In diesen Monaten vollzieht sich eine
dramatische Neuorientierung in der weltweiten Klimapolitik, die Indikator und
wichtiges Handlungsfeld im Kampf um eine neue Weltordnung ist. Die
Verabschiedung der USA vom Kyoto-Protokoll war nur der erste Schritt einer
breiten Gegenoffensive Amerikas gegen eine präventive Politik der Bewahrung der
Erdatmosphäre als eine globale Anstrengung der internationalen Staatengemeinschaft.
Es droht eine Entdemokratisierung des Klimaprozesses, eine Verlagerung von der
globalen zur nationalen, von der multilateralen zur bilateralen Ebene und von
der Bewahrung des Klimas als einer weltweiten Anstrengung zu einer Strategie
des »do nothing« mit nachträglicher Anpassung an die Folgen im nationalen Rahmen.
Mit der
Klimarahmenkonvention, die 1992 auf der Konferenz für Umwelt und Entwicklung in
Rio beschlossen wurde, etablierte die internationale Staatengemeinschaft die Bewahrung
der Erdatmosphäre als eines der wichtigen Handlungsfelder globaler Politik. Der
Anreicherung der so genannten Treibhausgase in der Atmosphäre sollte durch
gemeinsames Handeln der Industrieländer Einhalt geboten werden, die Einbeziehung
des Südens der Welt sollte sicherstellen, dass deren Entwicklung sich in einem
klimaverträglichen Rahmen vollziehen würde.
Der Klimaprozess hat sich in dem Jahrzehnt nach Rio weithin
gemäß demokratischer Verfahren abgespielt. Die erste Weltkonferenz fand 1995
statt, nachdem 100 Regierungen die Konvention ratifiziert hatten. Für das erste
völkerrechtlich verbindliche Vertragswerk zur Bekämpfung des Treibhauseffekts,
das Kyoto-Protokoll, hat die Conference of Parties festgelegt, dass es
erst nach der Ratifizierung durch mindestens 55 Staaten in Kraft treten soll,
auf die ebenso viel Prozent der Treibhausgasemissionen entfallen müssen.
Gewiss, inhaltlich ist das Kyoto-Protokoll denkbar schwach
und kann nur als ein erster zögerlicher und unzureichender Schritt betrachtet werden.
Wichtig aber ist, dass unter der Bedrohung durch den Treibhauseffekt die
Staatengemeinschaft begonnnen hat, sich ein Regelwerk zu geben, wie sie
gemeinsam die von Menschen gemachten Klimaveränderungen in den Griff bekommt.
Wenige Monate nach seinem Amtsantritt erklärte der
amerikanische Präsident Bush im März 2001, der Beitritt der USA zum
Kyoto-Protokoll sei nicht im Interesse des Landes und bedrohe den American Way
of Life. Die Klarheit seiner Worte ist dankenswert, denn sie machte nur
deutlich, was wohl unter jedem Präsidenten gegolten hätte: Das Kyoto-Protokoll
hatte in den beiden amerikanischen Häusern keine Chance, verabschiedet zu
werden. Etwa drei Viertel der amerikanischen Bürger sind von der Existenz von
Menschen gemachter Klimaveränderungen und ihrer Bedrohlichkeit überzeugt. Der
Unterschied zwischen Republikanern (67 %) und Demokraten (75 %) existiert zwar,
ist aber nicht so markant, dass er sich wesentlich in der Treibhauspolitik der
beiden Parteien widerspiegeln müsste. Alle amerikanischen Regierungen der
letzten anderthalb Jahrzehnte haben konsistent jede Politik vermieden, die sich
einer tatsächlichen Reduktion der Treibhausgase angenähert hätte. Zwar hatte
die Regierung Clinton 1997 das Kyoto-Protokoll mitgetragen, aber schon bald
darauf beschloss der Senat einstimmig, es in der vorliegenden Form nicht zu
ratifizieren. Die Haltung von Bush jr. unterscheidet sich nicht signifikant von
der seines Vorgängers, der Unterschied liegt in der unverblümten Diktion des
amtierenden Präsidenten.
Widerstand gegen Bushs Klimapolitik regte sich
bezeichnenderweise letzthin in einer gemeinsamen Initiative des
republikanischen Senators John McCain und seines demokratischen Kollegen Joseph
Lieberman, die Anfang Februar dieses Jahres einen Gesetzesvorschlag
ankündigten, der eine verbindliche Obergrenze für Treibhausgase vorsieht. Aber
auch diese beiden würden nicht so weit gehen, sich für eine Rückkehr der USA
zum Kyotoprozess auszusprechen.
