Karl-Ludwig Schibel

Globale Klimapolitik und neue Weltordnung

Es drohen Entdemokratisierung und »do nothing«-Strategie

In diesen Monaten vollzieht sich eine dramatische Neuorientierung in der weltweiten Klimapolitik, die Indikator und wichtiges Handlungsfeld im Kampf um eine neue Weltordnung ist. Die Verabschiedung der USA vom Kyoto-Protokoll war nur der erste Schritt einer breiten Gegenoffensive Amerikas gegen eine präventive Politik der Bewahrung der Erdatmosphäre als eine globale Anstrengung der internationalen Staatengemeinschaft. Es droht eine Entdemokratisierung des Klimaprozesses, eine Verlagerung von der globalen zur nationalen, von der multilateralen zur bilateralen Ebene und von der Bewahrung des Klimas als einer weltweiten Anstrengung zu einer Strategie des »do nothing« mit nachträglicher Anpassung an die Folgen im nationalen Rahmen.

 

Mit der Klimarahmenkonvention, die 1992 auf der Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio beschlossen wurde, etablierte die internationale Staatengemeinschaft die Bewahrung der Erdatmosphäre als eines der wichtigen Handlungsfelder globaler Politik. Der Anreicherung der so genannten Treibhausgase in der Atmosphäre sollte durch gemeinsames Handeln der Industrieländer Einhalt geboten werden, die Einbeziehung des Südens der Welt sollte sicherstellen, dass deren Entwicklung sich in einem klimaverträglichen Rahmen vollziehen würde.

Der Klimaprozess hat sich in dem Jahrzehnt nach Rio weithin gemäß demokratischer Verfahren abgespielt. Die erste Weltkonferenz fand 1995 statt, nachdem 100 Regierungen die Konvention ratifiziert hatten. Für das erste völkerrechtlich verbindliche Vertragswerk zur Bekämpfung des Treibhauseffekts, das Kyoto-Protokoll, hat die Conference of Parties festgelegt, dass es erst nach der Ratifizierung durch mindestens 55 Staaten in Kraft treten soll, auf die ebenso viel Prozent der Treibhausgasemissionen entfallen müssen.

Gewiss, inhaltlich ist das Kyoto-Protokoll denkbar schwach und kann nur als ein erster zögerlicher und unzureichender Schritt betrachtet werden. Wichtig aber ist, dass unter der Bedrohung durch den Treibhauseffekt die Staatengemeinschaft begonnnen hat, sich ein Regelwerk zu geben, wie sie gemeinsam die von Menschen gemachten Klimaveränderungen in den Griff bekommt.

Wenige Monate nach seinem Amtsantritt erklärte der amerikanische Präsident Bush im März 2001, der Beitritt der USA zum Kyoto-Protokoll sei nicht im Interesse des Landes und bedrohe den American Way of Life. Die Klarheit seiner Worte ist dankenswert, denn sie machte nur deutlich, was wohl unter jedem Präsidenten gegolten hätte: Das Kyoto-Protokoll hatte in den beiden amerikanischen Häusern keine Chance, verabschiedet zu werden. Etwa drei Viertel der amerikanischen Bürger sind von der Existenz von Menschen gemachter Klimaveränderungen und ihrer Bedrohlichkeit überzeugt. Der Unterschied zwischen Republikanern (67 %) und Demokraten (75 %) existiert zwar, ist aber nicht so markant, dass er sich wesentlich in der Treibhauspolitik der beiden Parteien widerspiegeln müsste. Alle amerikanischen Regierungen der letzten anderthalb Jahrzehnte haben konsistent jede Politik vermieden, die sich einer tatsächlichen Reduktion der Treibhausgase angenähert hätte. Zwar hatte die Regierung Clinton 1997 das Kyoto-Protokoll mitgetragen, aber schon bald darauf beschloss der Senat einstimmig, es in der vorliegenden Form nicht zu ratifizieren. Die Haltung von Bush jr. unterscheidet sich nicht signifikant von der seines Vorgängers, der Unterschied liegt in der unverblümten Diktion des amtierenden Präsidenten.

