@ 21


86 junge Grüne für das @lternative 21. Jahrhundert

AutorInnen: Sven Metzger (Heidelberg), Christian Simmert (Telgte), Jule Endruweit (Hamburg), Wolf Buchmann (Trier), Tilmann Holzer (Mannheim), Malte Schmidt (Witten), Susanne Eiffler (Telgte),Thomas Lange (Stolpe), Andreas Gebhard (Rösrath), Simon Schunk (Gießen), Jörg Prantel (Bonn)

Kaum zu glauben, aber wahr: Da machen sich junge grüne Abgeordnete und ihre MitarbeiterInnen auf, um mal so richtig das ein oder andere Tabu zu brechen. Junge hessische VolksvertreterInnen, die das repräsentieren wollen, von dem sie weiter entfernt sind, als die trudelnde Mir-Station von der Erde: die Jugend.

Es tut sich also was bei den GRÜNEN. Nicht etwa ein guter alter Flügelstreit, nein - langsam wächst ein dritter Flügel heran: die Liberalos, die sich mit "STAART 21" am 8.9.97 zu Wort gemeldet haben. Neoliberalismus und Deregulierung ist ihr politisches Programm für den Weg ins neue Jahrhundert. Die UnterzeichnerInnen dieses Diskussionsentwurfes wollen den Kurs der Kürzungen und falschen Bescheidenheit nicht mit tragen. Wir können uns eine solidarische, emanzipatorische, soziale, zivile und ökologische Zukunftsgesellschaft auch im 21. Jahrhundert vorstellen. 15 Jahre Kohl haben es nicht geschafft und auch "grüne Abgeordnete im Raumschiff" werden es nicht schaffen, uns unserer politischen Visionen zu "rauben"!

Trotz der immer enger werdenden finanziellen Spielräume werden wir uns in unserer jungen grünen Politik nicht auf das reduzieren lassen, was angeblich finanztechnisch machbar oder nicht machbar ist. Wir erwarten von Bündnis 90/DIE GRÜNEN - die wir immer noch als einzige parteipolitische Kraft begreifen, die in der Lage ist unsere Reformvorstellungen umzusetzen - das sich nicht der Deckmantel der Regierungsfähigkeit über das legt, was uns einmal dazu bewegt hat in diese Partei einzutreten: Feminismus, Basisdemokratie, Gewaltfreiheit, Solidarität und Ökologie.

@21 ist kein Papier was den Anspruch erhebt, von allen grün-alternativen Jugendlichen getragen zu werden, wie dies die AutorInnen des "STAAT 21" Papiers versuchen zu suggerieren. Wir wollen in unserer Partei ein Debatte darüber anzetteln, was sich junge Grüne gut zwei Jahre vor der Jahrtausendwende vorstellen, was sie für politische Forderungen an die Gesellschaft und damit auch an Bündnis 90/DIE GRÜNEN haben.

  1. Emanzipatorisch-feministische Politik für alle

Die jungen Karrieristen haben die Zeichen der Zeit erkannt Frauenpolitik ist bei ihnen das was es in anderen Parteien gerade zu werden scheint und was es bei den Grünen gerade reduziert werden soll. Wir dagegen wollen eine emanzipatorisch-feministische Politik - also etwas ganz anderes. Wir sehen Emanzipation von Frauen und Männern, sowie die daraus erwachsene Gleichstellung der Geschlechter als das Ziel einer gerechteren Gesellschaft und sind auch bereit Macht gegen eine bessere Lebensqualität einzutauschen. "Feministisches Paradox" beschreibt gut die Schwierigkeiten der Umsetzung dieser emanzipiert-feministischen Gleichstellungsidee in reale Politik. Der damit gemeinte Widerspruch von Gleichheit und Differenz läßt sich allerdings auflösen. Denn theoretisch - und damit als politische Orientierung - sind alle Menschen gleich - also auch Männer und Frauen. In der gesellschaftlichen Praxis aber sehen sich Frauen immer wieder damit konfrontiert, daß sie als Differente beurteilt und behandelt werden. emanzipatorisch-feministische Politik kann daher nicht anders, als von dieser praktizierten Differenz ausgehen und den Anspruch der Frauen auf gleiche Teilhabe vor allem auch in den harten Politikbereichen ständig neu zu formulieren - damit sich zunächst im Denken etwas ändert - und schließlich auch durchzusetzen. Bei den Gestaltungsaufgaben, die sich in dem gegenwärtigen umfassenden Strukturwandel auf dem Weg zu faktischer Gleichheit stellen werden wird es frauenpolitisch darauf ankommen, unter dem Handlungsdruck nicht unversehens patriarchalische Denkmuster fortzuschreiben - die dann beide, Frauen und Männer, in den altbekannten unfreien Rollenzuweisungen gefangen halten würden. Dies ist der emanzipatorische Aspekt unseres feministischen Politikverständnisses. Die zwei Schlüsselbereiche, in denen die Ungleichbehandlung von Frauen und damit die patriarchalische Gesellschaftsstruktur offensichtlich werden sind zum einen Gewalt gegen Frauen und zum anderen die Verteilung von Erwerbs- und Reproduktionsarbeit und die damit verbundene Existenzsicherung.

Gewalt gegen Frauen - patriarchale Macht

Sexualisierte Gewalt gegen Frauen stellt das Hauptinstrument patriarchaler Macht- und Herrschaftssicherung dar. Gewalt gegen Frauen ist einer der entscheidenden sozialen Mechanismen, durch den Frauen in eine im Vergleich zu Männern untergeordnete Rolle gezwungen werden. Frauen werden durch die stets latent vorhandene Bedrohung durch männliche sexualisierte Gewalt bereits als Mädchen in ihrer Identität geprägt und in ihrer Entwicklung nachhaltig eingeschränkt. Deswegen muß die sexualisierte männliche Gewalt als Strukturprinzip patriarchaler Herrschaftssicherung aufgezeigt und öffentlich verurteilt werden. Dazu gehört ein Verbot sexistischer Werbung genauso wie eine die bestehenden rechtlichen Mittel ausschöpfende Rechtsprechung gegen Gewalttäter. Auch in der Erziehung von Kindern muß diese Problematik einen hohen Stellenwert bekommen: In den Schulen sollte der Unterricht auf Grundlage einer "geschlechtsneutralen" Erziehung basieren.

Opfern von männlicher Gewalt muß die erste Sorge gelten und Schutz geboten werden. Bisher werden Opfer häufig nicht ernst genommen, bzw. selber für die Tat verantwortlich gemacht - anstatt den Täter zur Verantwortung zu ziehen. So dürfen Frauen nicht bestraft werden für die Gewalttätigkeit ihrer Männer, in dem z. B. Migrantinnen abgeschoben werden, die vor ehelicher Gewalt fliehen.

