weltkrieg in erneuten Enteignungen und Kolonisierungsaktionen zum Tragen. Was sich hinter der Formel "Erstarkung des südslawischen Elements" verbirgt, war Vertreibung des Fremden – das Tomasevich als "foreign" durch Herkunft, politische Anbindungen, Religion oder politische Haltung angibt – und Ansiedlung des serbischen "Elements". In der Vertreibung des Fremden wiederholt sich das serbische Paradigma unter dem Stichwort "Agrarreform", wie es als eine Art Urhandlung der serbischen Staatlichkeit statuiert wurde. Nicht nur die Bauernbefreiung, sondern der serbische Staat als Ganzes stand bei seiner Gründung im Zeichen des – wenig erforschten – Abzugs der muslimischen Bevölkerung (in der serbischen Sprachregelung: "Türken").21

Im Fall der Kolonisierungen in Vojvodina nach dem Ersten und erneut nach dem Zweiten Weltkrieg prallten Welten aufeinander. Vojvodina war das landwirtschaftlich meiste entwickelte Gebiet und galt in Österreich-Ungarn als dessen Kornkammer. Es gab eine modernisierte Landwirtschaft auf großen Wirtschaftsgütern, wo vor jugoslawischen Zeiten für einen Markt von 50 Millionen Verbrauchern produziert wurde. Im Zuge der Agrarreform wurde das Land der Großgrundbesitzer über ein bestimmtes Maß an Bauern verteilt, aber die Kolonisierung brachte Bauern in diese Gegend, deren Lebensideal das des autarken Selbstversorgers nach der althergebrachten serbischen Art war und die weder von modernen Agrartechniken wußten noch sich für eine marktorientierte Produktion interessierten. Kolonisierung im noch größeren Stil fand nach dem Zweiten Weltkrieg statt, nach den Massenvertreibungen der Donauschwaben und Enteignungen, die auch mittlere Bauernhöfe betrafen. Dadurch und durch sozialistische Kollektivierungen erlebte Vojvodina einen beispiellosen wirtschaftlichen Niedergang, von dem sie sich erst in 70er Jahren wieder zu erholen begann.22

Mit der Vertreibung des Fremden wurden immer auch die wirtschaftlichen Eliten aus dem Land gejagt. Im jungen serbischen Staat des 19. Jahrhunderts veränderten sich die islamisch-orientalisch geprägten Städte in rasantem Tempo und ihr urbaner Charakter wurde in beispielsloser Weise verdrängt. Das nennt man "Rurbanisierung" der Stadt. Nicht nur Moscheen und andere islamisch geprägte Bauten verschwanden, sondern auch die Gewerbetreibenden, Handwerker und Händler – Menschen einer multikulturellen Berufswelt, die eben nicht bloß der osmanischen Herrschaftskaste angehörten. Um die Jahrhundertwende war das Königreich Serbien (mit Anschlußgebieten von 1833 und 1878 und nach den Vertreibungen dort) mit einem Bevölkerungsanteil von über 92 Prozent Serben weitgehend homogen; in den nach den Balkankriegen und dem Ersten Weltkrieg eroberten Gebieten stellten sie meistens nur die Hälfte der Bevölkerung (siehe Karte), obwohl die Balkankriege, also die Eroberung von Kosovo und Makedonien (in serbischer Terminologie Altserbien und Südserbien), mit Massenmorden, Vertreibungen und massenhaften Vernichtungen von albanischen und muslimischen Dörfern einhergingen (Judah).

