Sybille Volkholz

Leistung muss sich lohnen!

Suche nach Reformbremsen im deutschen Bildungssystem

Vorschläge zu grundlegenden Reformen, wie zum Beispiel die Änderung der Schulstruktur, stoßen auf große Widerstände und scheinen wenig Aussicht auf Realisierung zu haben. Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, worin Hemmnisse für grundlegendere Reformen bestehen könnten, die bislang noch zu wenig beachtet wurden. Dabei geht es unter anderem um Fragen von Leistungsorientierung, Migrantenförderung und dem Bildungskanon als Selektionsinstrument.

Befunde

Die Befunde über die Leistungsfähigkeit des deutschen Schulsystems, gemessen an den Erfolgen der SchülerInnen, sind bekannt. Die PISA-Ergebnisse waren Anlass von erheblichen Reformen, trotzdem bleibt in der öffentlichen Debatte der Eindruck, dass diese weit hinter dem Bedarf zurückbleiben.

Alle empirischen Befunde belegen, dass der Umgang des deutschen Schulsystems mit Benachteiligten außerordentlich schlecht gelingt. Die schlechte Förderung von Migrantenkindern stellt sich bei näherem Hinsehen ebenso als Schichtproblem heraus, wie wir es aus der Vergangenheit auch bei deutschen Unterschichtkindern kennen. Bei Migranten kommt das Sprachproblem erschwerend hinzu, aber offensichtlich schlägt der Schichtfaktor beim Schulerfolg durch. Die Analyse der PISA-Befunde durch die OECD,(1) die sich besonders auf die Situation der Migranten bezieht, bestätigt diesen Befund. Länder, die bei Migrantenkindern vergleichbare Schulerfolge erreichen wie bei Kindern einheimischer Herkunft (z. B. Kanada und Australien), weisen in der Regel auch eine geringere Differenz in den Bildungsabschlüssen der Eltern auf. In Deutschland wiederum ist die Differenz zwischen den Bildungsabschlüssen der Eltern von Migrantenkindern und denen der einheimischen Bevölkerung sehr groß.

Die Frage ist, warum es öffentlichen Schulen in Deutschland schlechter gelingt als Schulen in anderen Ländern, Nachteile aufgrund familiärer sozialer Herkunft auszugleichen. Auch die Verbesserungen der Schülerleistungen, die PISA 2003 gegenüber den Ergebnissen von 2000 aufweist, finden sich wiederum vor allem im oberen Leistungsbereich und nicht bei den benachteiligten Schülern in den Hauptschulen.

Schülerleistungen und Kontextbedingungen

Schülerleistungen hängen wesentlich von der Leistungsorientierung der Schule, der Lehrkräfte, der Eltern, dem schulischen Umfeld und den politischen Vorgaben ab. Hohe konsistente Leistungsanforderungen verbunden mit einem lernfreundlichen Klima sind die besten Voraussetzungen für hohe Schülerleistungen. Dies ist zunächst einmal eine banale Erkenntnis. Die Frage ist aber, wodurch die Leistungsbereitschaft von Schülern und die Leistungsorientierung der übrigen Akteure gefördert wird?

Wenn man etwa kanadischen und deutschen Schulalltag und die Schulkulturen beider Länder vergleicht, so fällt auf, wie unterschiedlich mit Leistung und Leistungsorientierung umgegangen wird. Während kanadische Schüler selbstverständlich bei Umfragen angeben, in der Schule ihr Bestes geben zu wollen, in Klassenzimmern »the best of the week« ausgezeichnet werden, Lernfortschritte an der Wand für alle sichtbar dokumentiert werden, würden sich deutsche Schüler häufig eher dem Strebervorwurf ausgesetzt sehen. Auch bei Lehrkräften wird Leistungsorientierung schnell mit Ausgrenzung verbunden und der Sorge, dass schwächere Schüler verlieren könnten. Offensichtlich ist die Eindeutigkeit, mit der die Kategorie Leistung besetzt ist, in beiden Ländern unterschiedlich ausgeprägt.

Es könnte sein, dass der schulische Stellenwert ein Spiegel der gesellschaftlichen Funktion von Leistung ist. Nur wenn Leistung auch gesellschaftlich Wirkung zeigt, zum Beispiel zu guten Positionen führt, wird sie zu einem Wert, der auch in der Schule die entsprechende Beachtung finden. Umgekehrt bedeutet dies auch: Wenn für die Vergabe gesellschaftlicher Positionen andere Kriterien, wie etwa die Schichtzugehörigkeit und die familiäre Herkunft, wichtiger sind, wird die Kategorie Leistung es schwer haben, sich durchzusetzen.