Gewalttätigkeit ist nicht das individuelle Problem der Opfer, sondern ein patriarchales Prinzip. Damit ist männliche Gewalt gegen Frauen kein privates, sondern ein gesellschaftliches Problem und muß als ein solches behandelt werden. Die Gesellschaft ist zum Schutze aller verpflichtet. Sie muß dafür sorgen, daß Frauen ihr Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit wahrnehmen und auf freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit verwirklichen können. Die bisherige Praxis von Polizei und Gerichten zwingt Frauen und Kinder häufig zum Verlassen ihrer bisherigen Umgebung und zur Flucht vor dem Gewalttäter ins Frauenhaus. Obwohl es rechtlich möglich wäre, den Gewalttäter zu zwingen die gemeinsame Wohnung zu verlassen. Die zahlreichen Frauenprojekte, die versuchen einen Bewußtseinswandel sowie in staatlichen Institutionen, als auch in der Öffentlichkeit zu bewirken müssen darin massiv unterstützt werden.

Für eine gleichberechtigte Teilhabe der Männer am Leben

Die gerechte Verteilung der Erwerbs- und Reproduktionsarbeit zwischen den Geschlechtern ist die Basis, auf der eine emanzipatorisch-feministische Politik aufbauen muß.

Die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, die Frauen trotz zunehmender Erwerbstätigkeit die gesamte Kinderbetreuung und Haushaltsführung sowie einen großen Teil der Erziehungs- und Pflegearbeit zuweist, hat trotz formaler Rechtsgleichheit ungleiche Lebensbedingungen zur Folge und hindert Frauen an einer gleichen Teilhabe an Erwerbsarbeit sowie politischer Partizipation. Von den erwerbstätigen Frauen hat jede zweite ihre Berufstätigkeit zur Wahrnehmung ihrer "Familienpflichten" mindestens einmal unterbrochen, Männer nehmen in der Zwischenzeit ihre Karriere und Aufstiegschancen wahr. Die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit ist eine zentrale Ursache für die spezifische Frauenarmut - gerade im Alter. Deswegen bedarf es einer Politik, die die Teilhabe der Männer am reproduktiven Sektor fördert in Form einer gleichstellungsorientierten Arbeitszeitpolitik und der Ermöglichung einer Gleichzeitigkeit von Erwerbsarbeit bei geteilter Elternschaft. Ein gesetzlicher Anspruch von Vätern auf Erziehungszeit, die bei Nichtinanspruchnahme verfällt, würde miterziehenden Vätern das Reduzieren der Arbeitszeit erleichtern, weil es Normalität würde. Das Ehegattensplitting das die traditionelle geschlechtsspezifische Rollenverteilung unterstützt muß abgeschafft werden.

Die Berufswahl von Frauen ist auf wenige Berufe ausgerichtet. Daher ist eine Höherbewertung und -bezahlung typischer Frauenarbeitsverhältnisse notwendig. Geringfügige, nicht sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen und Teilzeit werden fast ausschließlich von Frauen ausgeübt. Frauen müssen aber über ein ausreichendes eigenes Arbeitseinkommen verfügen, das ihre Existenz und die ihrer Kinder absichert. Teilzeitarbeitsplätze für obere Einkommen und Möglichkeiten von Arbeitszeitreduzierung mit staatlichen Transferleistungen für untere Einkommen und einem Rückkehrrecht auf den alten Arbeitsplatz zu gleichen Konditionen wären ein erster Schritt zur Um- und Neuverteilung von Arbeit. Um Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu fördern muß es verschiedene Maßnahmen geben: Quotierung aller Arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen, eine gleichstellungspolitische und frauenfördernde Auflagenpolitik bei der öffentlichen Subventions- und Auftragsvergabe um eine strikte Quotierung aller Ausbildungsplätze und aller beruflicher Qualifikations- und Hierarchieebenen durchzusetzen.

Von der wirtschaftlichen Rezession sind besonders Frauen betroffen, die gleichzeitig Familienarbeit leisten, behinderte Frauen, Migrantinnen und andere benachteiligte Gruppen. Einer Vielzahl von Frauen mit Kindern wird zusätzlich der Zugang zu Erwerbstätigkeit erschwert, weil das Angebot staatlich organisierter Kinderbetreuung weder qualitativ noch quantitativ ausreichend ist. Deshalb ist die Schaffung eines bedarfsgerechten öffentlichen und öffentlich finanzierten Kinderbetreuungsangebots notwendig. Auch eine frauengerechte Infrastrukturpolitik ist auch in ökologischer Hinsicht ein sinnvolles Instrument um Frauen und Männern die Koordination von Erwerbs- und Reproduktionsarbeit zu erleichtern.

Da eine wirklich emanzipatorisch-feministische Politik die Neu- und Umverteilung von Arbeit als wesentliches Element zur Neugestaltung einer Arbeitsmarktpolitik braucht, muß Frauenpolitik als Querschnittsaufgabe betrachtet und bei allen Maßnahmen berücksichtigt werden.

Revolution vollzieht sich manchmal langsam

Wir sind jung und gründlich desillusioniert? Und auch überhaupt nicht revolutionär und neu? - Die Idee eines emanzipatorisch-feministischen Umbaus der Gesellschaft aber, die so harmlos scheint, würde die Menschen und damit die Gesellschaft verändern. Lebensentwürfe, die weder den Vollzeiterwerbsarbeitsplatz, noch die Hausarbeit allein in den Mittelpunkt stellen, sondern beides zu wertgleichen und angemessenen Teilen berücksichtigen kann, lassen eine neue Lebensqualität entstehen.

Wir jungen Frauen und Männer tragen selbstverständlich den, "Feminismus unserer Mütter .. wie eine Monstranz vor uns her" Denn ansonsten wären wir nicht so weit im Denken wie heute. Dies verschafft uns die Möglichkeit auch anders zu handeln und zu leben: gemeinsam emanzipiert.

II. Arbeit umverteilen - Solidarität statt Ellenbogen

Die derzeitige Situation in der Wirtschaft scheint paradox: auf der einen Seite steigen die Unternehmensgewinne auf ein Rekrordniveau, auf der anderen Seite ist genau diese Entwicklung auch bei der Arbeitslosenzahl zu beobachten. Die frühere Formel, das die Unternehmen Gewinne in Innovationen stecken und so Arbeitsplätze schaffe, gilt nicht mehr.

In Zeiten in denen der "shareholder value" als die heilige Kuh gilt, werden die Gewinne versucht an den Internationalen Finanzmärkten zu "vermehrfachen" und nicht mehr in betriebsinterne Investitionen gesteckt. Im Rahmen einer zukunfts- und beschäftigungsorientierten Politik, sind zielorientierte Eingriffe in die unternehmerische Gewinnverwertung notwendig. Erwirtschaftete Finanzmittel, die für arbeitsplatzschaffende Investitionen und Innovationen genutzt werden, sollten geringer, Gewinnanteile für die Finanzmärkte höher besteuert werden.

