Sonja Margolina

 

Die Geisel im Kaukasus

Wie eine rückwärtsgewandte Ethnokratrie die Destruktion Russlands beschleunigt

 

 

Der Wandel des Kaukasus-Bildes in der russisch-sowjetischen Gesellschaft ist höchst aufschlussreich. Wie es sich seit dem ersten Tschetschenien-Krieg verändert, ja radikalisiert hat, zeigt unsere Autorin auch anhand seiner Spiegelung in der russischen Literatur. Mit akuten Beispielen veranschaulicht sie, wie mit der anhaltenden gewaltförmigen Verstrickung eine Ethnisierung des russischen Alltags einhergeht. Diese führt zu nationalistischen Ressentiments und anschwellender Xenophobie. In einem Vielvölkerstaat spielt der Nationalismus sowohl der Mehrheit als auch der Minderheit nur eine destruktive Rolle. Die Dramatik dieser Entwicklung kann für den Kaukasus wie für Russland selbst kaum überschätzt werden.

In der späten Sowjetunion war der Kaukasus für die Mehrheit der Bevölkerung kaum mehr als eine anziehende Urlaubsgegend. Vom realen Kaukasus mit seinem Völkergemisch und bisweilen archaischen Sitten hatte weder die sowjetische Zentralmacht noch die Bildungsklasse viel Ahnung. Die Intelligenzija schöpfte ihre Urteile über diese exotische Welt hauptsächlich aus der russischen Literatur, die im 19. Jahrhundert den imperialen Kaukasus-Mythos geschaffen hatte. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war er ein Gemeinplatz ohne einen Hauch von Kontroversen. Ende 1994 brach im nun unabhängigen Russland der Tschetschenienkrieg los. Bilder aus dem zerbombten Grosny wurden von den damals noch freien Medien der entsetzten Gesellschaft beim Abendbrot präsentiert. Die Militanz der Tschetschenen löste im kollektiven Gedächtnis Bilder von der längst vergessenen »Befriedung« des widerspenstigen Kaukasus im 19. Jahrhundert aus und ließ die Bevölkerung erschaudern.

Kaukasus: Traum und Trauma

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war die unbefriedete Südflanke des Kaiserreichs der zweitwichtigste Verbannungsort nach Sibirien: für politisch »mildere« Vergehen gegen die Autokratie. So kam es, dass ein nicht geringer Teil der literarischen Elite unter Kaiser Nikolaus I. als degradierte Offiziere an der Eroberung des Kaukasus teilnehmen musste und so auf baldige Vergebung hoffen durfte. Selbst Alexander Puschkin, ein Privatier, gelangte 1829 während des russisch-türkischen Krieges unter der Patronage des damaligen Befehlshabers Graf Paskewitsch ins heute türkische Erzurum. Das überwältigend schöne Räubernest wurde nicht bloß zum romantischen Hort der Freiheit à la Lord Byron stilisiert; der Kaukasus diente auch tatsächlich als Refugium für »regimekritische« Geister, falls man Glück hatte, in einem zermürbenden Krieg ohne Regeln überlebt zu haben. Jeder Schüler kannte die bemerkenswerte Strophe eines im Duell nicht weit von Pjatigorsk getöteten Michail Lermontow: »Leb wohl, du ungewaschnes Russland/ du Land der Sklaven, Land der Herrn,/ ihr himmelblauen Uniformen,/ auch du Volk, dienst du doch zu gern./ Vielleicht werd dort im Kaukasus/ ich deinen Paschas bald entgehn,/ den Ohren, welche alles hören,/ den Augen, welche alles sehn.«

Bei alldem stellten die »Andersdenkenden« jener Zeit die zivilisatorische Mission des Zarenreichs und entsprechend dessen moralische Überlegenheit gegenüber den »wilden« Stämmen nicht in Frage. Die Integrität des die koloniale Bürde tragenden »weißen Mannes« litt aber unter der Rechtlosigkeit und der verletzten Ehre des Aristokraten, der doch nur Sklave des Selbstherrschers war. Deshalb empfand ein entehrter Offizier Sympathie für den auf ihn schießenden Bergbewohner, der jederzeit bereit war, für seine Ehre zu sterben. Der »Wilde« und sein unfreiwilliger Unterdrücker waren Gegner der Macht, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Es war Leo Tolstoj, der die Ambivalenz des zivilisatorischen Selbstverständnisses des »weißen Mannes« in seinen kaukasischen Erzählungen aufgehoben hat. Der russische Aristokrat entpuppte sich als moralisch verdorbener, eitler Nichtstuer oder als ein höriger Handlanger der Unterdrückung und Gewalt. Im Unterschied zu früheren Romantikern griff Tolstoj die Unterwerfung der Minderheiten aus einer radikal antietatistischen, rousseauistischen und patriarchalischen Position an. In »Hadji Murat« sah er das Geschehen mit den Augen der der Ausrottung preisgegebenen Bergbewohner, deren Dörfer dem Boden gleich gemacht, deren Gebetshäuser besudelt wurden, und die sich geschworen hatten, Rache zu nehmen an dem »russischen Hunde«. In »Kosaken« bewundert der wegen seiner Kartenschulden und aus Langweile in den Kaukasus geflüchtete Offizier Olenin das natürliche Leben der Kosaken, die, obwohl Christen, den Tschetschenen ähnlicher als den Russen sind. Die tolstojsche Utopie des friedlichen Nebeneinanders patriarchalischer Stammesgesellschaften, die im Einklang mit der überkommenen Tradition leben – ohne Staatsgewalt, ohne Fortschritt und Bildung – war ein konservativer Grundzug des russischen Nihilismus.

