Eine Ermüdung ist
eingetreten. Sie war so vorauszusehen, wie sie bei der Intervention im Kosovo
vorhersehbar war; bei jeder Intervention gibt es die gleiche Aufmerksamkeitskonjunktur.
Die Halbwertszeiten öffentlicher Erregung oder Abwendung unterscheiden sich
unwesentlich voneinander. Nachdem die Mandate für den Einsatz der Bundeswehr in
Afghanistan verlängert worden waren, nachdem der Grüne Parteitag leise und
vernünftig die Göttinger Sprechblasen ausgetrocknet hatte, gibt es wenig Grund,
die Berichterstattung oder gar öffentliche Aufklärung an Intensität zu
steigern, fiele doch sonst womöglich auf, dass die Regierung zwar das Richtige
sagt, aber das Falsche tut (Jürgen Trittin).(1) Die Afghanen … um die geht es
zwar, aber nicht in erster Linie, und schon gibt es andere Brennpunkte. Einer
wäre sogar geeignet, Afghanistan dauerhaft in unserer gespannten Aufmerksamkeit
zu halten: Pakistan. Der Krieg der Operation Enduring
Freedom (OEF) über pakistanischem Territorium, die
zentralasiatischen Machtverschiebungen (Rashid 2008),
das Attentat von Mumbay und die Folgen – das alles
hätte unser gezieltes Interesse innerhalb des Tosens der Globalität wecken
können.
Aber Finanzkrise und Gazakrieg
sind stärker; Kongo, Somalia (das Land, nicht die Piraten!) kommen gleich gar
nicht hoch aus der lateralen Wahrnehmung von Wichtigkeiten. Wir wollen das gar
nicht tiefgründig deuten, aber darauf hinweisen, dass es etwas bedeutet,
nämlich vor allem für die Afghanen. Sie werden in ihrer fragilen
Gesellschaftlichkeit sehr alleingelassen. Präsidentenwahlen stehen bevor, die
amerikanische Politik deutet stärkeres militärisches Engagement an, aber
keineswegs die Richtung, in die dieses Engagement gehen soll, und unsere
Freiheit wird nach wie vor am Hindukusch durch die
Bundeswehr und einige Entwicklungshilfe repräsentiert – nicht unsere Unterstützung
der Afghanen. Wir haben in diesem Journal bereits einmal die Intervention in
Afghanistan und ihre Folgen beleuchtet.(2) Wir nehmen
unseren Faden wieder auf, diesmal in einem multiperspektivischen Text: Jeder
Perspektivenwechsel dreht sich um das Wir, wir Deutsche, wir Europäer, wir
Wissenschaftler, wir Eltern von Soldaten, wir öffentliche Intellektuelle et cetera . Es ist ein ernstes Spiel mit einem Diskurs, von
dem wir, die Autoren, nicht wollen, dass er zu Lasten der Afghanen geht.
Lessons to be learned
Erstens Wenn wir
einen neuen Bürgerkrieg in Afghanistan mehr fürchten als den begrenzten
weiteren Verbleib der Bundeswehr, dann müssen wir uns einer unbewusst bereits
drängenden Frage stellen: Was haben wir beim früheren Ausbruch und Verlauf des
Bürgerkriegs nach der Niederwerfung der Sowjets falsch gemacht, durch
Unterlassung oder aktiv? Wir müssen einfach zur Kenntnis nehmen, dass die Bitte
der Afghanen, wir sollten sie nicht noch einmal im Stich lassen, auf
eine überfällige Antwort zielt.
Diese Antwort kann nur
heißen: Die Aufbauhilfe verstärken und so lange Militär, Polizei und
Innenverwaltung schulen, bis diese für die Sicherheit im Land sorgen können. Während
dieser Zeit wird die militärische Aktion gegen die Taliban die einzige
Alternative zu deren Einbindung sein (vgl. Kasten).
Zweitens Wenn wir vom
Aufbau und nicht vom Wiederaufbau sprechen, dann müssen wir uns eine weitere
Frage stellen: Welche Interessen haben wir – in Deutschland, Europa,
global – als friedensorientiertes Segment unserer Gesellschaft an diesem
Aufbau?
Drittens Und
schließlich: Afghanistan ist längst eine Metapher geworden, für einen Krieg
– neuer oder alter Art, das ist außerhalb völkerrechtlich-formaler Überlegungen
egal. Aber Afghanistan ist keine Insel, und dass es sich um einen regionalen
Konflikt größter Komplexität handelt, der keineswegs deckungsgleich mit dem
War on Terror(ism) ist, wissen wir längst.
Lasst uns nicht noch
einmal im Stich:
Für uns ist am
glaubwürdigsten, wenn so ein Satz von einem Betroffenen (Rangin
Spanta zur Bundesdelegiertenkonferenz 2007 der
Grünen, oder Ahmed Rashid in seinem neuesten
umfassenden Buch(3)) geäußert wird, vor allem, wenn nicht eine detailliert
begründete, sondern eine bloß pauschalisierte Anklage des Wegschauen des
Westens geübt wird. Man meint, darüber hinweggehen zu können, wenn man glaubt,
besser als die Afghanen selbst zu wissen, was für sie richtig ist und wer
Schuld daran hat, dass sie aus falschem Bewusstsein nicht gegen die
Intervention rebellieren;(4) oder die im Spezialfall zugebilligte potenzielle
Besserung der Situation würde ein Anerkenntnis der prinzipiellen Zulässigkeit
solcher Interventionen bedeuten und deshalb reagiert man nicht (nicht nur im
Sudan eine häufige Reaktion auf afrikanische Interventionsoptionen).
Wir sind eher
interventionsskeptisch und -kritisch, aber in Bezug auf die meisten humanitären
Interventionen der letzten Zeit »Realisten«, was den Umgang mit intervenierten
Gesellschaften betrifft. Man kann die bisherigen Interventionen nicht
ungeschehen machen, und den Menschen nützt es nichts, wenn sie vorher mit guten
Gründen abgelehnt wurden (siehe Irak; keine humanitäre Intervention, sondern
ein brutaler Überfall) oder sie im Nachhinein als erfolglos oder illegitim zu
reduzieren (Afghanistan). Das Double-Bind dieses Im-Stich-Lassens ist evident: Wir wissen ex post nicht, wie
wir – der Westen – 1989 in Afghanistan hätten intervenieren können und sollen,
um die fraktionierte Selbstzerfleischung zu verhindern, ohne kolonial
aufzutreten. Afghanistan scheint das zu werden, was ein Charakteristikum des
Interventionszeitalters ist: ein Schauplatz endloser Kriege. Wir denken aber,
dass dies eine vorschnelle Zuschreibung ist, man gibt sich nur zu wenig Mühe,
darüber nachzudenken, was geschehen könnte, wenn die Kriege im Land (und in der
Region) »zu Ende« sein werden. Politisch kommt es darauf an, die Afghanen bei
ihrer Befreiung dahingehend zu unterstützen, dass sie in Freiheit wählen
können, wie und mit wem sie ihre Zukunft verbinden. Kann das aber überhaupt in
einer nicht-hegemonialen Art und Weise geschehen? Aber in einem hegemonialen
Verhältnis ist es gewiss unmöglich.
Welche Interessen haben
wir?
Es hat sich im Bewusstsein
und in der Artikulation der deutschen Linken etwas geändert. Die
selbstverständliche, unreflektierte Überzeugung, man müsse die Befreiungsbewegungen
der Dritten Welt, die revolutionären Anstrengungen außerhalb der Metropolen,
die Armen und Verdammten dieser Erde unterstützen, hat ihre Unschuld verloren. Waffen
für El Salvador et cetera – all das ist nicht
mehr so einfach wie damals. Die realistische Wende hat keineswegs die
moralischen und politischen Positionen relativiert oder abgestumpft, aber die
Rückkehr der Komplexität hat verschiedene Effekte ausgelöst, von denen wir
einige hervorheben: Globalisierung und Weltgesellschaft erweisen sich als zu
robuste Evidenzen, als dass man einen schwarz-weißen Dualismus mit der
Identifikation von guten Völkern und guten Kriegen pflegen könnte (die
Konflikte in Südostasien nach 1968 sind dafür der beste Beleg). Afghanistan
lässt uns je nach Tiefenschicht der Ereignisse nicht mehr erkennen, welche
Parteilichkeit noch mit einer Würdigung der empirischen Befunde vereinbar ist.
Selbst wenn – was wir bestreiten – der War on Terror eine Rechtfertigung
für allgegenwärtige Interventionen zum Zweck der Schwächung oder gar
Ausschaltung von Terroristen oder Diktaturen wäre, käme die Begründung
deutscher militärischer Einsätze am Hindukusch mit
diesem Argument einer völlig beliebigen Rechtfertigung gleich, weil wir ja die
globalisierten Terroristen überall zu befürchten haben. Bündnistreue kann auch
nicht gelten, weil wir einerseits mit OEF wenig im Sinn haben, und andererseits
hier die Linken so gut wie keine Anschluss-Stellen für ihre Tradition haben.