Es könnte sein, dass in erfolgreichen PISA-Ländern, allen voran Finnland und Kanada, soziale Mobilität in relevantem Ausmaß möglich ist und mehr von der Leistung abhängt als von der Herkunftsschicht. Die Schule ist dort durchaus in der Lage, Schüler aus sozial schwächeren Schichten zu besseren Leistungen zu motivieren und mit ihrem Schulerfolg ihnen sozialen Aufstieg zu vermitteln. Hier hätten die Schule und die anschließenden Bildungseinrichtungen eine wirkliche Transmissionsfunktion. Die größere gesellschaftliche Wertschätzung von Bildung würde sich dadurch erklären, dass sie faktisch auch eine bedeutsamere gesellschaftliche Funktion hat. Vieles spricht dafür, dass in Deutschland die Schichtzuordnungen nur schwer durch individuelle Leistung und über den Bildungsgang zu durchbrechen sind.(2) Wenn in Deutschland für die Vergabe gesellschaftlicher Positionen die familiäre Herkunft wichtiger ist, ist es nicht verwunderlich, dass der Schule eine geringere Bedeutung zugemessen wird. Natürlich spielt auch in Deutschland der Bildungserfolg eine wesentliche Rolle für die Vergabe sozialer Positionen. Wir kennen aber auch den Zusammenhang von sozialer Herkunft und Schulerfolg. Faktisch würde dies heißen, dass der Wert der guten Schulbildung sich nur innerhalb der Mittel- und Oberschicht auszahlt, sozusagen ein schichteninternes In-sich-Geschäft bleibt. Es würde zudem bedeuten, dass auch der Schulerfolg nicht in erster Linie über Leistung errungen wird, sondern offensichtlich auch innerhalb der Bildungsgänge andere Kriterien wirken.

Kurt Beck, der SPD-Vorsitzende, hat gerade das Augenmerk auf die Perspektivlosigkeit der Unterschicht gelegt, die sich mit ihrer geringen Aussicht bereits abgefunden habe, eine mentale Haltung, die – über Generationen vererbt – keinerlei Anstrengungen mehr unternimmt, aus dieser Situation herauszukommen. Diese These soll hier nicht in Frage gestellt werden, vieles spricht für ihre Richtigkeit. Es könnte aber sein, dass diese Haltung durch eine Mittel- und Oberschicht ergänzt wird, die ihrerseits große Ausschließungstendenzen pflegt. Eines dieser Ausschließungsinstrumente könnte durchaus die Schule sein.

Schulinterne Faktoren – Bildungskanon als Selektionsinstrument

Ein mögliches Selektionsinstrument könnte neben der Schulstruktur – und möglicherweise noch wirksamer – die Auswahl der Bildungsinhalte, des Kanons und der ausgewählten Lernstoffe sein. »Die Misere des deutschen Bildungssystems hat ihren Ursprung in einer fatalen Asymmetrie: Wir überfrachten den Bildungsbegriff und unterschätzen die Erziehungswirklichkeit.«(3)

Das Differenzbedürfnis der sozialen Schichten schlägt sich bis zur Schule nicht nur durch die abgeschottete Struktur durch, sondern auch in den Bildungsinhalten, sei es als definierter Kanon oder Rahmenplan, sei es bei der Wahl der Unterrichtsgegenstände durch die Lehrkräfte.

Der Bildungsbegriff in vielen Debatten um Allgemeinbildung begründet sich in einer emphatisch als Kulturnation aufgeladenen Definition. Damit geht offensichtlich einher, dass die Wirklichkeit an den Schulen und davon, was Jugendliche lernen können, ausgeblendet wird. PISA 2000 weist etwa darauf hin, dass die Lehrplanexperten völlig falsche Erwartungen von den Lernmöglichkeiten der Kinder und Jugendlichen haben.(4)

Die Aufladung des Bildungsbegriffs in der deutschen Debatte hat sehr viel mehr mit dem Bedürfnis nach Differenz und Abgrenzung zu tun als mit Integration. Sie knüpft nahtlos an die Tradition eines Bildungsbürgertums des 19. Jahrhunderts an, das Bildung ausschließlich als zweckfrei und fern jeden Nützlichkeitsstrebens definiert. Bildung wird ausdrücklich als Abgrenzung zur ökonomischen Massenproduktion reklamiert. Damit ist auch der Anspruch, alle Menschen an dieser Bildung teilhaben zu lassen und sich darum zu mühen, suspendiert.