Die Ideologie der territorialen Expansion formulierte zum ersten Mal Ilija Garasanin (1812-74), seinerzeit Innenminister, in einem geheimen Memorandum mit dem Titel "Nacertanije" (Entwurf). Es zielte ab auf die Vereinigung aller Serben (bzw. auch der von Garasanin als "Serben" definierten meisten Südslawen) nach einem Zerfall des Osmanischen Reiches und der Zurückdrängung Österreichs in einem Staat. Tim Judah charakterisiert Nacertanije als "wesentliches Bindeglied" in der Entwicklung der serbischen nationalen Idee und eine "Synthese der serbischen jahrhundertealten von der Kirche und der Volksepik bewahrten Träume" in der Gestalt eines modernen Nationalismus.23 Hier aber sind zwei Elemente von Belang: die territorialen Aspirationen in Garasanins Projekt, die weit über das serbische Siedlungsgebiet hinausreichten einerseits und die vollkommene Abwesenheit eines Konzeptes, wie das mit den anderen zu bewerkstelligen sein sollte, andererseits. Garasanin nahm an, daß "die Christen" diesen Lösungen zustimmen würden, "und vielleicht auch einige Mohammedaner". Daß er die Unterschiede unter (christlichen) südslawischen Völkern nicht beachtete, mag im historischen Kontext verständlich sein; bloß sprechen sich in diesen Vorstellungen Paradigmata aus, wie sie für die junge serbische Intelligenz beherrschend wurden und es auch weitgehend blieben.

Serbische Intelligenz und gesellschaftliche Reformen

Serbien hatte gegenüber der südslawischen Nachbarschaft durch seine staatliche Unabhängigkeit – wenn es auch im wirtschaftlichen Sinne von Österreich-Ungarn zunächst vollkommen abhängig war – einmalige Vorteile. Es gab eine junge, dynamische Bürgerschicht, vornehmlich aus Gebieten in Österreich-Ungarn, und eine störungsfreie Kommunikation unter den serbischen Eliten – eine etwa für Kroaten oder Slowenen zu jener Zeit unvorstellbare Freiheit. Deshalb hatte das unabhängige Serbien eine große Anziehungskraft (nicht nur für Serben in der Diaspora) und befand sich in der Lage, eine einmalige, ja historische Aufgabe zu erfüllen. Ob das aufstrebende Bürgertum und die selbstbewußte Intelligenz auf der Höhe dieser Aufgabe waren und die Chancen dieses Glücksfalls einer unabhängigen Entwicklung adäquat nutzten, bliebe noch genauer zu prüfen. Sie waren sicherlich eifrig, ihren Anteil am Aufbau des jungen Staates beizusteuern und sie wurden gebraucht. Denn Serbien war dringend auf gebildete Serben aus Österreich-Ungarn angewiesen, um einen Staatsapparat mit Beamten und die ersten Institutionen aufzubauen. Sie waren auch maßgeblich an der Säkularisierung der serbischen Kultur und Modernisierung der serbischen Nationalideologie beteiligt, aber die Impulse aus diesen kultur-nationalen Kreisen leiteten keine reformatorische Bewegung in der Gesellschaft ein und stießen oft auf hartnäckigen Widerstand der ungebildeten Herrscher.