Indirekte Systemreform kommt
der Wahrheit schon näher: über die Unterstützung Hamid
Karzais und der Amerikaner nicht nur das neue demokratischere
System in Afghanistan zu stärken und zu schützen, sondern den Versuch, sich in
eine imaginäre demokratische Staatengemeinschaft zu integrieren. Das erinnert
zwar an McCains Hoffnung auf eine neue UNO der liberalen Demokratien und klingt
ein wenig kolonial, wäre aber ein Argument. Wenn wir die linke Tradition
beiseite lassen und versuchen, für die deutsche Normalität insgesamt zu denken,
dann kann es nur ein Argument geben, das nachhaltig tragfähig ist: Wir
engagieren uns in Afghanistan auf der Seite der legitimen Regierung, um die
Emanzipation der afghanischen Gesellschaft von der Befreiung zur
Selbstbestimmung und Freiheit zu fördern und den Rückfall in Bürgerkriege und
eine dauerhafte soziale und kulturelle Stagnation zu verhindern, also aus Solidarität.
Genau diesem Argument
verschließt sich vor allem die konservative Linke (die Partei), wohl aus
geheuchelter Scham für die sowjetische Solidarität 1953, 1956, 1968 ... und
weil sie diese Solidarität mit dem liberalen State-Building-Imperativ
vermischt. Sehr verkürzt bedeutet dies in der entgrenzten
Nationalstaatlichkeit humanitärer Interventionen (zumindest der in Afghanistan,
die Situation im Kongo und im Sudan ist wieder anders) eine Annäherung an die
früher sehr viel exklusivere Position der Linken,(5) dass uns angeht, was
immer Gesellschaften an Emanzipation fordern. Ob und wieweit das mit militärischer
Unterstützung geschehen soll und kann, ist eine ganz andere Frage, die jedoch
das Interesse an der solidarischen Aktion nicht notwendig modifiziert
oder reduziert.
Krieg – Terrorismus
Deutschland kann sich weder
besser noch schlechter gegen Terrorismus – imaginären und realen – schützen,
wenn es in Afghanistan militärisch (nicht) engagiert ist. Oder ganz anders und
drastischer: Ob und wieweit wir damit umgehen, dass auch unser Land wieder und
öfter Ziel von Terroranschlägen sein kann, hat mit der Afghanistan-Politik sehr
viel weniger zu tun als mit Rechtsstaat und der Loyalität zu unseren eigenen
Freiheiten.(6)
Nun gibt
es aber auch und immer mehr gezielte Anschläge auf Bundeswehrangehörige und
-einrichtungen in Afghanistan. Die Taliban bekämpfen die ausländischen
Militärs, weil diese vorrangig die nationalen Sicherheitskräfte – Armee,
Polizei, Geheimdienst – der Afghanen aufbauen helfen. Sie greifen
Repräsentanten dieser Sicherheitskräfte ebenso an wie die in ihren Augen
stützenden Funktionsträger lokaler Eliten, loyaler Akteure des neuen Staats,
Anbieter von all den öffentlichen Gütern, die die Gesellschaft braucht, um sich
in Frieden zu reorganisieren. Sie haben eine Vielzahl von Gründen, die mit den
langen Kriegsjahren und der Intervention verbundene Modernisierung nicht so zu
wollen und sie deshalb in ihre Richtung abzulenken. Diese Richtung ist
destabilisierend, gleichgültig gegenüber den Grundrechten, der Menschenwürde
und den nachhaltigen Rechtsrahmen, in denen sich Zivilgesellschaft und
dauerhafte Zukunftsperspektiven nur entwickeln können. Diese Gründe kann man im
Einzelnen herauspräparieren und drehen und wenden, wie man will, – auch unter
noch so »verständnisvollen« (d. h. universalistischen oder eurozentrischen)
Gesichtspunkten politischer Ethik und praktischer Vernünftigkeit sind sie nicht
zu billigen. Aus der Sicht Karzais sind sie eine
Kriegspartei, deshalb führt er seinen Staatsgründungskrieg gegen sie. Aus
unserer westlichen Perspektive – NATO, ISAF-Allianz
und OEF – sind sie »Terroristen« und werden deshalb auch als Partei
eines globalen Kriegs nobilitiert,(7)
und damit maßen wir uns die Rolle an, die nur den Afghanen selbst zusteht.
Wenn sich Bundeswehr und andere ausländische Militärs in Afghanistan und
Pakistan mit den Taliban schlagen, geben sie vor, sich (=uns!) vor Terroristen
zu schützen, sie delegitimieren aber sowohl die afghanischen
Abwehrkämpfe und sie demotivieren die Rückkehr Pakistans zur Demokratie. Wenn
die afghanische Regierung und die nationalen Sicherheitskräfte ISAF-Unterstützung für konkrete Aktionen anfordern, sollen
sie die erhalten. Aber eben nicht im Rahmen eines imaginären Kriegs, der
eigentlich eine globale Polizeiaktion bräuchte.
Die drei Aspekte mögen, vor
allem in ihrer Kürze, zu idealistisch und zu idealtypisierend
erscheinen. Wenn wir alle drei Konsequenzen zusammennehmen, dann wird jedoch
immerhin ein Argumentationsrahmen daraus, der sich politisch verhandeln lässt:
Erstens Wir (der
Westen, Deutschland, zivile und militärische Postintervention) unterstützen
einen Gesellschaftsaufbau in einem Land, dessen Staatlichkeit, Governance, innere und äußere Anschlussfähigkeit et cetera sich erst mit der Herstellung von und dem Gebrauch
von Freiheit und Selbstbestimmung entwickeln können; wir können diese nicht
einmal ansatzweise mitliefern, aber wir können die Voraussetzungen dadurch
verbessern, dass wir die Ergebnisse der Befreiung von den Taliban und
den Beginn des Heilungsprozesses nach 30 Jahren Krieg sichern helfen, ohne sie,
die Ergebnisse, zugleich durch ihre Beschützung auch gleich mitzuliefern.
Zweitens Die
Aufbauhilfe beruht nicht nur auf den klassischen entwicklungspolitischen und
militärischen Instrumenten, sondern auch auf einer sehr viel stärkeren Öffnung
unserer Aktivitäten für die Fragestellungen (und Infragestellungen) der
afghanischen Gesellschaften(8) selbst. Erst dann ist die Zurückhaltung möglich,
die unter Erstens gefordert wurde.
Drittens Wir könnten
uns einen Katalog mit folgenden Maßnahmen vorstellen, die zur zivilen
Aufbauhilfe dienen. Das heißt nicht, dass es nur zivile Maßnahmen sind. Wichtig
ist, dass alle deutschen Maßnahmen nur sinn- und wirkungsvoll in einem
europäischen Rahmen gesehen werden; bilaterale punktuelle Aktionen sind dabei
nicht ausgeschlossen, aber auch nicht im Vordergrund. Zwar gibt die
EU-Außenpolitik zurzeit (Naher Osten, Gas-Streit) eine eher klägliche Figur ab,
aber das muss nicht so bleiben. Und die Union als Friedensprojekt ist politisch
glaubwürdiger als eine Reihe von bündnistreuen sowie -skeptischen
NATO-Mitgliedern mit zum Teil erheblich engeren innenpolitischen Interessen.
Ein europäischer Aktionsrahmen
Ein solches Konzept basiert
natürlich auf der Annahme, dass sich die Europäische Union, vor allem die
Europäische Kommission, aus der multiplen Starre löst, die mit dem irischen
Referendum, der missglückten französischen Präsidentschaft und der außenpolitischen
Zersplitterung über sie gekommen ist. Aber ein Anlass wie die Forderung nach
einem Aktionsrahmen für Afghanistan kann das Aufbrechen dieser Erstarrung bewirken,(9) ähnlich wie es der Nahostkrieg bewirken sollte. Da eine
Neuorientierung der transatlantischen Beziehungen ohnedies unvermeidlich ist,
stehen die USA unmittelbar in diesem Konzept zur Seite, nicht beiseite.
A. Auf dem Papier ist die EU
ganz gut vorbereitet für außen- und sicherheitspolitische Koordination. Die
bisherige Harmonisierung von über 20 Rechtssystemen und Sozialordnungen ist
keine geringe Leistung, bei allen Defizienzen in der
Praxis, und kann als Vorbild für andere Harmonisierungen dienen. Bei allen
Interventionen, an denen Militär beteiligt ist, fehlt allerdings noch ein
gemeinsamer Rahmen, dessen Doktrin eindeutig einen Abschied vom Security-first-Ansatz bringen müsste (und damit eine
politische Rückbindung an die EU als Friedensprojekt der europäischen
Nachkriegsordnung leistet).(10) Dies ist kein kurzfristiges oder nur für
Afghanistan gültiges Argument. Gleichwohl ist hier ein aktueller Zusammenhang
zu den jüngsten humanitären Interventionen (Bosnien, Kosovo, Ost-Timor,
Afghanistan etc.) gegeben: Interventionen bringen notwendig Elemente von
Nachkriegsgesellschaften mit sich. Wenn wir Europa unter dem Aspekt »Nachkrieg«
betrachten (Tony Judt 2005)(11), dann wird für
Interventionsgesellschaften deutlich, dass es immer um Aufbau und nicht
um Wieder-Aufbau geht, und dass gesellschaftliche
Rekonstruktion dem State- und Nation-Building
nicht nachgeordnet sein darf. Weil die US-geführte Postinterventionspolitik
in Afghanistan hier weitgehend versagt(12) hat beziehungsweise große Schwächen
zeigt, liegt es im Interesse auch der EU, hier Korrekturen anzubringen und
zugleich die eigene Position zu profilieren.
