Das Loch in der Politik und die »serbische Krankheit«
Es ist eine vertrackte Geschichte mit den Vergangenheiten in Serbien: Während spätmittelalterlichen Schlachten noch eine bindende nationale Relevanz unterstellt wird, ist die andere Vergangenheit, die vom Ende des letzten Jahrhunderts, vor allem eine lästige, klebrige Masse, die sich nicht abschütteln lässt. Sie ist alltäglich und allgegenwärtig und grundiert eine Politik, die sich dieser zugleich nicht stellt. Das erzeugt ein ganz eigenes Immunsystem, das sich als äußerst anfällig für einen nationalistischen Virus erwiesen hat, der hartnäckig weiterwirkt.
Jeden Tag geht es in den
Medien um Kriegsverbrechen der einen oder der anderen, um neu gefundene Massengräber mit den Leichen der einen
oder der anderen, um rechtliche Fragen des staatlichen wie privaten Eigentums,
das Flüchtlinge hinterlassen und andere sich unter den Nagel gerissen haben, um
Prozesse in Den Haag, Zagreb oder Belgrad, und natürlich um das vermeintlich
letzte Kapitel der unvollendeten Geschichte: das Kosovo, von dem die Mehrheit
der EU-Mitglieder gegen den serbischen Standpunkt behaupten, die Geschichte
sei, wenn schon nicht vollendet, so doch gelaufen.
Die serbische Politik hat
eine bemerkenswerte Neigung, auf höchsten Touren tiefste Langeweile zu
erzeugen. Seit Wochen ist die Nation tagtäglich mit der Frage konfrontiert, ob
aus der Reise ihres Präsidenten zu Frau Ashton nach Brüssel ein erneuter Gang
nach Canossa wird, weil es um die von Europa geforderte Umformulierung von drei
Zeilen Text in einer Resolution für die UN-Vollversammlung geht. Aber noch kein
die Zeitungen lesendes Individuum in Serbien hat den im Grunde lächerlichen
Text dieser Resolution von einer A4-Seite Umfang je zu Gesicht bekommen. Die Sache,
um die da diplomatisch gestritten wird, verschwindet vollständig hinter der
viel größeren Frage, wie der Streit diesmal wieder ausgehen wird: mit einer
erneuten Demütigung oder mit trotziger Selbstbehauptung.
In den gleichen Wochen
dieses grotesken diplomatischen Hin und Her, in dem der serbische Außenminister
sich im nationalen Interesse auf Welttour befindet und aus Kapstadt für wenige
Stunden nach Belgrad zurückkehrt, dort mit seinem britischen Kollegen über
jenes Blatt Papier verhandelt, ihm dabei nichts weiter mitteilt, als was jener
sowieso schon wusste, und sich dann wieder in den Flieger zurück nach Namibia
setzt, in allen diesen Wochen ist die Milch in den Belgrader Geschäften knapp
geworden und Butter vollständig aus allen Regalen verschwunden. Aber das kümmert
niemanden, vielleicht weil Butter sich eh nur die besser Verdienenden leisten
können, die überhaupt Verdienenden sich mit Margarine begnügen und die nichts
Verdienenden es sowieso nicht anders gewohnt sind. Tycoons sind angeblich daran
schuld, die mittels ihrer Kartelle den Präsidenten strafen wollen, weil der
öffentlich ihre Unmoral geißelte. Sie machen jetzt ? so schreiben die Zeitungen
? Hartkäse aus der Milch, nur damit sie diese nicht in die Läden bringen
müssen, bevor sie sauer wird. Aber es hat noch nie jemand in Serbien Hartkäse
produziert ? mit Ausnahme jener geräucherten, gelben Kugeln aus der Gegend um
Pirot an der bulgarischen Grenze. Und das war noch vor der Milosevic-Zeit, und
seitdem sind die Kühe und Ziegen aus der Stara Planina verschwunden und auch
die Menschen sind in die Stadt gezogen und haben leere, verfallende Dörfer
hinterlassen.