Doch der große Moralist hat in der russischen Gesellschaft die Schuldgefühle gesät, die Ende der 1980er-Jahre auf der Welle der Stalinismuskritik reaktiviert worden sind. Während des ersten Tschetschenienkriegs war die russische Öffentlichkeit mit Tolstoj – im Geiste der humanistischen Tradition der russischen Klassik – auf der Seite der Opfer. Kein Zufall, dass in der Zeit eine autobiografische Erzählung von Anatolij Pristawkin »Über Nacht eine goldene Wolke« (1981) großes Aufsehen erregen konnte. Die ausgehungerten Kriegswaisen aus Moskau werden 1944 nach Tschetschenien verlegt, um sie zu Kräften kommen zu lassen und die verwüsteten Gebiete zu besiedeln. Die Kleinen sehen sich hilflos der Rache tschetschenischer Partisanen, die der Deportation entgangen waren, ausgeliefert. Während der Perestroika las sich der bestialische Mord an dem kleinem, arglosen Saschka, aber auch das Leiden der russischen Kolchosbauern, die ebenfalls aus ihren Erdlöchern in Zentralrussland in die tschetschenischen Dörfer verfrachtet wurden, eher als Anklage des totalitären Regimes. Mitte der Neunzigerjahre mutete die Geschichte schon wie eine self-fulfilling prophecy an. Der Höhepunkt der künstlerischen Selbstkritik am Tschetschenienkrieg war der Film von Sergej Bodrow Gefangener im Kaukasus (1996), der sich unmissverständlich an die gleichnamige tolstojsche Erzählung anlehnte. In demselben Jahr wurde der Konflikt – nach der spektakulären Geiselnahme eines Krankenhauses in Budjonowsk durch tschetschenische Separatisten – vorläufig eingefroren.

Damals wurde der Tschetschenienfeldzug als rein innerstaatlicher Konflikt wahrgenommen. Die wichtigste Ursache dafür sah man weniger in der Unabhängigkeitserklärung Dudajews als in mafiösen Machenschaften von Jelzins Umgebung und Oligarchen, im dubiosen Waffen- und Ölhandel. Von Anfang an bestand ein Verdacht, dass die tschetschenischen Warlords wie Bassajew Verbindungen zu den Geheimdiensten hätten und der Konflikt aus Moskau gelenkt wurde. Es war noch keine Rede von den arabischen Kämpfern und dem internationalen Djihad. Zweifelsohne sickerten einzelne islamische Kriegstouristen in die abtrünnige Republik ein; auch arabische Sponsoren waren bereit, in den Kampf gegen die Ungläubigen zu investieren: Kidnapping und Menschenhandel wurden in Tschetschenien zum lukrativen Geschäft, bei dem sich auch russische Offiziere verdingten. Doch damit der schmutzige Tschetschenienkrieg zum Kampf gegen den internationalen Terrorismus mutieren konnte, brauchte man den 11. September 2001.

Abschied vom Kaukasus

Über den Einfluss des Tschetschenienkriegs auf die politische und sozialkulturelle Entwicklung in Russland kann man zurzeit nur spekulieren. Und doch scheint er zumindest in einzelnen Aspekten enorm zu sein. Ohne den Konflikt hätten die »Siloviki«(1) nicht in dem Ausmaß an die Macht gelangen können. Auch die Dehumanisierung der Gesellschaft, die »Paramilitarisierung« der Männer und Ausbreitung der alltäglichen Gewalt in der Gesellschaft waren eine schleichende Folge des Krieges. Die »Befriedung« des Kaukasus ist trotzdem nicht in Sicht. Die spektakulären Geiselnahmen in Moskau und Beslan demonstrierten die Unfähigkeit der staatlichen Institutionen, die Bevölkerung zu schützen. Allerdings verstärkte die Stilisierung des Staatsterrorismus in Tschetschenien zum Kampf gegen den internationalen Terrorismus – ein geschickter Schachzug Putins seit dem 11. September 2001, der seine westlichen Kritiker verstummen ließ – das kollektive Gefühl der Hilflosigkeit gegenüber der islamischen Gefahr. Der Kaukasus wurde von nun an als Vorposten des globalen Islam wahrgenommen, der hier gegen die Russen operiert.