In den
letzten beiden Jahren zielte die Politik der Europäischen Gemeinschaft darauf
ab, das Quorum für das Kyoto-Protokoll auch ohne die USA zu erreichen, um in
der Folge die Amerikaner, die auf einen Toleranzkurs eingeschwenkt zu sein schienen,
durch die Macht des Faktischen doch noch zur Mitarbeit zu bewegen. Diese Vorgehensweise
schien auch von Erfolg getragen, als Kanada und China den Beitritt zum
Kyoto-Protokoll erklärten und Russland seine Absicht verbindlich bestätigte.
Von Anfang an ignorierte diese Strategie jedoch den allgemeineren Kontext der
amerikanischen Weltpolitik, in die inzwischen die Klimapolitik klar integriert
worden ist. Es geht inzwischen nicht mehr um die Notwendigkeit der Reduktion
von Treibhausgasen – niemand stellt mehr heute diese Notwendigkeit in Frage,
dass irgendwann die Treibhausgasemissionen drastisch eingeschränkt werden
müssen, sondern darum, wann reduziert werden wird und mit welchen Verfahren Zeiten
und Formen der Reduktion beschlossen werden.
Viele Nichtregierungsorganisationen, die für die Erhaltung
der Erdatmosphäre kämpfen, sind mit dem Kyoto-Protokoll unzufrieden. Gleichwohl
ist es von ihnen unterstützt worden, weil es ein internationales Regelwerk
schafft, um das Problem anzugehen. Aus genau diesem Grund haben die USA ihre
Kooperation zurückgezogen. Diese Weigerung hat mit Inhalten zu tun – Energie
sparen, rationale Energienutzung, die Förderung erneuerbarer Energien sind
keine Prioritäten der Bush-Regierung – aber sie hat mehr noch zu tun mit der
Tatsache, dass es um ein multilaterales Abkommen geht, bei dem die USA nur
einer der Unterzeichner innerhalb einer großen Gruppe von Nationalstaaten
wären. Das würde bedeuten, auf einen Teil der eigenen Souveränität zu
verzichten zu Gunsten eines internationalen Abkommens. Das wollen die USA nicht
– und warum sollten sie auch.
Der stärkste Spieler im Feld nimmt seine Interessen
vorzugsweise in direkten Einzelbegegnungen wahr, um seinen Willen unmittelbar
durchzusetzen oder ein Abkommen auszuhandeln, das in der Regel zu seinen
Gunsten ausfallen wird. Wer sich hingegen auf ein multilaterales Setting
einlässt, das bestimmten Regeln und Prozeduren folgt um funktionieren zu
können, geht das Risiko ein, dass eine Koalition von anderen Akteuren – in
unserem Falle Nationalstaaten – Entscheidungen durchsetzen, die zumindest
kurzfristig nicht im eigenen Interesse sind. Der einfachste Weg, diese
Situation zu vermeiden ist, multilateralen Settings fernzubleiben und sich
ihren Regeln und Abkommen zu verweigern. Regeln schützen die Schwachen, die
Starken machen ihre Regeln selbst nach Belieben und bilden Koalitionen von Fall
zu Fall. Die Abwendung vom Kyoto-Protokoll reiht sich hier ein in die
Aufkündigung des ABM-Abkommens, die Obstruktion des Biowaffenvertrags und den
Rückzug von dem Internationalen Gerichtshof für Menschenrechte in Den Haag.
Von Anfang an, vielleicht schon in Stockholm 1972,
spätestens seit der Brundtland-Kommission war deutlich, dass globale
Umweltpolitik, allemal Klimapolitik, immer auch einer der Schauplätze globaler
Machtpolitik ist. Am Anfang eher einer der Nebenschauplätze, aber ironischerweise
könnte es genau die Verschärfung der Klima-Problematik und die wachsende
Einsicht in ihre Bedrohlichkeit sein, die die Politik zur Erhaltung der
Erdatmosphäre heute zu einer wichtigen Größe im Kampf um eine neue Weltordnung
macht.