Wo immer man hinschaut in
dieser serbischen Politik, was immer
man herausgreift als einzelnes Phänomen ? es enthüllt bei näherem Hinsehen
einen Hiatus von Inkompetenz. Aber dieser Mangel besteht nicht im praktischen
Wissen, wie man ein Ministerium führt und Entscheidungsprozesse organisiert.
Das wohl auch, aber eigentlich geht es um eine verbreitete Vorstellung des
Politischen als etwas, was keiner besonderen Kompetenz bedarf, etwas, wozu ein
Quantum Schläue und (männliches) Durchsetzungsvermögen ausreichen. Es liegt
hinter allem eine ungeheure Geringschätzung des Politischen seitens derer, die
politisch agieren oder dies anstreben, was am Ende eine Geringschätzung der
Gesellschaft, der Bürgerschaft und der Interessen der Menschen bedeutet. Es
klafft ein tiefes Loch da, wo Respekt und Verantwortung angesagt wären.
Wo immer man hinschaut:
Serbien hat im Frühjahr von London die Verhaftung und Auslieferung eines
bosnischen Staatsbürgers wegen eines angeblich von ihm zu verantwortenden
Kriegsverbrechens aus dem Jahr 1992 verlangt. Es sei erwähnt, dass dieser von
Serbien Gesuchte bereits vor Jahren von dem Gericht in Den Haag in gleicher
Sache freigesprochen worden war. Der britische Richter hat das Auslieferungsbegehren
abgelehnt, weil es von politischer und nicht von strafrechtlicher Absicht
motiviert sei. Wie kam er zu diesem Urteil? Zeugenaussagen stellten einen seltsamen
Zusammenhang her zwischen dem Auslieferungsersuchen und der vom serbischen
Parlament etwa zeitgleich verabschiedeten Resolution zum Genozid in Srebrenica.
Mit dieser Resolution wollte die serbische Regierung der Außenwelt ihren
ernsthaften Bruch mit der Vergangenheit der Milosevic-Ära eindeutig dokumentieren.
Eine allzu heftige Kritik der Resolution aus Sarajevo (etwa weil man sich in Belgrad
nicht zur Verwendung des Wortes »Genozid« hatte durchringen können) hätte die
beabsichtigte Wirkung der Resolution deutlich einschränken können. So sandte
man Signale aus Belgrad nach Sarajevo, dass man in Sachen Auslieferung durchaus
flexibel sein könne, wenn Sarajevo sich in seiner Kritik an der Resolution
zurückhalte.
Wie soll man dieses
Phänomen benennen, dass die Belgrader Regierung das schrecklichste in Europa seit 1945 begangene
Verbrechen als lediglich einen nationalen Image-Schaden behandelt, über dessen
Interpretation man verhandeln kann wie auf einem balkanischen Hühnermarkt?
Selbst ein deutscher Beobachter, der die britische Richter-Perücke bisher immer
als einen Rest imperialen Brimboriums betrachtete, kann plötzlich ihren Wert
erkennen: weil sie aus der Person eine Institution macht, der es nicht mehr um
ihre individuellen Vorlieben oder auch Borniertheiten gehen kann. Hier geht es
um das Recht, um das Elementarste unseres Lebens in Gesellschaft.
Wenn das Sensorium für diese
Differenz zwischen dem Öffentlichen und dem Privaten, dem Politischen und dem
Persönlichen eine von Politikern zu fordernde Kompetenz darstellt, dann in der
Tat handelt es sich um einen Mangel an politischer Kompetenz. Es ist der
patriarchale Habitus, der diese Differenzen auslöscht. Solange Macht (der
Patriarch bevorzugt den Begriff »Autorität«) das einzig entscheidende Kriterium
sozialer Differenz darstellt, sind private, wirtschaftliche und politische
Macht nur verschiedene Erscheinungsformen des Gleichen: immer handelt es sich
um eine Eigenschaft ihres Trägers. Daher kommt politische Macht einer Person
zu, wird nicht auf Zeit an sie verliehen aufgrund einer programmatischen Sache,
für die diese Person einsteht und die mit den Interessen der Menschen
korrespondiert. Daher kann politische Macht widerspruchslos zur Steigerung
wirtschaftlicher Macht genutzt werden und umgekehrt. Wer sie einmal hat, muss
nur darauf achten, dass seine Konkurrenten nicht noch größere Raffinesse entwickeln
als er selbst.
