Riskante Peanuts aus der Karibik

Immer mehr Städte in Europa schließen dubiose US-Leasing-Verträge ab

Werner Rügemer

Der neue Renner, mit dem sich auch deutsche Kommunen angeblich "entlasten" können, heißt CBL. Hinter diesem Leasing-Sonderangebot versteckt sich ein formidabler Deal in Sachen Steuerersparnis, der die Behörden Europas und der USA zugleich verbindet und austrickst, in dem fiktiv-reale Milliardengeschäfte getätigt werden. Dieses "Globalisierungsspiel" großer deutscher und europäischer Banken mittels des US-Finanzplatzes aber ist nicht nur schmutzig, es enthält, wie unser Autor mit seinen Recherchen zeigen kann, auch hohe Risiken für die betroffenen Kommunen.

Seit einigen Jahren rennen Großbanken, Landesbanken und Finanztöcher von Großkonzernen den deutschen Kommunen die Türen ein. Das heiße Sonderangebot heißt "Cross Border Leasing" (CBL). Dabei werden städtische Anlagen wie Klärwerke, Kanalnetze, Messehallen, Müllverbrennungsöfen und Straßenbahnen einem "US-Investor" vermietet und wieder zurückgemietet, angeblich. In den USA entsteht dabei ein Steuervorteil, von dem der Investor der Kommune einen kleinen Teil, den "Barwertvorteil", abgibt, sozusagen als Belohnung für das Mittun in der globalen Steuerrallye. Der Anteil für die Kommune beträgt je nach Größe der Anlage zwischen 10 und 30 Millionen Dollar. Er ist für die Kommunen auch deshalb attraktiv, weil er cash am ersten Tag zur Auszahlung kommt und die Kommunen mit dem höchst komplizierten Vertrag (scheinbar) nichts weiter zu tun haben. Nicht nur deutsche Finanzinstitute sind mit diesem Angebot erfolgreich, auch Großbanken in der Schweiz, in den Niederlanden, in Belgien und anderswo bringen Großstädte überall in ihren Ländern dazu, sich auf CBL-Deals einzulassen. Die fragwürdigen Rechtsgrundlagen und die Risiken werden Ratsmitgliedern und Öffentlichkeit dabei verschwiegen.

Beispiel Köln: Am 29. Februar 2000 beschloss der Kölner Stadtrat im nicht öffentlichen Teil seiner Sitzung mit großer Mehrheit ein "Grenzüberschreitendes US-Leasinggeschäft für Klärwerke der Stadt Köln". In den lokalen Tageszeitungen wurde gleichlautend folgende Pressemitteilung der Stadtverwaltung verbreitet: "Der Rat gab in seiner gestrigen Sitzung grünes Licht für eine grenzüberschreitende US-Leasing-Transaktion. Damit werden das Großklärwerk Stammheim, die Klärwerke Langel, Weiden und Rodenkirchen sowie Teile des Kanalnetzes zu einem Wert von 600 Millionen $ an einen US-Investor vermietet und von der Stadt gleich wieder zurückgemietet. Der Vertrag läuft 24 Jahre. Der Steuervorteil, der dabei in den USA entsteht, wird unter den Leasingpartnern aufgeteilt. Auf die Stadt entfallen etwa 26 Millionen $ als so genannter Barwertvorteil. Er soll ausschließlich zum Vorteil der Gebührenzahler verwendet werden."

Zum "Investor" wurden folgende Angaben gemacht: "Investor ist ein von der First Union Gruppe aus den USA bonitätsmäßig abgesichertes Unternehmen. Es ist die First Fidelity Bank. Die First Union Gruppe ist mit einer Bilanzsumme von 237 Milliarden Dollar im Jahre 1998 die sechstgrößte Bankengruppe in den USA. Eingeschaltet als Abwickler ist die Deutsche Bank." Was der Öffentlichkeit verschwiegen wurde, was aber immerhin in der Beschlussvorlage des Rates stand: 1. Die Laufzeit beträgt nicht 24 Jahre, sondern eigentlich 100 Jahre, 2. der unmittelbare Vertragspartner der Stadt ist eine "Special Purpose Company" (SPC, Gesellschaft für besondere Zwecke) auf den Cayman Islands, sie war vom "Investor" und der Deutschen Bank auf der Karibikinsel eigens und ausschließlich für diesen Vertrag gegründet worden.

Den Bürgern erklärte der damalige Kölner Stadtkämmerer Werner Böllinger im Fernsehen: "Es ging alles mit rechten Dingen zu. Es sind legale amerikanische Gesetze, an die wir uns auch streng gehalten haben." "Legale Gesetze?" Gibt es also auch illegale Gesetze? Woher kommt diese ängstliche und unsinnige Überbetonung des Legalen? Oder enthält die Verbindung "legale amerikanische Gesetze" ein Geheimnis oder eine Erklärung?

