Siegfried Knittel

Ein David hält die Goliathe in Atem

Nordkoreas Rolle im Rollenspiel der Mächte

Nordkoreas Austritt aus dem Atomsperrvertrag und die Drohung, Atomwaffen sowie Atomwaffen tragende Raketensysteme zu entwickeln, sind zu einem für den Weltfrieden wahrscheinlich viel bedrohlicheren Krisenherd geworden als der Irak. Unser Autor entwirft eine Skizze des geopolitischen Umfelds und der politischen Intentionen der Hauptakteure.

 

Ist Nordkorea ein Schurkenstaat, der mittels atomarer Erpressungspolitik oder des Verkaufs von Atomwaffen und Raketen sich die für sein Überleben notwendigen Lebensmittel und Wirtschaftsgüter verschaffen will? Oder sucht der in einer paranoischen Gedankenwelt lebende Kim Jong Il mittels Atomwaffen, Nordkorea gemäß der Juche-Ideologie zu einem von keiner anderen Macht bedrohbaren Land zu machen? Die Juche-Ideologie ist jene Kim Il Sung’sche Version des Marxismus-Leninismus, die aber strikt die nationale Unabhängigkeit und den je spezifischen Weg eines jeden Landes in seiner Entwicklung hin zu einer kommunistischen Gesellschaft fordert.(1) Darin kommt die uralte Angst der Koreaner zum Ausdruck, von den das Land umgebenden übermächtigen Nachbarn kolonisiert oder vernichtet zu werden. Über lange Jahrhunderte waren dies China, dann Russland sowie die Sowjetunion und Japan. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahmen dann die USA die Rolle des ersten Feindes.(2)

In der Korea-Krise 1993/94 erklärte sich Kim Il Sung unter dem Druck der internationalen Gemeinschaft und der militärischen Drohung der USA, die Atomkraftwerke zu bombardieren, bereit, den Austritt aus dem Atomwaffensperrvertrag wieder rückgängig zu machen. Im Gegenzug sollte Nordkorea zur Sicherung seiner Energieversorgung zwei Leichtwasserreaktoren erhalten, die kein Plutonium produzieren. Das im Anschluss an die Krise von der KEDO (Korean Peninsula Energy Development Organization) in Gang gebrachte Hilfsprogramm, hinter dem die USA, Japan, Südkorea und die EU stehen und das ganz konkrete Hilfsmaßnahmen umfasste, war die Grundlage für die Sunshine-Politik des 1997 ins Amt gekommenen Präsident Kim Dae Jung, die dann zu dem Treffen mit Kim Il Sungs Nachfolger führte. Eine Verständigung zwischen beiden Ländern schien sich anzubahnen.

Doch die Wahl George Bushs zum amerikanischen Präsidenten und seine Zuordnung Nordkoreas zur »Achse des Bösen« sowie die Brüskierung der Sunshine-Politik Kim Dae Jungs bei seinem Antrittsbesuch in Washington ließen das alte nordkoreanische Misstrauen jedoch wieder aufleben und erschwerten die weitere Verständigungspolitik. Der geplante Gegenbesuch Kim Jong Ils in Seoul kam nicht zu Stande.

Gleichzeitig ist Nordkorea nicht bereit mit dem südlichen Teilstaat über seinen neuerlichen Ausstieg aus dem Atomwaffensperrvertrag und sein Streben nach Atomwaffen zu sprechen. Nur die USA werden als angemessener Gesprächspartner erachtet. Sie sind in den Augen Nordkoreas seit dem Koreakrieg der Hauptgegner des Landes, auch wenn an der Waffenstillstandslinie zwischen beiden Landesteilen die Flagge der UN weht; und sie sind die Schutzmacht Südkoreas und Japans, der alten Kolonialmacht der koreanischen Halbinsel.

Nordkorea fordert von den USA einen Nichtangriffspakt und ökonomische Hilfe. Beides zu erhalten wäre ein großer Schritt in Verfolgung der Juche-Ideologie. Ob die Führung sich aber ihre Atomwaffen, sollte sie sie erst einmal besitzen, für einen Nichtangriffspakt überhaupt wieder abhandeln lassen wird, ist eher unwahrscheinlich. Zudem besteht die Gefahr, dass Nordkorea den USA gerade nach Abschluss eines Nichtangriffspakts vorwirft, diesen brechen zu wollen.(3)

Vermutlich betrachtet die nordkoreanische Führung Südkorea in diesem Machtspiel nur als Schachfiguren. Besucheraustausch und Bahnlinienausbau dienen dann dazu die südkoreanisch-amerikanische Allianz zu spalten, die südkoreanische Bevölkerung nach dem Sinn der US-Truppenpräsenz im Lande fragen zu lassen. Substanziell bessere Beziehungen aber würden es Nordkorea unmöglich machen, die dicht bewohnte und hoch industrialisierte Region im grenznahen Seoul mit seinen 12000 Kanonen zu bedrohen, was es den Amerikanern nahezu unmöglich macht die nordkoreanischen Atomanlagen in Yongbyon zu bombardieren.