B. Die Afghanen brauchen ein langfristiges europäisches Engagement. Die
bilateralen Hilfen sind nicht nur abhängig von den opportunen
Aufmerksamkeitskonjunkturen, sondern auch von sehr taktischen kurzfristigen
Überlegungen. Die Information der europäischen Bürger sollte in Bezug auf solche
Ziele wesentlich verbessert und intensiviert werden, damit man auch weiß, warum
es um die Freiheit der Afghanen geht, wenn dort intensiv und nachhaltig agiert
wird. Das Nachkriegsargument ist hier besonders einleuchtend (30 Jahre … mehr
als doppelt so lang wie der Zweite Weltkrieg). Das Engagement Europas kann sich
nur nachhaltig entwickeln, wenn die Bürger der Mitgliedstaaten es als
Langfristaufgabe internalisieren; das heißt, sie sind auf eine begründete Informationspolitik
angewiesen. Es ist sozusagen eine inkludierende Taktik, mit der die Regierungen
auch den Preis der erweiterten internationalen Handlungsfähigkeit bezeichnen.
C. Im Bereich der zivilen
Aufbauhilfe muss die Einlösung der (zu steigernden) Zusagen auch eine
Emanzipation von der faktischen Dominanz der USA-Zuwendungen bewirken. Die USA
halten nach wie vor einen übergroßen Anteil auch an der zivilen Hilfe, selbst
wenn dieser Anteil im Vergleich zu den Aufwendungen für Militär relativ gering
ist.
D. Wohin zivile Hilfe
geleistet wird, sollte viel stärker als bisher durch die afghanische Politik
bestimmt sein. Die Vorleistung des Vertrauens ist alternativlos, weil die
Gefahr der »zweiten Viktimisierung« der Afghanen
sonst auch gut gemeinte Hilfsaktionen zunichtemacht (Daxner 2007). Mit zweiter Viktimisierung
meinen die Afghanen, dass sie zunächst Opfer von 30 Jahren Krieg und
Vertreibung, Armut und politischer Unterdrückung waren und jetzt zu Opfern
der imperialen Diskriminierung durch die Geberländer werden, die ihnen
selbstständige Priorisierung und Verwaltung der
Hilfen nicht zutrauen wollen. Korruption und Misswirtschaft sind da schlechte
Argumente, weil genau hier die Verweigerung der Eigenhaftung zur Passivität und
zu geringen politischen Anreizen zu ihrer Bekämpfung führt.
E. Alle Aktionen müssen ein
»Buy-in« menschenrechtlicher und humanitärer politischer
Option beinhalten. Keine einzige Hilfsaktion sollte ohne explizite und nicht
bloß additive Menschenrechtskomponente gestartet
werden. Hier ist die EU glaubwürdiger als die USA, aber auch als viele Nachbarn
Afghanistans. Nicht nur sind die europäischen Befunde, was direkte Verletzung
von fundamentalen Prinzipien wie dem Folterverbot betrifft, besser, wenn nicht
makellos, sondern gerade die Vergemeinschaftung in
Europa hat in Bezug auf Geschlechterdemokratie, Sozialpolitik et cetera einige Koordinierungserfahrung
anzubieten. Diese Prinzipien sind auch wesentlich für die Ausbildung von Polizei
und Militär unter europäischer Anleitung.
F. Es ist nicht zu erwarten, dass eine EU mit
einem einheitlichen Konzept auch homogen handeln kann. Zu unterschiedlich sind
die Erfahrungen und Kapazitäten bilateraler Entwicklungshilfe und militärischer
Beteiligung an Interventionen. Wir können ziemlich genau abschätzen, wie das
Verhältnis von Zielniveau (Ansprüche), Umsetzung und Wirkung bilateraler Hilfen
aussieht (Daxner/Free 2008, S. 45ff.). Dabei kann die
europäische Koordination vor allem diese Ansprüche homogenisieren (und sollte
sie anheben) und logistisch die Umsetzung auch bei bilateralen Schwerpunkten unterstützen.
Die Bilanz ist hier, etwa im Bereich der Flüchtlings- und Rückkehrerprojekte,
ermutigend, so dass diese Harmonisierung durchaus gelingen kann.
G. Es handelt sich nicht um
afghanische Konflikte, die geregelt werden müssen, sondern um regionale.
Deshalb muss die EU eine Zentralasienpolitik entwickeln, die nicht Kabul zum
Zentrum ihrer Perspektiven macht. Aber Kabul ist mittlerweile Fokus vieler
Bemühungen, regionale Positionen zu erweitern und Optionen zu eröffnen, zum
Beispiel für Indien. Außenpolitisch kann die EU die bestehenden Blockaden
leichter und mit geänderten Beziehungen zu den USA in Bewegung bringen.
Russland, Pakistan, China, Indien und die umgebenden -stan-Staaten
(Turkmenistan, Usbekistan, Tadschikistan) haben alle relativ begrenzte
Interessen an Afghanistan, zum geringsten Teil (geo-)strategische oder
wirtschaftliche. Afghanistan aus neuen Bündnissen und Instrumentalisierungen
herauszuhalten kann auch eine langfristige Perspektive sein. Die EU kann auch
in Bezug auf die prekäre Grenze zu Pakistan vermitteln, allerdings nicht
aktuell: Aber solange die Durand-Linie von
Afghanistan nicht anerkannt wird, und solange Pakistan das Talibanproblem
und die Stammeskonflikte im Nordwesten nicht demokratisch reguliert, wird das
schwierig sein. Zumindest auf der Tagesordnung muss der Komplex gehalten
werden. Dem Iran kommt eine besondere Rolle zu: Das Land ist für die (wirtschaftliche,
militärische) Stabilisierung des Westens von Afghanistan (Herat)
ebenso wichtig wie es ein Interesse an der friedlichen Grenze im Osten hat.
Dieses Interesse sollte die EU aufgreifen und die durch den Atomstreit
blockierte Diplomatie wieder flottmachen.
H. Die Emanzipation
Afghanistans aus der sehr einseitigen Abhängigkeit von den USA macht bereits
Fortschritte. Fast unbemerkt hat die Regierung gegen den hartnäckigen
Widerstand der USA die Minenkonvention der UNO unterschrieben.(13)
Hier nicht in Konkurrenz, sondern in Gestaltung der neuen Beziehungen zu den
USA weiterzuarbeiten, sollte ein besonderes Anliegen der EU-Politik in der
Region sein.
I. Als Rahmen für diese
praxisorientierten Vorschläge gilt es, die Afghanen dabei zu unterstützen, ihre
Gesellschaft neu zu denken. Hier können einige deutsche Nachkriegsanalogien
helfen zu verstehen – und zwar beiden Seiten: Afghanen wie Europäern; wichtiger
aber ist ein Wechsel im Forschungsansatz als Voraussetzung von externer Politik.
Bislang haben meistens »wir« (Think Tanks im Westen
etc.) die Fragen gestellt und aufgrund der afghanischen Antworten Politik
gemacht. Afghanistan braucht eine solide Forschungsbasis mit dem Recht, eigene
Fragen zu stellen und gegebenenfalls »uns« zur Beantwortung zu konsultieren
(vgl. Re-Education).
J. Der EU wäre eine
Konfliktkultur anzuraten, die einen verhängnisvollen Fehler der amerikanischen State-Building-Strategie korrigieren hilft. Der
Zentralstaat ist unsensibel gegenüber den Gesellschaften zugeschnitten. Die
afghanische Verfassung ist scheinbar neutral gegenüber ethnischen und tribalen Gegebenheiten; damit steht zu befürchten, dass ethnische
Konflikte und Hegemonien verstärkt oder überhaupt erst gebildet werden.(14) Die
Konkurrenz zentraler und dezentraler Entwicklungspläne und Kompetenzen stellt
ein Kernproblem dieser Korrekturarbeit dar. Regionale und lokale Konflikte,
auch als Folge der Interventionsgesellschaft, müssen nicht zentralistisch
geregelt werden (vgl. Musch 2008). Die Forschung
(Köhler 2008) bietet hier breite Ansätze für Multilegalität und föderale
Strukturen (keine schematische Dezentralisierung).
K. Der Sicherheitsaspekt ist
selbstverständlich allgegenwärtig und darf unter keinen Umständen zugunsten
eines idealistischen »civil reconstruction only«-Ansatzes vernachlässigt werden. Die obersten
Ziele der EU könnten hier sein, die Ausbildung von ANA (Militär), ANP (Polizei,
v. a. Militärpolizei-ähnliche Gendarmerie), und Geheimdiensten zu
intensivieren, um die Alleinverantwortung und Haftung der Afghanen für ihre
Sicherheit zu beschleunigen – und die gesamtgesellschaftliche Kohärenz zu fördern
(ANA ist zur Zeit ein starker Identitätsfaktor, kritisch und sensibel ist die
ANP wegen der tief eingewurzelten Abneigung der Bevölkerung gegen die Polizei
aus historischen Gründen.). Hier sind auch finanzielle Anreize und vor allem
soziale Integration von Polizisten nötig; beides soll sowohl gegen Abwerbung
durch die Taliban als auch gegen lokale Zersplitterungen immunisieren. Der
andere, aktive Sicherheitsaspekt ist nicht nur die Abwehr und Bekämpfung der
Taliban, sondern auch der Schutz der erreichten Fortschritte vor ihnen. Es muss
etwas geben, das zu verteidigen und um das zu kämpfen sich lohnt. Wie weit
Militär das leisten kann, ist sehr differenziert zu bewerten. Wenn es
einbezogen wird, wäre eine Aufgabe der EU, die CIMIC (Civil-Military
Co-Ordination)-Richtlinien und ihre Weiterungen(15) zu verändern. Das
Verhältnis von Selbstschutz, Schutz anvertrauter Personen und Güter und aktive,
»zivile« Beziehungs- und Entwicklungsarbeit ist zu wenig diskutiert und eng
militärisch ausgelegt, mit starkem Überhang der ersten Komponente.