Den "Investor" gibt es nicht

Genaues über den "US-Investor" erfährt die Öffentlichkeit bei keinem dieser Verträge. Das hat seinen guten oder schlechten Grund. Den "US-Investor" gibt es nämlich gar nicht, jedenfalls nicht in der Form, wie sich Bürger und Ratsmitglieder gemeinhin einen Investor vorstellen. Begibt man sich etwa im Falle der Kölner Klärwerke auf seine Spur, stößt man auf Erstaunliches. Die First Union Bank als diejenige, die den "Investor bonitätsmäßig absichert", lässt sich im Internet leicht finden. Auf der Website lächelt werbend der US-amerikanische Außenminister Colin Powell. Offensichtlich, so kann daraus geschlossen werden, haben solche Geschäfte etwas mit Außenpolitik zu tun. Ansonsten schweigt die Bank, aber das hat wohl auch etwas mit Außenpolitik zu tun.

Das Headquarter der First Union steht in Charlotte, North Carolina. In Hamburg unterhält die sechstgrößte Bank der Vereinigten Staaten eine Repräsentanz. Eine Nachfrage per Brief, Telefon, Fax und E-Mail gleichzeitig an Edward Crutchfield, den Vorstandschef in Charlotte, an Virginia Mackin von der Presseabteilung, an Mike Taylor von der Leasing-Abteilung und auch noch an die Hamburger Repräsentanz bringt keine Ergebnisse. Auf die Frage, ob es überhaupt einen Leasing-Vertrag mit der Stadt Köln gibt und wer der Investor First Fidelity Bank ist, erfolgt trotz mehrmaliger Nachfragen im Zeitraum eines Jahres keine wie auch immer geartete Reaktion. Die Bank schweigt, sie schickt lediglich einen aufwendigen Jahresbericht, in dem aber von Leasing-Verträgen mit europäischen Kommunen und von der First Fidelity Bank keine Rede ist.

Im Internet und in spezialisierten Bankverzeichnissen kann man herausfinden, dass es in den USA etwa ein gutes halbes Dutzend Banken gibt, die "First Fidelity Bank" heißen. Es sind regionale Kleinbanken, die mit dem damals offensichtlich glaubwürdigen Versprechen eheähnlicher Treue (fidelity) zu Beginn des letzten Jahrhunderts gegründet wurden. Heute gibt es sie etwa (noch) in North Carolina, Delaware, New Jersey, New York, South Dakota und Oklahoma, jeweils mit einigen Filialen. Die meisten wurden von der First Union Gruppe aufgekauft, existieren aber unter ihrem alten Namen weiter.

Bei allen endet die Anfrage, ob sie der "Investor" der Kölner Kläranlagen sind, ergebnislos. Zur Illustration sei eine dieser Banken kurz vorgestellt: Die First Fidelity Bank in Oklahoma City. Sie präsentiert sich auf ihrer Website mit Fotos von zehn gemütlichen alten Herren. Sie sind der Vorstand. Auf einer weiteren Seite steht etwas verloren das Foto einer kleinen ebenerdigen Filiale, die vor kurzem im Städtchen Noble bei Oklahoma eröffnet wurde, wie stolz berichtet wird. Die Filiale sieht aus wie eine Mischung aus Gartenhaus und Tankstelle. Hier könnte ein mittelmäßiger Held aus einem mittelmäßigen Westernfilm einen schließlich verunglückten Banküberfall begehen, und niemand würde es bemerken außer dem Bankdirektor. Auf der Seite "Wir über uns" preist sich die Bank patriotisch an: "Jedermann bei First Fidelity ist erfüllt von den Interessen Oklahomas. Vom Chef bis zum einfachen Angestellten am Bankschalter: Wir leben in Oklahoma, wir arbeiten in Oklahoma, wir erziehen unsere Kinder in Oklahoma!"

Ob die Patrioten von Oklahoma schon einmal etwas von einer Stadt namens Cologne in Germany gehört haben? Auf der Seite mit der Bilanz zum Dezember 2000 ist etwas zu erfahren über die finanziellen Verhältnisse dieser sympathischen kleinen Bank tief in der amerikanischen Provinz, wo das Leben noch in Ordnung ist: "Summe der Aktiva einschließlich aller vergebenen Darlehen: 515 Millionen Dollar." Das heißt: Das gesamte Vermögen der First Fidelity Bank ist geringer als das Volumen des Leasingvertrags mit der Stadt Köln.

Mit anderen Worten: Selbst wenn die First Fidelity Bank alle Ersparnisse ahnungsloser patriotischer Bürger von Oklahoma eingesetzt hätte, hätte dies nicht ausgereicht, um die 600 Millionen $ für den Leasingvertrag mit der Stadt Köln aufzubringen. Eine telefonische Anfrage nach dem Leasing-Vertrag mit der Stadt Köln führt bei Lee Symcox, dem Präsidenten der Bank, zu dem sympathischen und zugleich aufklärenden Fluch: "What the hell, Mister, where is your dammned Cologne?" Ohne hier tiefer in die finanziellen Verhältnisse im patriotischen Oklahoma eindringen zu müssen, darf bis zum Beweis des Gegenteils angenommen werden: Diese Bank ist nicht das, was sich ein Kölner Bürger unter einem "Investor" vorstellt.