Auch die öffentliche Hand muß ihrer Verantwortung für die Arbeitsplatzsuchenden stellen, und darf nicht unter dem Stichwort "schlanker Staat" aus der Pflicht nehmen. Wir fordern die Einführung eines öffentlichen Beschäftigungssektors! Denn nicht jede gesellschaftlich notwendige Arbeit wird automatisch angeboten. Es gibt Bereiche, in denen im marktwirtschaftlichen Selbstlauf keine Arbeitsplatze. Wir wissen, daß ein öffentlicher Beschäftigungssektor, der aus Steuergeldern finanziert wird, Geld kostet. Dennoch sehen wir darin auf jedem Fall die bessere Lösung, als langfristig Arbeitslosigkeit zu finanzieren.

Um aber das Ziel der Vollbeschäftigung zu erreichen, wird der Staat langfristig oder sogar dauerhaft seine Ausgaben im Beschäftigungssektor erhöhen müssen. Der in der Gesellschaft vorhandene Reichtum muß umverteilt werden, um diese Ausgaben zu finanzieren - das ist unvermeidbar! Es muß hierbei darum gehen, unproduktive Vermögensbildung zugunsten öffentlicher, produktiver, arbeitsplatzschaffender Ausgaben zu belasten.

Ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zur Vollbeschäftigung ist eine radikale Verkürzung der Arbeitszeit. Über gesetzliche Rahmenbedingungen ist die Umverteilung der Arbeit aktiv zu fördern.

Für untere und mittlere Einkommen muß ein voller Lohnausgleich geschaffen werden. Zur Finanzierung ist zum einen über Lohneinbußen der Besserverdienenden ("Lohn gegen Zeit") nachzudenken, zum anderen müssen hier auch die ArbeitgeberInnen ihren Teil dazu beitragen. Für uns ist nicht einzusehen, warum die ArbeitnehmerInnen an der hervorragenden Gewinnsituation der Untenehmen nicht partizipieren sollen. Desweiteren auch um hiermit die Umverteilung der letzten Jahre, die zu Lasten der abhängig Beschäftigten und zu Gunsten der Gewinneinkommen ging zu korregieren.

Zur Schaffung sicherer und zukunftsfähiger Arbeitsplätze sollen vor allem ökologische und innovative Produktionsweisen gefördert werden.

III. Sozialpolitik ist für uns ein unverzichtbares politisches Korrektiv

Die Ausgestaltung des Sozialstaates marktgängig schleifen zu wollen, ist für uns ein Widerspruch in sich. Ein Sozialstaat, der den Marktmechanismen untergeordnet und damit letztlich den Renditerwartungen der Besitzenden unterworfen werden soll, ist keiner mehr!

Ein umfassend verstandener Sozialstaat entzieht, auf verschiedenen Ebenen durch Vorbeugung und vor allem durch Ausgleich sozialer Risiken wesentliche Lebensbereiche rein konkurrenz- und marktmäßigen Regulierungsmechanismen. Die Schutzrechte der Beschäftigten, vom Kündigungsschutz über Arbeitsschutzbestimmungen bis zur Regelung von Arbeitszeiten stellen einen direkten Eingriff in den Produktionsprozeß und den Arbeitsmarkt dar. Über Steuer- und Ausgabenpolitik, Sozialtransfers sowie die Sicherstellung von Koalitionsfreiheit und Streikrecht der Beschäftigten zielt der Sozialstaat auf eine Änderung und Korrektur der Marktverteilung ab. Die Risiken Arbeitslosigkeit, Krankheit und Invalidität ebenso Alter werden über Sozialleistungen nachträglich abgemildert und kopensiert. Sozialstaat ist Gegenprinzip zur Verwertungslogig kapitalistischer Wirtschaftsordnung. Die Gegenläufigkeit zur Marktlogik ist somit kein korrekturbedürftiger Konstruktionsfehler, sondern gerade das Wesen von Sozialstaatlichkeit.

Sozialpolitik ist für uns ein notwendiges politisches Korrektiv zur bestehenden Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Die Marktwirtschaft bringt aus sich heraus stets Ungleichheit, Ungerechtigkeit und soziale Risiken hervor. Die Entfesselung der Märktkräfte führt an den Abgrund. Ob und in welchem Umfang eine demokratische und soziale Gestaltung der - von sich aus nicht gerechten - Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung gelingt hängt von vielen Faktoren ab. Entscheidend ist das Kräfteverhältnis zwischen denjenigen, die diese politische Einflußnahme prinzipiell ablehnen und denjenigen, die zur Wahrung und Durchsetzung ihrer Lebensinteressen gerade auf die politische Steuerung einer marktwirtschaftlichen Gesellschaftsordnung angewiesen sind.

Ein wichtiger Punkt zur Wahrung und Durchsetzung von Lebensinteressen ist die Sicherung vor Armut. Wir fordern eine bedarfsgerechte und unbürokratisch zu erhaltende Grundsicherung. Diese muß deutlich über dem Existenzminimum liegen. Die Grundsicherung soll auch zu existenzsichernder Bezahlung von ArbeitnhemerInnen zwingen und ist nicht als Zuschuß für schlechtbezahlte Jobs gedacht.

Für Frauen ist eine eigenständige soziale Absicherung sicherzustellen. Kindererziehungs-, Pflege- und Teilzeitarbeitszeiten müssen eigenständige Versicherungsansprüche begründen, deren Berechnungsgrundlage der Durchschnittverdienst der Erwerbstätigen zugrunde liegen soll. Da für uns soziale Rechte unteilbar sind, müssen alle Menschen ohne deutschen Paß - also auch AsylbewerberInnen - den gleichen zu Sozialleistungen haben wie "InländerInnen". Auch der Schutz vor Obdachlosigkeit ist für uns ein grundlegendes Merkmal eines Sozialstaates. Für uns ist der Sozialstaat die tragende Säule für eine solidarische und damit zukunftsfähige Gesellschaft.

Die Renten sind sicher nicht sicher

Die Rentenversicherung stellt sich zur Zeit als brüchiger Generationenvertrag dar, den wir nach den momentanen Aussichten so nicht mehr einlösen können. Die Rente hängt allerdings weniger von der demographischen Situation als vielmehr vom Arbeitsmarkt ab. Hier entscheidet sich, in welchem Verhältnis die Zahl der RentnerInnen zur Zahl der beitragspflichtigen Beschäftigten und deren Einkommen stehen. Die Massenarbeitslosigkeit ist somit das Kernproblem der Rentenfinanzierung. Durch eine konsequente Bekämpfung der Erwerbslosigkeit würden die Beitragseinnahmen erhöht. Dies bedeutet, daß auch hier eine arbeitsplatzschaffende Politik absolute Priorität haben muß!

Desweiteren sollen alle BürgerInnen - also auch Beamte, FreiberuflerInnen, Selbständige, 610-Mark-Jobs Abgeordnete - in die Rentenversicherung einbezogen und die Bemessungsgrenzen der Beiträge auf- bzw. angehoben werden. Sogenannte versicherungsfremde Leistungen sind aus der Rentenversicherung auszugliedern und aus den allgemeinen Steuermitteln des Bundes zu zahlen.