L. Im Kampf gegen die
Drogenökonomie kann die EU nicht darauf bauen, dass es einfache Substitution
durch sinnvollere Bodenfrüchte oder den Ersatz von Mohn durch Hanf (wie Zyniker
raten) geben wird. Neben der Tatsache, dass der Kern des Problems bei den
westlichen Konsumentenländern und nicht in Afghanistan liegt, ist die
Mikro-Ökonomie und die Kreditabhängigkeit der Bauern von den Drogenbaronen ein
weiteres Problem. Da diese Drogenbarone in unterschiedlichen Konstellationen
für die lokale Governance von Bedeutung sind und oft
lokale Sicherheit und soziale Versorgung auch dort garantieren, wo der Staat
und externe Hilfe ihre Versprechen nicht einlösen, sind Aspekte von Governance wichtiger als der War on Drugs.
Solche Kataloge können wir
erweitern, es gibt genügend Felder, die sich allein aus den ursprünglichen
Intentionen des Petersberg-Abkommens ableiten ließen. Die sektorale
Aufgliederung von Zielfeldern ist konventionell westlich und entspricht zu sehr
unserer Gewöhnung an staatlich hierarchisierte Governance,
also zum Beispiel nebeneinander Sicherheit, Gesundheit, Landwirtschaft, Justiz;
oder Aktionsfelder wie Privatisierung und Drogenbekämpfung. Der Nachteil
solcher Sektorisierung ist die Gefahr des unverbundenen
Nebeneinanders.
Wir haben bereits früher den
Begriff des Friedens in Kriegszeiten verwendet. Der Frieden kann ja entstehen,
noch während gekämpft wird, noch während der Staat sein Gewaltmonopol festigt,
noch während Attacken auf die neu sich formierenden Gesellschaften andauern.
Nun greifen wir einen Begriff der deutschen Nachkriegszeit auf, den wir einem
sektoralen Nebeneinander gegenüberstellen:
Re-Education
Das Programm der EU sollte
ein Element von Re-Education enthalten. Wir erwarten
eine Stärkung, Profilierung und Erweiterung der EU-Politik gegenüber Afghanistan.
Eine unserer starken Prinzipien dabei ist die Vorrangstellung der afghanischen
Selbst-Verständigung darüber, wie die Menschen leben wollen, wie sie sich vergemeinschaften und welche Form der Vergesellschaftung zu
ihrer Gesellschaft führen soll. (Hinweis: Es ist sehr strittig, wie diese
Selbst-Verständigung außerhalb der getanen Praxis erfolgt. Sie ist sicherlich
in den Bedeutungsvariationen von Ritualen enthalten und der Auslegung
bestimmter Praktiken, etwa zur Wahrung der Ehre (vgl. Bourdieu
2003). Aber wir lassen diesen Aspekt bewusst offen für Kritik und weitere
Forschungen.)
Der Begriff einer
Selbsterziehung ist uns zu deutsch und zu belastet vom
binären Code Bildung/Erziehung. Re-Education war
damals von den Westalliierten »positiv« konnotiert,
als Erziehung zu Demokratie und »westlichen Werten«. Angestrebt war eine Abkehr von den herrschenden Deutungsmustern und
eine Verinnerlichung von neuen, diesmal liberal-demokratischen und »westlichen«
Werten und Normen. Dadurch gab es auch die »negative« Bedeutung der Re-Education, sich nämlich von einer Sozialisation zu
befreien, in der alle Bildung und Kulturlastigkeit
nichts genützt hatte, da sie in Krieg und Verbrechen geführt hatte. Das »Re-«
spiegelt diese Ambivalenz. Es geht uns nicht darum, den Versuch zu bewerten und
zu evaluieren, das ist hinreichend geschehen. (Skeptischer sind die Historiker,
wenn Re-Education sich auf Schule bezieht: Judt 2005, S. 56–61, ebenso Thränhardt 1996 oder früher
Erdmann 1980; die institutionelle Seite der Re-Education
ist sicherlich an der deutschen Kontinuitätsmentalität gescheitert. Ganz anders
sieht es mit der intellektuellen Re-Education,
das heißt auch im Sinne »positiver« Aktivität aus, die allerdings im Konzept
der Block-Konfrontation auch ihre Beschränkungen hatte. Vgl. Berghahn 2001).
Aber sie muss ja erfolgreicher als die Schul- und Hochschulreformen gewesen
sein, anders erklärt sich ihre nachhaltige Wirkung nicht. Im Bildungswesen ist
übrigens die Gründung der Freien Universität Berlin vor 60 Jahren ein ganz
entscheidender Aspekt dieses Konzepts geworden.
Re-Education in Afghanistan meint natürlich nicht, dass die
externen Intervenierenden Form und Inhalt des Selbst-Verständigungsprogramms
bringen. Vielmehr soll der Begriff die ambivalente Konnotation deutlich machen:
Es geht um die Befreiung der Afghanen (und unserer Vorstellungen) aus einer
Imagination vom »Guten Afghanistan« aus der Zeit vor dem Krieg. Und es geht um
die Imagination eines »Guten Afghanistan« als Resultat der Befreiung von den
Taliban und der Selbstbestimmung zur Freiheit. Der Beitrag der Externen – der
Intervenierenden und der internationalen Gemeinschaft, die sich zur
Unterstützung Afghanistans zusammenfindet – kann in der Bereitstellung der
Mittel und in institutioneller Hilfe bestehen, wie diese beiden Imaginationen
bearbeitet werden; er kann nicht in einem übertragenen Curriculum bestehen und
soll sich nicht auf Austausch von Intellektuellen und zwischen politischen
Eliten beschränken.
Es gibt einige diskursive
Leitstränge, anhand derer Afghanistan seine Forschung und seine
Selbstverständigung (auf intellektueller Ebene, also theoretischer Praxis) entwickeln
kann, und diese Leitstränge sind virulent vorhanden, man muss sie den Menschen
nicht aufzwingen. Es geht um Modernisierung, Säkularisierung, Nachkrieg,
Umwelt, Versöhnung. Die Reihenfolge dieser unabgeschlossenen Liste ist nicht
erheblich.
Modernisierung
Jeder Krieg bringt eine
Zwangsmodernisierung mit sich. Diese ist allgegenwärtig, wenn sie sich auch mit
unterschiedlichen Elementen ungleichmäßig manifestiert. Verkehrswege und
Kommunikationswege sind irreversibel verändert, meist beschleunigt, eine
Technisierung in Teilbereichen (Waffen, Kommunikationsmittel) ist ebenfalls
weitgehend flächendeckend. Keinesfalls homogen sind zum Beispiel sprachliche
Adaptionen, die Begriffe und Umgangsformen im Rahmen dieser Modernisierung
betreffen. Ein wesentlicher Effekt ist die Beschleunigung der Relokation in größeren Städten und die Verödung des
agrarisch genutzten Landes, auch durch die Rückkehr von Flüchtlingen aus
»moderneren« Ländern. Ein Großteil dieser irreversiblen Effekte ist nicht
positiv konnotiert. Traditionalistische Opposition
ist kein Monopol der Taliban. Akzeptanz der Instrumente, aber Verlust sozialer
Bindung an Tradition und Werte gehen oft parallel (Köhler 2008). Die
Nebenwirkungen der sozialen Verschiebungen in Kriegszeiten auf die lebensweltlichen
Praktiken, auf die lokalen Mechanismen von Konfliktregelung und sozialer
Stabilisierung sind kaum umzukehren. Die Bestandsaufnahme dieser Transformationen
kann keine intervenierende Anthropologie leisten. Die Afghanen allein können soweit
feststellen, was geblieben ist und was bleiben soll, so dass sie darauf
aufbauend und sich davon absetzend auch formulieren können, welches Recht auf
Modernisierung sie in Anspruch nehmen wollen oder können. Hinweise
darauf geben die jährlichen Erhebungen der Asia Foundation
(2005–08)(16), die starke Tendenzen zu invariaten Prioritäten
aufweisen: Arbeit, Infrastruktur, Gesundheit, Bildung. Sicherheit immer in dem
Maß, in dem es etwas zu verteidigen gibt.
Modernisierung bedeutet auch
Wettbewerb an Lebensstilen und Veränderung von Arbeitsteilung und
Arbeitsbeziehungen. Westliche Vorstellungen von Privatisierung und
Marktwirtschaft stoßen oft auf Widerstände, wobei einer besonders »modern« ist:
Viele Rückkehrer aus dem westlichen oder entwickelten asiatischen Exil kennen
eine ganz andere Marktwirtschaft als die, die von den Geberländern und
westlichen RO/NRO im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit präsentiert wird.