Bis Kyoto wurde die Klimaproblematik weithin in Frage
gestellt. Vielleicht waren die beobachtbaren Phänomene, so das Argument, etwas
heftige Ausschläge innerhalb der Normalität oder falls es sich tatsächlich um
Klimaveränderungen handeln sollte, war unklar, inwieweit sie Ergebnis
menschlichen Handelns seien. Kaum jemand aber stellte die Gegenstrategie, falls
es sich um von Menschen gemachte Klimaveränderungen handeln sollte, in Frage:
Einwirkung auf die kausalen Faktoren in Form der Reduktion der Emission von
Treibhausgasen.
In dem Jahrzehnt nach Rio wurde Klimapolitik vor allem als
Engagement für die Umwelt und für den Süden des Planeten betrieben, mehrere
Jahre in deutlicher Gegentendenz zum allgemeinen Trend einer wilden Globalisierung,
die wachsender Naturzerstörung und globaler Ungleichheit Vorschub leistete.
Dieser Verlauf in Gegentendenz hatte mehrere Gründe. Die geringe Bedeutung des
Handlungsfeldes im Gesamtgefüge war einer der Gründe, der Klimapolitik
gleichsam als eine Spielwiese bewahrte, auf der die Nationalstaaten sich in der
Sorge um das Wohl der Zukunft der Menschheit übertreffen konnten. Ein anderer
Grund war das Beharrungsvermögen der Klimarahmenkonvention, die, in einer
euphorischen Aufbruchsstimmung in Rio vereinbart und von fast allen Nationen
der Welt unterzeichnet, eine an den Ursachen orientierte, der globalen
Gerechtigkeit verpflichtete Grundhaltung beseelt. Das wiederum machte
Klimapolitik im Sinne einer globalen Umwelt- und Entwicklungspolitik attraktiv
für ökologisch und in Fragen globaler Gerechtigkeit engagierte Menschen. Die
relative Unabhängigkeit des Wissenschaftlergremiums, das in Klimafragen die
Vereinten Nationen beriet, des IPCC, trug dazu bei, eine vorbeugende und
redistributive Klimapolitik wissenschaftlich zu untermauern.
Der Wind drehte sich ab
1997, als in Kyoto die versammelten Nationen mit einer globalen Klimapolitik
Ernst zu machen begannen, die dem Interesse einer Reihe von Regierungen der
entwickelten Industrieländer widersprach oder zu widersprechen schien. Ab Kyoto
begannen sich erst langsam und dann immer schneller die Akzente zu verschieben
von einer ursachenorientierten globalen Politik der Bewahrung der Erdatmosphäre
hin zu einer eher nationalen, an Auswirkungen und Adaptation orientierten
Klimapolitik. Die in den ersten Jahren arg in Bedrängnis geratenen Interessen
des konventionellen industriellen Sektors in den reichen Ländern gewannen
schnell an Terrain. Die berühmten Kyoto-Mechanismen wurden in den
Folgekonferenzen immer weiter ausgebaut als profitträchtige Handlungsfelder für
Unternehmen aus dem Norden in oligopolistischen, weithin politisch
determinierten Märkten.(1) Politisch gesetzte Ziele einer ursachenorientierten
Reduktion von Treibhausgasen durch Energie sparen, rationale Energienutzung und
die Substitution fossiler durch erneuerbare Energie in zentralen
Handlungsfeldern verloren in den reichen Länder demgegenüber an Bedeutung.
Die Bedrohung durch den Terrorismus und der Krieg gegen den
Irak bieten der amerikanischen Regierung zwei herausragende Gelegenheiten, um im
Kampf um eine neue Weltordnung ihre neue Sicherheitsdoktrin durchzusetzen. Bush
hat seine »National Security Strategy« im September 2002 verkündet, aber sie
schreibt nur fort, was schon vor dem 11. September 2001 handlungsleitende Logik
der amerikanischen Regierung war: Ausgangspunkt aller Politik ist die
Verteidigung der amerikanischen Interessen. Dazu gehört die Aufrechterhaltung
eines globalen Systems konkurrierender Nationalstaaten, in dem die Dominanz der
USA weltweit geltend zu machen ist. Peter Lohauß (vgl. »Gemeinsame Werte –
verschiedenes Recht«, Kommune 1/03) lässt hier eine eindrucksvolle
Naivität erkennen, wenn er die »Spekulationen über Motive und Ziele der
US-Regierung« beklagt, die »in Europa … ins Kraut [schießen]«. Jene zumeist
böswilligen Unterstellungen sind leicht zu widerlegen – es genügt ein Blick in
die National Security Strategy, wo »die wesentlichen legitimierenden Grundlagen
… niedergelegt [sind]«. In der Tat, es genügt ein Blick, um zu erkennen, dass
die Bush-Regierung mit diesem Dokument ihre Mitarbeit an der Demokratisierung
der internationalen Ordnung aufkündigt zu Gunsten einer hegemonialen Rolle, die
sie im Konfliktfall gemeinsam mit jenen Staaten durchzusetzen gedenkt, die
Gefolgschaftstreue demonstrieren. Eine Doktrin tritt an die Stelle internationalen
Rechts und »Konsultationen« mit Alliierten treten an die Stelle verbindlicher
Prozeduren, um zu gemeinsamen Handlungen zu gelangen.