Widerstand gegen Bushs Klimapolitik regte sich bezeichnenderweise letzthin in einer gemeinsamen Initiative des republikanischen Senators John McCain und seines demokratischen Kollegen Joseph Lieberman, die Anfang Februar dieses Jahres einen Gesetzesvorschlag ankündigten, der eine verbindliche Obergrenze für Treibhausgase vorsieht. Aber auch diese beiden würden nicht so weit gehen, sich für eine Rückkehr der USA zum Kyotoprozess auszusprechen.

 

In den letzten beiden Jahren zielte die Politik der Europäischen Gemeinschaft darauf ab, das Quorum für das Kyoto-Protokoll auch ohne die USA zu erreichen, um in der Folge die Amerikaner, die auf einen Toleranzkurs eingeschwenkt zu sein schienen, durch die Macht des Faktischen doch noch zur Mitarbeit zu bewegen. Diese Vorgehensweise schien auch von Erfolg getragen, als Kanada und China den Beitritt zum Kyoto-Protokoll erklärten und Russland seine Absicht verbindlich bestätigte. Von Anfang an ignorierte diese Strategie jedoch den allgemeineren Kontext der amerikanischen Weltpolitik, in die inzwischen die Klimapolitik klar integriert worden ist. Es geht inzwischen nicht mehr um die Notwendigkeit der Reduktion von Treibhausgasen – niemand stellt mehr heute diese Notwendigkeit in Frage, dass irgendwann die Treibhausgasemissionen drastisch eingeschränkt werden müssen, sondern darum, wann reduziert werden wird und mit welchen Verfahren Zeiten und Formen der Reduktion beschlossen werden.

Viele Nichtregierungsorganisationen, die für die Erhaltung der Erdatmosphäre kämpfen, sind mit dem Kyoto-Protokoll unzufrieden. Gleichwohl ist es von ihnen unterstützt worden, weil es ein internationales Regelwerk schafft, um das Problem anzugehen. Aus genau diesem Grund haben die USA ihre Kooperation zurückgezogen. Diese Weigerung hat mit Inhalten zu tun – Energie sparen, rationale Energienutzung, die Förderung erneuerbarer Energien sind keine Prioritäten der Bush-Regierung – aber sie hat mehr noch zu tun mit der Tatsache, dass es um ein multilaterales Abkommen geht, bei dem die USA nur einer der Unterzeichner innerhalb einer großen Gruppe von Nationalstaaten wären. Das würde bedeuten, auf einen Teil der eigenen Souveränität zu verzichten zu Gunsten eines internationalen Abkommens. Das wollen die USA nicht – und warum sollten sie auch.

Der stärkste Spieler im Feld nimmt seine Interessen vorzugsweise in direkten Einzelbegegnungen wahr, um seinen Willen unmittelbar durchzusetzen oder ein Abkommen auszuhandeln, das in der Regel zu seinen Gunsten ausfallen wird. Wer sich hingegen auf ein multilaterales Setting einlässt, das bestimmten Regeln und Prozeduren folgt um funktionieren zu können, geht das Risiko ein, dass eine Koalition von anderen Akteuren – in unserem Falle Nationalstaaten – Entscheidungen durchsetzen, die zumindest kurzfristig nicht im eigenen Interesse sind. Der einfachste Weg, diese Situation zu vermeiden ist, multilateralen Settings fernzubleiben und sich ihren Regeln und Abkommen zu verweigern. Regeln schützen die Schwachen, die Starken machen ihre Regeln selbst nach Belieben und bilden Koalitionen von Fall zu Fall. Die Abwendung vom Kyoto-Protokoll reiht sich hier ein in die Aufkündigung des ABM-Abkommens, die Obstruktion des Biowaffenvertrags und den Rückzug von dem Internationalen Gerichtshof für Menschenrechte in Den Haag.

Von Anfang an, vielleicht schon in Stockholm 1972, spätestens seit der Brundtland-Kommission war deutlich, dass globale Umweltpolitik, allemal Klimapolitik, immer auch einer der Schauplätze globaler Machtpolitik ist. Am Anfang eher einer der Nebenschauplätze, aber ironischerweise könnte es genau die Verschärfung der Klima-Problematik und die wachsende Einsicht in ihre Bedrohlichkeit sein, die die Politik zur Erhaltung der Erdatmosphäre heute zu einer wichtigen Größe im Kampf um eine neue Weltordnung macht.

