Die letzte ‚Kommune’

 

Kurz nach dem neuen ‚Widerspruch’ kam das letzte ‚Kommune’-Heft. Zwei fast gleich alte Zeitschriften, als unabhängige publizistische Projekte in einem politisch ähnlichen Umfeld geboren. Vergleichen lassen sie sich schwer. Das linke Theorieforum aus der Schweiz erscheint halbjährlich und kommt knochentrocken daher. Die im Format doppelt so grosse, einer maoistischen Gruppe in Deutschland entwachsene Zweimonatszeitschrift ist, nein war mehr journalistisch, feuilletonistisch, leichter. Denkstoff kombiniert mit Lesevergnügen. Offensichtlich mit Leidenschaft verfasste Texte in verschiedenen kulturellen Rubriken. Zwischendurch gab es Augenweiden. Doch die Bilder waren Illustrationen, oft auch selbstständige Reflexionen. Nie nur Blickfang.

 

Linkes mit viel Grün

 

In den zehn Jahren, die ich als Leser dabei war, habe ich diese Mischung sehr schätzen gelernt. Vor allem jedoch war mir die inhaltliche Akzentsetzung wichtig: Auf linker Basis, mit der Ökologiefrage als Kern-, nicht als Nebenthema. Rot geprägte Theorie lässt sich in Deutschland noch in etlichen Zeitschriften finden. Aber wo sonst gibt es einen Ort für die fällige grünrote Grundsatzdebatte? Bald legt eine Enquete-Kommission des deutschen Bundestages ihren Schlussbericht zum Thema „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“ vor. Wo wird dieser umfassend kritisch gesichtet? Im vorletzten Heft fanden sich gleich drei umfangreiche Beiträge zu diesem Komplex. Titel des Schwerpunkts: „Zu neuen Ufern“. Nur eben: Die auch hier kleine Gruppe, welche das Projekt über Jahrzehnte durchzog, kam zur Auffassung, „dass es besser ist, eine gute Zeitschrift nach dreissig Jahren einzustellen, statt den Zeitpunkt abzuwarten, an dem sie aus materiellen und persönlichen Gründen nicht mehr zu halten ist“. Traurig, verständlich. Seit längerem nahmen Abozahlen und Resonanz ab.

 

Die allerletzte Ausgabe ist dick. Eine schöne und schmerzliche Lektüre. Rückblicke auf drei Jahrzehnte eigener wie gesellschaftlicher Entwicklung. Gerd Koenen zum Beispiel, einst selbst in engen kommunistischen Zirkeln gefangen, vermutet bei gebrannten Kindern „ein geschärfteres Sensorium“, was politische Verblendungen betrifft. Was er zur ach so fortschrittlich globalen Computer-Welt und zur Integrationspolitik anmerkt, ist provozierend. Den zwei, drei Leuten, die das Zeitschriftprojekt in einer Form „selbstbestimmten Arbeitens und Lebens“, die andere Selbstausbeutung nannten, praktisch trugen, hat er Trost: Trotz seiner „vermeintlichen Unzeitgemässheit“ sei wohl das mit der ‚Kommune’ vertretene Prinzip zukünftiger als es in diesem Moment aussehen möge. Michael Ackermann dankt in einer Fussnote seinerseits allen Autorinnen und Autoren, ohne deren Texte und Analysen seine eigene Betrachtung über ehemalige und neue Gesellschaftsvorstellungen niemals hätte entstehen können. „Das Privileg des Redakteurs war es, über Jahrzehnte alles Publizierte auch wirklich lesen zu dürfen/müssen. Da ist viel eingesickert.“

 

Noch einmal querweltein

 

Ansonsten bietet das Heft noch einmal das ganze Spektrum. Von den grossen Analysen über die Kolumnen bis zu den Rezensionen: Europa- und Demokratiekrise. Albanien, Kuba, China. Ein ausführlicher Bericht über „eine kurze Reise in ein fremdes Land“, zur gigantischen 100-Jahr-Feier für den 1994 verstorbenen Kim-Il-Sung, der in Nordkorea formal nach wie vor Staatspräsident ist. Gespenstisch, mit erhellenden Erläuterungen zur Juche-Doktrin als „Nationalreligion“ versehen. Dass der Autor, Jochen Noth vom Asien-Pazifik-Institut, ein Experte ist, wird spürbar. Wahrscheinlich zeigt sich auch hier, dass der Marsch durch die Institutionen ein riesiges Reservoir an kompetenten linken Leuten bescherte. Auch das trug zur Qualität der Zeitschrift bei. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Autorinnen und Autoren der ‚Kommune’ treffen sich am 9. März nochmals im Ökohaus Frankfurt. Frage des Tages: „Was nun?“ Sollte sich in irgendeiner Form ein neues Projekt ergeben, wird das hier selbstverständlich vermeldet. (haste)

 

Kommune. Forum für Politik, Ökonomie, Kultur. Hefte 5 und 6 / 2012. Frankfurt am Main, 124 und 260 Seiten im Grossformat. Einzelhefte je 10 Euro. Schon jetzt sind viele Beiträge abrufbar über www.oeko-net.de/kommune

 

Hans Steiger, 14.2.2013,