Der gesamte Bereich von
Pluralität in Ästhetik und Alltagsgestaltung ist ebenfalls davon berührt, dass
die Interventionsgesellschaft bereits alte Formen abgeschafft hat, aber keine
nachhaltigen Ersatz- und Kompensationsstrukturen anzubieten hat. Hier wie in
anderen Bereichen kann die große Zahl von rückkehrenden Afghanen Vermittlungsdienste
leisten (Die Konfrontation mit den im Ausland erfahrenen Lebensstilen ist ohnedies
unausweichlich.). Der wichtigste Aspekt aber ist die Sicherung des Erbes vergangener
Modernisierungswellen (1917–28, 1978–1988). Diese waren zwar zu ihrer
Zeit »Verwestlichungen«, sind aber von dieser
direkten Übertragung längst befreit. Die afghanische Modernisierungsgeschichte
kann nicht nur mit kolonialkritischen Augen gelesen werden, sie ist auch als
eine des Widerstands gegen kulturellen Kolonialismus zu betrachten. Kultureller
Kolonialismus heute kommt nicht einfach aus dem modernen Westen, sondern zum
Beispiel durch die Wahhabitische Mission und eine
Fundamentalisierung des Islam. Die besatzungsinduzierte »Lockerung« der Sitten
unter den Sowjets in den Städten war nicht pro-kolonial, sondern ein
Mitnahmeeffekt. Derartige Ungleichzeitigkeiten sind insgesamt ja ein
wesentliches Thema einer zeitgemäßen Re-Education.
Heute ist es eine große Gefahr, wenn vor allem jugendliche Männer sich
radikalisieren und ohne wirkliche Kenntnis der Epoche – zwei Generationen
trennen sie! – die Zeit vor 1976 verherrlichen, zugleich aber extrem
konservativ sind. Hier kann man gut an der Ungleichzeitigkeit im
»unglücklichen« Bewusstsein einer hoffnungsarmen Generation ansetzen.
Andererseits kann und soll man nicht eine verkürzte Sicht der Frauenfrage zum
politischen Handlungsmaßstab machen: Viele Frauen beklagen, dass die »Westlerinnen«
nur der Schleier oder die Burka interessiere, diese
habe es zwar früher periodenweise viel weniger
gegeben (Zwanzigerjahre, und unter Daud und den
Sowjets), nachdem sie die Taliban aber so massiv erzwungen hatten, hätte man
sich daran gewöhnt, nicht aber an den Anspruch vieler NGOs, dass Frauen nur für Frauen arbeiten sollen oder dass
sie Hunger leiden. (Rostami-Povey 2007)
Säkularisierung
Eine analoge Diskussion
sollte um die Säkularisierung geführt werden, die ja eng mit dem
Modernisierungsdiskurs verbunden war und ist. Es geht dabei nicht um eine Beschneidung
der Religion in ihren Rechten, aber für jene minimale Trennung von Religion und
Staat, die sowohl Religionsfreiheit als auch andere Grundrechte betrifft, und
auch das Recht, laizistisch zu sein, ohne dafür zu werben (mehr ist wohl
nicht einmal anzudenken). Wir betrachten dies
besonders unter dem Aspekt der Wissenschaftsfreiheit, weil von den
Universitäten sowohl was die Forschung zur Selbstverständigung als auch was die
Lehramtsausbildung betrifft, entscheidende Voraussetzungen für die Anschlussfähigkeit
Afghanistans an die globale Wissenschaftsgemeinschaft verlangt werden.(17)
Darum ist eine Hochschulentwicklungshilfe ohne diesen Aspekt etwas geheuchelt
oder auch wirkungsarm.
In diesen Bereich der
Trennung von Religion und Staat gehört auch die Korrektur der Stellung von Gemeindeältesten und Stammesführern (Elders
and Tribal Leaders). Der Wunsch nach der
Wiederherstellung eines Teils von deren Einfluss kann sowohl aus Forschungen
abgelesen (Schetter 2007) als auch aus den Umfragen
der Asia Foundation (2004–2008) erschlossen werden.
Die Macht der Mullahs, die Verbindung von extremer Religiosität und politischem
Radikalismus und der heutige Traditionalismus stammen auch von der
systematischen Entmachtung der Elders durch
aufeinander folgende Regime, die jeweils die zentralstaatliche Macht festigen
wollten, worauf sich die Opposition jeweils der Religion als Kampfmittel und
damit der Mullahs versicherte. Die partielle Rückgabe der Macht dürfte lokale
und tribale Strukturen zugunsten von Multilegalität
stärken, ohne das Gesamtsystem zu schwächen. Um kein Missverständnis zu
produzieren: Auch diese Strukturen sind, vor allem auf dem Land, sehr konservativ
und tief religiös geprägt. Aber sie begreifen die Religion gerade nicht als
quasi Staatlichkeit förderndes Bindemittel.
Nachkrieg
Wir haben bereits darauf
hingewiesen, wie sehr der Aspekt der Nachkriegszeit die Interventionsgesellschaft
beeinflusst. Für die Selbstverständigung jeder Nachkriegsgesellschaft ist es
wichtig, dass sich die Intervenierenden wieder physisch und kulturell aus der
Verbindung mit den Intervenierten lösen – nicht, um sich zu absentieren,
sondern um durch Distanz die Chance zu geben, dass sich die Intervenierten zur
Autonomie und Selbstbestimmung hin entwickeln. Wenn das nicht geschieht, steht
zu befürchten, dass es eine interne antikoloniale Diskussion mit neuen
Konflikten zum Beispiel über den Abzug von intervenierendem Militär, aber auch
mit einseitigen Bindungen hegemonialer Ethnien an
bestimmte Intervenierende geben wird. Wir können diese Entwicklung nicht mit
wünschenswerter Präzision voraussagen, weil der Abstand zur Intervention noch
zu kurz ist. Aber je früher der Nachkriegsdiskurs thematisch wird und das
Verhältnis des Eigenen zu dem Anderen der
Intervenierenden klärt, desto konfliktärmer wird die Entflechtung sein. Das
heißt in andern Worten, dass die Afghanen verstehen, warum sich die
Intervenierenden verhalten, wie sie es tun, und warum sie, die Afghanen, darauf
reagieren, wie sie es tun, und zwar bevor Wertungen zu konfliktreichen
Handlungen führen. Zugleich dient das Nachkriegsparadigma nur scheinbar
paradoxerweise zu einem Abbau der Vorurteile und Missdeutungen der Kulturen der
intervenierenden und der eigenen Kulturen. Hier kann man die Forderung nach
Distanz im interkulturellen Dialog anknüpfen. Wenn unterschiedliche Nachkriegserfahrungen das Gemeinsame deutlich machen, wird
doch keine Fraternisierung der Erlebnisse daraus, sondern eher das Deutlichmachen
von Differenz, worauf Wert zu legen ist.
Umwelt
Naive Gemüter sprechen heute
schon wieder von einem Tourismus, der nicht nur die Kulturdenkmäler, sondern
die herrlichen Gebirge und urtümlichen Landschaften erblühen sieht. Solche
Naivität würde als Politik einen fernen Schritt vor nahe liegenden
Dringlichkeiten machen. Die Natur leidet immer unter Kriegen. Dazu kommt eine
veränderte Wahrnehmung der Umwelt, wenn die traditionelle Produktion, zum
Beispiel Weiden oder bestimmte Anbauformen, mit der jetzigen Reproduktion, zum
Beispiel in der Opiumökonomie, nichts mehr zu tun hat. Umwelt und Landschaft
als Ressourcen zu verstehen funktioniert wahrscheinlich nicht direkt nach
unserem Muster (obwohl ein Botanik-Professor der Kabuler Universität eine Grüne
Bewegung nach unserem Muster genau mit dieser Perspektive diskutierte).
Umwelt wird noch für lange
Zeit durch Minen begrenzt sein. Nach Aussagen von Tom Königs (früher
SRSG der UNAMA) wird es noch zehn Jahre dauern, bis die hervorragenden
afghanischen Minenräumer die wichtigsten Minenfelder geräumt haben werden (Es
wird geschätzt, dass 10 Millionen Minen ausgelegt sind). Afghanistan braucht
500 Millionen Dollar, um das Land vertragstreu bis 2013 minenfrei geräumt zu
haben. Es gibt sowohl die Spezialisten als auch die Infrastruktur, aber kein
Geld – so die UN-Agentur UNMACA.(18) Die Einschränkung der Bewegungsfreiheit,
die Begrenzung der Ökonomie und die Gefahr für das Leben vor allem von Kindern
sind hier die wichtigsten Aspekte der Minengefahr; man kann durch Unterstützung
der afghanischen Minenräumung einen Beitrag zur beschleunigten Stabilisierung
leisten.
Wir haben schon im letzten
Aufsatz in der Kommune auf die Probleme der Wasserversorgung in
Zusammenhang mit dem Klimawandel hingewiesen. Es ist erstaunlich und positiv,
wie viele Projekte in diesem Zusammenhang existieren, und auch, dass es Perspektiven
für regenerative Energie gibt.(19) Wir haben diesen
Diskursbereich gewählt, weil er für die These vom Frieden in Kriegszeiten
besonders signifikant ist und auf sehr viele Sektoren Einfluss hat.
Landwirtschaft, Gesundheit, Trinkwasser, aber auch langfristige
Infrastrukturvorhaben – Wasserleitungen, Brunnen, Industriewasser – et cetera sind davon betroffen.