Der alte, von der humanistischen russischen Literatur geprägte Kaukasus-Diskurs ist vor diesem Hintergrund obsolet geworden. Er war auf dem Höhepunk kolonialer Eroberungen entstanden und lebte vom Bewusstsein der Überlegenheit des »Großen Bruders« über die kleinen Völker. Nun sind diese Gewissheiten dahin; Russland »sterbe« demografisch aus, es habe keine Vitalität mehr und könne den Islam militärisch nicht »befrieden«. Die russische Armee sei in Tschetschenien geschlagen worden, während der Konflikt sich wie ein Flächenbrand auf die benachbarten südrussischen Gebiete ausbreite. Dies ist der Grundton der heutigen Kaukasus-Publizistik. Der Islam als Totengräber Russlands ist nun ein Gegenstand der literarischen Fantasie geworden. Vielleicht ist es kein Zufall, dass im Herbst 2005 zwei Bücher über die islamische Bedrohung, allerdings höchst unterschiedlicher literarischer Qualität, ausgerechnet von Frauen verfasst wurden. Der Thriller Nijazbek von Julia Latynina setzt sich mit der gegenwärtigen Situation im Kaukasus auseinander. Der Schund-Roman Moschee Notre Dame von Jelena Tschudinowa, der in der Serie »Kriege der Zukunft« erschienen ist, erhebt den Anspruch, als eine moderne Antiutopie Europa vor seinem Untergang zu warnen.

Julia Latynina ist eine angesehene nonkonformistische Wirtschaftjournalistin, Autorin zahlreicher Fantasys und Wirtschaftskrimis, in denen die kriminellen Machenschaften der Oligarchen und Politiker im Kampf um Selbstbereicherung spannend und sprachlich brillant dargestellt werden. Vom literarischen Niveau und der detektivischen Dramaturgie steht ihr literarisches Können einem internationalen Bestseller-Autor wie John Le Carré in nichts nach. Allerdings ist Latynina ein spezifisch russischer Sarkasmus eigen, der ihre Texte zu anstrengend für die Liebhaber einfach gestrickter Action-Krimis macht. In letzter Zeit beschäftigt sie sich zunehmend mit dem Kaukasus und begleitet mit ihren Kommentaren in Radio Echo Moskwy und in der oppositionellen Zeitung Novaya Gaseta die Ereignisse in den unruhigen Gebieten.

Jelena Tschudinowa studierte in den Achtzigerjahren mittelalterliche europäische Geschichte. Sie ist Autorin einer Geschichte Englands für Kinder und einer Trilogie über den Bürgerkrieg. Auf der 8. russischen Buchmesse »Bücher Russlands« wurde ihr Roman Schatulle wegen seiner »Intoleranz gegenüber anderen Konfessionen« für einen Gegenpreis für das schlechteste Buch des Jahres nominiert.

Die Handlung in Latyninas Roman Nijazbek spielt in einer fiktiven kaukasischen Republik, die an Tschetschenien grenzt und an Dagestan erinnert. Der Sohn eines russischen Finanzministers, Wladislaw Pankow, wurde im Kaukasus vom tschetschenischen Banditen Arso gekidnappt und in ein Erdloch gesteckt. Arso ließ ihm den kleinen Finger abschneiden, um ihn an seinen Vater zu schicken: ein wirksames Mittel Lösegeld zu erpressen. Doch eher zufällig wird er von einem gewissen Nijazbek befreit und kehrt nach Moskau zurück. Dann macht der Russe Karriere bei der Weltbank. In den USA verfällt der psychisch angeschlagene Pankow der Drogensucht und kommt auf die Beine nur dank seines Freundes Igor Malikow, der sich später als Bruder von Nijazbek entpuppt. Neun Jahre nach seiner wundersamen Befreiung wird Pankow zum Stellvertreter des Präsidenten in jener kaukasischen Republik ernannt, in der er einst entführt wurde. In dieser Eigenschaft gerät er in den Strudel der Konflikte zwischen kriminellen Machtklans, die untereinander um die Kontrolle am Öl und an den russischen Transferleistungen blutige Kämpfe austragen. Der Präsident der Republik, Aslanow, herrscht mit seinen zwei Söhnen wie Saddam und räumt unter den Konkurrenten mit Folter, Minenanschlägen und Überfällen auf. Mord und Totschlag im Kampf um Macht und Pfründe stilisiert er zum Kampf gegen den Terror und seine Opfer zu religiösen Extremisten. Die Leichen der entführten und misshandelten Zivilisten werden den Fernsehkameras als getötete Gotteskrieger präsentiert. Das Oberhaupt des russischen Geheimdienstes ist in die Erpressungsgeschäfte involviert und am Ölgewinn beteiligt. Pankows Entführer Arso entpuppt sich als Oberst, der einer Sondergruppe des FSB vorsteht. Für den kleinen Mann und seine Angehörigen gibt es in der Republik keinen Schutz, außer das Gesetz der Blutrache. Von diesem blutigen Chaos überfordert, lädt Pankow seinen Freund Igor Malikow in die Republik ein, um sich von ihm Rat zu holen. Schon am Flughafen wird dem »einzigen Europäer« seines Stammes inmitten seines Volkes schummerig. Nur eine halbe Stunde später fällt er einem Anschlag zum Opfer. In Verdacht geraten Präsident Aslanow und seine Söhne, die aus dem Kreml absichtlich desinformiert wurden, dass Malikow Aslanow als Präsident ablösen sollte. Der Anschlag ruft Nijazbek auf den Plan. Nun hat er sich für den Mord an seinem Bruder zu rächen.

