journal-frankfur-online, 7. Februar 2013
Gerald Schäfer
Nach 30 Jahren ist Schluss
Das leise Aus der
Kommune
Foto: Nils Bremer
Es wurde laut, als die FTD ihr Aus verkündete. Die Zukunft der Rundschau
füllt den Blätterwald. Die Zeitschrift "Kommune" hat nach 30 Jahren
ihre letzte Ausgabe gedruckt. Und kaum einer hat es gemerkt.
Michael Ackermann ist kein Klugscheißer. Er ist Realist. Im Café im
Bockenheimer Ökohaus rührt er bedächtig seinen Tee. "Es tut weh, aber es
ist nachvollziehbar!", bekam er von treuen Lesern in den vergangenen
Wochen des Öfteren zu hören. Ackermann, bis vor kurzem noch Chefredakteur der
Zeitschrift "Kommune", nickt leicht mit dem Kopf. "Schade"
sei es, "traurig", dass die Kommune nach 30 Jahren eingestellt werden
musste. "Aber die große Protestwelle blieb aus", sagt Ackermann.
"Das sagt doch schon viel aus. Da muss man einsichtig sein." Im Januar
lief die letzte Ausgabe des zweimonatlichen Magazins übers Druckerband. Es war
das absehbare Ende einer bewegten Geschichte.
Wenn man es genau nimmt, wurde der Grundstein der Kommune 1980 gelegt. Der
Kommunistische Bund Westdeutschland (KBW) spaltete sich in zwei Lager. Die
Abtrennung des neu gegründeten "Bund Westdeutscher Kommunisten" (BWK)
spiegelte sich auch in der Abonnentenzahlen der hauseigenen Zeitschriften
wider. Die Kommunistische Volkszeitung (KVZ) sowie Kommunismus und Klassenkampf
(KuK) standen vor dem Aus. Zeit also, etwas Neues zu schaffen. Eine unabhängige
Zeitschrift, die sich keinen Partikularinteressen unterwirft. Im Januar 1983
erschien die erste Ausgabe der "Kommune. Forum für Politik und
Ökonomie." Im Laufe der Jahre kam die Kultur als drittes Themenfeld dazu.
1985 löste sich der KBW auf und vermachte sein Vermögen dem neu gegründeten
Verein "Assoziation", dem Rechtsnachfolger der K-Gruppe.
Das monatliche Magazin beschäftigte sich mit grün-alternativen Themen, war Teil
der sogenannten "Gegenöffentlichkeit", die etwas anderes machen
wollte, als die alteingesessenen Medien. Die Berliner taz sei die
Speerspitze derselben gewesen, erinnert sich der Chefredakteur. "Damals
gab es noch klare Fronten." Es gab Alte und Junge, Liberale und
Konservative, Kommunisten und Kapitalisten. Es lag eine gewisse Schärfe in der
Auseinandersetzung. Und die Kommune war mittendrin. Jutta Ditfurth, Otto Schily
oder Bernd Ulrich - der heute stellvertretender Chefredakteur der
"Zeit" ist - schrieben für die Frankfurter Zeitschrift. Als die
Kommune ihre redaktionelle Arbeit aufnahm, saß der Verlag noch in der Mainzer
Landstraße. Später hat er Räume im Ökohaus in Bockenheim. Die Commerzbank
wollte das Gelände im Gallus unbedingt erwerben. Verkaufen kam für den Verein
aber nicht in Frage. Also bot die Bank ein Tauschgeschäft an: Die alte
Verlagsheimat, die man für rund drei Millionen Mark erworben hatte, gegen das
Gelände in Bockenheim plus einem neuen Haus (Schätzwert: 30 Millionen Mark).
1992 war das Ökohaus "Arche" einzugsbereit. Auch wegen des Tauschgeschäfts
wurden Stimmen laut, die behaupteten, die einstigen Funktionäre des KBW hätten
sich, völlig unkommunistisch, bei der
Abwicklung bereichert. Michael Ackermann winkt ab. Er möchte
klarstellen: "Der Verein ist der Wächter aller Geschäfte. Da wird nichts
veruntreut, da darf sich niemand bereichern!"
Nach dem Umzug nach Bockenheim ging es mit der Kommune bereits langsam bergab.
Die Auflage, die einst 5000 Exemplare stark war - schmolz langsam in sich
zusammen. Am Ende konnte die Kommune eine und eine dreiviertel feste Stelle
finanzieren. Hinzu kamen ein Lektor, eine Layouterin, 20 regelmäßig schreibende
und rund 100 unregelmäßig publizierende freie Autoren. Nach dem Zusammenbruch
des realsozialistischen Ostblocks in Europa verloren die einst hitzigen
Diskussionen, mit denen sich die Kommune vornehmlich beschäftigte, ihren
Zündstoff. Andere alternative Magazine, wie etwa der Pflasterstrand, der
1990 ins Journal Frankfurt aufging, hatten schon zuvor ihre Deutungshoheit und
mithin auch ihre Scene verloren. "Mit der endgültigen Durchsetzung des
Kapitalismus änderte sich der gesellschaftliche Umgang mit Themen", sagt
Ackermann. Verbiegen wollte sich die Kommune-Redaktion nicht. Sie wollte
"Fragen stellen, keine Meinung machen". Das erfordere vom Konsumenten
aber mehr Zeit. Und da der Magazin-Markt seit Anfang der 80er-Jahre
vielfältiger geworden sei, fehle vielen einfach eben diese, um sich durch ein
80 bis 120 Seiten dickes Magazin zu lesen. Die alten Leser sterben langsam weg,
die jungen gibt es kaum. Nach 20 Jahren entschloss sich die Redaktion, das
Monats- auf ein zweimonatliches Magazin zu stutzen. Die Auflage der
Januar-Ausgabe 2013: 1.600 Stück. Immerhin war das letze Heft schnell
ausverkauft.
"Im Prinzip hätten wir noch ein, zwei Jahre weitermachen können",
sagt Ackermann. Aber die Kommune einfach langsam verfallen lassen,
bis nichts mehr übrig ist, wollte dann doch niemand. Bereits Ende 2011 stand
für die Redaktion fest: Ende 2012, zum 30-jährigen Bestehen, ist Schluss. Es
sei einfach Zeit. Vielleicht gibt es aber eine Art Fortsetzung. Am 9. März
treffen sich Mitarbeiter und Autoren, um über eine mögliche Zukunft zu
sprechen. "Ein Online-Blog wäre zumindest vorstellbar", sagt
Ackermann. Vielleicht nennen sie das Ganze dann aber nicht mehr Kommune,
sondern verpassen dem neuen Projekt auch einen neuen Namen. Michael Ackermann
wird ironisch, wenn er sagt, man könne das Projekt ja auch
"Klugscheißer" nennen. Vielleicht wird er also doch noch ein solcher.
Die Kommune hat einige Texte der vergangenen Jahre auf ihrer Homepage archiviert.
Die letzte Ausgabe ist dort komplett einsehbar. Wer mehr Informationen zur
Kommune haben möchte oder Fragen hat, wendet sich an redaktion@kommune-forum.de