Unabhängig davon, daß die Träger der serbischen Nationalideologie ambivalenten Ausrichtungen folgten24, schien sich diese dynamische Intellektuellenschicht weder generell für die realen Belange des Volkes zu interessieren noch nach Wegen zu suchen, wie man dem Volk und dem Land aus der Rückständigkeit hilft. Vielmehr waren einerseits die Paradigmata der territorialen Ausdehnung des Staates – als expliziter oder impliziter Inhalt der Befreiungsideologie – und andererseits der Kult des serbischen Bauerntums quer durch die Lager für die politische Kommunikation beherrschend. Man könnte die Besetzung der politischen Imagination der serbischen Elite durch territoriale Phantasie in der Relation zu inner-gesellschaftlichen Unbeweglichkeit, der allgemeinen Stagnation, also der mangelnden Aussicht auf Fortschritt aus inneren Kräften, sehen und auch von versäumten Aufgaben sprechen. Diese waren in der nachzuholenden Bildung der serbischen Bevölkerung auf eklatante Weise gegeben. Sundhaussen kommt in seiner Analyse zum Schluß, daß neben vielen Widrigkeiten, unter denen die Landwirtschaft zu leiden hatte, die eigentlichen Entwicklungshindernisse im eklatanten "Mangel an qualifizierten und motivierten Arbeitskräften" lagen. Mit dem Bauernkult – den beiden speziellen Mythen über den "Bauern als Kulturhelden" und das "außergewöhnliche psychische Wesen des Bauern", wie Slobodan Naumovic unlängst ausführte25 – wird die archaische Lebensweise idealisiert und gleichzeitig das Ausbleiben des Fortschritts gerechtfertigt. Während ein Beamter des Volkswirtschaftsministeriums 1912 klagte: "In keinem Staat gibt es so viele Angehörige der Intelligenz, die unmittelbar aus der Masse des Volkes hervorgegangen sind, wie bei uns, aber dennoch verhält sich unsere Intelligenz derartig indifferent gegenüber dem Volk, als ob sie dessen Schicksal nicht im mindesten berührte ..."26, strickten Vertreter dieser Intelligenz weiter am idealisierten Bild der Bauernschaft. Bis in die sozialistischen Zeiten setzte sich vor allem die ideologische Verbrämung des Svetozar Markovic (1846-1875) durch, der als Begründer des serbischen Sozialismus eine Doktrin des Volkssozialismus "nach dem Vorbild russischer revolutionärer Ideologen, besonders Tschernyschewskis," entwickelte und in der serbischen "Zadruga" die egalitäre Basis der sozialistischen Demokratie sah. Latinka Perovic, die beste Kennerin dieser Problematik dazu: "Die Elemente dieser Doktrin bestanden in (1) der Vermeidung des Weges, den die westlichen Völker gegangen waren, (2) im Glauben an die Rückständigkeit als Vorteil und (3) im Kampf gegen eine Ausdifferenzierung der Gesellschaft in Schichten, (4) gegen einen vermeintlichen Rechtsformalismus und (5) gegen die Institutionalisierung des Staates, besonders des Beamtentums." Der ideologische Kernpunkt des Volkssozialismus lag im "Volksstaat als Gegensatz zum Rechtsstaat", letztlich in einem Bauernstaat, dessen "Hauptgarant ... eine Volkspartei" sein sollte. Damit setzte man sich gegen die Modernisierung des Staates und für "ein System der Selbstverwaltung" ein, das "die Volksdemokratie verwirklichen sollte". Die Nähe zum System der real existierenden sozialistischen Selbstverwaltung ist offensichtlich.

Seitden 80er Jahren erlebt diese Ideologie der Volksdemokratie in der serbisch-bäuerlichen Variante ein Revival. Wie Naumovic berichtet, sehen auch moderne Autoren in Bauern in Serbien das "Fundament des Parlamentarismus und der Demokratie" und in Serben das "Element ungewöhnlicher Einheit", wo es nur "einen Glauben, eine nationale Idee und einen Lebensstil" gibt. Auf einem Symposium 1998 versuchten jene serbischen Intellektuellen, die man zu den geistigen Kriegsanstiftern zählen kann, die Niederlagen zu deuten und eine Zukunftsperspektive zu entwerfen. Der prominenteste unter ihnen, der Schriftsteller Dobrica Cosic, fand sie im serbischen Bauerntum27, dem Garant des serbischen Überlebens. Die Zukunft Serbiens als dem "einzigen Nachfolger der byzantischen Zivilisation" heißt: "serbische Dorfzivilisation".28