Nijazbek ist eine Schlüsselfigur des Kaukasus-Thrillers Latyninas, auf den alle Sujet-Linien hinauslaufen. Der starke Mann ist weder prorussisch noch ist er Separatist oder Wahhabit. Seine Treue gilt dem Islam, den ewigen Traditionen seines Volkes und seiner Familie. Aus der Sicht westlicher Moral ist er korrupt und kriminell: Er hat seinen Anteil am mafiosen Ölgeschäft und beseitigt umgehend seine Rivalen. Nach dem Verständnis seiner Landsleute ist er indes ein stolzer, aufrechter Mann: der Einzige, der noch in diesem Meer der Rechtlosigkeit für den kleinen Mann einschreitet und zu seinem Wort steht – ein Robin Hood. Jedenfalls hebt er sich günstig ab vom Tschetschenen Arso, dem blutrünstigen Verbrecher ohne jede Hemmungen, der zusammen mit russischen Geheimdiensten und zugleich mit Präsident Aslanow die Republik an den Rand des Bürgerkriegs führt. Pankow ordnet die Untersuchung des Anschlags auf seinen Freund an, und der russische Geheimdienst »hilft« ihm, indem er unschuldige Menschen haufenweise in die Folterkerker wirft und Erfolge im Kampf gegen den Terrorismus meldet. Pankow weiß, dass sie unschuldig sind und entscheidet, Aslanow abzusetzen und Nijazbek zum Präsidenten zu machen, wie die aufgebrachten Verwandten der Getöteten es von ihm verlangen. Die Schwäche dieser Konstruktion besteht darin, dass Aslanow – würde er gefeuert –angesichts des Ausmaßes seines Verbrechens nicht lange leben würde. Deshalb ist sein Verbleib an der Macht eine Frage des Überlebens. Aslanow flieht nach Moskau, wo er ein hohes Tier in der Präsidialadministration hinter sich weiß, und verspricht, ihm einen noch höheren Anteil an seinem Gewinn zu entrichten. Kein einziges Mal gelingt dem verzweifelten Pankow, sich mit dem Präsidenten im Kreml in Verbindung zu setzen, immer wieder gerät er auf diesen unsichtbaren »Helfer«, der ihm die »Meinung« des Präsidenten mitteilt. Unterdessen eskaliert die Situation auf der Straße, und Pankow findet sich als Geisel von Nijazbek und Arso wieder. Er verspricht Nijazbek, gegen den Willen des Kreml das Monster Aslanow abzusetzen, wenn Nijazbek ihm den Kopf seines Entführers Arso hergibt. Doch Nijazbek ist ein Mann der Ehre, er kann den Menschen nicht verraten, den er selbst eingeladen hat. Anders als der schwache Russe, der sein Wort nicht hält und nach einem faulen Kompromiss sucht: Aslanow bleibt im Amt, während Nijazbek zum Finanzinspektor ernannt wird. Doch der verratene Nijazbek weigert sich im Namen der Bevölkerung, das Amt zu übernehmen. In demselben Augenblick wird der letzte aufrechte Mann im Kaukasus – Nijazbek – von seinem eigenen Helfershelfer erschossen. Pankow betrinkt sich monatelang und fällt später dem Anschlag eben dieses Mannes zum Opfer. Die letzten Worte, die der sterbende Russe hört, sind »Allah Akbar!«

Latynina zeigt, dass die russische Politik im Kaukasus – Unterstützung der postsowjetischen feudalen Nomenklatura – das Gebiet destabilisiert und an die Grenze des Bürgerkriegs führt. Der russische Stellvertreter versteht zwar die prekäre Lage, wird aber zur Geisel der kriminellen Abmachung zwischen dem Kreml und lokalen Herrschern. Ihm fehlt der Mut, sich gegen den Willen des Kremls zu stellen. Deshalb verliert er seinen einzigen Verbündeten Nijazbek, den in den kaukasischen Traditionen verwurzelten gemäßigten Muslim, und macht den Weg für die Islamisten frei. Die Korruption der Zentralmacht und die kriminelle Gewalt ihrer lokalen Kreaturen, glaubt Latynina, vernichtet die gemäßigten Kaukasier, während an ihre Stelle islamische Fanatiker treten, die Russland von den Flanken und von innen sprengen können.