Versöhnung
Es wurde mehrfach gefragt,
warum es in Afghanistan keine Wahrheits- und Versöhnungskommissionen nach dem
Muster etwa von Südafrika gibt. Solche Verfahren erscheinen in bipolaren
Konflikten angezeigt, entweder vertikal, zwischen ehemaligen Kolonialherren und
der Bevölkerung, oder horizontal, zwischen verschiedenen Konfliktparteien innerhalb
einer Gesellschaft. Versöhnung bedeutet ja weit mehr als kalter Frieden nach
einem militärischen Sieg oder einem Waffenstillstand. Sie ist auch mehr als ein
Arrangement unter neuen normativen Vorzeichen. Auf gesellschaftlicher Ebene
muss sich ein traditionalistischer Teil der Mehrheit der Bevölkerung damit aussöhnen,
dass die Herrschaft der Durrani-Pashtunen, aus deren
Reihen die afghanischen Könige stammten, unwiderruflich zu Ende ist. Aber auch
damit, dass eine Balance zwischen Stämmen und Gesellschaften nicht dauerhaft
auf immer mehr Segmentierung und Rücksichtnahme auf lokale Machtagglomerationen
erfolgen kann, also das Gesamtsystem föderal legitimierend werden sollte. Wir
denken, dass institutionelle Versöhnung über eine funktionierende und transparente
Justiz besser und wirksamer sein kann als psychologisierende Rücksichtnahme auf
vielschichtige Unrechtserfahrungen, in der viele Menschen zugleich Opfer und
Täter unter unterschiedlichen Bedingungen zu verschiedenen Zeiten gewesen sind.
Die Immunitätsgesetze zugunsten mancher der früheren Warlords
und eine Tabuisierung bestimmter Aspekte des Kampfes gegen die Sowjetokkupation
sind ebenfalls Hemmnisse, die erst thematisiert werden müssen, bevor sie
Gegenstand öffentlicher Kontroversen werden können. Die formal sehr weitgehende
Pressefreiheit könnte auch die Schaffung von mehr öffentlichem Raum
begünstigen.
Haftung, Verantwortung und Empathie
Wir haben eingangs, vor der
Medienschau, eine empathische Haltung für die afghanische Bevölkerung gefordert
und versucht, sie auch argumentativ bei den einzelnen Punkten unserer
Vorschläge einzunehmen. Wir haben einige Erfahrung gesammelt, wie im
Heimatdiskurs hier in Deutschland »Afghanistan« zu einer symbolischen,
imaginären Größe im Alltagsdiskurs eines Landes wird, das auch Krieg
führt. Wir sind nicht so naiv zu glauben, ein Zustand der relativen Integrität
und Unversehrtheit eines Landes lasse sich nach Krieg und Intervention wieder
reproduzieren. Aber wir denken, dass Teile davon, also die Freiheit als Konsequenz
der Befreiung, nicht nur symbolisch, sondern konkret zur Heilung und
Selbstverständigung der afghanischen Gesellschaft führen kann. Wir, als Teil
der Krieg führenden Intervenierenden, haften dafür. Das bedeutet nicht, dass
die Bundeswehr auf unabsehbare Zeit im Land sein wird; es bedeutet auch keinen
ewigen Interventionszustand. Aber es bedeutet, dass die Eingriffe, die die
Intervention notwendig und nachhaltig in die Gesellschaft – als Interventionsgesellschaft
– bewirkt, in einem Aushandlungsprozess Legitimation erfahren sollten.
Was nicht geht, ist sich mit Nation-Building
auf der Systemebene zu begnügen, sich über halbwegs demokratische Wahlen westlichen
Musters zu freuen und die Menschen beim Society-Building
allein zu lassen. Dazu haben wir schon zu tief in die lebensweltlichen
Rahmenbedingungen eingegriffen.
Jürgen Trittin,
23.9.08, partei-interne Korrespondenz.
2
Michael Daxner, Jan H. Free, Maike Schüßler
und Ursula Thiele: »Staatsgründungskrieg und Heimatdiskurs. Afghanistan – und
die Grundlagen und Probleme humanitärer Interventionen«, Kommune 6/07.
3
Ahmed Rashid: Descent into Chaos, New York 2008
(Viking).
4
Hierin
gleichen sich unbelehrbare US-Militärs (PRT-Commander
Kunar 2007) (pro) und deutsche Pazifisten (Jürgen
Rose, Erich-Maria-Remarque-Gesellschaft 11/08) (contra) aufs Haar.
5
Vor dem Ende
des Kalten Krieges konnte die Linke im Westen die Position des Hinschauens
moralisch auch gegen ihr jeweiliges Lager verwenden. Es war im Westen auch ein
Protest gegen das politics never again der
Kriegsgeneration nach 1945.
6
Vgl. Michael Daxner:
»Neue Kriege und Innere Sicherheit«, Vortrag Gießen, 13.1.2009.
7
Natürlich
nicht im rechtlichen Sinne.
8
Mit diesem
Plural deuten wir unsere politisch-ethnologische Überzeugung an, dass es in
Afghanistan mehrere, distinkt voneinander geschiedene und nur staatlich
zusammengefasste Gesellschaften gibt. Das hat zwar mit der Stammes-Struktur und
damit verbundenen Kulturen und Sozialsystemen zu tun, ist aber nicht kongruent
mit diesen.
9
Vgl. Michael
Daxner und Jan Free: Civil Reconstruction in
Afghanistan. Report for the Greens/EFA in the European Parliament,
Berlin/Oldenburg 2008.
10
Vgl. www.bpb.de/veranstaltungen/7315QW,O,DeutscheAußenpolitik.html
mit vielen prominenten Beiträgen, u. a. von Münkler, Nachtwei,
Voigt und Schmierer.
11
Tony Judt: Postwar. New York 2005 (Penguin). Dieses Nachkriegs-Konzept der Geschichtsschreibung
hilft auch zu verstehen, warum nach dem Ende des Kalten Kriegs Länder
unterschiedlich auf das Ansinnen, sich an Interventionen zu beteiligen,
reagierten. Vgl. Michael Daxner: »Cold War revisited«, Vortrag Universität Salzburg, 8.1.09
12
Die Befunde
dieses Versagens sind überwältigend eindeutig, sowohl in den offiziellen
Berichten etwa von UNAMA und anderen UN-Organisationen als auch in der
fachkundigen Berichterstattung der Medien. Beispiele für sensible
Schwachpunktauflistungen sind überdeutlich und autoritativ bei Rashid 2008 aktualisiert, aber auch journalistisch verknappt,
z. B. jüngst bei Merey 2008. Dass aus diesen Befunden
keine nachhaltigen Konsequenzen gezogen werden, ist auch ein Problem mangelnder
Koordination eines starken Mit-Spielers, der EU, gegenüber den USA und anderen
einzelnen Akteuren, wie zum Beispiel Indien oder Iran. Über die richtige
Verwertung der ja vorhandenen Forschung (auch in Deutschland) muss gestritten
werden, um falsche Indienstnahme und intransparente
Legitimationsakte zu vermeiden, aber auch hier denken wir, dass die europäische
Ebene zu einer besser koordinierten »Politisierung« kritischer Erkenntnisse
führen könnte. (Es geht hier auch quantitativ kaum um militärische
Überlegungen, sondern um die Soziologie und Ethnologie von Gesellschaften unter
dem Einfluss einer sie völlig verändernden Intervention; man könnte sich am
Ethos von Pierre Bourdieu im Algerienkrieg ein
Beispiel nehmen, wie solche Erkenntnisse empathisch auf die betroffenen Menschen
hin orientiert werden können).
13
Die
Konvention wurde in Oslo von 94 Staaten am 4.12.08 unterzeichnet, von
Afghanistan in letzter Minute.
14
Katherine Adeney, Asian
Survey XLVIII 4/2008.
15
Die
Originaldokumente sind MC 411/1 Jan. 2002 und AJP-9 CIMIC-Doctrine
Juni 2003. Für Afghanistan existiert umfangreiche kritische Literatur v. a. zu
den Provincial Reconstruction
Teams (PRT) und ebenso eine Menge Selbstdarstellung.
16
Die
Erhebungsmethoden von Asia Foundation werden allerdings
von Fachleuten bezüglich der Erhebungen unter Frauen und im Süden des Landes
bezweifelt.
17
Das Observatory der Magna Charta, eine weltweit operierende
Organisation zur Förderung der Wissenschaftsfreiheit und Hochschulautonomie,
hat mehrere Veranstaltungen und Tagungen in den Jahren 2005–2007 mit großem
Erfolg, meist vermittelt über den früheren Minister Fayez,
in Herat und Kabul durchgeführt. Vgl. www.magna-charta.org
18
Reuters, 12.1.2009, Scot
W. Stevenson.
19
An der
Universität Oldenburg wird ein DFG-Antrag vorbereitet, der gemeinsam mit dem
Potsdam Institut für Klimafolgenforschung herausfinden will, wie drohende
Veränderungen des Klimas den relevanten Stammesführern und lokalen Eliten
vermittelt werden können. Es gibt eine Vielzahl von Projekten, die trotz der
Unsicherheiten Wasser- und Energievorhaben bearbeiten. Vgl. Kreutzmann 2008.
(Wir zitieren Kreutzmanns Arbeit exemplarisch für sein außergewöhnlich
intensives regionales Forschungsnetzwerk zwischen Anthropologie und Geographie;
K. ist eine wichtige Stimme der Kritik gegen unangemessenes Eindringen der
Intervenierenden in die lokalen Gesellschaften.) Vgl. GTZ 2007 für die Provinz Badakhshan.
Kasten1:
aber er dürfte weiter zur Mitte wandern.«
(SZ, 2.9.2008)
Plötzlich sind Begriffe
wichtig geworden, und es hat sich etwas geändert im Heimatdiskurs um
Afghanistan. Öffentlich zu fragen, ob denn der Krieg ein »Krieg« sei, heißt,
dass man ihn anerkennt und die eigene Beteiligung legitimieren möchte.