Die »Erprobung« des Triebwerks einer Interkontinentalrakete und der Abschuss einer Boden-Schiffsrakete, am Tage der Amtseinführung des neuen südkoreanischen Präsidenten, müssten diesem deutlich gemacht haben, wie »wichtig« Nordkorea in Wahrheit seine Verständigungspolitik ist. Vor allem aber sollte auf diese Weise dem in Seoul anwesenden US-Außenminister deutlich gemacht werden, wer denn seine wirklich gewichtigen Gesprächspartner auf der koreanischen Halbinsel sind.

Der neue südkoreanische Präsident Roh Moo-hyun, der mit dem Versprechen, Kim Dae Jungs Sunshine-Politik fortzusetzen, angetreten war, ist wesentlich mit der Hilfe der jungen Generation gewählt worden, die mit den alten anti-kommunistischen Feindbildern nichts anfangen kann. Sie sieht in den Nordkoreanern Landsleute, mit denen sie sich verbunden wähnt, keine Todfeinde. Der Zusammenbruch Nordkoreas erscheint ihr, wie der neue südkoreanische Außenminister Yoon Young Kwan jüngst in Washington äußerte, als ein größeres Problem, als dessen Besitz von Atomwaffen.(4) Gleichzeitig ist diese Generation den Amerikanern gegenüber, die sie als arrogant erlebt, eher ablehnend eingestellt. Ohne Zweifel sind Roh und jener Teil der Bevölkerung, der ihn gewählt hat, in der Gefahr, die Skrupellosigkeit, mit der Nordkorea sein nationales Interesse verfolgt, zu unterschätzen. Trotzdem gibt es für Südkorea keine Alternative zur Politik des Dialogs, auch wenn dies zu Differenzen in der amerikanisch-südkoreanischen Partnerschaft führt.

 

USA – keine Strategie oder alles aufgeschoben

Ohne Zweifel hat die Bush-Regierung schon kurz nach ihrem Amtsantritt mit ihrer verbal konfrontativen Politik gegenüber Nordkorea die konfliktuöse Zuspitzung der Beziehungen wesentlich zu verantworten. Zwar hat Nordkorea schon vor dem Regierungsantritt Bushs mit der Entwicklung eines Urananreicherungsprogramms als Ersatz für den Verzicht auf die Plutoniumanreicherung begonnen, aber eine wesentliche Ursache dafür war die Verzögerung des Baus der zwei vereinbarten Leichtwasserreaktoren durch die republikanische Mehrheit im US-Kongress unter Newt Gingrich.

Weil die USA der Lösung des Irak-Konflikts erste Priorität einräumen, ist Nordkorea nun plötzlich in einer komfortablen Position. Sie verschafft dem Land die Möglichkeit, vor Verhandlungen, in welcher Form auch immer, ihr Atom- und Raketenprogramm auszubauen. Zwar haben offizielle Regierungsstellen Zeitungsmeldungen widersprochen, wonach die US-Regierung die Unvermeidlichkeit der nordkoreanischen Atomrüstung mittlerweile hingenommen habe, die passive US-Politik aber läuft am Ende genau darauf hinaus, dass Nordkorea aus seinem Plutonium Waffen bauen wird. Der Widerspruch zwischen dieser passiven Politik und Rumsfelds großspuriger Aussage von der Möglichkeit zweier gleichzeitig zu führender Kriege ist eklatant. Er macht die Zerrissenheit oder Desorientierung der amerikanischen Nordkoreapolitik deutlich.

Das Herunterspielen des Konflikts und die gebetsmühlenartig vorgetragene Forderung nach multinationalen Verhandlungen durch die USA hat den gleichen Effekt wie die Drohungen à la Rumsfeld: Nordkorea fühlt sich in seinen paranoischen Vernichtungsängsten bestätigt, interpretiert das Herunterspielen der Drohungen als eine Strategie des Aushungerns beziehungsweise des Aufschiebens der Vernichtung bis nach dem Irakkrieg.