Um eine Altersarmut von Frauen zu verhindern müssen besondere Regelungen im Hinblick auf Erziehungs- und Pflegezeiten sowie für Teilzeitarbeit getroffen werden. Auch auf neuen Erwerbsbiographien müssen wir uns einstellen. Dem wollen wir dadurch gerecht werden, daß wir für die Anspruchsberechnung nur noch die "besten 30 Jahre" zwischen 16 und 65 Jahren zu Grunde legen! Rente muß existenzsichernd sein, deshalb muß sie mindestens dem Satz der Grundsicherung entsprechen!

IV. Azubis sind keine Sparschweine!

Mit der sich zuspitzenden Situation der Vernichtung von Ausbildungsplätzen sind die Regierung Kohl und die deutschen Unternehmen nicht nur dabei sich auf dem Rücken Jugendlicher gesund zu stoßen, sondern sie rauben einer ganzen nachwachsenden Generation die Chance auf eine selbstständige Existenzsicherung!

Die Jugendlichen haben die Versprechungen der PolitikerInnen satt und wollen endlich eine ehrliche Diskussion darüber, wie mehr Ausbildungsplätze in zukunftsfähigen Berufen geschaffen werden können und auch selbst daran beteiligt werden! Das ewige "Konsens-Geblubber" bringt Jugendlichen nicht einen Azubi-Platz und verhindert eine Lösung, wie die Ausbildungsplatz-Umlagefinanzierung. Da die Wirtschaft nicht bereit ist dafür zu sorgen das qualifizierter Nachwuchs ausgebildet wird, müssen Betriebe, die nicht ausbilden umgehend zur Kasse gebeten werden. Die solidarische Umlagefinanzierung muß bis 1998 kommen!

Trotz der dramatischen Lage auf dem "Ausbildungsmarkt" lassen wir uns nicht von unserer Forderung abbringen, weiterhin für das Recht aller Jugendlichen auf einen Ausbildungsplatz zu kämpfen! Ebenso wie das Recht auf Bildung ein Menschenrecht ist, so sehen wir es als gesellschaftliche Pflicht der ArbeitgeberInnen alle Auszubildenden für ein Jahr zu übernehmen!

Die Lebenssituation von jungen Auszubildenden hat sich grundlegend geändert, da sie sich früher als noch vor Jahren eine eigene Existenz aufbauen. Dem muß auch die Ausbildungsvergütung Rechnung tragen! Wir eine Diskussion um die Umwandlung der Ausbildungsvergütung in ein "Ausbildungs-Gehalt" Bereits die berufliche Ausbildung muß Jugendliche in die Lage versetzen ihre Existenz zu sichern, damit sie in der Lage sind ein elternunabhängiges Leben zu führen!

Ein selbstbestimmtes Leben beinhaltet ebenfalls demokratische Rechte für Azubis. Diese sind bisher nur mangelhaft verwirklicht. Wir brauchen keine Jugendausbildungsvertretung (JAV), die darauf reduziert wird, ein "Spaß-Clübchen" zu sein, sondern JAVen, die von den Personalräten voll in Diskussionen und Enscheidungen über sie betreffende Fragen einbezogen werden. Es ist an der Zeit offen auszusprechen was längst betriebliche Realität auch unter jungen Auszubildenden ist: der Konkurrenzdruck steigt ins unerträgliche, teilweise beteiligen sich nur noch 15 % der Azubis an JAV-Wahlen in den Betrieben und völlig überzogene Leistungshürden - sowohl bei Einstellungen als auch bei Zwischenprüfungen -sorgen dafür, daß immer mehr Jugendliche auf der Strecke bleiben. Wir fordern die Gewerkschaften auf in einen Dialog mit der jungen Generation einzusteigen, um eine stärke Demokratisierung für Azubis umzusetzen! An die Adresse der ArbeitgeberInnen sei gesagt: Wer die Daumenschrauben anzieht gefährdet den sozialen Frieden!

Wir stehen ohne wenn und aber zur dualen Ausbildung und fordern dessen Ausbau! Der Erhalt des zweiten Berufschultages ist unabdingbar, da wir keine Zwei-Klassen-Bildung brauchen, sondern eine qualifizierte berufliche Bildung, die auch benachteiligten Jugendlichen eine bestmögliche Qualifizierung gewährt. Der allgemeinbildende Teil in der Berufschule muß stärker mit dem betrieblichen verknüpft werden. Nicht im Sinne des von der Bundesregierung betriebenen Bildungsabbaus, sondern durch lebensnahe und praxisorientierte Reform. Wer meint die berufliche Bildung zu verstaatlichen oder gar "den freien Kräften" des Marktes preiszugeben, muß sich Fragen lassen, ob er sein soziales Gewissen an der Garderobe am Hörsaal der Betriebswissenschaften abgegeben hat.

V. Bildung ist kein Privileg, sondern Menschenrecht

Steigende Klassengrößen, mehr Arbeitszeit für LehrerInnen, Vernachlässigung der Lehre durch viele ProfessorInnen und mangelnde Kontrolle derselben, übervolle Hörsäle und Seminare oder die in den letzten Jahren kontinuierlich sinkenden Forschungsausgaben zeigen, daß in der Politik kurzfristige, wahltaktische Überlegungen Vorrang vor einer langfristigen Zukunftssicherung für junge Menschen haben.

Die Zukunft junger Menschen, aber auch der Gesellschaft, in der sie leben, hängt davon ab, mit welcher Qualifikation sie in ihr Leben starten. Für eine Zukunft in der Rohstoffe nicht mehr beliebig ausgebeutet werden dürfen, wird Bildung eine immer wesentlichere Rolle spielen. Bildung ist sowohl ein für die gesellschaftliche Entwicklung sowie wirtschaftliche und politische Stabilität bedeutsames Gut.

Unglaublich, aber war - Schule könnte Spaß machen!

Nicht die einseitige Faktenvermittlung im 45 min. Frontalbeschuß ist die pädagogische Perspektive der Zukunft. Vielmehr muß eine breite Palette von Fähigkeiten vermittelt werden. Dazu zählen soziale Kompetenzen, das Verständnis des Funktionierens demokratischer Strukturen und Konfliktlösungsmechanismen, sowie handwerkliche und künstlerische Begabungen. Dieses Spektrum an Fähigkeiten läßt sich nicht in einem elitären, von Konkurrenzkampf bestimmten und weitgehend undurchlässigem dreigliedrigen Schulsystem gewährleisten. Die Zukunft gehört daher die individuelle Entwicklung der SchülerInnen berücksichtigendes Gesamtschulsystem (Integrierte Gesamtschule). Dieses darf sich nicht den Vorstellungen von Leistungsdruck und Faktenpauken unterordnen. Dazu gehören projektbezogenes und fächerübergreifendes Lernen ein Arbeitsklima ohne Noten- und Konkurrenzdruck und die Möglichkeit, daß die SchülerInnen über Inhalte und Schwerpunkte ihrer Arbeit mitentscheiden.

Wir wollen mitreden - und selbst bestimmen!