Zumindest ist daran richtig, daß gerade das starke Element der Selbstversorgung in Serbien bis heute die negativen wirtschaftlichen Entwicklungen infolge von Krisen, Kriegen und Sanktionen auffangen konnte. Überwältigende Teile der städtischen Bevölkerung aller Berufsgruppen verfügen über Möglichkeiten der Direktversorgung auf dem Dorf. Diese Art der Versorgung mit Gütern des Lebens nimmt jetzt zu, aber es handelt sich dabei um einen graduellen Unterschied einer tief verwurzelten Lebensweise. In einer älteren interessanten Untersuchung, einer "case-study", zeichneten die amerikanischen Ethnologen Joel. M. Halpern und Barbara Kerewsky Halpern die Geschichte der Auflösung der "Zadruga"-Familien im zentralserbischen Dorf Orasac zwischen 1950 und 1970 nach und zeigten, daß trotz gewaltiger Strukturveränderung nicht nur ein Teil der dörflichen Kultur und Lebensweise bestehen bleibt, der in die städtischen Aufenthaltsorte hineingetragen wird, sondern auch, daß durch ein oder mehrere Mitglieder der Familie die Verbindung zum Dorf aufrechterhalten wird.29 Modernisierungsprozesse begannen sich in Serbien erst in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts auf Überwindung der Agrargesellschaft auszuwirken – was auch die erwähnte Fallstudie belegt. Wie weit die Differenzierungsprozesse30 gingen und welchen Charakter sie hatten und wie tiefgreifend sich in der Folge die Gesellschaft umstrukturierte, müßte erst noch eingehend untersucht werden. Es gibt Indizien, daß durch den Gesellschaftswandel demnach keine stabilen modernen Strukturen entstanden sind. So spricht ein Soziologe von der "Zurückgedrängten Zivilgesellschaft" in Serbien und ein anderer von der unvollendeten Modernisierung, "die zur Retraditionalisierung der Gesellschaft führte". Deshalb war auch eine "Rückkehr zum Monismus" anstelle des Aufbaus der Demokratie nach dem Zusammenbruch des Kommunismus möglich.31 Wie der kroatische Wirtschaftswissenschaftler Branimir Lokin zeigt, verstand es eine Wirtschaftsstrategie der Autarkie, mit Drosselung der Einfuhr und der extensiven Beschäftigung der Industriearbeiter (bei gleichzeitigem Rückgang des BSP – in zehn Jahren um 53%), die serbische Volkswirtschaft den Umständen in den Jahren 1991-97 anzupassen.

Vielleicht hing die Ausdifferenzierung der serbischen Gesellschaft zu einem überwältigenden Teil mit der Existenz des gemeinsamen südslawischen Staates zusammen mit der inneren Transformation der Gesellschaft, wie sie die wirtschaftliche Modernisierung mit sich bringt. Damit beträfe die Ausdifferenzierung eine dünne Schicht, die mit dem serbischen Aufstand gegen die einstige Föderation weggefegt wurde und jetzt nur in reduzierter Form gesellschaftlich präsent ist. Somit stünde die serbische Gesellschaft erst vor der Aufgabe, sich als eine "Zivilgesellschaft" zu konstituieren.

Im Grunde gibt es in Serbien heute entsprechende Eliten, die ein Nischendasein fristen und bei veränderter Situation den Prozeß der gesellschaftlichen Umwandlung steuern könnten.

Die Hauptsache dabei wird sein müssen, den serbischen Sonderweg zu meiden und aus realistischen Vergleichsanalysen vernünftige Schlüsse für die eigene Zukunft zu ziehen.

1 Ognjen Pribicevic, Root of the Serb "Exception" – Reasons Behind the Political Dominance of the Socialist Party of Serbia, in: Radicalisation of the Serbian Society. Collection of Documents, (Helsinki Committee for Human Rights in Serbia), Belgrad 1997.

2 Republika: Tematski broj (izbori) 21, 16.–31.10. 1996 (S. 7)

3 Siehe Serbien-Artikel in: Der Jugoslawien-Krieg. Handbuch zu Vorgeschichte, Verlauf und Konsequenzen, hrsg. Dunja Melcic, Opladen/Wiesbaden 1999 (weiter: Handbuch).

4 Grundzüge der Entwicklung des politischen und Parteiensystems in der Republik Serbien" (orig. serbisch), in: Milijan Popovic (Hrsg.), Rekonstrukcija ... (= Die Rekonstruktion des Rechtssystems Jugoslawiens auf der Basis der Freiheit, Demokratie, des Marktes und der sozialen Gerechtigkeit), Novi Sad 1998, S. 43.