 

China, der passive Riese

Rätselhaft ist die passive Haltung, die China gegenüber Nordkorea einnimmt, sowohl was das Streben nach Atomwaffen als auch was die nordkoreanische Untätigkeit hinsichtlich wirtschaftlicher Reformen betrifft. So hat die chinesische Regierung immer wieder betont, dass ein atomar bewaffnetes Nordkorea für China nicht akzeptabel sei. Auch ist China der größte Lieferant an Hilfsgütern nach Nordkorea und zugleich leben zwischen 150000 bis 300000 nordkoreanische Flüchtlinge in der angrenzenden Provinz Yanbian. Bei einem Zusammenbruch Nordkoreas wäre China zusätzlich mit Millionen von Flüchtlingen konfrontiert.

Eine Erklärung der passiven Nordkoreapolitik lautet, dass China zumindest offiziell immer das Prinzip der Nicht-Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten hochgehalten hat. Das massive Eingreifen Chinas in den Koreakrieg hatte seine Ursache im Eingreifen der USA sowie der UN als dritter Partei in den koreanischen Bürgerkrieg.(5)

Das einst enge Verhältnis beider Länder, wie »Zähne und Mund«, so die Metapher, existiert so längst nicht mehr. Vielmehr war es in den Jahrzehnten nach dem Koreakrieg, nicht zuletzt auf Grund der immer neuen Umwälzungen in China, oft distanziert bis gespannt, es kam gar zu Schießereien an der Grenze. Zudem verstand es Nordkorea glänzend, zu seinem Vorteil China und die Sowjetunion gegeneinander auszuspielen.(6)

China wollte im Koreakrieg verhindern, dass die USA quasi zum Nachbarn Chinas würden und die ganze Halbinsel unter die Dominanz der USA geriet. Das gilt bis heute, wo sich China mehr denn je als dominierende ostasiatische Regionalmacht versteht. Zugleich unterscheidet sich die heutige Situation von derjenigen am Ende des Koreakrieges entscheidend. Zuerst einmal entwickelte sich China wirtschaftlich zu einem eigenartigen Zwitter aus frühkapitalistischer Marktwirtschaft und zentralistisch-sozialistischer Herrschaft. Zum andern aber ist der einstige Kriegsgegner Südkorea, der auf dem Weg einer nachholenden Entwicklung schon weiter vorangeschritten ist, zu einem wichtigen Wirtschaftspartner geworden, viel wichtiger als Nordkorea. China ist für Südkorea schon allein auf Grund seines noch niedrigen Lohnniveaus zu einem interessanten Industriestandort geworden. Umgekehrt ist Südkorea für die chinesische Wirtschaft heute ein wichtiger Exportmarkt. Nordkorea kostet die Chinesen hingegen vor allem viel Geld in Form jener Lebensmittel- und Energiehilfen.

Aber Nordkoreas Abhängigkeit von den Hilfslieferungen mag China noch ein, wenn auch geringes, Maß an Einfluss sichern. Aus mehreren Gründen ist China daran interessiert, dass die Verhältnisse in Nordkorea sich nicht zu stark verändern und dann die Machtverhältnisse auf der koreanischen Halbinsel verschieben. Eine Vereinigung der beiden Staaten brächte langfristig ein politisch-wirtschaftliches starkes Gebilde hervor, das nicht im Interesse Chinas ist. Wahrscheinlich würde sich Nordkorea vor allem als verlängerte Werkbank der südkoreanischen Industrie entwickeln. Ein großer Teil südkoreanischer Investitionen, die gegenwärtig nach China fließen, würde dann nach Nordkorea gehen, wo die Löhne noch niedriger wären. Zudem würde das vereinigte Korea mit 70 Millionen Einwohnern über die Atomwaffentechnologie verfügen, die Nordkorea bis zum heutigen Tage entwickelt hat. Mit Sicherheit fürchtet China auch, die USA könnten schon durch den Abschluss eines Nichtangriffpakts, verbunden mit großzügiger wirtschaftlicher Hilfe, auch in Nordkorea und damit direkt an Chinas Grenze an Einfluss gewinnen.

 

Russlands Drang zum Japanischen Meer

Im russisch-japanischen Krieg 1904/05 erreichte die Rivalität zwischen Zar und Tenno ihren Höhepunkt im Streit um die Mandschurei und die koreanische Halbinsel, bestand aber auch nach der Oktoberrevolution fort. Nach 1945 wurde die Mandschurei wieder chinesisch, aber die Sowjetunion, in der Kim Il Sung während der japanischen Besatzungszeit gelebt und die ihn bei der Gründung des nordkoreanischen Teilstaates unterstützt hatte, gewann zumindest in diesem Teil der koreanischen Halbinsel an Einfluss.