Selbstbestimmung gehört in die Schule und Hochschule in dem das Demokratieverständnis junger Menschen geprägt wird. Demokratie kann nicht gelernt, sie muß gelebt werden. Deshalb darf Demokratie in der Schule nicht auf die Theorie im Unterricht beschränkt. Wir fordern eine demokratische Schule und Hochschulstruktur, in der alle Beteiligten gleichberechtigt über alle für die Schule/Hochschule wesentlichen Fragen entscheiden. Schülerinnen- und Studierendenvertretungen müssen das Recht auf strukturelle und inhaltliche Selbstbestimmung (Allgemeinpolltisches Mandat) haben. Dies schließt auch eine ausreichende finanzielle Absicherung der Interessenvertretungen ein. Selbstverständlich müssen diese Forderungen auch entsprechend für den Bereich der Hochschulen gelten.

VI. Hochschule im Umbau der Gesellschaft

Im Gegensatz zu anderen Bildungseinrichtungen ist das deutsche Hochschulsystem am längsten in der Krise. Statt die Reform des Studiums mit einer Reform der Studienfinanzierung zu verknüpfen, wird an den akuten Problemen nur herumgedocktert. So sind z.B. starre Regulierungen von Prüfungs- und Studienordnung wenig hilfreich, eine Hochschulausbildung den Anforderungen an ein kritisch-interdisziplinäres Studium anzupassen. Schnell wandelnde Berufsbilder erfordern ein problemorientierten Praxisbezug im Studium aber keine Zweitteilung der Hochschulausbildung in "berufsbefähigend" und "wissenschaftsorientiert". Diese Ansprüche können aber nur dann an den Hochschulen verwirklicht werden, wenn die Demokratiedefizite abgebaut werden. Es ist nicht von entscheidender Bedeutung, daß die Hochschulleitungen direkt gewählt wird, sondern das in den Gremien, die für die grundlegenden Entscheidungen zuständig sind, allen Mitgliedern der Hochschulen gleichberechtigte Mitbestimmungsmöglichkeiten eingeräumt werden. Dies bedeutet konkret, daß z. B. durch Kreuzwahlverfahren Studierende ProfessorInnen mitwählen und umgekehrt, daß z.B. die Gremien im verfassungsrechtlichen Rahmen paritätisch besetzt werden, daß den einzelnen Gruppen Vetorecht eingeräumt wird.

Die Erde ist eine Scheibe

Damit sich die Hochschulen bei verstärkter Eigenverantwortung nicht in einen Elfenbeinturm zurückziehen muß ihre Einbindung in die Gesellschaft sichergestellt werden. Nichts wäre für eine Demokratie schlimmer, als wenn sich die Bildungseinrichtungen aus der gesellschaftlichen Verantwortung stehlen würde. Ähnlich wie das Studium leidet die Wissenschaft an überholten Leitbildern. In den "Life sciences" z. B. muß das Leitbild der Naturbeherrschung durch einen ganzheitlichen Ansatz der nachhaltigen und vorsorgenden Entwicklung wie auch in anderen Bereichen ersetzt werden. Die bestehenden Nachteile von Frauen an den Hochschulen werden nicht nur dadurch gelöst, daß in den Universitäten der Anteil von Wissenschaftlerinnen gesteigert werden soll, sondern daß auf allen Ebenen der Hochschulen Frauen bei erforderlicher Qualifikation solange bevorzugt eingestellt werden, bis ihr Anteil mindestens fünfzig Prozent beträgt. Darüber hinaus muß der massiven Diskriminierung von Frauen entgegengewirkt werden, da ansonsten dieses formulierte Ziel reine Makulatur bleibt. Wissenschaftliche Studien haben längst aufgezeigt, daß die Koedukation im Bildungssystem, vor allem in den naturwissenschaftlichen Disziplinen, ein Problem darstellt. Von daher wäre mindestens eine teilweise Aufhebung der Koedukation und die Einrichtung von Frauenhochschulen notwendig.

Keine Erbsenzählerei

Nur durch eine breite Teilhabe an Arbeit, Umwelt, Kultur und Wissenschaft kann das Projekt einen ökologischen, sozialen und zivilgesellschaftlichen Umbaus der Industriegesellschaft gelingen. Daher ist es notwendig, die bildungsferne Schichten, sowie Frauen, Lesben, Schwulen, Behinderte, chronisch Kranke und MigrantInnen in den wissenschaftlichen Arbeitsprozess verstärkt zu integrieren, weil sonst die Problemwahrnehmung und die Lösungskompetenz der Mehrheit der Bevölkerung fehlt. Studien- und Verwaltungsgebühren, Akademikersteuern und Bildungsgutscheinen führen zu einer sozialen Selektion von Studierwilligen und somit nicht zu einer qualitativen Lösung des Problems Massenhochschule. Der Staat muß die treuhänderische Finanzierung der Hochschulen gewährleisten, die Studienfinanzierung sicherstellen und den Hochschulzugang regeln. Der Hochschulzugang für Berufstätige muß deutlich ausgebaut und gefördert werden. Neben der generellen Anerkennung der Meisterprüfung als fachgebundene Hochschulreife soll perspektivisch jegliche Berufsausbildung auch das Studium in einem dieser Ausbildung komplementären Wissenschaftsbereiche ermöglichen. Wir wollen eine wissenschaftliche Berufsausbildung mit finanzieller Absicherung, nicht die Zusammenstreichung des Bafög, wir wollen kein Placedo namens BAFF, das auf gesamtgesellschaftliche Solidarität verzichtet, sondern eine elternunabhängige, bedarfsdeckende Studienfinanzierung. An der Finanzierung des studentischen Lebensunterhaltes müssen sich alle BürgerInnen gemäß ihrer finanziellen Lage beteiligen.

Die Gewährleistung einer guten und zukunftsorientierten schulischen und beruflichen Bildung für alle kostet Geld, dies zu leugnen wäre ein schlechter Witz. Es wäre allerdings kein Witz mehr darauf zu vertrauen, daß sie sich von alleine finanziert, wenn dies den Kräften des Marktes überlassen würde. Wenn die Generation 30 plus verlangt, daß wir sie im Alter versorgen, müssen sie jetzt die Werkzeugen finanzieren, die uns dies ermöglichen. Dazu gehört: die Hochschulkürzungen zu stoppen und die langjährige Unterfinanzierung zu stoppen.

VII. Öko? Logisch!

Die Natur ist die einmalige Lebensvoraussetzung für die Menschen - sie kann niemals simuliert oder manipuliert werden wie Aktienkurse, Unternehmensgewinne oder Wachstumsraten. Niemand, noch so reich oder mächtig, hat das Recht, mit der Natur im ganzen und ihren Wesen im einzelnen nach Belieben zu verfahren.

Ökologie erfordert soziale Emanzipation und Zivilcourage der Menschen. Wir wollen endlich Bedingungen schaffen, in denen sich Sorge für sich selbst mit Fürsorge für andere und Rücksicht auf den gemeinsamen Lebensraum ökologisch vernünftig verbinden. Ökologie ist deshalb mehr als Umweltpolitik, sie ist immer auch Gesellschaftspolitik: Politische Ökologie.