Gleichgültig, welche der First Fidelity Banken nun von der First Union Bank als Briefkasten oder als "Investor" benutzt wird, er bringt laut den Schaubildern, die den Ratsmitgliedern vorgelegt werden, ohnehin nur 10 bis 15 Prozent der Investitionssumme für das Leasing-Geschäft auf. Auch in weiterer Hinsicht handelt es sich nicht um einen Investor nach allgemein üblicher Vorstellung. Die Anlagen, um die es geht – Klärwerke, Kanalnetze, Messehallen et cetera – sind ja schon vollständig vorhanden, meist seit Jahrzehnten. Sie sind schon vollständig funktionstüchtig, bevor der "Investor" auftaucht. Und der, wie immer er heißen mag, investiert keinen einzigen Dollar und keinen einzigen Euro in die Anlagen selbst. Keine Schraube, kein einziger Meter Kanal wird vom Investor bezahlt. Der Investor schafft keinen einzigen Arbeitsplatz, er bringt kein Geld mit, sondern er kassiert seine 600 Millionen $ am ersten Tag schon wieder ein, abzüglich der 26 Millionen Peanuts "Barwertvorteil", die in der Kölner Stadtkasse verbleiben. Der Investor übernimmt keinerlei Risiko und keinerlei Verantwortung für die Anlagen. Seine "Investitionen" müssen also einen ganz anderen Sinn haben.

Der "Investor": zwei Briefkästen der Deutschen Bank

Die treibende Kraft bei den CBL sind die Banken. In Köln war es die Deutsche Bank. Sie hat für solche "Sonderfinanzierungen" in Frankfurt die Deutsche Bank Export Leasing GmbH (DB Export) und in New York die Allco Finance Group gegründet. Bei der DB Export sitzt das "Transaktorenteam", das wie für jeden solcher Leasingverträge so auch für den Kölner Vertrag gebildet wurde. Diese "Transaktoren" erklären dem Medienvertreter in stundenlangen Gesprächen, warum sie kein Interview geben können. Wiederkehrendes Argument: "Der Investor hat sich Vertraulichkeit ausbedungen. Wenn diese Informationen an die Öffentlichkeit gelangen, platzt das Geschäft." Selbst die Adresse des Investors und des von ihm zusammen mit der First Union Bank und der DB Export für diesen Vertrag gegründeten "US-Trust" und seiner SPC dürfen die Transaktoren nicht in den Mund nehmen. Diese beiden Briefkastenfirmen sind nämlich der geheimnisvolle "Investor".

Arrangeure von "Cross Border Leasing" (Auswahl)

Die Arrangeure von "Cross Border Leasing" sind Banken, Industrie- und Versicherungsunternehmen beziehungsweise von diesen gegründete Tochterunternehmen. Ihre Aufgabe ist es unter anderem, für die Mutterunternehmen weltweit steuermindernde Finanzanlagen zu realisieren.

Deutsche Bank

Citibank

Westdeutsche Landesbank

DaimlerChrysler Inter Services (debis)

Babcock & Brown

Capital Finance Europe

Zu den Arrangeuren treten als Kreditgeber und Schuldübernehmer weitere Banken hinzu, insbesondere öffentlich-rechtliche Landesbanken.

Den Kölner Ratsmitgliedern war für ihre Entscheidung die Drucksache 1243/000 ausgehändigt worden. Das war eine kurze Zusammenfassung des Vertragswerks, verfasst von der Deutschen Bank. An der Abfassung ebenfalls beteiligt war die von der Bank für solche Fälle regelmäßig beauftragte Anwaltskanzlei Allen & Overy, New York und Frankfurt. Dafür hat die Kanzlei ein paar Millionen $ bekommen. Das Vertragswerk hat, wie zu erfahren ist, einen Umfang von 800 Seiten. Die Deutsche Bank hat für das Arrangieren des Vertrages ebenfalls ein paar Millionen $ bekommen.

Da der unbekannte "Investor" nur 10 bis 15 Prozent beiträgt, sind es andere Akteure, die die restlichen 85 bis 90 Prozent der "Investition" aufbringen. Neben der Deutschen Bank als führendem "Arrangeur" sind weitere deutsche Banken an dem Vertrag beteiligt (siehe Kästchen "Arrangeure"). Sie statten zusammen mit der Deutschen Bank und der First Union Group ihren "Investor" mit dem Milliardenkredit aus: Baden-Württembergische Landesbank, Norddeutsche Landesbank Luxemburg sowie die Sächsische Landesbank über ihre Düsseldorfer Tochter East Merchant. Selbstverständlich hüllen sich auch diese Banken gegenüber anfragenden Ratsmitgliedern und Medienvertretern in Schweigen. Auch hier das Standardargument: "Wir haben Vertraulichkeit vereinbart. Der Investor wünscht Stillschweigen. Sonst platzt das Geschäft."

Die Banken spielen eine Art Illusions-Theater: Das Stück heißt "Wir mieten und vermieten kommunale Anlagen in Europa." Die Banken schicken bei jeder Aufführung eine Strohpuppe auf die Bühne, nämlich den jeweils von ihnen selbst gegründeten Briefkasten-Trust, der irgendwo in einem US-Bundesstaat – vorzugsweise in den solcherart "steuerfreundlichen" Delaware, North Carolina oder New Jersey – in ein Handelsregister eingetragen wird. Da macht es gar nichts, dass das Handelsregister von ähnlichen Briefkastenfirmen bereits überquillt – dazu ist es schließlich da. Solche Konstrukte sind bereits auf Vorrat gegründet und liegen abrufbereit in der Schublade der DB Export und der anderen Arrangeure.