Dass das düstere Bild Latyninas nicht so weit von der Realität entfernt liegt, bestätigt der geheime Bericht des Stellvertretenden Präsidenten der südlichen Region, Dmitrij Kosak, über die Probleme im Kaukasus, der im Juni 2005 den Medien zugespielt wurde.(2) Kosak macht keinen Hehl daraus, dass die Mächtigen im Kaukasus eine geschlossene Kaste gebildet haben, die die Transferleistungen unter sich aufteilt und mit den Staatsämtern Handel treibt. Die einfachen Menschen können nur überleben, wenn sie familiäre Bande mit Mitgliedern dieser Kaste haben oder mit Erpressern eingehen. Es gebe in Dagestan inzwischen Gebiete, die nach der Scharia lebten und für die russische Macht nicht mehr zugänglich seien.

Doch dem kritischen russischen Leser verrät der Bericht noch etwas Wichtigeres. Der Umgang herrschender Cliquen mit der Bevölkerung in den genuin russischen Regionen – Korruption, Willkür und Gewalt – unterscheidet sich nicht grundsätzlich vom Geschehen im Kaukasus. Wirklich anders ist nur eines: die Reaktion der Bevölkerung. Die russische Macht lässt stehlen und töten. Die Macht im Kaukasus lässt ebenso stehlen und töten, behauptet Latynina in ihren scharfen Kommentaren. Doch das russische Gesellschaftsmodell hat keine Antwort auf die Frage parat, wie man sich gegen die Willkür der Obrigkeit wehrt. Der entrechtete Russe wendet sich ans Gericht oder an die Medien, bekommt kein Recht und betrinkt sich aus Kummer. Der kaukasische Mann weiß, was er zu tun hat, und er weiß die Antwort auf die Frage, wer an den Missständen schuld ist. Er wendet sich weder an die Zeitungen noch ans Gericht, er rächt sich an seinen Peinigern mit der Waffe in der Hand und bekommt von den Wahhabiten die Erklärung dafür, warum im Kaukasus die Bevölkerung vogelfrei ist. Sie lautet: Weil der Teufel Sand in die Augen der Mächtigen gestreut hat, so dass sie nichts außer dem Geld, das sie von Ungläubigen bekommen, sehen können. Und es wird so lange so weitergehen, bis den Mächtigen und ihren Handlangern die Kehlen durchgeschnitten sind und die Muslime sich von der Macht der Ungläubigen befreit haben. Diese elementare Erklärung, so Latynina, ist für die russische Macht das Schlimmste: nicht, dass der Kaukasus andere Probleme hat, sondern dass er eine Lösung weiß, die schrecklicher als das Problem selbst ist.

Russland, zeigt Latynina in ihrem Buch, korrumpiert den Kaukasus, kontrolliert ihn aber nicht. Im Gegenzug erpresst die postsowjetische Ethnokleptokratie, die auf dem Geldhahn aus dem Zentrum sitzt, den Kreml mit dem Terrorismus, der von ihr selbst in Gang gesetzt wird. Säuberungen, Folter und Morde an zahlungsunwilligen Unternehmern, Stigmatisierung von Gläubigen als Islamisten, die angeblich für Terrorakte verantwortlich sind, stehen auf der Tagesordnung. Der Islamismus wird unter diesen Umständen zur Waffe der Schwachen. Der Kaukasus, ist Latynina überzeugt, ist der Totengräber des ins Chaos steuernden russischen Staates.

Der Untergang des Abendlandes

Wenn die Pariser Vororte nicht gebrannt hätten, würde das Büchlein von Jelena Tschudinowa wohl in den Regalen verstauben inmitten Dutzender gleich aussehender Bände aus der Schundserie »Die Kriege der Zukunft« des Eksmo-Verlags. Allerdings glich die russische Berichterstattung über die Revolte islamischer Jugendlicher tatsächlich den Reportagen von einem Schlachtfeld: Man sprach von Krieg, von Panik in der Bevölkerung und dem Versagen der französischen Regierung. All das, ironisierte die bekannte Oxforder Demografin Margaret Satterwaite, »vermittelte den Eindruck eines futuristischen Thrillers in den besten Traditionen von Science-Fictions«. Tatsächlich kam in der russischen Wahrnehmung der französischen Probleme sowohl eine Art Revanche für die westliche Kritik am Tschetschenienkrieg als auch der Versuch zum Ausdruck, die »Krise im Herzen der westlichen Zivilisation für die Ablenkung von den eigenen Ereignissen auszunutzen«.(3) Die Pariser Ereignisse lösten eine rassistische Hysterie in den liberalen russischen Gazetten aus und senkten die Schwelle des Erlaubten, schrieb der Leiter des Instituts für Globalisierung in Moskau, Boris Kagarlizki.(4)