Der Spiegel spricht
von der »Mission«,
die nach sieben Jahren zeigt, dass weder Taliban noch die westliche Allianz den
Krieg gewinnen können (Nr. 42/08, S. 123). Hier werden Gegner konkret benannt. Der
US-General David H. Petraeus spricht etwa zeitgleich
vom »längsten Krieg gegen den Terror«. Die Mission sei einerseits der Aufbau des Landes
(statt Wiederaufbau, womit er Recht hat), andererseits das Verhindern einer
neuen Rückzugsstellung für Extremisten, was vage und unkonkret ist, und eher
auf Pakistan zutrifft (Nr. 40/08, S. 103–108). Die
Medien berichten genauer und konkreter als bisher, weil sich herumgesprochen
hat, dass der Krieg als solcher von den Menschen hier »begriffen« wird. Die lang gehegte Vorstellung von zwei
Gruppen von Akteuren überzeugt immer weniger. Weder gibt es die weniger Guten,
die Krieg gegen die wirklich Bösen führen (USA, OEF, War on Terrorism), noch gibt es die andern; »wir«, eine Art militärpolizeilicher Entwicklungshilfe
im Einklang mit der Bevölkerung. Jung wehrt sich dagegen, den Krieg in
Afghanistan als Krieg zu bezeichnen, mit schlechtem Grund, nominalistisch. Die
Kriegsmetapher ist beim Streit der »legitimen« Afghanen mit den Taliban weit eher angebracht als
im War on Terrorism.(1) Dass die Afghanen in
ihrem Bemühen, das Gewaltmonopol eines tendenziell demokratischen Staates
herzustellen, sich auch internationaler Hilfe bedienen, die in Form der ISAF
wiederum mit der OEF verknüpft ist, mag Puristen in Europa unangenehm sein,
aber die Befürchtung, die Afghanen führten OEF und ISAF am Ring durch die
Manege, stimmt natürlich nicht. Gerade die Aktion der OEF-Streitkräfte
zeigen, was noch die wenigsten hier bewusst aufgenommen haben: dass es sich um
einen regionalen Konflikt mit einem Krieg in Afghanistan und
Pakistan handelt. Innerhalb Afghanistans sind die Hoffnungen auf den neuen US-Präsidenten Obama mit
starken Befürchtungen gemischt: Dass er das Land zum Angelpunkt seiner
regionalen Politik machen will, wird auch in den ländlichen Gebieten begrüßt;
dass er aber möglicherweise die lokalen Stammesführer und Warlords
bewaffnen will, schmeckt vielen nicht: Es
konkurrierte ja mit dem Kampf ums Machtmonopol
von Karzai (Global Post, 9.1.09).
Angesichts der deutschen
Toten – 28 von circa 1000 – gibt es zwei
Argumentationslinien: Für die einen sind diese
Toten Opfer von Anschlägen, ihr Sterben ist Schicksal (Witwe des 2002
gestorbenen Hauptmanns Deininger, FR,
16.10.08). Es gehöre zur Profession des Soldaten-Sein, getötet zu werden. Die
andern sprechen von Gefallenen, letztlich auch Jung, der sich aber gegen den
Krieg nach wie vor wehrt (SZ,
2.9.08, 22.10.08, FAZ, 25.10.08), weil
dieser Begriff Krieg impliziert, und das soll nicht sein. Ein PR-Experte
der NATO wandte sich gegen die Kriegsmetapher, weil es ja gar keine völkerrechtliche
Grundlage für einen Krieg gäbe (Quelle bekannt, aber nicht-nennbar), während
die Frankfurter Rundschau
ganz offen in Frage stellt, ob die »Mission
ihre tödlichen Folgen wirklich wert« ist; die
Mission, das ist die selbst bezweifelte »Sicherheit
Deutschlands« (FR, 16.10.08). Wenn die
deutlich negative Position der FR diese Sicherheit in Anführungszeichen
setzt, bleibt die richtige Frage zu stellen: Ist die Mission die Folgen eines
Einsatzes für die »Sicherheit der Afghanen« wert, wenn schon nicht direkt für unsere?
Vermutlich will Jung nicht
deswegen keinen »Krieg«
wahrhaben, weil ihn die Linke mit völkerrechtlichen und pazifistischen
Argumenten schreckt (SZ, 24.10.08),
sondern weil er Angst vor der Reaktion der Bevölkerung hat, die im Bemühen um
neuen Auszeichnungen, Gefahrenzulagen und so weiter eine »Normalisierung«
der Bundeswehr im Kriegszustand out of area
bemerken könnte.
Es gibt eine Angstlust am
weit entfernten, uns aber betreffenden Krieg, der dosierte Trauer und Ehrbezeigungen
zulässt, aber nicht wirklich unser Leben beeinflusst. Durch erstaunlich schnell
aktualisierte, in den großen Medien auch einigermaßen seriöse Berichterstattung,
wird eine bestimmte Gruppe, die im Heimatdiskurs Ton angebend ist, in die Lage versetzt, »sachlich« zu
argumentieren. Man weiß jetzt genauer, wer der Taliban ist, warum er
meistens Pashtune ist, dass es auch andere
destabilisierende Gruppen gibt, und man ist sich sicher zu wissen, dass und
warum man nicht gewinnen kann, die Taliban aber auch nicht. Ausgerechnet die FAZ
drückt das Begreifen am siebten Jahrestag des Kriegsbeginns am deutlichsten
aus: »Einsatz für Afghanistan«. »Für Afghanistan« sind dann etwa die
Kosten ein Fokus des Steuerzahlers. Afghanistan hat in Großbritannien den Irak
weit hinter sich gelassen (2,3 Mrd. Pfund
gegen 1,4 Mrd. in diesem Jahr, Times, 26.11.08). Ähnliche Rechnungen stehen uns ins
Haus. Unvermeidlich ist die Diskussion, die in England hohe Wellen schlägt:
dass nämlich die Militärs falsch und unzureichend ausgerüstet sind (Independent,
26.11.08). Hierzulande hat der Bundeswehrverband schon ähnliches festgestellt.
Die politische Frage dahinter ist noch zaghaft, aber sie wird bei den nächsten
Attacken der Taliban und gar bei Verlusten an Menschenleben virulent: Ist die
Bundeswehr ein Ziel, weil sie ein zu geringes Mandat hat, sich zu verteidigen?
(SZ, 24.12.08). Eine normale Krieg
führende Nation geht routinierter damit um, als sie wahrhaben will. Es gibt
keinerlei Anstrengungen, zu den Abrüstungen und Eindämmungsinitiativen der Siebzigerjahre
zurückzukehren oder Neuauflagen zu machen, die dem Ende des Systemdualismus
angemessen wären. Man könnte doch mit allen wichtigen Akteuren strikte
Waffenembargos verhandeln …
Was im Augenblick
besonders problematisch erscheint, ist eine Vermischung von richtigen
Wahrnehmungen und verkürzten Problemlösungen, die seltsam zirkulär argumentiert.
Das beste Beispiel ist Jürgen Todenhöfer (FR, 16.10.08), dessen Halbheiten irgendwie sympathisch
und unpraktisch zugleich sind. Recht hat er, wenn er meint, dass nur Afghanen
die Insurgenten im eigenen Land letztlich besiegen können. Aber sie können
zurzeit die Schulen, die sozialen Einrichtungen, die Todenhöfer
fordert, mit eigenen Sicherheitskräften nicht verteidigen, und schon gar nicht
ihre Grenzen schützen. Recht hat er, wenn Versäumnisse der westlichen
Kriegsführung aufzeigt, falsch sind seine Aussagen über wachsende Unterstützung
der Taliban in der Bevölkerung, über ihren vordem geringen Rückhalt, über die
Möglichkeiten, zurück zu den alten Strukturen zu gelangen um nationalen Frieden
zu stiften (Loja Jirga).
Diese gefährliche Haltung, immer nahe am Stammtisch, dass die betroffenen
Völker ihre Probleme selber lösen sollen, verbreitet sich weit über die
Klientel der fahrlässig populistischen Linken und der plötzlich erstarkten
Nicht-Einmischungsfreunde hinaus; Jürgen Trittin hat zutreffend festgestellt,
dass ein Sich-selbst-Überlassen
der Afghanen zu neuem Bürgerkrieg führen müsste,(2)
weshalb ein sofortiger Abzug auch der Bundeswehr falsch wäre. Wichtig an
diesem unscheinbaren Satz ist die Deutung, dass uns dieser Bürgerkrieg
auch etwas angeht. Es geht uns plötzlich auch an, dass ranghohe, meist
ehemalige Militärs, den Krieg als ungewinnbar bezeichnen (prominent: Admiral Mike Mullen: »downward spiral«, International Herald Tribune, 10.10.08). Im Heimatdiskurs bedeutet das
keine Identifikation mit den Kriegszielen, aber mit dem Krieg, jener
unausweichlichen Komplizenschaft von Laien und Wissenschaftlern, die den Krieg
anerkennen müssen, selbst um ihn zu kritisieren.(3)
Ähnliche Expertise und Anerkennung erfährt die Frage, ob und wie und
wann man mit den Taliban »reden« muss, und wer das tun soll.
Noch einen Aspekt des
Heimatdiskurses in den Medien sollten wir im Blick behalten. Die Bedeutung
unserer Soldaten im Feld, vor allem wenn sie fallen, wird instrumentalisiert.