Wir haben den Mut, eine ökologische, soziale und demokratische Neubestimmung der stofflichen und strukturellen Seite des Wirtschaftens auch gegen Widerstände durchzusetzen. Einmalige Naturressourcen, die für das Wirtschaften unverzichtbar sind, betrachten wir als Gemeineigentum, an dem jedem Menschen ein gleiches Anrecht zusteht.

Die Klimakatastrophe mit Treibhauseffekt und Ozonloch vernichtet schon heute große Lebensräume. Die Luft wird weiter verpestet, mehr und mehr Wasser wird vergiftet, große Bodenflächen sind verseucht. Die Wälder werden bis zur Verwüstung erst vergiftet und dann abgeholzt. Die letzten Paradiese der Erde werden sehenden Auges zerstört, natürliche Ressourcen vorsätzlich vergeudet.

Brutaler denn je wird egoistisch und verlogen industriellen Verwertungsinteressen der Weg bereitet. Es ist der industrielle Wachstumswahn, der unsere Welt seiner aggressiven und expansiven Logik unterwirft. Die kapitalistische Gier nach Stoffen und Energie, nach Flächen und Zeit wird bisher kaum von einer vorausschauenden Vernunft und Ethik gebremst und entzieht sich jeglicher Kontrolle durch die Betroffenen. Die herrschende Politik, die den brachialen Kapitalismus forciert, war und ist unwillig und unfähig, schädigendem Wachstum Grenzen zu setzen oder es in zumindest erträglichere Bahnen zu lenken.

Sowohl zentral gelenkte bisherige Planwirtschaften als auch die ungebremste Geltung privatwirtschaftlicher Interessen haben sich als untauglich erwiesen, ökologisch zu produzieren und strukturelle Armut zu verhindern. Der Zusammenbruch der realsozialistischen Wirtschaftsformen bedeutet jedoch für uns keine pauschale und automatische Zustimmung zum kapitalistischen Wirtschaftssystem! Wir wollen statt dessen den Wandel zu einer ökologisch-solidarischen Weltwirtschaft, in der Wachstum und Schnelligkeit an sich nicht mehr die entscheidenden wirtschaftlichen Zielgrößen sein dürfen.

Besonders die individuellen Lebensweisen bedürfen der Veränderung. Doch wir wissen: jedem einzelnen Menschen das ökologisch notwendige Maß an Selbstbeschränkung und Verantwortlichkeit abzuverlangen, braucht Zeit. Allzuoft haben die Menschen bereits nicht mehr die Entscheidungsgewalt, denn die Rahmenbedingungen für die Existenzsicherung als abhängig Erwerbstätige lassen kaum Raum für umweltbewußtes Handeln.

Unsere ökologischen Ziele weisen mehr denn je weit über die heutige Form der gesellschaftlichen Verhältnisse hinaus. Noch sind die Chancen der Verwirklichung durch den herrschenden politischen Rahmen bestimmt. Mit diktatorischen Mitteln läßt sich ein ökologischer Bewußtseinswandel nicht erzwingen. Der Einsatz für die ökologische Gestaltung aller Lebensbereiche erfordert deswegen stets das Eintreten für eine Erweiterung demokratischer Einflußmöglichkeiten und Bildung auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens.

Eine große Chance für ökologische Erkenntnisprozesse und Umsetzung in konkretes Handeln kann die "Lokale Agenda 21" sein. Greifbare ökologische Veränderungen wird die Lokale Agenda 21 in den Städten und Gemeinden aber nur dann hervorbringen, wenn es gelingt, möglichst viele Menschen mit verschiedenem sozialen Hintergrund aus vielen Gruppen und Initiativen zu beteiligen. Die Industrie muß sich diesem Prozeß stellen und bereit sein, Veränderungen umzusetzen!

Grundlegende Schritte zu einer ökologischen Gesellschaft

1. Naturnahe Landwirtschaft

- dezentrale, chemiearme Erzeugung

- Vertrieb durch FoodCooperations auf kurzen Wegen

- Verbot von Massentierhaltung

2. Gesunde Ernährung durch dezentrale Erzeugung

- Reform des Lebensmittelrechts

- keine Lebensmittelbestrahlung oder Genmanipulation

- gesundheits- und umweltgerechte VerbraucherInneninformation

3. Menschenfreundliche Wohnungen und Städte

- Wohnraumentgiftung

- Energieeinsparung

- dauerhaft transparente Preis- und Belegungsbindungen/Mietspiegel

4. Öffentlicher Nahverkehr statt Autowahn und Höhenflug

- Verdopplung öffentlicher Investitionen

- Priorität bei Mittelvergabe für den Ausbau der Radwegenetze

- Güterverkehr sozialverträglich auf die Schiene

- Tempo 30 in den Städten, 50 auf Landstraßen, 100 auf Autobahnen

- Autobahnbaustopp!

- Streichung aller Flughafenaus- und -neubauprogramme

5. Abfallawine stoppen

- Müllvermeidung vor energiefressendem Recycling

- dezentrale, standardisierte Mehrwegsysteme

- Verpackungssteuer für Einwegverpackungen

- bestmöglich kontrollierte Lagerung von Giftmüll

- konsequente Anwendung des Verursachungsprinzips

- Verbot von Müll- und Klärschlammverbrennung

6. Energieversorgung

- sofortige Stillegung aller Atomanlagen

- volle Abwärmenutzung bei der Stromerzeugung

- Novellierung des Energieeinspeisungsgesetzes

- Förderprogramme für dezentrale Erzeugung von Solar- und Windenergie

- Rekommunalisierung der Energieerzeugung

7. Chemische Industrie

- Herstellungs-, Verwendungs- und Vertriebsverbote für

- Stoffe, die Dioxin enthalten oder bei deren Verarbeitung Dioxin entsteht

- Asbest, PCB, Formaldehyd, PVC, Lindan, FCKW

- Schwermetalle als Stabilisatoren für Kunststoffe und Farben

- Bildung eines "Konversionsfonds Sanfte Chemie"

- Einführung eines umfassenden Verbandsklagerechts und Akteneinsichtsrechts

Die Verhinderung von Naturzerstörung darf sich nicht in symbolischen, bonbonfarbigen Umweltschutzmaßnahmen erschöpfen. Die bestehende Umweltgesetzgebung ist zum größten Teil pure Augenwischerei, die den klaren Blick für die Ursachen der Zerstörung verstellt.

VIII. Sprengt Grenzen - Europa für alle

Fundament für dauerhaften Frieden in Europa ist die Integration aller europäischer Staaten. Völkerrechtlich wird dieses Staatengebilde etwas völlig Neues verkörpern. Als Basis dafür ist der bürgerferne und undurchsichtige Maastrichter Vertrag ungeeignet. Wir fordern daher eine europäische Verfassung. Diese soll das Fundament Europas darstellen und vom europäischen Parlament, unter möglichst breiter BürgerInnenbeteiligung erarbeitet werden. Im Zentrum der Verfassung soll ein Grund- und Menschenrechtskatalog stehen. Daneben soll das Rechtsstaatsprinzip, eine klare Kompetenzverteilung und einfache Entscheidungsprozesse festgelegt werden. Durch Volksentscheide soll die Distanz zwischen BürgerIn und Europa verringert werden, zusätzlich soll dies der erste Schritt zu einer europäischen Zivilgesellschaft darstellen. Ein weiterer Schritt in diese Richtung ist die europäische Staatsbürgerschaft. Zu den Rechten dieser gehört auch das neue Recht auf Verfassungsbeschwerde beim EuGH, ähnlich dem deutschen BVerfG. Europas Grenzen sind für Asylsuchende grundsätzlich und unbürokratisch offen.