Dank diesen Umständen wanderte Tschudinowas Buch auf den Stand für Bestseller und erregte die Aufmerksamkeit der Medien. Die Handlung von Moschee Notre Dame spielt im Paris des Jahres 2048, die Anlehnung an das orwellsche 1984 ist nicht zu übersehen. Es ist fast zwanzig Jahre her, dass der Papst die katholische Kirche aufgelöst hat und der Islam in der EU – in Eurabia – zur Staatsreligion erklärt wurde. Beim Machtwechsel zerstörten die Wahhabiten Kirchen und Museen und errichteten einen islamischen Totalitarismus. In Frankreich wurde die Scharia eingeführt und verboten Wein herzustellen: Am Arc de Triomphe steinigt die aufgebrachte Menge einen illegalen Weinbauern. Die »Alteuropäer« vegetieren in Gettos dahin, ihre Töchter sind an Harems und Bordelle verkauft. Die Muslime von Tschudinowa unterscheiden sich von den kaukasischen Protagonisten Latyninas wie Himmel und Erde: Sie sind dumm, faul, fett und feige. Da die europäische Zivilisation ausgemerzt wurde, beziehen sie ihre technischen Utensilien aus China und führen eine rein parasitäre Lebensweise. Die Autorin bemüht sich, einen geradezu physiologischen Fremdenhass hervorzurufen. »Ein eigenes Hirn hatten sie wohl nie, sie waren nie zu irgendwas fähig außer morden. Im 20. Jahrhundert haben sie als Öl-Blutegel gelebt: nichts produziert, nichts gearbeitet.«

Aber in den Pariser Katakomben versteckt sich die letzte christliche Gemeinde mit Pater Lothar an der Spitze und ein paar Hundert vom Maquis, unter ihnen eine furchtlose Partisanin Jeanne, eine Mischung aus Jeanne d’Arc und Charlotte Corday, und ein Serbe mit dem sprechenden Namen Slobodan. Sie werden von einer alten Frau russischer Herkunft – Sofia – angeführt. Als Kind wurde diese heimlich getaufte Tochter eines reichen jüdischen Unternehmers von Tschetschenen entführt. Ihre zwei abgetrennten Finger hat man dem Vater geschickt, um von ihm Lösegeld zu erpressen. Doch dem russischen Geheimdienst war es gelungen, das Mädchen zu befreien. In der Realität – dieser Vorfall ereignete sich tatsächlich vor einigen Jahren in Saratow – emigrierte die Familie dann nach Israel. Tschudinowa lässt das Mädchen einen griechisch-orthodoxen Widerständler heiraten und ihr Leben der Rache an Muslime widmen. Die Résistance erfährt von der bevorstehenden Räumung des christlichen Gettos, die letzten Märtyrer Europas nehmen le Cité in ihre Gewalt und kämpfen auf den Barrikaden um Zeit zu gewinnen. Ihre letzte Handlung sollte die heilige Messe in der besudelten Notre Dame sein, die in eine Moschee umfunktioniert worden ist. Die wieder geweihte Kathedrale wird in die Luft gesprengt. Paris ist diese Messe wert. Eine Hand voll versprengter Widerständler flieht in die Wälder der Vendée, um irgendwann mit russischen Panzern nach Frankreich zurückzukehren.

Wenn man vom literarischen Niveau beider Thriller absieht, wittern die Autorinnen den Untergang: Für die eine ereignet er sich in Russland, wenn der Kaukasus in den Flammen des Heiligen Krieges aufgeht, für die andere in Europa, das vom Islam unterjocht wird. Die Ursache dafür ist eine dramatische Schwäche der russischen und westlichen Zivilisation. In Russland ist das die »Privatisierung« des Staates, die zu einer schrankenlosen Korruption führt und jede Handlung Sonderinteressen unterordnet. Der hobbessche Staat verschwindet; in seinem Namen agieren kriminelle Vereinigungen von Staats- und Sicherheitsbeamten und ethnische Clans im Kaukasus. Hingegen fällt Europa dem scheinheiligen Humanismus, der politischen Korrektheit zum Opfer. Das verweichlichte Abendland gibt seine christlichen Werte preis und lässt sich »demokratisch« islamisieren. Doch Tschudinowa, deren ungewöhnlich primitive und stellenweise grammatikalisch falsche Sprache an niedere rassistische Instinkte appelliert, hegt bar jeder Logik die Hoffnung auf russisch-orthodoxe Panzer, die bereits in Tschetschenien stecken geblieben sind. Das Symbol der Großmacht, das fast parodistisch im Kontext der »Kriege der Zukunft« anmutet, ist ein Teil der russischen Neurose, die immer wieder die verlorene militärische Größe beschwören muss. Bei der Ausbeutung des kollektiven Traumas vollbringt Tschudinowa das Kunststück, das antiislamische Ressentiment mit dem Hass gegen den Westen zu verbinden.

Die historische Niederlage der kommunistischen Großmacht hatte eine Identitätskrise zur Folge. Ihre Überwindung geschieht durch die Konsolidierung eines neuen Mythos, der von Autoren wie Tschudinowa unter die Massen gebracht wird. Dies ist ein positiver Mythos, der die Ansprüche auf Selbstachtung und Überlegenheit formuliert, ohne die kollektive Niederlage akzeptiert zu haben. Die »russischen Panzer« sind ein Versatzstück sowjetischer Identität, das den pubertären Traum der Allmacht bedient und in die postsowjetische russische Identität hinübergerettet wird.