Das Interesse des Zarenreiches, dann der Sowjetunion und jetzt Russlands an der koreanischen Halbinsel liegt im eisfreien Zugang zum Japanischen Meer. Das früher primär militärische Interesse hat sich in ein wirtschaftliches gewandelt. In den Neunzigerjahren war der Güteraustausch zwischen den beiden Ländern ins Stocken geraten, weil Russland auf Grund seiner eigenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten seine gelieferten Waren in harter Währung bezahlt haben wollte, wozu Nordkorea nicht in der Lage war. Darüber hatten sich die Beziehungen zwischen beiden Ländern ziemlich abgekühlt, bis sie von Putin wiederbelebt wurden, weil er den Wert Nordkoreas als Transitland, der Bau einer Eisenbahnlinie steht hier zur Diskussion, für seine Wirtschaftsbeziehungen zu Südkorea und Japan erkannte.(7) Südkorea war auf Grund seiner wirtschaftlichen Stärke zum weit wichtigeren Partner als Nordkorea geworden.

 

Japan zwischen Verständigungspolitik und Vasallentreue

Anders als China und Russland steht der dritte ostasiatische Nachbar mit den USA auf der Seite der eindeutigen Feinde Nordkoreas. Bis 1945 die Kolonialmacht wurde Japan im Koreakrieg als Verbündeter der USA erneut zum Feind.

Während sich aber die auf Grund der kolonialen Vergangenheit belasteten Beziehungen zwischen Südkorea und Japan Schritt für Schritt normalisieren, gibt es im Verhältnis zu Nordkorea nichts dergleichen. Dort galt Japan noch bis vor kurzem als Besatzer, der zu keiner Entschuldigung bereit ist und von dem hohe Reparationsleistungen gefordert wurden. Der Besuch Koizumis in Pjöngjang zeigte aber, dass Nordkorea, wahrscheinlich aus wirtschaftlicher Not, Ansätze zu einer überraschend flexiblen Politik gegenüber Japan bereithält. Kim Jong Ils überraschendes Eingeständnis von 18 Entführungen japanischer Bürger und die Andeutung der Akzeptanz von Wirtschaftshilfe an Stelle von Reparationszahlungen schienen erste ermutigende Schritte auf dem Weg zu einer Normalisierung der Beziehungen zu sein.

Zu echten Verhandlungen, also die weitere Aufklärung der Entführungsfälle, Vereinbarungen zu Reparationszahlungen/Wirtschaftshilfe und am Ende die Aufnahme diplomatischer Beziehungen, kam es nach dem Koizumi-Besuch nicht, weil sich die Fronten in der Entführungsfrage verhärteten und nordkoreanische Stellen dem stellvertretenden US-Außenminister Kelly eröffneten, an einem Urananreicherungsprogramm zu arbeiten. Dies stand im Widerspruch zu der von Koizumi und Kim Jong Il getroffenen Vereinbarung, wonach Nordkorea sich an die 1994 getroffene Vereinbarung bezüglich des Verzichts der Weiterentwicklung von Atomwaffen halten werde. Wahrscheinlich kam den USA diese Störung der sich anbahnenden Verständigung beider Länder sehr gelegen.

Die erstarrten Fronten in der Frage der Entführungen, das Säbelrasseln Nordkoreas, verbunden mit der Angst vor einem nordkoreanischen Raketenangriff, hat dazu geführt, dass Japan weitgehend auf die Linie der US-Regierung eingeschwenkt ist, multilaterale Verhandlungen zu fordern und gleichzeitig die Lieferung von Hilfsgütern einzuschränken. Japan ist vom militärischen Beistand der Amerikaner abhängig, den Richard Armitage auch jüngst im Falle eines nordkoreanischen Angriffs zugesagt hat. Für den Fall eines Tests mit einer Rakete, die Japan erreichen könnte, werden weitere Wirtschaftssanktionen erwogen.(8) Immerhin ist Japan für Nordkorea nach China der zweitgrößte Handelspartner. Aber Nordkorea hat auch gesagt, dass es neue Sanktionen der Amerikaner oder Japaner als Kriegserklärung betrachtet.