Autorität wird ? in
vermutlich byzantinischer Tradition ? öffentlich dokumentiert in der »Kafana«.
Dort hat der wirkliche Patriarch seinen Tisch, an dem er sitzt und Audienz hält;
je länger er es tut, desto größer seine Autorität. In der Audienz ist der Patriarch
ein Patron, der sich die Probleme »seiner« Leute anhört, mit denen sie ohne
seine Hilfe nicht zurande kommen. Bei all den vielen Problemen muss man auch
mal fünfe gerade sein lassen, wer wollte da gleich von Korruption reden. Die
dabei entstehende Beziehung von Patron und Protegé und ihr jeweiliges Geben und
Nehmen bedürften einer ethnologischen Untersuchung à la Levi-Strauss. Zwischen
den Anhörungen der Audienz kommt das post-byzantinische Mobiltelefon zum
Einsatz, wobei der Patriarch seinen Stuhl verlässt und telefonierend in der Kafana
auf und ab geht. Am Telefon gibt der Patriarch sichtbar, hörbar Weisungen und
erteilt Anordnungen. Der ständige Wechsel zwischen beiden Rollen und die Zahl
der Zuschauer im öffentlichen Raum der Kafana machen seine Autorität. Dies ist
das Lieblingsszenario eines Politikers.
Es gäbe vermutlich nur
ein wirklich interessantes politisches Projekt in Serbien: dies wäre die Gründung einer Frauenpartei. Es ist
jedem Betrachter unübersehbar, wie einseitig ernsthafte Beschäftigung mit der
jüngsten Vergangenheit, mit Geschichte überhaupt eine Sache von serbischen
Frauen geworden ist: In den NGOs für Demokratie, Toleranz, Menschenrechte und
auch Ökologie lässt sich der Anteil der dort engagierten Frauen geradezu als
ein Gütesiegel lesen, während männlich dominierte NGOs allzu oft eine Kontinuität
der Macht zeigen, die ihren programmatischen Deklarationen nicht entspricht. Es
sind zornige Frauen, und ihr Zorn ist nur allzu verständlich. Die
mittelalterlichen Schlachten kümmern sie nicht, aber aus Vukovar, aus Bosnien
und aus dem Kosovo sind Männer und Söhne zurückgekommen, und sie sind seitdem
nicht mehr so, wie sie vorher waren.
Zwei Legislaturperioden
bräuchten sie Zeit und Macht, und dieses Land wäre nicht wiederzuerkennen. Und
wenn es denn soweit käme, wäre es vielleicht auch interessant, von einem der
vielen Meinungs-Institute zu erfahren, wie viele Männer diese Partei gewählt haben.
Ein erheblicher Teil der
serbischen Gesellschaft agiert in einer Weise, die von ihm selbst als die Tätigkeit von
Abwehrzellen beschrieben wird, die den »serbischen Organismus« schützen und ihn
von fremden Einflüssen, Ansprüchen, Eindringlingen befreien will. Dieser Teil
der Gesellschaft reicht von radikal rechten, nationalistischen, reaktionären
Milieus über klerikal-konservative bis weit in die Mitte der Gesellschaft und
der Regierenden. Man sieht Serbien nach wie vor in einem Kampf um die nationale
Selbstbehauptung, man unterscheidet sich von den früheren Kämpfen durch die
Beschränkung auf diplomatische Instrumente und friedliche Mittel. Man wird
nicht müde, diesen Unterschied als das wesentliche Charakteristikum des »Neuen
Serbien« darzustellen, während das Problem doch in der Kontinuität der
Selbstbehauptung liegt. Dort spielt das Immunsystem Serbiens eine zentrale
Rolle, aber solange dieser Kampf um die Selbstbehauptung geht, ist man
außerstande zu realisieren, dass sich die Abwehrzellen am Ende nur gegen das
Eigene richten ? die eigene
Fortentwicklung von Gesellschaft, Wirtschaft und Staat. Alle Krisenphänomene werden
als Ausdruck einer Abwehrschwäche wahrgenommen, sie erzeugen die Nachgiebigkeit
(gegenüber der EU), sie machen empfänglich für das so dringend benötigte fremde
Geld und bereit, den Preis des Ausverkaufs zu bezahlen.