Zwischen Pest und Cholera

Seit 1989 werden vom Moskauer Institut für Meinungsforschung (damals WZIOM, heute Lewada-Zentrum) Massenumfragen zur Fremdenfeindlichkeit durchgeführt, so dass man Aufschluss über deren Dynamik in der russischen Gesellschaft über 15 Jahre hin bekommen kann. In der Zeit, als die Sowjetunion auseinander fiel, war der genuin russische Nationalismus nicht allzu stark ausgeprägt. Jedenfalls verblasste er vor dem Hintergrund einer ethnonationalistischen Mobilisierung der Minderheiten. 1989 tadelten 53 Prozent der Befragten jede Manifestation ethnischer Intoleranz, während 20 Prozent sich offen zum Fremdenhass bekannten. In Russland selbst war der letzte Wert noch niedriger als der sowjetische Durchschnitt. Ende der Achtziger- und Anfang der Neunzigerjahre gehörten die Träger der Xenophobie zur sozialen Peripherie: Es waren die älteren, bildungsfernen Einwohner der Kleinstädte, die notorischen Kommunistenwähler. Die jüngeren und gebildeten Einwohner der Großstädte – die demokratische Perestroika-Generation – waren indes tolerant und nicht »nationalistisch-besorgt«.(5) Auch heute noch bleibt diese demografische Kohorte relativ weltoffen. Die allgemeine Ursache für den überraschend niedrigen Pegel des Fremdenhasses in der Zeit sehen die Soziologen jedoch nicht in einer »besonderen« russischen Toleranz; vielmehr leiten sie das Phänomen aus dem sowjetischen Selbstverständnis der Russen als staatstragender Ethnie ab, die immer noch von der Überlegenheit des »Großen Bruders« gegenüber den anderen Völkern überzeugt gewesen sei. Hinzu kommt eine amorphe ethnische Identität und schwache binnenethnische Solidarität.

Doch der Anspruch der Russen auf die Fortsetzung ihrer ethnokratischen Dominanz hielt der Prüfung der Realität nicht stand. Die russische Armee konnte Tschetschenien nicht befrieden. Die ethnischen Konflikte und die desolate Wirtschaftslage führten Millionen von Migranten aus dem Kaukasus und den ehemaligen Sowjetrepubliken in die russischen Ballungsräume und ländlichen Gebiete, wo sie es dank ethnischer Solidarität zu Wohlstand und damit höherem sozialem Status brachten. Von der einheimischen Bevölkerung werden diese Aktivitäten als kriminell angesehen. Die Krise des ethnokratischen Selbstverständnisses ist für die wachsende russische Xenophobie seit Mitte der Neunzigerjahre verantwortlich. Sie hatte den Wandel von den »pseudouniversalistischen Großmachtmustern« sowjetischer Provenienz zu den genuin ethnischen, tribalistischen Werten zur Folge, die sich durch die Feindseligkeit gegenüber Migranten nährte.

Seit dem Ende der Neunzigerjahre ist nicht nur eine Verbreitung des Fremdenhasses, sondern auch ein qualitativer Sprung in der russischen Xenophobie zu beobachten, der in einem Wandel des sozialen Milieus der Xenophobie in Erscheinung tritt. Denn die relativ weltoffene Jugend der Perestroika-Generation wurde durch eine ganz andere Jugend abgelöst. Als Träger scharfer Xenophobie und ethnischer Vorurteile erweisen sich nun junge Leute mit unbestimmtem sozialem Status: Berufsschüler, Arbeiter, Schüler in wirtschaftlich depressiven Kleinstädten und Ballungsräumen sowie die postsowjetische »Statuselite«, Spezialisten und Studenten, die bis zu 70 Prozent an einem »Komplex nationaler Beleidigung« leiden.(6) Allerdings hat sich die soziale Basis für den Fremdenhass ungemein erweitert. 2004 teilten zwei Drittel der Befragten antikaukasische und antiziganistische Ressentiments. Auf die Frage, warum man diese nicht mag, antworteten 68 Prozent, dass sie »anders« seien und sich durch einen starken Zusammenhalt auszeichneten.(7) Inzwischen gibt es in Russland circa 50000 Skinheads; fast jeden Tag werden Vertreter nationaler Minderheiten oder ausländische Studenten angegriffen und misshandelt.

Die Ausbreitung der nationalistischen Ressentiments über soziale Grenzen hinweg kommt in der schwindenden Diskrepanz zwischen den Wählern nationalistischer und »demokratischer« Parteien in bezug auf die Xenophobie zum Ausdruck. Während 1993 der Index der Xenophobie bei den Wählern der »Demokratischen Wahl Russlands« um den Faktor 1,5 niedriger als bei den kommunistischen Wählern war, sank 2002 der Unterschied auf 20 Prozent.(8) Die Soziologen schließen daraus auf eine Annäherung zwischen den sozial niederen Schichten und der Bildungsschicht in Bezug auf die Werte: Die Degradierung der Elite wird von der Konsolidierung eines russischen Nationalismus – eines »konservativen, geschlossenen und isolationistischen Komplexes« – begleitet.