Reform der Institutionen

Um gesellschaftliche Probleme auf europäischer Ebene dauerhaft lösen zu können, müssen diese Institutionen mind. zwei Voraussetzungen erfüllen: sie müssen effizient arbeiten und demokratisch legitimiert sein. Diese Voraussetzung erfüllt der europäische Rat, die Kommission und das EP nicht. Damit die europäische Demokratie tatsächlich eine Volksherrschaft wird, muß die Volksvertretung, das EP die zentrale Institution Europas darstellen. Legitimiert wird dieses EP durch: Wahlrecht für alle Europäer ab Geburt, reines Verhältniswahlrecht (damit der Volkswille unverfälscht wiedergegeben wird) und ein europaweit gleiches Wahlverfahren. Dieses EP wählt, um ein effizientes Europa zu garantieren, die Kommissionsmitglieder aus seiner Mitte. Es gibt keinen nationalstaatlichen Proporz. Der Rat ist beratendes Gremium. Der EuGH ist für alle Bereiche zuständig.

Zivilmacht Europa

Damit das neue Europa keine Gefahr für den Weltfrieden darstellt und die Innere Pazifizierung dauerhaft ist, muß Europa entmilitarisiert werden. Über den Weg, Abschaffung der Wehrpflicht und der Zwangsdienste - Freiwilligenarmee - Ersetzung selbiger durch zivile Konfliktlösung, soll Europa entmilitarisiert werden. Dazu gehört auch die Konversion der europäischen Rüstungsindustrie, welche durch weltweite Waffenlieferungen ihren Anteil an den belieferten Konflikten hat. Eine Zivilmacht Europa benötigt keinen atomaren Schutzschild, auch keinen französischen. Ein solcher würde jeglichen Abrüstungsbemühungen konterkarrieren. Glaubwürdigkeit und Effizienz erwachsen der Zivilmacht Europa aus geeintem supranationalen Handeln. Diese GAP (Gemeinsame Außenpolitik) wird von einer KommissarIn nach außen vertreten. Die Zivilmacht Europa spricht in Internationalen Organisationen, wir UNO, OSZE mit einer Stimme, wobei sie sich besonders für eine faire Außenwirtschaftspolitik, die Unterstützung von Demokratiebewegungen, nachhaltige Wirtschaft und weltweite Umweltschutzrichtlinien einsetzt.

IX. Gegen eine NATO-Osterweiterung - Für eine starke OSZE

Die Anfang Juli beschlossene Osterweiterung der NATO gefährdet die Sicherheit in Europa. Durch die Auflösung des Ost-West-Konfliktes und dem Wegfall des Warschauer Paktes fehlt der NATO jegliche Existenzberechtigung. Die NATO ist ein Verteidigungsbündnis, das geschaffen wurde, damit sich die Mitgliedsstaaten gegen einen "Feind" verteidigen können. Dieser "Feind" von Artikel 5 der NATO-Charta existiert aber nicht (mehr). Wozu also ein veraltetes Verteidigungsbündnis gegen Osten erweitern?

Die Neuordnung Europas muß politisch und nicht militärisch erfolgen. Die Osterweiterung der NATO blockiert die internationale Abrüstung, vor allem durch die Verunsicherung der Russischen Föderation. So liegen die START II-Verträge in der Duma und harren ihrer Ratifikation. STARTIII rückt in weite Ferne. Zusätzlich ist die Osterweiterung äußerst teuer, laut einer Studie des amerikanischen Kongresses belaufen sich die Kosten auf 61 Mrd. Dollar, davon entfallen auf die neuen Mitglieder 42 Mrd. Abgesehen von den schon vorhandenen Finanzproblemen dieser Staaten, verhindern allein diese hohen Kosten eine baldige europäische Integration Osteuropas. Die Osterweiterung der NATO wird oft mit dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung begründet. Eine Untersuchung der Brown University (Boston, Mass.) ergab hingegen, daß sich die Bevölkerung in erster Linie um die finanziellen Probleme Sorgen macht und bei der Wahl zwischen NATO und OSZE letzere bevorzugt.

Für einen dauerhaften Frieden in Europa muß es ein Forum für alle Beteiligten geben. Für uns ist dies eine finanziell, personell und völkerrechtlich gestärkte OSZE . Die OSZE wird dabei so mächtig und handlungsfähig sein wie die Mitgliedsstaaten es wollen. Erste Priorität hat allerdings die Osterweiterung der europäischen Integration. Nur diese wird, zusammen mit einer gestärkten OSZE, die Sicherheits- und Integrationsbedürfnisse unserer osteuropäischen Nachbarn dauerhaft befriedigen.

X. Grundzüge einer humanen Drogenpolitik

Wichtiges Ziel jeder Drogenpolitik muß der Schutz von Körper und Geist vor einem möglichen schädlichen Einfluß durch psychoaktive Substanzen sein. Primäres Ziel ist die Senkung der Anzahl der Drogentoten. Die drogenfreie Gesellschaft halten wir für eine Illusion. Zweites Ziel ist , daß Menschen, die psychoaktive Substanzen trotz möglicher Gefahren konsumieren, größtmöglicher Schutz geboten werden muß. Prinzipiell liegt es in der Freiheit jeder Einzelnen, zu entscheiden, welche Substanz sie konsumieren möchte, dies ist unser dritter Grundsatz.

Die drogenfreie Gesellschaft gab es nie, gibt es zur Zeit, trotz harter Repression nicht, und wird es in Zukunft wohl auch nicht geben. Drogen werden also unabhängig von staatlichen Verboten konsumiert. Staatliche Verbote beeinträchtigen aber stark die Rahmenbedingungen des Konsums. So führt das Verbot zu einem sehr gewinnträchtigen Schwarzmarkt mit organisierter Kriminalität, zu einer Verelendung der Konsumenten durch verunreinigte Drogen, zu gesellschaftlicher Stigmatisierung, zu konsumartbedingten Infektionen mit HIV und Hepatitis und zu hoher Beschaffungskriminalität und - prostitution. Dies alles wird in erster Linie durch das Verbot von Drogen und nicht durch die Droge an sich verursacht.