5 Feral Tribune, 29.3.99.

6 Regulär müßten die Parlamentswahlen im nächsten Jahr stattfinden.

7 Pavle Jovanovic weist auf den "Mißerfolg der Präsidentschaftswahlen in Serbien (und Jugoslawien) im Herbst 1997" mit einer Abstinenzquote von über 50 % der Wählerschaft als bedeutendes Indiz für die wachsende Apathie der Bürger hin, a.a.O. S. 41.

8 Zu beachten sind allerdings lokale Initiativen in den Provinzstädten, die seit 1996 eine "Allianz der freien Städte und Gemeinden Serbiens" bilden und Keime einer längerfristigen und langsamen Umwandlung der Gesellschaft in sich tragen.

9 Hier sei das Fazit zitiert, zu welchem der Soziologe Milos Marijanovic im Artikel "Entwickelte Zivilgesellschaft als Voraussetzung der Demokratie" (Original serbisch) im erwähnten Sammelband von M. Popovic (Anm. 4) kommt: Soziologische und ethnologische Untersuchungen des Alltags zeigen, daß unsere Gesellschaft so verarmt und in sich geschlossen ist, daß sie als eine zerstörte und blockierte Gesellschaft zu kennzeichnen ist, in der der nackte Kampf ums Überleben geführt wird" (S. 51).

10 Überblicke der serbischen Geschichte bieten: Wolfgang Libal, Die Serben. Blüte, Wahn und Katastrophe, München, Wien 1996; ausführlicher und kenntnisreich in bezug auf Machtstrukturen des Regimes Milosevic: Tim Judah, The Serbs. History, Myth and the Destruction of Yugoslavia, Newhaven, London 1997.

11 Marie-Janine Calic, Sozialgeschichte Serbiens 1815-1941. Der aufhaltsame Fortschritt während der Industrialisierung, München 1994.

12 Historische Statistik Serbiens 1834-1914. Mit europäischen Vergleichsdaten, München 1989.

13 Holm Sundhaussen, Die verpaßte Agrarrevolution. Aspekte der Entwicklungsblockade in den Balkanländern vor 1945; in: Roland Schönfeld (Hrsg.), Industrialisierung und gesellschaftlicher Wandel in Südosteuropa, München 1989, S. 45-60.

14 M. Popovic (u.a.), Ekonomska geografija Jugoslavije, Belgrad 1984, zit. nach Sundhaussen.

15 "Das serbische Volk hat keine anderen Leute als die Bauern. Die wenigen Serben, die in den Städten leben ... nennen sich Städter, und weil sie sich türkisch kleiden und nach türkischem Brauch leben und bei den Aufständen und Kriegen sich mit den Türken in die Städte einschließen oder mit dem Geld nach Deutschland flüchten, zählen sie sich nicht nur selbst nicht zum serbischen Volk, sondern werden von den Bauern auch verachtet" (Übers. Naumovic, Anm. 25).

16 Nur 2 von 4,8 Millionen Hektar Land befanden sich im Privatbesitz der serbischen Bauern (Calic, S. 72).

17 Der Grazer Historiker Karl Kaser hat in den 90er Jahren mehrere umfangreiche Untersuchungen zu verschiedenen Aspekten der balkanischen patriarchalen Familie veröffentlicht.

18 Zwischen 1833 und 1914 erhöhte sich die Bevölkerungszahl von 678192 auf 2971700. Als Anreiz für Neuansiedler warb Milos mit Landzuteilung oder freier Inbesitznahme unbearbeiteten Landes und der Wälder. Zwischen 1834 und 1874 siedelten sich etwa 666000 Serben aus Bosnien, Montenegro, Makedonien und der Vojvodina im Fürstentum an (Calic, S. 58).

19 "Die Maxime zahlreicher serbischer Agrarpolitiker in der Zwischenkriegszeit lautete, die Agrarbevölkerung um jeden Preis am Verkauf ihrer Höfe zu hindern", ebd. S. 248.