Bis Kyoto wurde die Klimaproblematik weithin in Frage gestellt. Vielleicht waren die beobachtbaren Phänomene, so das Argument, etwas heftige Ausschläge innerhalb der Normalität oder falls es sich tatsächlich um Klimaveränderungen handeln sollte, war unklar, inwieweit sie Ergebnis menschlichen Handelns seien. Kaum jemand aber stellte die Gegenstrategie, falls es sich um von Menschen gemachte Klimaveränderungen handeln sollte, in Frage: Einwirkung auf die kausalen Faktoren in Form der Reduktion der Emission von Treibhausgasen.

In dem Jahrzehnt nach Rio wurde Klimapolitik vor allem als Engagement für die Umwelt und für den Süden des Planeten betrieben, mehrere Jahre in deutlicher Gegentendenz zum allgemeinen Trend einer wilden Globalisierung, die wachsender Naturzerstörung und globaler Ungleichheit Vorschub leistete. Dieser Verlauf in Gegentendenz hatte mehrere Gründe. Die geringe Bedeutung des Handlungsfeldes im Gesamtgefüge war einer der Gründe, der Klimapolitik gleichsam als eine Spielwiese bewahrte, auf der die Nationalstaaten sich in der Sorge um das Wohl der Zukunft der Menschheit übertreffen konnten. Ein anderer Grund war das Beharrungsvermögen der Klimarahmenkonvention, die, in einer euphorischen Aufbruchsstimmung in Rio vereinbart und von fast allen Nationen der Welt unterzeichnet, eine an den Ursachen orientierte, der globalen Gerechtigkeit verpflichtete Grundhaltung beseelt. Das wiederum machte Klimapolitik im Sinne einer globalen Umwelt- und Entwicklungspolitik attraktiv für ökologisch und in Fragen globaler Gerechtigkeit engagierte Menschen. Die relative Unabhängigkeit des Wissenschaftlergremiums, das in Klimafragen die Vereinten Nationen beriet, des IPCC, trug dazu bei, eine vorbeugende und redistributive Klimapolitik wissenschaftlich zu untermauern.

 

Der Wind drehte sich ab 1997, als in Kyoto die versammelten Nationen mit einer globalen Klimapolitik Ernst zu machen begannen, die dem Interesse einer Reihe von Regierungen der entwickelten Industrieländer widersprach oder zu widersprechen schien. Ab Kyoto begannen sich erst langsam und dann immer schneller die Akzente zu verschieben von einer ursachenorientierten globalen Politik der Bewahrung der Erdatmosphäre hin zu einer eher nationalen, an Auswirkungen und Adaptation orientierten Klimapolitik. Die in den ersten Jahren arg in Bedrängnis geratenen Interessen des konventionellen industriellen Sektors in den reichen Ländern gewannen schnell an Terrain. Die berühmten Kyoto-Mechanismen wurden in den Folgekonferenzen immer weiter ausgebaut als profitträchtige Handlungsfelder für Unternehmen aus dem Norden in oligopolistischen, weithin politisch determinierten Märkten.(1) Politisch gesetzte Ziele einer ursachenorientierten Reduktion von Treibhausgasen durch Energie sparen, rationale Energienutzung und die Substitution fossiler durch erneuerbare Energie in zentralen Handlungsfeldern verloren in den reichen Länder demgegenüber an Bedeutung.

Die Bedrohung durch den Terrorismus und der Krieg gegen den Irak bieten der amerikanischen Regierung zwei herausragende Gelegenheiten, um im Kampf um eine neue Weltordnung ihre neue Sicherheitsdoktrin durchzusetzen. Bush hat seine »National Security Strategy« im September 2002 verkündet, aber sie schreibt nur fort, was schon vor dem 11. September 2001 handlungsleitende Logik der amerikanischen Regierung war: Ausgangspunkt aller Politik ist die Verteidigung der amerikanischen Interessen. Dazu gehört die Aufrechterhaltung eines globalen Systems konkurrierender Nationalstaaten, in dem die Dominanz der USA weltweit geltend zu machen ist. Peter Lohauß (vgl. »Gemeinsame Werte – verschiedenes Recht«, Kommune 1/03) lässt hier eine eindrucksvolle Naivität erkennen, wenn er die »Spekulationen über Motive und Ziele der US-Regierung« beklagt, die »in Europa … ins Kraut [schießen]«. Jene zumeist böswilligen Unterstellungen sind leicht zu widerlegen – es genügt ein Blick in die National Security Strategy, wo »die wesentlichen legitimierenden Grundlagen … niedergelegt [sind]«. In der Tat, es genügt ein Blick, um zu erkennen, dass die Bush-Regierung mit diesem Dokument ihre Mitarbeit an der Demokratisierung der internationalen Ordnung aufkündigt zu Gunsten einer hegemonialen Rolle, die sie im Konfliktfall gemeinsam mit jenen Staaten durchzusetzen gedenkt, die Gefolgschaftstreue demonstrieren. Eine Doktrin tritt an die Stelle internationalen Rechts und »Konsultationen« mit Alliierten treten an die Stelle verbindlicher Prozeduren, um zu gemeinsamen Handlungen zu gelangen.