Mit der auf den Cayman Islands angesiedelten SPC-"Zwischengesellschaft" wird dem Illusionstheater ein weiterer doppelter Boden eingezogen ("zweistufiges Modell"), der die Bewegungsfreiheit und die Sicherheit vor dem doch irgendwie möglichen Zugriff des US-Fiskus erhöht. In den Ratsvorlagen preist die Deutsche Bank die karibische SPC wegen ihrer "schnelleren und kostengünstigeren Verlagerbarkeit in ein anderes Sitzland im Falle einer Rechts- oder Steueränderung in den USA".

Der Standort Cayman Islands ist aber nicht nur für solche Wanderbriefkästen ideal, sondern noch in einer weiteren Hinsicht. Die SPC dient auch als Schwarzgeldsammelstelle. Mit unversteuertem Schwarzgeld kann man günstigere Kredite vergeben als anderswo. Das weiß jeder Banker in Luxemburg und in der Schweiz. Die Senatskommission "Bekämpfung der Geldwäsche" in Washington hat die Dienste des offshore-Paradieses in der Karibik für den Finanzplatz New York umfangreich dokumentiert. So berichtete im März 2001 ein ehemaliger Inhaber einer Bank auf den Cayman Islands, wie scharenweise gut verdienende amerikanische Zahnärzte und Geschäftsleute mit Geldkoffern bei ihm in der Cayman-Hauptstadt Georgetown ankamen und ein Konto einrichteten. Es war fast immer unversteuertes Schwarzgeld. Wenn es auf das Konto der Cayman-Bank eingezahlt war, war es schon gewaschen. Die Kunden konnten es nämlich einschließlich der Gewinne anschließend mit ihrer Scheckkarte bei jeder beliebigen Bank in New York oder North Carolina abheben. War das Konto einmal eingerichtet, schickten die Kunden aus den USA ihre Schecks zu ihrer Bank auf den Cayman Islands. Von dort wurden die Schecks zur Geldanlage an eine US-Bank geschickt, zum Beispiel an die First Union Bank.

Die Puppe "US-Investor" wird also mit Hilfe der SPC von den deutschen Banken mit dem 600-Millionen-$-Kredit eingekleidet. Ein Vorstandsmitglied der Puppe, ein amerikanischer Angestellter der Deutschen Bank/Allco Finance, setzt sich in New York mit dem Kämmerer der deutschen Stadt hin und unterschreibt einen Vertrag. Die Banken überweisen an ihre Puppe monatliche Leasingraten für die Anmietung (headlease), die Puppe überweist diese Beträge im selben Rhythmus für die Rückmietung (sublease) zurück. 24 oder 100 Jahre lang, so lange die Verträge eben laufen. So fingieren die Banken gegenüber dem amerikanischen Finanzamt einen neunundneunzigjährigen oder hundertjährigen Leasingvertrag.

Diese an sich unsinnig lange Laufzeit wird in den USA so interpretiert, dass sie den Eigentumsübergang an den US-Investor begründet. Das wirtschaftliche Eigentum am Kölner Klärwerk ist die Voraussetzung für die steuerliche Abschreibung. Obwohl ja nichts verkauft wird und die Klärwerke fest im Eigentum der Stadt Köln bleiben – angeblich. Und die 100 Jahre sind zwischen den Leasingpartnern auch nicht so ernst gemeint wie gegenüber dem Finanzamt. Denn die Vertragspartner sind sich einig, dass die Stadt nach 24 Jahren eine "Beendigungsoption" hat, die auf jeden Fall wahrgenommen wird. Der Kölner Rat hat das schon so beschlossen. Das darf nur das Finanzamt in den USA nicht erfahren. Und eigentlich ist ein Leasing-Vertrag ein Leasing-Vertrag, und kein Kaufvertrag. Macht aber nichts – angeblich.

So werden dem Publikum verschiedene Versionen vorgespielt: Die deutsche Öffentlichkeit soll glauben, dass die Sache nur einen Tag lang dauert, an dem der Kommune der Barwertvorteil ausgezahlt wird; dass die Laufzeit nur 24 Jahre beträgt; dass es sich um einen Leasingvertrag ohne Eigentumsübertragung handelt; und dass das Eigentum ganz bei der Stadt verbleibt. Im Gegensatz dazu wird dem US-amerikanischen Finanzamt eine ganz andere Version vorgespielt: dass der Vertrag 100 Jahre läuft; dass es sich um einen Kaufvertrag handelt und dass das Eigentum an den "Investor" übergeht.

Europäische Städte mit "Cross Border Leasing"-Verträgen (Auswahl)

Das Transaktionsvolumen beträgt mindestens 150 Mio. Dollar; das größte bisher bekannt gewordene Transaktionsvolumen beträgt für einen Einzelvertrag bisher 1,5 Mrd. Dollar. Einige Kommunen haben bis zu drei verschiedene Verträge abgeschlossen.

