Bush
und Co. waren nicht zu überzeugen. Nicht von Putin, nicht von Chirac, nicht von
den Vereinten Nationen. Wären Schröder und Fischer taktisch flexibler zur
Irak-Frage aufgetreten, den Krieg hätten sie dadurch bestimmt nicht verhindert.
Es gab keine »Brücke für Bush« zu bauen, wie Anfang März noch mancherorts
Hoffnungen ventiliert worden waren, als sich bei den Debatten im Sicherheitsrat
abzeichnete, dass die US-Regierung mit Großbritannien und Spanien allein
bleiben würde. Mittlerweile hat sich bei zahlreichen Zeithistorikern und
Politologen die Erkenntnis durchgesetzt, dass die USA eine Neuorientierung in
ihrer Außenpolitik vollzogen haben. Sie sehen den Springpunkt in der Rede Bushs
vom 29. Januar 2002, in der der US-Präsident neben der Bekämpfung des
Terrorismus die »Achse des Bösen« und das Bestreben der »Schurkenstaaten« um
Herstellung und Verbreitung von ABC-Waffen als Hauptgefahren für die Welt
genannt hatte. Die Doktrin des Präventiv- und Präemptivkrieges war aufgestellt,
konkret auf den Irak gemünzt. Unter »Bushs zutiefst zerstrittenen außen- und
sicherheitspolitischen Beratern« (Hans W. Maull) hatte sich eine Gruppe
durchgesetzt, die in erster Linie die unvergleichliche militärische Stärke der
USA im Auge haben, die an Stelle von dauerhaften Bündnissen auf die den jeweils
konkreten US-Interessen entsprechenden Ad-hoc-Koalitionen setzen und die aus
der Position der Stärke heraus kaum Wert auf Dialog legen. Haben Sie Fragen?
Dann lesen Sie die National Security Strategy, dort können Sie auf alle Fragen
der dort explizit genannten Weltverbesserung Antworten finden.
Hätte
Deutschland, statt Schröders »Unilateralismus« zu folgen, lieber wie gewohnt
unverbrüchlich auf der Seite seiner amerikanischen Freunde stehen sollen, wie
Angela Merkel und Wolfgang Schäuble vorgeben? In einer Rede in der
Konrad-Adenauer-Stiftung am 10. März hatte Schäuble deutlich gemacht, dass er
für ein geschlossenes Votum des Weltsicherheitsrates eingetreten wäre, »wenn
ein Krieg tatsächlich unvermeidbar werden sollte«. Eine Achse
Paris-Berlin-Moskau hätte er um jeden Preis vermieden, verringert doch »die
entgegen diplomatischer Logik bewusst gegen die Amerikaner betriebene
Entwicklung alternativer Positionen ... die amerikanische Flexibilität«.
Schäuble wäre also der deutsche Aznar gewesen, der Politiker, der sich
bedenkenlos über den Mehrheitswillen der Bevölkerung hinweggesetzt hätte. Die
außenpolitische Wende und die geringe Diskursfähigkeit der US-Regierungstruppe
schien er gar nicht registriert zu haben.
Natürlich
steht zur Debatte, ob die Verweigerungshaltung Schröders außenpolitischen Sinn
macht. In den letzten Wochen hat man erlebt, dass Deutschland im Sicherheitsrat
bewegungsunfähig war, Frankreich dagegen diplomatischen Raum hatte, den es auch
weidlich nutzte. Auch wenn es letztlich nichts nutzte. Immerhin nutzte es so
viel, dass Russland sich neu positionierte, dass sich auch andere Staaten
artikulierten, dass der Spielraum der Bush-Regierung deutlich verringert wurde.
Nun ist es überhaupt kein prinzipielles Anliegen, einer US-Regierung den Raum
eng zu machen. Dort aber, wo sie mit der Arroganz der Supermacht auftritt,
höchst fragwürdige Interpretationen des Völkerrechts liefert und meint, ihre
Lesart von Resolutionen sei die einzig wahre, ist das Entgegentreten und
Kontern von wesentlicher Bedeutung. Nicht zuletzt hat auch das etwas mit
demokratischem Dialog zu tun. Es war auch kein Zufall, dass regierungsnahe
US-Medien mit teilweise massiv chauvinistischen Sprüchen (»Käsefresser«) auf
ihr neues Feindbild Frankreich reagiert haben.
Schäubles
Rede enthält eine Reihe scharfsinniger Beobachtungen, insbesondere zur
europäischen Politik sowie zum deutsch-französischen Verhältnis. Um eines wird
man freilich nicht herumkommen. Mit einer wie auch immer kritischen Haltung gegenüber
der Politik dieser US-Regierung ist für Konfliktstoff in Europa gesorgt, in der
NATO ohnehin, aber auch in der EU. Denn noch keine amerikanische Regierung hat
die befreundeten europäischen Staaten dermaßen durchsortiert wie die
Bush-Administration. Das ist gut verständlich, denn wer eine neue Weltordnung
will, muss die Welt auch neu einteilen. Wer sie nur nach seinen Interessen
einteilt, wird wenig mit sich reden lassen.
Europa
– gleichgültig, wer sich wie zu den USA verhalten hat – wird sich in Zukunft
neu orientieren müssen. Von außen her wird es starke Versuche der Einflussnahme
geben, denn die Begriffe »altes Europa« und »neues Europa« sind keine
Entertainer-Scherzchen des Onkels aus dem Pentagon, sondern Ausdrücke einer
Strategie. Europa wird sich in absehbarer Zeit um seine eigene Sicherheit
kümmern müssen – das wird schwer wiegend sein. Es kann sein, dass die Zeit der
unscheinbaren Schritte und der unendlich mäandernden Debatten vorbei ist.
Europas Stärke sollte trotzdem der Dialog bleiben.
Balduin
Winter
Das
dialogische Prinzip bleibt auch Anspruch dieser Zeitschrift. Die erste »neue«
Nummer hat große Resonanz hervorgerufen, zahlreiche positive Stimmen, aber auch
kritische Einwürfe. Einige davon warfen uns »Amerikafreundlichkeit« vor. Der
Forum-Charakter verlangt allerdings Meinungstoleranz. Die Redaktion wird
niemanden »auf Linie« bringen, auch werden wir keine Artikel mit kritischen
Vorbemerkungen versehen, selbst wenn wir vielleicht mit der Meinung des Autors
nicht übereinstimmen. Für Kritik steht Platz offen, sei es als Replik, sei es
als eigenständiger Beitrag. Dieses Heft betrachten wir dafür als Beispiel.