Die OECD und damit auch die PISA-Tests gehen von einem Kompetenzansatz aus, in dem definiert wird, über welche Kompetenzen 15-Jährige – in den Bereichen Textverständnis, Mathematik und Naturwissenschaften – verfügen sollten.

Um diese Ansätze hat es regelmäßig sowohl bei Pädagogen (»Frankfurter Erklärung«) wie im Feuilleton heftige Debatten gegeben. Die FAZ wie auch die Süddeutsche Zeitung(5) treten nach der Veröffentlichung der PISA-II-Ergebnisse mit Artikeln wie »Bildung lässt sich nicht messen« auf, die gewählten Tests seien eher zur Dressur geeignet, als dazu, Bildungsbürger auszuzeichnen. Wer nach Kompetenzen fragt und nach der Fähigkeit, in der Welt zurechtzukommen, macht sich immer schon ökonomischen Nützlichkeitsdenkens schuldig.

Die Verfechter des Kanons und der inhaltlichen Festlegung des Bildungsbegriffs proklamieren zwar dessen Integrationsfunktion, bei genauerem Hinsehen allerdings scheint eher definiert zu werden, wer nicht zu den Teilhabern an dieser Bildung gehört.

Fuhrmann zum Beispiel beansprucht, »... an Bildung als an etwas durch Inhalte Bestimmtes zu erinnern, als an eine im Lauf der Geschichte gewachsene, keineswegs auf blutleere Begriffe beschränkte Überlieferung, die auch der Gegenwart noch bewahrenswert erscheinen sollte.« Vor allem interessiert ihn »... das Verschwinden des humanistischen Gymnasiums und die Formierung der Erlebnisgesellschaft.«(6) Wer jenseits des humanistischen Gymnasiums nur noch die Erlebnisgesellschaft wittert, klammert mehr als 80 Prozent der Jugendlichen von einer seriösen Auseinandersetzung mit ihren Bildungsprozessen aus.

Das angelsächsische Curriculum wie auch das schwedische sind demgegenüber realistischer und pragmatischer und an der erfahrbaren Lebenswelt der Jugendlichen orientiert. Die Gegenstände haben einen größeren Anwendungsbezug, und in der Schule kann man durchaus mit nicht kognitiven Fähigkeiten auch noch Erfolge haben. Wer erfolgreich an der Fußballmannschaft teilhat und dadurch auch noch Anerkennung gewinnt, fühlt sich möglicherweise mehr aufgehoben und schöpft Motivationsressourcen, um sich auch schwierigeren Aufgaben zuzuwenden.

Die Bildungskommission der Heinrich-Böll-Stiftung hat sich in ihrer 5. Empfehlung »Lernkonzepte für eine zukunftsfähige Schule – von Schlüsselkompetenzen zum Curriculum«(7) mit dieser Frage befasst und ebenfalls vorgeschlagen, vom Kompetenzansatz auszugehen. Sie hat sich damit auch dieser Kritik stellen müssen.

Der Kompetenzansatz geht nicht davon aus, dass Kompetenzen ohne Gegenstände erworben werden, sie müssen sich aber dadurch legitimieren, dass sie geeignet sind, von Lernenden verarbeitet werden zu können. Im Mittelpunkt steht die Person des Lernenden und dessen Lernprozess, insofern gilt auch die wissenschaftliche Anstrengung diesem Prozess. Dieser Ansatz geht nicht davon aus, dass sich damit die Motivationsfrage erledigt habe, sie misst der Lernmotivation aber einen größeren Stellenwert zu.

Die Konzeption eines Kanons denkt vom Gegenstand her, der aus sich heraus Bindung stiften und motivieren soll. Dieser Ansatz ist auch meist an die Klasse als Kollektiv und nicht an den einzelnen Lerner gerichtet.

Angelsächsischer (z. B. kanadischer) Unterricht macht diesen Unterschied sehr deutlich – im Mittelpunkt der schulischen Gegenstände stehen Schülerinnen und Schüler und der persönliche Bezug ist bestimmend, wie auch die Beziehungen zwischen den SchülerInnen Lerngegenstand sind.

Insofern erscheint es nicht sinnvoll, einen inhaltlichen Bildungsbegriff alternativ zum Kompetenzansatz aufzubauen. Kompetenzen sind das notwendige Fundament für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und die individuelle Handlungsfähigkeit.

Dass dieser Zusammenhang nicht hergestellt und in ein vernünftiges Verhältnis gesetzt wird, könnte ein zentrales Problem unserer Schulen und mit dafür verantwortlich sein, dass ein großer Teil – vor allem von Jugendlichen aus der Unterschicht – kein Verhältnis zu den Inhalten entwickelt und damit auch keinen Erfolg in der Schule erreicht.