Dagegen steht das »Europäische Modell« einer
Staatengemeinschaft, die den Demokratisierungsprozess auch im
zwischenstaatlichen und supranationalen Bereich vorantreibt und sich Fragen
einer globalen Gerechtigkeit und Zukunftsfähigkeit, auch im wohlverstandenen
mittelfristigen Eigeninteresse, nicht entzieht. Der unzulängliche und kompromissbehaftete
Charakter des »Europäischen Modells« ist offenkundig, erst die ungebrochene
imperiale Machtpolitik der USA hat ihm diese historische Last zugeschrieben. Ob
die europäische Staatengemeinschaft tatsächlich taugt, für die neue globale
Ordnung ein Minimum an demokratischen Regeln durchzusetzen, muss sich zeigen.
In der Klimapolitik lassen sich die Dynamiken des
Konflikts – hegemoniales Streben der USA, mühsames Ringen der europäischen
Nationalstaaten um eine gemeinsame Position, Zwischenrolle der amerikanischen
Vasallen – deutlich verfolgen. Die italienische Umweltpolitik ist hier
exemplarisch. Italien hat sich unter Berlusconi durch eine besonders
geschmeidige, vorauseilend gehorsame Anpassung an die USA ausgezeichnet und
sich so als befreundete Nation qualifiziert. Im Rahmen der EU hat Italien das
Kyoto-Protokoll ratifiziert und innerhalb der EU-Lastenteilung die Verpflichtung
übernommen, bis 2008/2012 seine Emissionen, bezogen auf 1990, um 6,5 Prozent zu
reduzieren. Von 1990 bis 1998 sind diese Emissionen de facto um 7
Prozent gestiegen, was einem aktuellen Reduktionsziel von 13 Prozent
entspricht. In allen offiziellen Stellungsnahmen hält die Regierung Berlusconi
an den Kyoto-Zielen fest, aber in keinem Handlungsfeld weist irgendeines ihrer
Programme auf die ernsthafte Absicht hin, etwas für diese Ziele tun zu wollen.
Der offiziellen Unterstützung der europäischen Haltung in der Klimafrage
entspricht die faktische Ignorierung des Kyotoprotokolls im Lande und dem
augenzwinkernden Signal an die amerikanische Adresse, dass man dieses
Vertragswerk eigentlich auch für erledigt halte und gerne bereit sei, die USA
bei all den Aktivitäten zu unterstützen, die das Inkraftreten des
Kyoto-Protokolls verhindern sollen. Pikant ist, dass Ort der nächsten Conference
of Parties der Vereinten Nationen Mailand sein wird, mit Italien als
Gastgeberland.
Heißt das, dass Italien die Klimaproblematik nicht so ernst
nimmt wie andere europäische Länder oder sie ganz verleugnet? Keineswegs, eher
im Gegenteil. Alle Vorhersagen des IPCC über mögliche katastrophische Abläufe
sind korrekt, verlautet das Umweltministerium, wahrscheinlich ist die Situation
noch schlimmer. Aber im Moment fehlen uns noch die technologischen
Voraussetzungen zu drastischen Emissionsreduktionen und deshalb sollten wir uns
die nächsten zwei, drei Jahrzehnte auf Adaptation konzentrieren – so Corrado
Clini, Chefunterhändler der italienischen Regierung in Klimafragen im Januar
2003 auf einer Tagung von ENEA und der Stiftung Enrico Mattei. Ins Auge zu
fassen gilt es, gegebenenfalls Gebiete zu räumen, die unter dem Meeresspiegel
liegen, sollten sie durch den steigenden Meeresspiegel von Überflutung bedroht
sein, oder neue Dämme zu bauen, wie jene mobilen, die jetzt vor Venedig
entstehen sollen, und allgemein mittels Kosten-Nutzen-Analyse zu schauen,
welche Anpassungsstrategien am günstigsten sind. Auf der Handlungsebene eine do
nothing-Strategie, während die Forschungsgelder in die technischen und
ökonomischen Fragen der verschiedenen Präventionsstrategien fließen.