Es besteht der begründete Verdacht, dass der Kreml nationalistische Parteien und Vereinigungen kreiert hat oder diese im Eigeninteresse unterstützt. Der notorische agent provocateur Schirinowski samt seiner »liberal-demokratischen« Partei wurde am Vorabend der Perestroika vom KGB aufgezogen, um den demokratischen Wandel zu diskreditieren. Auch Rogosins Partei »Heimat« gilt als Projekt des Kreml, das den Kommunisten Stimmen abgraben und zugleich eine »Gefahr von rechts« verkörpern soll, damit der Kreml sich als gemäßigt und als »kleineres Übel« stilisieren kann. Das Schüren lokaler Konflikte und geheimdienstliche Provokationen waren immer schon bewährte Instrumente des sowjetischen Geheimdienstes. Heute dient die Politik »kontrollierter Instabilität« eher der Selbstbereicherung und dem Machterhalt der neuen »Sicherheitsoligarchie«, die im Blick auf das Jahr 2008 die Operation »Nachfolger« gestartet hat. Ob der Kreml den von ihm geschürten Fremdenhass auch weiter zu kontrollieren vermag oder dessen Geistern später nicht mehr Herr werden wird, ist eine Gretchenfrage zynischer Machtpolitik.

In einem Vielvölkerstaat wie Russland kann der Nationalismus sowohl der Mehrheit als auch der Minderheiten lediglich eine destruktive Rolle spielen. Das Scheitern Jugoslawiens ist dafür ein tragischer Beleg. Als Verfallsprodukt der Großmachtidentität leidet der russische Nationalismus an Schizophrenie. Xenophobie kann Minderheiten nicht an Russland binden, sie versperrt ihnen den Weg zur Integration in die Mehrheitsgesellschaft und trägt zur Absonderung der ethnischen Gemeinschaften in der »Diaspora« bei. Es entsteht eine Situation, in der die ethnische Zugehörigkeit Beruf und Beschäftigung bestimmt. Die »handelnden Minderheiten«, wie sie Yuri Slezkine in seinem bemerkenswerten Buch Paradoxe Moderne beschrieben hat, leben inmitten der Mehrheit gefährlich.(9) Pogrome an Migranten sind in Russland keine Seltenheit mehr. Im südrussischen Gebiet Krasnodar ist die Diskriminierung und Vertreibung der Migranten, etwa der Türken-Mescheten, offizielle und durchaus populäre Politik. Das ändert nichts an der Tatsache, dass der Migrationsdruck aus dem Kaukasus wächst und die demografische Balance an der russischen Südflanke sich allmählich zuungunsten der russischen Bevölkerung verschiebt. Zugleich verliert der Kaukasus den Rest an russischer Bevölkerung und wird durch den Kreml in die Arme der Islamisten getrieben.

Der russische Nationalismus wäre historisch gerechtfertigt oder sogar »fortschrittlich«, hätte er ein modernisierendes Potenzial entwickeln können, das auch die Minderheiten in seinen Sog ziehen würde. Als Zerfallsprodukt der russisch-sowjetischen Ethnokratie ist er aber rückwärts gewandt und modernisierungssteril. Rückwärts gewandt sind auch die Tribalismen der kaukasischen Minderheiten. Es findet eine Reduktion zu den früheren, elementaren traditionalistischen und quasi feudalen Gebilden statt, die im Kontext der Globalisierung ein enormes destruktives Potenzial entfalten. Bei all seinem Öl- und Gasreichtum kann der Kreml dieser Entwicklung nichts entgegensetzen, im Gegenteil beschleunigt er mit seiner hilflos-brutalen Kaukasus-Politik die Destruktion Russlands.

»Für einen Augenblick, dachte Malikow, so sieht die Hölle aus; dann hat er sich daran erinnert, dass dies seine Heimat ist.«(10)

1

Siloviki: Bezeichnung für die Vertreter der Macht aus den alten Apparaten, insbesondere aus Militär und Geheimdiensten (Anm. d. Red.).

2

Andrei Smirnov: »From Chechnya To Dagestan. Basaev’s Second Front Against Russia«, Jamestown Foundation, in: Chechnya Weekly. September 15, 2005,
www.newtimes.ru/eng/detal.asp?art_id=1461

3

www.polit.ru/analytics/2005/12/14/parizh.html

4

Boris Kagarlitsky: »An Unfortunate Event May Become A Godsend«, eurasianhome.org, December 2, 2005.

5

Lew Gudkow und Boris Dubin: »Die Besonderheiten des russischen Nationalismus«, in: Pro et Contra, 2, 2005, S. 13.

6

Ebd., S. 14.

7

Ebd., S. 11.

8

Ebd., S. 14.

9

Yuri Slezkine: Paradoxe Moderne, Göttingen (Verlag Vandenhoeck & Ruprecht) 2005.

10

Julia Latynina: Nijazbek, Moskau (Eksmo Verlag) 2005, S. 44.