In objektiver Weise setzt
sich damit das Muster aus der Zeit von Milosevic fort, denn die Metaphorik des
Abwehrkampfes wurde vor und in dieser Zeit entwickelt. Und es geschah in dieser
Zeit, dass sämtliche konstruktiven Wege Serbiens in die Zukunft zerstört
wurden. In der subjektiven Wahrnehmung ist die heutige Immun-Reaktion freilich
die Umkehr der damaligen Vorgänge, denn die Verurteilung und Ablehnung der Zeit
des Milosevic-Regimes ist wahrscheinlich das Einzige, worüber in der serbischen
Gesellschaft heute weitestgehende Einigkeit herrscht.
All diese Widersprüche
bündeln sich in der Frage der »Vergangenheitsbewältigung«, denn im gleichen
gesellschaftlichen Konsens ist es die Vergangenheit, die den serbischen »Organismus«
in den Zustand seiner heutigen Schwäche versetzte. Serbien weist generell die
Verantwortung für den eigenen Niedergang der herrschenden Clique um Milosevic
zu. Die Mehrheit der serbischen Gesellschaft ist nicht bereit, für die Macht
dieser Clique, mit der sie über beinahe zwei Jahrzehnte das Land und weite
Teile der Region beherrschte, eine Eigenverantwortung anzuerkennen. Die
Erteilung oder Ergreifung dieser Macht ging allerdings nicht in einer demokratisch
verfassten Gesellschaft vonstatten. Und weil das heutige serbische Immunsystem
über weite Strecken ein durchaus antikommunistisches ist, kann es eine demokratische
Verantwortung für diese Macht trotz aller Wahlergebnisse der Achtziger- und
Neunzigerjahre zum Beispiel einem post-titoistischen, spätkommunistischen Virus
zuweisen. Andere Abwehrzellen können auch schon hier eine westliche Verschwörung
zur Zerschlagung Jugoslawiens als Nährboden von Milosevics Popularität und
Macht identifizieren. Wohlgemerkt: Wir sprechen immer von subjektiven Selbstwahrnehmungen,
nicht von den objektiven Tatsachen.
Schon weil der Anspruch,
dass das eigene Verhalten für niemanden auf der Welt wirklich verstehbar sei, ein wesentliches Element des
serbischen Narzissmus darstellt, könnte sich der Versuch lohnen, es dennoch ein
wenig verstehen zu wollen. Man muss dazu den verurteilenden Generalkonsens über
Milosevic und seine Machtclique in die Einzelbestandteile zerlegen. Dieser
Konsens setzt sich zunächst aus einem politischen und einem moralischen Urteil
zusammen.
Das politische Urteil: es zerfällt je nach seiner Begründung in eines, das
die Politik der Achtziger- und Neunzigerjahre verurteilt, weil sie Serbien
zugrunde gerichtet habe (was sie de facto auch tat), und in ein zweites, das
sich primär darauf stützt, dass diese Politik Jugoslawien zugrunde gerichtet
habe (dito). Das erste Urteil wird naturgemäß auf der national gesinnten Seite
der Gesellschaft geteilt, das zweite in den eher linken, liberalen Milieus. Das
erste Urteil hat die bei Weitem größere Anhängerschaft.