Daraus folgt, das Drogenpolitik in erster Linie Schadenbegrenzung sein muß. Diese erfolgt durch die Einrichtung von Fixerräumen, Erweiterung der Methadon und Codeinbehandlung und die Abgabe von Heroin auf Krankenschein. In Discos werden E-Tabletten untersucht. Dies ist sofort zu tun. Dauerhaft werden Cannabisprodukte in lizensierten Gaststätten und in Apotheken an ab 16-jährige verkauft. Außerdem wird in Apotheken, soviel mensch will, unter Arzneimittelrecht und Jugendschutz, Ecstasy, LSD, Tryptamine, Kokain, Pilze und einige andere Drogen verkauft. Es wird eine Zunahme der Konsumenten geben, aber nicht der Süchtigen. Dies belegt das Ende der Alkoholprohibition in den USA, welche auch keinen Anstieg der Süchtigen verursachte. Werbung für alle Drogen ist verboten. Durch die große Preisdifferenz wird der Schwarzmarkt zusammenbrechen. Das BtmG wird abgeschafft. Internationale Abkommen erlauben dieses Vorgehen (siehe "Single Convention", Artikel 5, Absatz 5b,UNDCP).

XI. Ausblick

Wir wollen mit diesem Diskussionsentwurf eine Debatte darüber anstoßen, welche Perspektiven es für das 21. Jahrhundert gibt und wie die Gestaltung unserer Zukunft und die der uns nachfolgenden Generationen aussehen kann. Wir hoffen, daß diese grüne Debatte auf einer möglichst breiten Basis stattfindet. Wir wollen sie mit den "joungsters" genauso führen wie mit den "oldies"!

Wir wollen uns aber mit unseren Positionen deutlich von den "Liberalos" unserer Generation in unserer und den Nachwuchs-Westerwelles in anderen Parteien distanzieren. Mit unseren Eckpunkten für eine solidarische, emanzipatorische, soziale, zivile und ökologische Zukunftsgesellschaft auch im 21. Jahrhundert wollen wir dokumentieren, daß wir bereit sind Verantwortung für die Gestaltung der Zukunft zu übernehmen, obwohl unsere Lebensgrundlagen von vorherigen Generationen zunehmen zerstört werden.

Martin Kalb (26, Köln/NRW), Axel Dosch (29, Gießen/Hessen), Danyel Reiche (26, Hannover/Niedersachsen), Melanie Diermann (19, Recklinghausen/NRW), Carsten Schäfer (22, Dortmund/NRW), Tillmann Holzer (22, Mannheim/BaWü), Oliver Passek (25, Siegen/NRW), Carsten Krebs (25, Braunschweig/Niedersachsen), Christian Simmert (24, Warendorf/NRW), Dagmar Müller (20, Neuss/NRW), Pajam Katebini (22, Marburg/Hessen), Elke Neuwohner (21, Marburg/Hessen), Frimi Dimpel (27, Erlangen/Bayern), Sven Metzger (22, Heidelberg/RLP), Karin Rädle (25, Erlangen/Bayern), Andreas Gebhard (22, Rösrath/NRW), Martin Mathes (24, Duisburg/NRW), Daniel Loick (22, Düsseldorf/NRW), Marina Wolf (20, Nürnberg/Bayern), Wolf Buchmann (23, Trier/RLP), Veit Kuhr (25, Quetlingburg/Sachsen-Anhalt), Christoph Lövenich (19, Eschweiler/NRW), Jörg Prante (29, Bonn/NRW), Tobias Berking (20, Köln/NRW),Thomas Lange (22, Stolpe/Schleswig-Holstein), Nadia v. Scheidt (23, Gießen/Hessen), Simon Schunk (26, Gießen/Hessen), Michael Schwarz (22, Erlangen/Bayern), Markus Sippl (23, München/Bayern), Holger Wegner (31, Ludwigslust/MV), Gabriele Raasch (37, Ludwigstlust/MV), Julia Koppke (25, Hamburg), Jule Endruweit (25, Hamburg), Gudrun Lux (17, Schweinfurt/Bayern), Hans Georg Schmidt (25, Nürnberg/Bayern), Marc-Oliver Scherer (22, Starnberg/Bayern), Christian Schäflein (28, Schweinfurt/Bayern), Elisabeth Kaindl (19, Schweinfurt/Bayern), Manfred Bachmayer (29, Erlangen/Bayern), Birgit Spohn (21, Bremerhaven/Bremen), Axel Klermeyer (23, Halle/Sa-An.), Hans Nürge (28, Erlangen/Bayern), Martin Beckmann (20, Schwackhausen/Niedersachsen), Till Stenzel (18, Schwackhausen/Niedersachsen), Frank Spieske (21, Potsdam/Brandenburg), Katja Richarz (20, Potsdam/Brandenburg), Tamara Ritter (23, Potsdam/Brandenburg), Michael Kellner (20, Potsdam), Wolf Wilke (21, Heidelberg/BaWü), Thorsten Eiselstein (19, Bad Dürkheim/RLP), Daniel Udwari (17, Bad Dürkheim/RLP), Andreas Weigert (18, Bad Dürkheim/RLP), Matthias Jäger (18, Bad Dürkheim/RLP), Heike Schröder (20, Mainz/RLP), Jost Wagner (28, Trier/RLP), Tanja Wettig (28, Trier/RLP), Stefan Schulz (24, Trier/RLP), Annette Fichte (18, Ludwigshafen/RLP), Pascal Thumling (19, Ludwigshafen/RLP), Christian Schlicht (16, Kaiserslautern/RLP), Esther Steiner (16, Kaiserslautern/RLP), Judith Steiner (14, Kaiserslautern/RLP), Jochen Faller (23, Frankenthal/RLP), Ronja v. Gemmingen (20, Koblenz/RLP), Sebastian Bischoff (19, Sindelfingen/BaWü), Andrea Klages (16, Koblenz/RLP), Corinna Kertel (21 Frankfurt/Hessen), Petra Pfeiffer (21 Frankfurt/Hessen), Perter Jung (25, Frankfurt/Hessen), Manuel Stock (15, Frankfurt/Hessen), Sebastian Bundschuh (18, Frankfurt/Hessen), Christoph Gensch (26 Frankfurt/Hessen), Hendrik Hezinger (24, Frankfurt/Hessen), Thorsten Kellermann (20, Forchenheim/Bayern), Uwe-Jürgen Ness (24, Freudenstadt/BaWü), Holger Mundloher (26, Berlin), Markus Struben (22, Euskirchen/NRW), Börje Wichert (18, Ennepe-Ruhr/NRW), Astrid Schäfers (19, Bonn/NRW) David Selle (23, Soest/NRW), Christian Tischler (20, Boppard/RLP), Michael Teuffer (29, Schifferstadt/BaWü), Jason Krüger (19, Berlin), Michael Köster (23, Kaarst/NRW)

@21 im Internet: http//www.informatik.uni-freiburg.de/westerma/21.htm

@21 Kontakt: Sven Metzger, Tel/Fax 06221-782085

Christian Simmert, Tel/Fax 02504-72744

Der Diskussionsentwurf @21 steht auch per eMail zur Verfügung: greensimi@aol.com. Wir sammeln weitere Unterschriften und warten auf Eure Kritik, Ideen oder Diskussionsbeiträge!