Wohlgemerkt, der Klimawandel wird nicht in Frage gestellt,
und noch nicht einmal die Notwendigkeit der Reduktion der Treibhausgase. Jene
wird aber, treu dem amerikanischen Lehrmeister, in eine ferne Zukunft verlegt,
circa 2040. Gewiss, das Problem wird dann einen solchen Umfang erreicht haben,
dass in der Tat Reduktionen in kürzester Zeit um 60 oder auch 70 Prozent nötig
sein werden. Die wunderbare Nachricht aber ist: Diese drastischen Minderungen
der Treibhausgase werden nicht nur nötig, sondern auch möglich sein, und zwar
nicht durch mühsame Ausschöpfung von Suffizienzpotenzialen, wie sie in diesen
Tagen etwa kirchliche Gruppen in den USA verfolgen, wenn sie gegen Benzin
fressende »SUVs« predigen, sondern durch wenige wundersame technische
Durchbrüche. Die Wasserstofftechnologien werden so weit entwickelt sein, dass
sie großflächig zum Einsatz werden kommen können, und das CO2 wird
in Form von Eisklötzchen in den Ozean versenkt werden.
Man fühlt sich an Edward Teller erinnert, den Vater der
Wasserstoffbombe, der in den Sechzigerjahren überzeugt war, mit der weiten
Verbreitung der friedlichen Nutzung der Kernkraft würde der elektrische Strom
in solchen Mengen derart billig zur Verfügung stehen, dass es sich nicht mehr
lohnen würde, Zähler zu installieren.
Gegenüber einer
solchen do nothing-Strategie, die auf Adaptation statt auf
Prävention setzt, die globale Problematik ignoriert und die Kosten der Zukunft
aufhalst, tut sich eine präventive Strategie schwer, die heutiges Handeln
verlangt, globale Verantwortung ernst nimmt, und Prioritäten in einem komplexen
Handlungsfeld abwägen muss, zu denen natürlich auch die Adaptation gehört.
Diese beiden unterschiedlichen Strategien, zwischen denen es in der Sache
zahlreiche Übergänge gibt, sind zur Spielmasse geworden in einem sich
verschärfenden Konflikt um die zukünftige globale Ordnung. Das ist unerfreulich
für jene, und das ist die überwältigende Mehrheit der Engagierten, die gerne
die Machtfrage in einem konkurrenten Weltsystem von Nationalstaaten aus dem
Klimaschutz würden raushalten wollen. Es gibt schließlich keine Frage, die sich
so unmittelbar als Menschheitsproblem präsentiert.
Eine solche Neutralität ist angesichts des massiven Drucks
der USA auf das Kyoto-Protokoll, allgemeiner: auf jedes Bemühen der Bewahrung
der Erdatmosphäre in demokratischer Absicht, nicht mehr praktizierbar.
Präventive Klimapolitik muss an den Treibhausgasemissionen in den reichen
Ländern ansetzen und sich um tendenziell global verallgemeinerbare
Produktionsweisen und Lebensstile bemühen. Das ist der einzige Weg, der
Ungleichheit mindert und nicht zwingend Gewaltverhältnisse fordert, um ein
ungerechtes Weltsystem aufrechtzuerhalten.
1 Hier ist nicht der Ort, um auszuführen, dass die
neoliberale Globalisierung wenig mit dem klassischen Liberalismus zu tun hat
und allemal nichts mit der globalen Durchsetzung von freien Märkten. Der
staatliche Schutz und die häufig gewaltsame Bewahrung oligopolistischer und
monopolistischer Märkte ist zwingende Bedingung profitabler Akkumulation und
war es ab der Stunde Null des kapitalistischen Industriesystems. Vgl. Immanuel Wallerstein: The End of the World as
we know it, University of Minnesota Press 1999, S. 63.