Straßenbahnwagen und Schienennetze: München, Kassel, Würzburg, Dresden, Köln, Zürich, Bielefeld, Dortmund, Rostock

Kläranlage und Kanalnetz: Dresden, Düsseldorf, Köln, Herford, Wittenberg, Rijnlanden (NL)

Messehallen: Essen

Müllverbrennungsanlage: Wuppertal, Hausmüllzentrale Nordholland

Die Gewinner dieses doppelbödigen Illusionstheaters oder dieser juristischen Schmierenkomödie sind die deutschen und die anderen europäischen Banken. Sie haben sich in den letzten Jahren in den Finanzplatz USA eingekauft, um dessen "unbegrenzte Möglichkeiten" zu nutzen. Sie sparen mit Hilfe ihrer Strohpuppe namens "Investor" erstens Steuern in den USA. Dieser Steuervorteil des "Investors" beträgt zwischen 10 und 35 Prozent der Investitionssumme, im Falle des Kölner Vertrages also zwischen 60 und 210 Millionen $. Die Banken belasten den US-amerikanischen Steuerzahler. Und sie vermindern zweitens durch diese "Auslandsinvestition" gleichzeitig noch ihre Steuerlast in Deutschland. Sie ziehen Gewinn aus der Belastung zweier steuerlicher Solidargemeinschaften. Dagegen sind die 26 Millionen "Barwertvorteil" für die Kommunen nur Peanuts.

Drittens verdienen die Banken an den Krediten, viertens erweitern sie ihr Eigenkapital und ihr Kreditvolumen. Sie halten damit zwei Staaten im Würgegriff und saugen sie aus. Der deutsche Staat bietet darüber hinaus eine Sicherheit, die im Dschungel der internationalen Finanztricksereien sonst niemand bieten kann. Die Kommunen bieten ein hohes Sicherheitspotenzial, sie können nach deutschem Recht nicht Pleite gehen (auch wenn in der Öffentlichkeit gern von "bankrotten Kommunen" die Rede ist), es haften Land und Bund.

Dirty Tricks

Doppelbödiges Illusionstheater oder Schmierenkomödie – wie man will. Dazu gehören ein paar weitere dirty Tricks. Sie spielen sich natürlich auf hohem Niveau ab. Nicht umsonst sind die Verträge viele hundert Seiten dick und werden den Anwaltskanzleien hoch vergütet. Es soll hier ja etwas möglich gemacht werden, was es eigentlich und logischerweise gerade in der auf das Privateigentum gegründeten Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung nicht gibt, nicht geben kann, nämlich dass ein einziges Wirtschaftsgut zwei verschiedenen Eigentümern gehört, jeweils vollständig zu 100 Prozent. Einerseits soll sich für die Kommune in Deutschland nichts ändern – sie bleibt Eigentümerin ihrer Kläranlage mit allen Rechten und Pflichten. Gleichzeitig soll in den USA ein weiterer Eigentümer hinzukommen, dem die Kölner Kläranlage ebenfalls gehört, mit allen Rechten und Pflichten, damit er die Anlage seinem Finanzamt gegenüber steuermindernd abschreiben kann.

Die wundersame und für die Banken so profitable Verdoppelung des Eigentümers muss möglichst geheim gehalten werden. Zugleich aber legt der "Investor" natürlich Wert darauf, dass er zur Absicherung des hundertjährigen Theaters Zugriff auf die Kläranlage im fernen Germany hat. Deshalb werden mit der Kommune dingliche Sicherheiten vereinbart. Sie müssten nach deutschem Recht ins Grundbuch eingetragen werden. Das aber würde die Gefahr beinhalten, dass sie der Öffentlichkeit bekannt werden. Deshalb werden die Vereinbarungen im Tresor eines New Yorker Treuhänders hinterlegt – im Konfliktfall aber sind sie plötzlich da, wie aus heiterem Himmel.

Der Konfliktfall ist in den Verträgen präzise beschrieben. Der "Investor" weiß über jeden Kanalmeter im Kölner Untergrund und über jedes Rührwerk, jedes Abwasserbecken und jeden Reinigungsfilter in den Klärwerken Stammheim, Langel, Weiden und Rodenkirchen genau Bescheid. Wertgutachter und Ingenieure etwa von Deloitte & Touch haben umfangreiche technische und Bestandsverzeichnisse erstellt. Sie sind Vertragsbestandteil. Die Anlage muss in vollem Umfang funktionstüchtig gehalten werden. Rechtlich kann eine längere Betriebsunterbrechung oder die Undichtigkeit eines großen Kanals seitens des Investors zur Kündigung der Verträge führen. Stilllegung einer überdimensionierten Müllverbrennungsanlage, unreparierte Straßenbahnwagen im Depot, leer stehende Messehallen – all dies sind seitens des "Investors" Kündigungsgründe – mit der Folge eines hohen Schadenersatzes, der ein Vielfaches des Barwertvorteils betragen kann.