Dagegen steht das »Europäische Modell« einer Staatengemeinschaft, die den Demokratisierungsprozess auch im zwischenstaatlichen und supranationalen Bereich vorantreibt und sich Fragen einer globalen Gerechtigkeit und Zukunftsfähigkeit, auch im wohlverstandenen mittelfristigen Eigeninteresse, nicht entzieht. Der unzulängliche und kompromissbehaftete Charakter des »Europäischen Modells« ist offenkundig, erst die ungebrochene imperiale Machtpolitik der USA hat ihm diese historische Last zugeschrieben. Ob die europäische Staatengemeinschaft tatsächlich taugt, für die neue globale Ordnung ein Minimum an demokratischen Regeln durchzusetzen, muss sich zeigen.

 

In der Klimapolitik lassen sich die Dynamiken des Konflikts – hegemoniales Streben der USA, mühsames Ringen der europäischen Nationalstaaten um eine gemeinsame Position, Zwischenrolle der amerikanischen Vasallen – deutlich verfolgen. Die italienische Umweltpolitik ist hier exemplarisch. Italien hat sich unter Berlusconi durch eine besonders geschmeidige, vorauseilend gehorsame Anpassung an die USA ausgezeichnet und sich so als befreundete Nation qualifiziert. Im Rahmen der EU hat Italien das Kyoto-Protokoll ratifiziert und innerhalb der EU-Lastenteilung die Verpflichtung übernommen, bis 2008/2012 seine Emissionen, bezogen auf 1990, um 6,5 Prozent zu reduzieren. Von 1990 bis 1998 sind diese Emissionen de facto um 7 Prozent gestiegen, was einem aktuellen Reduktionsziel von 13 Prozent entspricht. In allen offiziellen Stellungsnahmen hält die Regierung Berlusconi an den Kyoto-Zielen fest, aber in keinem Handlungsfeld weist irgendeines ihrer Programme auf die ernsthafte Absicht hin, etwas für diese Ziele tun zu wollen. Der offiziellen Unterstützung der europäischen Haltung in der Klimafrage entspricht die faktische Ignorierung des Kyotoprotokolls im Lande und dem augenzwinkernden Signal an die amerikanische Adresse, dass man dieses Vertragswerk eigentlich auch für erledigt halte und gerne bereit sei, die USA bei all den Aktivitäten zu unterstützen, die das Inkraftreten des Kyoto-Protokolls verhindern sollen. Pikant ist, dass Ort der nächsten Conference of Parties der Vereinten Nationen Mailand sein wird, mit Italien als Gastgeberland.

Heißt das, dass Italien die Klimaproblematik nicht so ernst nimmt wie andere europäische Länder oder sie ganz verleugnet? Keineswegs, eher im Gegenteil. Alle Vorhersagen des IPCC über mögliche katastrophische Abläufe sind korrekt, verlautet das Umweltministerium, wahrscheinlich ist die Situation noch schlimmer. Aber im Moment fehlen uns noch die technologischen Voraussetzungen zu drastischen Emissionsreduktionen und deshalb sollten wir uns die nächsten zwei, drei Jahrzehnte auf Adaptation konzentrieren – so Corrado Clini, Chefunterhändler der italienischen Regierung in Klimafragen im Januar 2003 auf einer Tagung von ENEA und der Stiftung Enrico Mattei. Ins Auge zu fassen gilt es, gegebenenfalls Gebiete zu räumen, die unter dem Meeresspiegel liegen, sollten sie durch den steigenden Meeresspiegel von Überflutung bedroht sein, oder neue Dämme zu bauen, wie jene mobilen, die jetzt vor Venedig entstehen sollen, und allgemein mittels Kosten-Nutzen-Analyse zu schauen, welche Anpassungsstrategien am günstigsten sind. Auf der Handlungsebene eine do nothing-Strategie, während die Forschungsgelder in die technischen und ökonomischen Fragen der verschiedenen Präventionsstrategien fließen.