20 Jozo Tomasevich, Peasants, Politics, and Economic Change in Yugoslavia, Stanford/London 1955, S. 347.

21 Tim Judah: "In the pashalik of Belgrade, Karadjordje<@145>s revolution resulted in the almost complete cleansing of the Muslim population". Nach den Kriegen 1876-78 fand der massivste Migrationsprozeß auf dem Balkan im 19. Jahrhundert statt; der serbische Historiker Milan S. Protic schätzte die Zahl der Menschen, die ihre ursprüngliche Heimat verließen, auf 2 Millionen; vgl. auch: Karl Kaser, Das ethnische "engineering", Handbuch, S. 413.

22 Vgl. Dimitrije Boarovs Vojvodina-Artikel im Handbuch.

23 T. Judah, a.a.O., S. 59. – Garasanins Entwurf findet sich in: W. Petritsch, K. Kaser, R. Pichler, Kosovo/Kosova. Mythen, Daten, Fakten, Klagenfurt 1999. – Zur Problematik der nationalistischen Ideologie: Wolf Dietrich Behschnitt, Nationalismus bei Serben und Kroaten 1830-1914. Analyse und Typologie der nationalen Ideologie, München 1980 (Südosteuropäische Arbeiten 74); Über Entwicklung und Einfluß nationaler Ideologien in Bosnien-Herzegowina: Srecko M. Dzaja, Bosnien-Herzegowina in der österreichisch-ungarischen Epoche (1878-1918). Die Intelligentsia zwischen Tradition und Ideologie, München 1994; Dimitrije Djordjevic, Revolutions nationales des peuples balkaniques 1804-1914, Belgrad 1965; David Mackenzie, Ilija Garasanin: Balkan Bismarck, Boulder/New York 1985; Holm Sundhaussen, Der Einfluß der Herderschen Ideen auf Nationbildung bei den Völkern der Habsburgermonarchie, München 1973; Wayne S. Vucinch, The First Serbian Uprising 1804-1813, Boulder 1981.

24 Latinka Perovic spricht in diesem Zusammenhang von "einer Polarisierung zwischen eher dem Lager der Aufklärung und des Rationalismus zugeneigten Schriftstellern und einer eher der Romantik zuzuordnenden Bewegung. Dem entsprach eine Kluft zwischen den Anhängern eines ,neuen‘ und eines ,alten‘ Bewußtseins im Volke. Das ,Alte‘ war eine Mischung aus heidnischen Elementen und einer volkssprachlichen und, des Analphabetismus wegen, nicht schriftgebundenen Religiosität. Mit "Vuk Karadzic und dem Montenegriner Njegos an der Spitze, setzte sich die serbische Literatur in romantischer Prägung durch, wodurch gerade das heidnische Kulturerbe, eine heroische und kampfbetonte Lebensphilosophie der Volkslieder und -epen sowie deren Sprache gefestigt wurden. Der Konflikt zwischen Patriarchalität und Modernisierung, zwischen Kollektivismus und Individualismus, letztlich zwischen einer ,östlichen‘ und einer ,westlichen‘ Ausrichtung hat sich spürbar bis in die heutigen Tage verlängert", in: Handbuch, S. 100.

25 Slobodan Naumovic, "Opanken" im Parlament. Betrachtungen über die Bedeutung bäuerlicher Symbole in der serbischen Politik, Veröffentlichung der Association of Social History, siehe: www.udi.org.yu

26 Nach Sundhaussen, 1989, S. 58.

27 Seinen Werdegang als Kommunist erklärte er: "In meinem Inneren ist es damals zu einer großen Spaltung gekommen: Die Wahrheit gehöre dem Dorf und den Bauern, und die Unwahrheit bestünde in der Stadt unter den Städtern ... Ich wurde Kommunist wegen der dörflichen und bäuerlichen Armut ... Es war also nicht die Arbeiterklasse und deren Ausbeutung, die mich für die Bewegung entflammt hätte", nach Naumovic, a.a.O.

28 In Republika 201, November/2/98.

29 A Serbian Village in Historical Perspective, New York 1972.

30 Vgl. Tabelle Beschäftigte in BR Jugoslawien.

31 Vukasin Pavlovic (Hrsg.), Potisnuto civilno drustvo, Belgrad 1995; M. Marjanovic, a.a.