Darin könnte sogar der Reiz für den "Investor" liegen, die Kommune abzukassieren. Seine Zugriffsmöglichkeit auf das Vermögen der Stadt sind zusätzlich dadurch gegeben, dass die Verträge amerikanischem Recht unterliegen. Rechtlich verbindlich ist nicht die für Laien vereinfachte, deutschsprachige Kurzdarstellung für die Ratsmitglieder in Köln, sondern der ausführliche englischsprachige Vertragstext, der in New York unterschrieben wird. Der Gerichtsstand ist nicht Köln oder Dresden oder Zürich, sondern New York. Nach amerikanischem Recht können Anwälte vor amerikanischen Gerichten bekanntlich enorme Schadenersatzsummen herausholen. Darauf sind die Verträge angelegt. Auch wenn die deutsche oder schweizerische Kommune darauf besteht, nach ihrem nationalen Recht gehöre ihr die Anlage, so ist dies im Konfliktfall bedeutungslos. Denn dann gilt das Recht der USA. Und danach gehören die Anlagen dem "US-Investor".

Einen Vorgeschmack auf die Härte des Gesetzes und die mit CBL verbundenen Risiken hat die Stadt Aachen bekommen. Sie hat ein Jahr lang über einen Leasingvertrag für ihre Müllverbrennungsanlage verhandelt. Man hatte sich einen "Barwertvorteil" von 30 Millionen Mark erhofft. Ende 2001 scheiterten die Verhandlungen. Aber allein für die etwa einjährigen Verhandlungen soll Aachen an Banken, Anwaltskanzleien und weitere Berater 19 Millionen bezahlen.

Verheimlichte Rechtsbrüche, verheimlichte Risiken

Den Banken-Initiatoren und den Kommunalverantwortlichen sind die Risiken offensichtlich bewusst. Nicht ohne Grund beharren sie auf der Vertraulichkeit, die dem "Investor" zugesichert werden müsse. Die CBL leben auch in den USA von der Heimlichkeit. In keiner einzigen Publikumszeitung Nordamerikas wurde im Laufe des letzten Jahrzehnts ein Artikel über die immer zahlreicheren Verträge mit deutschen und europäischen Kommunen veröffentlicht. Ist das nicht erstaunlich bei einem so boomenden Geschäftszweig? Und wo doch gerade jetzt die US-Wirtschaft jede Erfolgsmeldung dringend brauchen könnte? Gleichzeitig hat auch keine deutsche Publikumszeitung darüber informiert, dass nach geltendem US-Steuerrecht der Steuervorteil in den USA gar nicht zulässig ist.

Die oberste Steuerbehörde in Washington, der Internal Revenue Service (IRS), ist am 11. März 1999 im Revenue Ruling 99/14 auf die immer weiter um sich greifenden Leasing-Verträge mit ausländischen Städten eingegangen. In dieser Verfügung, die im Amtsblatt der Regierung veröffentlicht wurde, wird klar gemacht, dass die CBL Scheingeschäfte darstellen, die keinen wirtschaftlichen Sinn haben und allein der Steuergestaltung dienen; ihnen sei deshalb die steuerliche Anerkennung zu versagen. "Die Verpflichtung des Investors, sein Darlehen zurückzuzahlen, wird vollständig durch die Zahlungen der Kommune ausgeglichen. Der Investor geht wegen der Vereinbarungen mit der Bank keinerlei Risiko ein. Auch die Bank geht keinerlei Risiko ein. Wegen des zirkulären Charakters der Zahlungen entsteht kein wirtschaftlicher Effekt. Das einzige Ziel ist die Erreichung von Steuervorteilen."

Schlussfolgerung: "Diese Leasingverträge haben keine wirtschaftliche Substanz. Deshalb können sie nicht zu den erhofften Steuervorteilen führen." Ein Sprecher des IRS bestätigte, dass sich an der Auffassung der Behörde auch unter der neuen Regierung von George Bush nichts geändert habe: "Solche Transaktionen haben keinerlei wirtschaftliche Folgen. Sie werden einzig aus steuerlichen Gründen durchgeführt. Wenn man einen solchen Deal eingeht, erkennen wir ihn nach unserem Steuerrecht nicht an."

Nach dem Revenue Ruling 99/14 hat die Leasing-Branche an den Verträgen ein bisschen nachgebessert, etwa durch die Verlängerung der Vertragslaufzeit auf 100 Jahre (allerdings trickreich relativiert durch die "Beendigungsoption" nach 24 Jahren), aber die Kriterien der mangelnden wirtschaftlichen Substanz sind dadurch nicht ausgehebelt. Dass die "Investoren" bisher dennoch ihre Abschreibung erhalten, geht am Gesetz vorbei. Das wird dadurch möglich, dass die US-Regierung die Investitionstätigkeit fördert, und sei sie fiktiv und durch die Gesetzeslage nicht gedeckt. Die amerikanischen Auslandsinvestitionen wachsen auf diese Weise, das Bruttosozialprodukt wächst, die US- und europäischen Banken verdienen, und alle, die nicht wissen, wie das zustande kommt, glauben an die erfolgreiche US-Wirtschaft.