Wohlgemerkt, der Klimawandel wird nicht in Frage gestellt, und noch nicht einmal die Notwendigkeit der Reduktion der Treibhausgase. Jene wird aber, treu dem amerikanischen Lehrmeister, in eine ferne Zukunft verlegt, circa 2040. Gewiss, das Problem wird dann einen solchen Umfang erreicht haben, dass in der Tat Reduktionen in kürzester Zeit um 60 oder auch 70 Prozent nötig sein werden. Die wunderbare Nachricht aber ist: Diese drastischen Minderungen der Treibhausgase werden nicht nur nötig, sondern auch möglich sein, und zwar nicht durch mühsame Ausschöpfung von Suffizienzpotenzialen, wie sie in diesen Tagen etwa kirchliche Gruppen in den USA verfolgen, wenn sie gegen Benzin fressende »SUVs« predigen, sondern durch wenige wundersame technische Durchbrüche. Die Wasserstofftechnologien werden so weit entwickelt sein, dass sie großflächig zum Einsatz werden kommen können, und das CO2 wird in Form von Eisklötzchen in den Ozean versenkt werden.

Man fühlt sich an Edward Teller erinnert, den Vater der Wasserstoffbombe, der in den Sechzigerjahren überzeugt war, mit der weiten Verbreitung der friedlichen Nutzung der Kernkraft würde der elektrische Strom in solchen Mengen derart billig zur Verfügung stehen, dass es sich nicht mehr lohnen würde, Zähler zu installieren.

 

Gegenüber einer solchen do nothing-Strategie, die auf Adaptation statt auf Prävention setzt, die globale Problematik ignoriert und die Kosten der Zukunft aufhalst, tut sich eine präventive Strategie schwer, die heutiges Handeln verlangt, globale Verantwortung ernst nimmt, und Prioritäten in einem komplexen Handlungsfeld abwägen muss, zu denen natürlich auch die Adaptation gehört. Diese beiden unterschiedlichen Strategien, zwischen denen es in der Sache zahlreiche Übergänge gibt, sind zur Spielmasse geworden in einem sich verschärfenden Konflikt um die zukünftige globale Ordnung. Das ist unerfreulich für jene, und das ist die überwältigende Mehrheit der Engagierten, die gerne die Machtfrage in einem konkurrenten Weltsystem von Nationalstaaten aus dem Klimaschutz würden raushalten wollen. Es gibt schließlich keine Frage, die sich so unmittelbar als Menschheitsproblem präsentiert.

Eine solche Neutralität ist angesichts des massiven Drucks der USA auf das Kyoto-Protokoll, allgemeiner: auf jedes Bemühen der Bewahrung der Erdatmosphäre in demokratischer Absicht, nicht mehr praktizierbar. Präventive Klimapolitik muss an den Treibhausgasemissionen in den reichen Ländern ansetzen und sich um tendenziell global verallgemeinerbare Produktionsweisen und Lebensstile bemühen. Das ist der einzige Weg, der Ungleichheit mindert und nicht zwingend Gewaltverhältnisse fordert, um ein ungerechtes Weltsystem aufrechtzuerhalten.

 

1 Hier ist nicht der Ort, um auszuführen, dass die neoliberale Globalisierung wenig mit dem klassischen Liberalismus zu tun hat und allemal nichts mit der globalen Durchsetzung von freien Märkten. Der staatliche Schutz und die häufig gewaltsame Bewahrung oligopolistischer und monopolistischer Märkte ist zwingende Bedingung profitabler Akkumulation und war es ab der Stunde Null des kapitalistischen Industriesystems. Vgl. Immanuel Wallerstein: The End of the World as we know it, University of Minnesota Press 1999, S. 63.