Das moralische Urteil: auch bezogen auf die in diesem Prozess des umfassenden
Zugrunde-Richtens geschehenen Verbrechen von serbischer Seite besteht ein erstaunlich
breiter Konsens. Ein Bestreiten oder Relativieren dieser Verbrechen ist zwar an
vielen Stammtischen zu Hause, aber für den politischen Diskurs nicht (mehr)
gesellschaftsfähig. Spätestens mit der parlamentarischen Erklärung zu
Srebrenica ist das Faktum des massenhaften Mordes von der Politik anerkannt,
auch die verbrecherische Qualität dieses Mordens steht außer Frage. »Lediglich«
die juristische Qualität als Völkermord und die Frage der historischen
Verantwortung der Gesellschaft der Republik Serbien bleiben umstritten. Aber
der politisch-moralische Diskurs, der die Verbrechen anscheinend einhellig
verurteilt, spaltet sich nach zwei divergierenden Motiven, auf welche sich
diese Verurteilung gründet. Eine erste Gruppe verurteilt die Verbrechen, weil
es sich tatsächlich um Verbrechen handelt und sie daher verurteilt werden müssen.
Eine zweite Gruppe verurteilt sie, weil durch diese Verbrechen das bis dahin
makellose Bild Serbiens in der Welt auf Jahrzehnte hinaus ruiniert worden sei.
Diese Gruppe unternimmt einen hilflosen Versuch, die Verbrechen zur
Ehrenrettung Serbiens als »unserbische«, einem »serbischen Wesen zuwiderlaufende«
Akte zu charakterisieren, ihre Täter als eine Art »Schädlinge« an der »serbischen
Ehre« zu beschreiben. Diese Version des Urteils kommt daher ohne jedes solidarische
Empfinden mit den Opfern aus.
Weil es aber trotz allem bis
weit rechts von dieser zweiten Urteilsversion auch noch die vollständige
Abwesenheit oder Verweigerung jedes moralischen Urteils über die Verbrechen der
Neunzigerjahre gibt, scheint das am ehrenvollen serbischen Image orientierte
Urteil quasi in der Mitte der Gesellschaft zu stehen. Und die erste Version des
konsequenten, auf einem wirklichen moralischen Empfinden aufbauenden Verurteilens
der Taten eben wegen ihres verbrecherischen Charakters bleibt die Position
einer Minderheit.
Der Grundkonsens zur
umfassenden politischen, teilweise auch zur moralischen Verurteilung von
Milosevic geht so weit, dass auch
diejenigen, die damals mit ihm gemeinsam regiert haben, sich heute diesem
Konsens anschließen ? freilich ohne
daraus andere als nützliche Folgen für ihr aktuelles Handeln zu ziehen, und
noch weniger Konsequenzen für ihre heutigen Positionen. Was diesen umfassenden
Konsens trägt, ist die mit ihm verbundene 20Externalisierung der
Verantwortung für die Ereignisse der Vergangenheit. Milosevic und seine Ära
und ihre übrigen Akteure sind über dieses Land gekommen als eine Folge des
Kommunismus, je nach Sichtweise auch als die letzte Erscheinungsform des
Kommunismus. Sie verdanken ihre Macht den damaligen gesellschaftlichen
Strukturen, nicht der Zustimmung des Volkes ?
und wenn doch, dann vielleicht einer akklamatorischen der Straße, aber
nicht einer demokratischen durch die Wählerschaft (haben doch die 2000er Wahlen
gerade den chronischen Betrug durch das Regime unter Beweis gestellt).
Es ist dieser
externalisierende Hintergrund, der die historische Verantwortung der serbischen
Gesellschaft für die Ereignisse der Neunzigerjahre mit der Verantwortung aller
post-jugoslawischen Gesellschaften und Konfliktparteien nivelliert. Nicht der
Nachweis der vielfachen und sehr konkreten Verwicklungen der Belgrader
Regierung in die Strategien und Taten der Jugoslawischen Volksarmee und der
paramilitärischen Verbände in Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo ist der
entscheidende Punkt, an dem es um die Anerkennung serbischer Urheberschaft und
damit serbischer Verantwortung geht. Mladic wie Milosevic und alle übrigen
Akteure in diesem Geschehen werden in der einen oder anderen Weise verurteilt
und verfallen damit der Externalisierung.
Ein langwieriger Prozess der
Vergangenheitsbewältigung wird nur auf der vorbehaltlosen Erforschung und
uneingeschränkten Verbreitung der historischen Tatsachen (insbesondere auch in
den Schulbüchern und dem entsprechenden Unterricht) aufbauen können.