Dennoch besteht die Möglichkeit, dass bei einer Reform des internationalen Finanzsystems in Zukunft solche Praktiken abgeschafft werden und dass auch die US-Regierung zur Einhaltung westlicher Standards – die schließlich auch ihre eigenen sind, jedenfalls theoretisch – gebracht werden kann. Das Urteil der Welthandelsorganisation WTO vom 24. Februar 2000 (bestätigt im Januar 2002) über die Unzulässigkeit der US-Exportförderung über Briefkastenfirmen auf den Cayman Islands und andere mit den USA eng verbundene Finanzoasen könnte ein Signal in diese Richtung sein.

Selbst wenn eine solche Entwicklung in den USA nicht eintritt – und dafür macht sich die Regierung Bush stark –, enthalten die Verträge neben den genannten Risiken weitere Nachteile, die den "Barwertvorteil" weit übersteigen können. Die Kommunen sind nämlich für mindestens 24 oder auch 100 Jahre unwiderruflich an das jetzt festgestellte Wertvolumen ihrer Anlagen gefesselt. Die Anlage darf also nicht billiger werden. So müsste etwa die Messe Essen ihre gegenwärtig gerade noch ausgelasteten Messehallen bis zum Jahre 2026 oder gar 2102 im vollen Umfang betreiben, selbst wenn sich herausstellen sollte, dass die Messe der Ruhrgebietsstadt im weltweiten Konkurrenzkampf der Messen doch nicht mehr so attraktiv ist und die Hallen im Jahre 2016 nur noch zur Hälfte ausgelastet sind.

Schwerer wiegend ist die Lage bei den Abwasserentsorgungsanlagen. Hier steht im Unterschied zur traditionellen Technologie die dezentrale Lösung an, die inzwischen ingenieurtechnisch ausgereift ist: Regenwasser muss nicht mehr vollständig in die Kanäle geleitet werden, wo es dann die Klärwerke ohnehin überschwemmt und funktionsuntüchtig macht, sondern Regenwasser kann dezentral auf Park- und Wiesenflächen versickert werden. Die Industrieunternehmen können ihre Abwässer selbst reinigen, zumindest vorreinigen, statt sie wie bisher in die öffentliche Kanalisation einzuleiten. Privathaushalte mit ausreichendem Grundstück können ihre eigene Reinigungsanlage bauen. Das alles wäre billiger, und es wäre besser für die Regeneration des immer knapper werdenden Grund- und Trinkwassers.

Aber der Rat der Stadt könnte eine solche Lösung nicht beschließen, weil der Leasingvertrag das Wertvolumen von 600 Millionen $ für die Abwasseranlagen festschreibt. Wirtschafts- und Finanzlobbys fordern Innovation und Freisetzung von bürokratischen Fesseln – gleichzeitig wird hier den Kommunen eine hundertjährige rechtliche und technologische Daumenschraube angesetzt: Welch ein Widersinn!

Schließlich das größte aktuelle "Risiko" ist der ökonomische Verstand selbst. Wenn die Bürger nämlich darauf kommen, dass die Kläranlage ihrer Stadt an einen "US-Investor" verleast beziehungsweise verkauft wurde und der die Abschreibung auf die Anlage vornimmt, dann werden sie nicht einsehen, dass "ihre" Stadt ihnen noch einmal die Abschreibung in ihre Abwassergebühr einrechnet. Angesichts der Tatsache, dass die Abschreibungen hier 30 bis 50 Prozent der kalkulierten Kosten ausmachen, geht es um große Beträge. Wenn etwa in der beispielhaft vorgeführten Kommune Köln ein Widerspruch gegen den Abwassergebührenbescheid erfolgreich verläuft, dann verliert die Stadt etwa die Hälfte ihrer Gebühreneinnahmen: Das sind 100 Millionen Euro pro Jahr. Der einmalige "Barwertvorteil" von 27 Millionen Euro wäre dagegen wahrlich Peanuts, und die cleveren Mitspieler der globalen Steuerrallye stünden als Bankrotteure da.

Perversion der Begriffe und Organisation des Schweigens

Der Abschluss von CBL wird regelmäßig als eine Maßnahme gegen die Verschuldung der Kommunen begründet. Das ist eine Irreführung. Denn Gegenstand solcher "Leasing"-Verträge sind niemals Teile der Kommune, die aus dem allgemeinen Haushalt bezahlt werden, sondern immer kommunale Wirtschaftseinheiten (ob rechtlich selbstständig oder nicht), die ihre Finanzierung selbst erwirtschaften. Wie im Falle der Abwasserentsorgung, die vollständig über die Gebühren finanziert wird. Der "Barwertvorteil" aus den CBL darf deshalb ja auch nicht in den allgemeinen Haushalt fließen, sondern muss in den Abwasser-Gebührenhaushalt eingezahlt werden. Mit einem CBL wird also die kommunale Verschuldung um keinen einzigen Cent reduziert.

Aufsichtsorgane: nichts wissen, alles dulden

Antworten auf die Frage nach der Rechtmäßigkeit kommunaler "Cross-Border-Leasing-Verträge":

Regierungspräsident Köln (Kommunalaufsicht): "Die Gemeindeordnung verbietet es den Kommunen keineswegs, Verträge abzuschließen, die Risiken beinhalten."

Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen: "Auf solche Leasingverträge sind wir im Rahmen unserer Bankenaufsicht bisher nicht gestoßen. Im Übrigen sind Banken berechtigt, Gesetzeslücken auszunutzen."

Europäische Kommission: "Eine Befragung aller Kommissare hat ergeben, dass keine europäische Zuständigkeit besteht. Zuständig ist der deutsche Finanzminister."

Bundesfinanzministerium: "Wir kennen solche Leasingverträge nicht. Darüber hinaus sind wir für Verluste des amerikanischen Steuerzahlers nicht zuständig. Zuständig ist die Steuerbehörde IRS in Washington."

Ein halbes Dutzend US-amerikanischer Großkanzleien hat in Zusammenarbeit mit weltweit exportierenden US-Unternehmen wie Philipp Morris, Microsoft und DaimlerChrysler diese Art "Leasing"-Verträge entwickelt. Neuerdings haben sich deutsche und europäische Banken in diese Möglichkeiten des US-Finanzplatzes eingeklinkt. Diese Leasingbranche bildet inzwischen eine milliardenschwere und politisch einflussreiche Lobby. Der globale Isolationismus der Regierung Bush ist für sie eine feste Geschäftsgrundlage. Die Branche operiert ohne nennenswerten Widerstand außerhalb der Legalität.

Mit Hilfe von dirty Tricks – natürlich – hält der Finanzplatz USA eine ganze Reihe weiterer solcher Instrumente bereit - konnten die Gewinne der US-Unternehmen in den Neunzigerjahren steigen, und gleichzeitig sanken ihre Steuern. Die CBL mit europäischen Städten führen nach einer Schätzung des US-Finanzministeriums aus dem Jahre 1999 zu einem jährlichen Steuerverlust für die öffentlichen US-Haushalte von 10,2 Milliarden Dollar. Die gleichzeitigen Verluste der europäischen Staaten dürften gegenwärtig die Hälfte davon betragen, mit steigender Tendenz.

Diese "Steuerhinterziehungs-Industrie" operiert in einer Grauzone und lebt von der heimlichen Komplizenschaft der europäischen Regierungen und Medien. Die Begriffe werden umgewertet und pervertiert. Der "Investor", ansonsten als Heilsbringer gelobt, bleibt anonym und investiert keinen einzigen Cent in das Wirtschaftsgut, um das es geht. Der "Leasing"-Vertrag ist kein Leasing-Vertrag, sondern "eigentlich" ein Kaufvertrag, jedenfalls für die US-Seite. Der angebliche "Leasing"-Vertrag ermöglicht es, dass es plötzlich zwei Eigentümer derselben Anlagen gibt. Die Laufzeit von 100 Jahren gilt nur auf der US-Seite, auf der Seite der deutschen Kommune ist die reale Laufzeit ein einziger Tag. Im Sumpf dieser Begriffsverwirrung stammelt dann der Kämmerer einer deutschen Millionenstadt von "legalen Gesetzen" und "legalen amerikanischen Gesetzen", an die man sich, brav deutscher Spitzenbeamter, "streng" gehalten habe. Das ist gewiss die Widerspiegelung der organisierten Begriffsverwirrung. Aber soll man solche Leute ernsthaft als "Verantwortungsträger" bezeichnen, denen die Bürger vertrauen sollen?

Mit Hilfe der fiktiv-realen Milliardengeschäfte wird das Investitionsvolumen von Großunternehmen und Banken ebenso wie das Bruttosozialprodukt von Staaten aufgebläht. Die Wirtschaft "wächst" in Milliardenschritten, aber kein einziger Arbeitsplatz entsteht. Wie sich auch hier zeigt, ist das Gerede von der unausweichlichen Globalisierung doppelbödig und unwahr. Denn diese Art Globalisierung saugt ihre heimlichen Gewinne ja gerade aus der Tatsache, dass die nationalen Wirtschafts- und Steuersysteme beibehalten werden müssen und nur auf diese Weise profitabel ausgesaugt werden können, in diesem Falle sogar zwei steuerliche Solidargemeinschaften gleichzeitig. Während die Akteure in den zwischen den Staaten vereinbarten "Doppelbesteuerungsabkommen" verbissen darum kämpfen, dass kein Gewinn zweimal besteuert wird, setzen sie alles daran, um mit Hilfe eines Wirtschaftsgutes zwei Staaten steuerlich zu belasten.

Den Akteuren ist die Unrechtmäßigkeit ihres Handelns bewusst, deshalb organisieren sie mit so viel Nachdruck das öffentliche Schweigen. Nichts fürchten die "Globalisierer" nämlich so sehr wie die wirkliche Globalisierung der Politik und der Öffentlichkeit.

Der Artikel beruht auf den Recherchen, die der Autor von März 2000 bis September 2001 für die Rundfunksendung "Hundert Jahre wie ein Tag – Die heimliche Globalisierung der Städte" unternommen hat. Die einstündige Sendung wurde am 16.12.01 vom DeutschlandRadio Berlin und am 17.12.01 vom WDR ausgestrahlt.