Es gibt jedoch auch Stimmen in der Regierung, die einer wesentlich härteren Politik gegenüber dem nordkoreanischen Streben nach Atomwaffen und Raketen das Wort reden. So soll jüngst Shigeru Ishiba, der Chef der japanischen Streitkräfte, laut Presseberichten gesagt haben, dass Japan, im Falle einer unmittelbaren Bedrohung durch Nordkorea, darauf mit einem Präventivangriff reagieren werde. Tatsächlich verfügt Japan aber gar nicht über die militärischen Mittel zu einem solchen »Erstschlag« und der Aufbau einer mit den USA geplanten Raketenabwehr wird nicht vor 2005 erfolgen.(9) Immer wieder stellen zudem Politiker, zuletzt im Sommer 2002 Koizumis Kabinettssekretär Fukuda, Überlegungen an, ob Japan sich nicht Atomwaffen verschaffen sollte. Schon während der Korea-Krise von 1993/94 gab es eine Studie der so genannten Selbstverteidigungskräfte, die den Besitz von Atomwaffen für verfassungsmäßig möglich, aber finanziell und politisch nicht praktikabel hielt.(10)

Auf jeden Fall intensiviert die reale oder scheinbar wachsende Bedrohung durch Nordkorea die Überlegungen, das äußerst restriktive, die Selbstverteidigung ungeheuer erschwerende Selbstverteidigungskonzept, das Japan unter dem Druck der Amerikaner nach dem Krieg in seiner Verfassung verankert hat und das Japan heute in eine nicht unproblematische Abhängigkeit von den Amerikanern zwingt, in Frage zu stellen.

Gefahr droht, dass der Aufstieg Nordkoreas zur Atommacht einen Rüstungswettlauf in der Region in Gang setzt. Vor allem eine atomare Aufrüstung Japans, der einstigen aggressiven Kolonialmacht Ostasiens, würde von China mit Sicherheit nicht hingenommen werden. Der Bezug auf die kriegerische Vergangenheit ist dabei eher Rhetorik, entscheidender ist, dass China damit seine Rolle als dominierende Großmacht Ostasiens gefährdet sähe. Aber auch Südkorea würde dies als Bedrohung empfinden, weil damit alte Empfindlichkeiten aufgerührt würden, und könnte bestrebt sein, sich Atomwaffen zu verschaffen. Das wiederum würde Russland ebenfalls dazu zwingen, seine militärischen Kräfte in Fernost zu stärken.

Die andere Gefahr, die Angst, in der alle übrigen Staaten der Region leben, ist der mögliche Zusammenbruch der nordkoreanischen Wirtschaft. Er wäre ungleich dramatischer als der Zusammenbruch der DDR, weil das unmittelbare Überleben von Millionen Menschen auf dem Spiel stünde. Vor der Überschwemmung von Millionen Flüchtlingen fürchten sich die Nachbarstaaten China und Südkorea am meisten. Das reiche Japan hingegen ist als Inselstaat zumindest vor den Flüchtlingsmassen gut geschützt. Auf jeden Fall würde der Zusammenbruch Nordkoreas die Entwicklung Südkoreas und der chinesischen Mandschurei um Jahre zurückwerfen. Den wichtigsten Beitrag, dass es dazu nicht kommt, müssten die USA mit dem Eintritt in bilaterale Verhandlungen, die Nordkorea aus seiner Isolation herausholen, leisten. Dass sie dazu bereit sein könnten, ist gegenwärtig nicht erkennbar.

 

1

Zur Juche-Ideologie siehe International Institute of the Juche Idea. http://www.cnet-ta.ne.jp/juche/defaulte.htm

2

Siehe Stephen W. Bosworth: »The ›Big four Game‹ on the Korean Peninsula«, in Heartland – Eurasian Review of Geopolitics 0101; Hongkong und Rom.

3

Henry Kissinger: »Neue Runde atomarer Erpressung«, in: Welt am Sonntag, 9.3.03.

4

»US Reassures Seoul After Deploying Bombers«, Washington Post, 5.3.03.

5

Jaewoo Choo: »Chinas role in the Korea crisis«, in: Asia Times, 28.2.03.

6

Ebenda.

7

Siehe Hans-Joachim Schmidt: »Vertrauen und/oder Kontrolle – Zur Neuordnung der Beziehungen zwischen Nord- und Südkorea«, in: Hessischer Friedens- und Konfliktforschungs-Report 3/2002. S. 24.

8

»Japan considers sanctions as Norths provocations escalate«, in: Asahi Shimbun, 7.3.03.

9

Axel Berkofsky: »Japan Hawks coming out of the woodwork«, in: Asia Times, 25.2.03

10

»Fukudas nuke comment sparks widespread fallout »Nuclear remarks may spark Diet disorder«; in: Yomiuri Shimbun, 5.6.02