Nicht überall so frivol wie in der Bild-Zeitung: »Bundeswehr entsetzt! Tote deutsche Soldaten verhöhnt!« (Bild, 4.9.08).
Es handelt sich um ein willkürlich ausgegrabenes, ziemliches blödes Pamphlet
einer DKP-nahen antimilitaristischen Gruppe, das
mehrere Jahre alt ist, aber von der Springer-Presse gegen die sich damals noch
abzeichnende Koalition in Hessen in Stellung gebracht wurde. Dies ist der
untere Rand einer neuen Debatte, die sich um Sondergerichtsbarkeit für Soldaten
im Feld, ihre besondere Schutz- und Ehrbedürftigkeit dreht. Es gibt hier
sachliche und unsachliche Argumente, außer Zweifel. Aber die Diskussion zeigt
auch, dass die Identifikation der Bundeswehr out of area
in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.
Michael Daxner, Jan H. Free
1
War on Terrorism ist nicht ganz
bedeutungskongruent mit War on Terror. »Terrorism«
impliziert schon eine bestimmte Vorstellung davon, wer die Terroristen sind.
2
Jürgen Trittin, partei-interne Korrespondenz.
3
Dirk Baecker: »Der Krieg als Ritual der
Gesellschaft«. In: Oberender u. a.: Gott gegen
Geld. Berlin 2002 (Alexander). An der Freien Universität Berlin agitiert
eine von der Partei Die Linke inspirierte Gruppe gegen den Sonderforschungsbereich
700 (Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit).
Die Auseinandersetzung hat immerhin eine Debatte mit einiger Breitenwirkung
unter den Studierenden in Gang gebracht, die die Verdachtskultur (alles, was da
geforscht wird, dient indirekt der Besatzung und dem Militär) etwas auflockert
(OSI 12.12.08). Aber ich, M. D., bin da hartnäckig und
will die Frage über einige Texte hinaus politisieren: Denn Anthropologie,
Ethnologie und Soziologie in Interventionsländern sind gerade dort brisant, wo
sie interventionskritisch mit allen Akteuren zusammenarbeiten müssen. Vgl. auch
die Kontroverse bei Barcott 2008.
Kasten 2:
Man kann die Taliban aus
verschiedenen Gründen nicht »zurück ins Boot« holen, weil sie dort nie waren.
Da man sie von der Bonner Konferenz ausgeschlossen hatte, weil die UN meinten,
die wichtigsten Führer würden ohnedies nicht kommen und weil die Nordallianz
auch strikt dagegen war, hat sich eine »Runder Tisch«-Lösung vor der Verfassung
ausgeschlossen; jetzt würde dieses Modell zur langsam sich festigenden repräsentativen
Demokratie nicht passen. Die Taliban zu spalten, in »moderate« und »unbelehrbare«
ist auch nicht sinnvoll, weil sie ja von ihrer Struktur her nicht diese Flügel
kennen: Es gibt eine Vielzahl von Varianten in Motiven und Verhalten,
allerdings diszipliniert und einig in der Gegnerschaft.
Karzai hat eine richtige Entscheidung getroffen: Wenn mit
den Taliban verhandelt wird, dann will er das organisieren, denn es geht
um das staatliche Machtmonopol und nicht um den Kampf gegen den Terrorismus. Um
es salopp zu sagen, das ist Karzais Staatsgründungskrieg,
nicht der Krieg der Amerikaner. Da die Taliban in Nordwest-Pakistan eine
zunehmend destabilisierende Rolle spielen und insgesamt wohl an Reputation verloren
haben, was ihre soziale Funktion in Gegenden schwacher Staatspräsenz betrifft,
kann es eine neue außenpolitische Konstellation mit neuen Konflikten an der
afghanisch-pakistanischen Grenze geben. Der Überfall auf ISAF-Transporte
an der Khyber-Grenzstraße lässt diese Erwartung zu.
Die Wurzeln, also die Madrassas, der Traditionalismus, die Ablehnung der
»liberalen Staatsgründung«, aber auch der Rekurs auf untergegangene und
verschwindende lokale Machtkulturen, waren für die erste Generation, gerade
angesichts der korrupten Mujaheddin, typisch. Wir halten die heutige Taliban-Formierung für noch weniger zugänglich, weil
prinzipienloser. Man sollte sie deshalb nicht dauernd über den amerikanischen
Kriegsbegriff aufwerten, sondern sie mit Militärpolizei und Entwicklungshilfe
an die Dörfer und deren starke Absicherung gegen Übernahme bekämpfen. Am
wichtigsten ist es aber, den Taliban keine Chance zu geben, über öffentliche
Güter und lokale Sicherheit das einzulösen, was die Internationalen versprochen
haben; einschließlich vernünftiger Gehälter für die örtliche Polizei und einem
Minimum an sozialer Grundsicherung in den Dörfern.
Schetter hat mehrfach darauf hingewiesen, dass sich die
Afghanen als »Staatsvolk« daran gewöhnen müssen, nicht mehr pashtunisch
regiert zu werden. Umso wichtiger ist es, dass die Taliban, überwiegend Pashtunen, nicht zum ethnischen Stigma und einer dauernden
Spaltung des Landes führen. Fredrick Barth(2) hat uns gegenüber bestätigt, dass
die Vermutung, Taliban rekrutierten aktive Anhänger
nach alten pashtunischen Stammesregeln, jedenfalls
nicht abwegig ist.
Uns erscheint eines
wichtig: das ständig wiederholte Epitheton »radikal-islamisch« passt so wenig
auf die Taliban wie auf Hamas, man müsste schon Islamismus und diesen wiederum
ganz konkret und lokal definieren, um einen religiösen Bezug belastbar herzustellen.
Michael Daxner, Jan H. Free
1
Wir
verweisen hier auf keine Referenz, die eine bestimmte Auffassung stützt,
sondern berufen uns auf einige neuere Literatur, die allesamt Teilaspekte
hervorhebt. Vgl. Schetter 2007a, Giustozzi
2008, Burke 2008, Collins 2008.
2
Im
persönlichen Gespräch mit M. D.; Barth ist der wohl
bedeutendste Anthropologe der Region in den Fünfzigerjahren gewesen und hat vor
allem die Regeln von lokaler Loyalität und Konfliktregulierung erforscht.
Wir
danken an dieser Stelle auch den Studentinnen und Studenten des Seminars »Afghanistan«
an der FU Berlin für ihre kritischen und kenntnisreichen Diskussionsbeiträge,
und Tom Koenigs, wie immer.
Literatur:
Bibliographische
Hinweise, die über die in den Fußnoten und hier zitierten Fundstellen
hinausgehen, finden sich vor allem bei Daxner/Free
2008 und bei Ahmed Rashid 2008. Allgemein
zugängliches Informationsmaterial öffentlicher Stellen wurde nicht zitiert.
Adeney,
Katherine: »Constitutional Design and the Political Salience of ›Community‹
identity in Afghanistan«; in: Asian Survey XLVIII, 4/2008
Asia Foundation: A Survey of the Afghan People,
Kabul 2004, 2006, 2007, 2008 (Afghan Office der A.F.)
Bourdieu,
Pierre: In Algerien, Graz (Camera Austria)
2004
Barcott,
Rye and respondents: »Anthropology in Conflict: An Exchange«; in: Survival
50 (3), June 2008, S. 127–162
Berghahn,
Volker: America and the Intellectual Cold Wars in Europe, Princeton 2001
Collins, Joseph: »The Further Afghan Reconciliation:
Fight Harder«; in: Small Wars Journal, op-ed (2008)
Daxner, Michael
u. a.: »Staatsgründungskrieg und Heimatdiskurs. Afghanistan – und die
Grundlagen und Probleme humanitärer Interventionen«, in: Kommune 6/07,
S. 62–81
Daxner,
Michael: Social Research and the Self-Respect of a Society, Herat, 25.–27. November
2007
Daxner,
Michael/Free, Jan: Civil Reconstruction in Afghanistan. A Report for the
Green Party/EFA in the European Parliament, Berlin und Oldenburg, November
2008
Erdmann,
Karl D.: Das Ende des Reiches und die Neubildung deutscher Staaten, München
1980, S. 244 ff.
Giustozzi,
A.: War and Peace Economies of Afghanistan’s Strongmen, in: International Peacekeaping 14 (1) 2007, S. 75–89
GTZ: Renewable Energy Supply for Rural Areas
(ESRA): 2120.9.-001, 2007
Köhler,
Jan: »Auf der Suche nach Sicherheit«, in: SFB-Working
Paper Series Nr. 17 (November 2008), SFB 700, FU
Berlin
Kreutzmann,
Hermann: »Water Issues in the Pamir«, in: Chirii (geography) 52 (1), 2008
Merey, Can: Die afghanische Misere, Weinheim 2008
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Arne (ed.): City Dipolomacyx. The
role of Local Governments, VNG International, The Hague 2008
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Elaheh: Afghan Women: Identity and Invasion,
New York 2007
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Conrad: »Ethnoscapes«, in: Geopolitics,
2005/1
Schetter,
Conrad/Mielke, Katja: »Where ist the
Village?«, in: Asien
104 (July 2007), S. 71–87
Schetter,
Conrad: »Talibanistan – Der Anti-Staat«, in: Internationales
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Thränhardt,
Dietrich: Geschichte der Bundesrepublik Deutschland 1949–1990, Darmstadt
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