Antiökonomischer Reflex im Bildungssystem

Möglicherweise haben die Konstruktion von Rahmenplänen und Unterrichtsinhalten sowie die geringe Schichtenmobilität einen gemeinsamen Ursprung in dem antiökonomischen Reflex des (Bildungs-)Bürgertums.

In der bildungspolitischen Diskussion lässt sich links wie rechts beobachten, wie lange sich der Grundsatz gehalten hat, dass Bildung sich keinen Verwertungsinteressen zu unterwerfen habe. Sobald sich Verbände oder Vertreter der Wirtschaft zur Bildung äußern, wird dies häufig unter denselben Generalverdacht gestellt. Auch wenn sich hier viel geändert hat und Bildungseinrichtungen offener werden, sind wir noch weit davon entfernt, dass der Bereich der Wirtschaft als ein gesellschaftlicher Bereich angesehen wird, der zur Orientierung von Jugendlichen für ihre Zukunft lebensnotwendig ist.

Auch hier wäre es notwendig, die Herkunft solcher Traditionen zu beleuchten, um Ansätze zur Veränderung produktiver gestalten zu können. Ich kann nur (etwas vermessen) Vermutungen äußern.

Es könnte sein, dass verhältnismäßig junge Länder, die sich im Inneren nicht mit Monarchien und Adel auseinander zu setzen hatten, offenere Strukturen entwickelt haben und deswegen weniger Schwierigkeiten haben, Leistung als Maßstab von Auf- und Abstiegen zu akzeptieren. Ein Bürgertum, das sich selbst seinen Platz und seine gesellschaftliche Bedeutung im 19. Jahrhundert nicht wirklich aus eigener Kraft erkämpft hat, braucht mehr Abgrenzung und Identitätsfaktoren, ist vermutlich weniger selbstbewusst, als dass es offene Zugänge zulassen könnte. Ökonomie ist in der Regel auf Rationalität und Offenheit angewiesen und pragmatischer in den Orientierungen. Wenn sich Bildungsbürgertum und Ökonomie nicht gegeneinander abzugrenzen hätten, könnte dies möglicherweise zu einer größeren Offenheit führen.

Exkurs: Unterschiedliche Leistungsorientierung in Deutschland

Innerhalb Deutschlands lässt sich offensichtlich ein deutliches Nord-Südgefälle hinsichtlich der Leistungsbereitschaft in den Schulen (vermutlich auch in der Bevölkerung) feststellen. Dies kann durchaus damit zusammenhängen, dass historische Traditionen in den südlichen Regionen ein städtisches Bürgertum haben entstehen lassen, das ein Verantwortungsbewusstsein für die Gestaltung der eigenen Geschäfte, des eigenen Lebens und des eigenen Umfeldes durch eigene Leistung entwickelte.(8)

In den norddeutschen Regionen hat dies gefehlt, haben Pächtersysteme und später großagrarische Landwirtschaftsstrukturen eher dazu geführt, dass eigene Leistungsbereitschaft wenig unterstützt wurde. Es könnte sein, dass solche Traditionen noch heute nachwirken. Das unterschiedliche Abschneiden von Sachsen und Brandenburg in den PISA-Tests bei exakt gleichen Ausgaben pro Schüler und ähnlichen Bedingungen nach der Wende hat diese Frage auch aufgeworfen. Eine Erklärung könnte darin liegen, dass in Sachsen private Initiative und Leistungsorientierung wie auch die eigene Leistungsbereitschaft in der Bevölkerung deutlich ausgeprägter sind als in Brandenburg und weniger Erwartungen an die Leistungen Dritter als an die eigenen gepflegt werden.

Eine solche Verantwortungsbereitschaft gegenüber der eigenen Biografie und Leistungsbereitschaft kann durchaus offenere Schichtstrukturen zur Folge haben und damit mehr Aufstiegsmöglichkeiten für Unterschichten bieten, letztlich integrativer wirken. Dies würde auch das Phänomen erklären, dass im Süden auch Migrantenkinder offensichtlich besser gefördert werden als im Rest der Republik.

Bildungsferne kann nur überwunden werden, wenn es auf Dauer genügend Aussicht auf Erfolg gibt, wenn man sich in der Schule anstrengt.

Schlussfolgerungen

Die Frage ist natürlich, was eine solche Suche nach Ursachen bedeutet. Funktion dieser Thesen ist es nicht, Strukturdiskussionen abzuwehren oder die derzeit in Gang gesetzten Reformen in den Bildungseinrichtungen in Zweifel zu ziehen. Es soll aber doch aufgezeigt werden, dass diese zu kurz greifen, wenn sie nicht dahinterliegende Ursachen in den Blick nehmen. Es würde kaum einen Unterschied machen, wenn die gleichen Unterrichtsgegenstände mit ähnlichen Unterrichtsmethoden in einer gemeinschaftlichen Schule unterrichtet würden und vor allem, was noch wichtiger ist, wenn sich Schulerfolge hinterher nicht in berufliche und gesellschaftliche Karrieren umsetzen ließen. Damit ist nicht nur der Mangel an Lehrstellen gemeint.

Dies heißt einmal eine stärkere Orientierung schulischer Inhalte an der Lebenswelt von Jugendlichen und an Kompetenzen, über die 15- und 16-jährige Jugendliche verfügen müssen. Jugendliche brauchen die Gewissheit, dass Schulen ihnen das notwendige Fundament zur Verfügung stellen. Schulische Inhalte müssen sich vor allem an der Lebenswelt auch von Migrantenkindern orientieren, Anschlüsse zulassen und Einstiege erleichtern.

Wirtschaft gehört wie Kultur, Politik oder private Lebensgestaltung zu den Gesellschaftsbereichen, die in der Schule einen selbstverständlichen Platz brauchen. Die Teilhabe in diesen Feldern ist für Jugendliche lebensnotwendig, und es braucht mehr Wissen davon in der Schule. Hier Distanzen abzubauen gelingt auch durch konkrete Partnerschaften zwischen Betrieben und Schulen.

Die begonnenen Reformen hinsichtlich der Entwicklung von Standards und klaren Leistungsorientierungen sind richtig und sollten weiterentwickelt werden. Sie müssen aber ergänzt werden durch Fortbildungen für Lehrkräfte, die helfen, Potenziale von Jugendlichen zu erkennen und zu ermutigen. Hier sind vor allem auch Kooperationen mit Dritten in Feldern, die nicht nur kognitiv orientiert sind, Tanz, Bewegung, Musik et cetera hilfreich. Nur Jugendliche, die Gelegenheiten zu Erfolgen bekommen, können sich auch an ihre Schwächen herantrauen.

Bildungsreformen müssen aber auch flankiert werden durch gesellschaftliche Programme, die helfen, Distanzen zwischen den Schichten in Bewegung zu bringen. Dazu können Ansätze wie die affirmative action der USA, Quotierungen beim Zugang zu bestimmten Positionen, helfen. Der Ansatz der Hertie- oder der Vodafone-Stiftung, begabte Migranten zu fördern, ist für dieses Anliegen wegweisend und sollte auf die beruflichen Einstiege und die Begleitung der Karrieren ausgeweitet werden. Es sollten mehr Mentoring-Programme eingerichtet werden, die Kinder aus benachteiligten Schichten sowohl in der Schule wie auch darüber hinaus begleiten. Kinder unterer Schichten, Migrantenkinder müssen erleben, dass sich Anstrengungen lohnen.

1

OECD (Hrsg.) (2006): Where immigrant students succeed – a comparative review of performance and engagement in PISA 2003

2

Vgl. Hartmann, Michael (2006): »Elite–Masse«, in: Lessenich, St./Nullmeier, F. (Hrsg.): Deutschland – eine gespaltene Gesellschaft, Frankfurt am Main/New York.

3

Lepenies, Wolf (2003): »Bildungspathos und Erziehungswirklichkeit«, in: Kilius, Nelson, Kluge, Jürgen u. a. (Hrsg.): Die Bildung der Zukunft, Frankfurt am Main, S. 15.

4

Deutsches PISA-Konsortium (Hrsg.) (2001): PISA 2000, Opladen, S. 100 ff.

5

Z. B. FAZ, 9.12.2004: »Bildung lässt sich nicht messen« von Heike Schmoll, SZ, 6.12.04: »Borniert und blöd mit hoher Punktzahl« von Jens Bisky, SZ, 7.12.04: »Strebermann, geh du voran« von Thomas Steinfeld.

6

Fuhrmann, Manfred (2004): Der europäische Bildungskanon, Frankfurt am Main, S. 6, 7.

7

Bildungskommission der Heinrich-Böll-Stiftung (Hrsg.) (2004): Selbstständig lernen – Bildung stärkt Zivilgesellschaft, Weinheim.

8

Diese These wird unterstützt von Bohler K. F./Hildenbrand, B.: »Nord-Süd« (2006): in: Lessenich, St./Nullmeier, F. (Hrsg.): Deutschland – eine gespaltene Gesellschaft, Frankfurt am Main/New York.