Detlef Matthiessen

Hundert Prozent!

Ist eine Stromversorgung ausschließlich aus regenerativer Erzeugung möglich?

Die Frage klingt utopistisch und von Wunschdenken geprägt: Ist eine Stromversorgung ausschließlich aus regenerativer Erzeugung möglich? Haben wir denn überhaupt genug regenerative Energie? Reichen die Potenziale, um den Energiebedarf zu befriedigen? Geht es dabei um etablierte Technik und nicht um unrealistische Erwartungen in zukünftige technische Möglichkeiten? Kann man solch ein Konzept so zügig umsetzen, wie es der drohende Klimawandel erforderlich macht? Bleibt Strom denn im Solarzeitalter bezahlbar? Unser Autor antwortet auf all diese Frage begründend mit Ja.

Moloch Energiewirtschaft

Wenn die Antworten stimmen, dann müsste dieser Weg »nur« noch politisch beschritten werden. Tatsächlich sind diese Wege in eine neue Energiezukunft noch nicht sehr bekannt, und dies zu ändern ist eine Intention des Autors. Wissen um Wege ist das eine. Die Beharrungskräfte sind andererseits gigantisch. In der Stromwirtschaft werden mit der bisherigen Art der Stromerzeugung und -verteilung gewaltige Umsätze erwirtschaftet und Gewinne erzielt, die besser als Monopolrenten zu bezeichnen wären.

Die Energiewirtschaft in Deutschland ist mit Administration und Politik in skandalöser Weise eng verflochten. Ein Beispiel bietet der Kanzlerfreund und Ex-Bundeswirtschaftsminister Dr. Werner Müller, der mit seinem Staatssekretär Dr. Alfred Tacke die Fusion von E.ON und Ruhrgas mittels einer Ministererlaubnis gegen das Bundeskartellamt durchsetzte. Heute ist Müller Vorstandsvorsitzender der RAG (Hauptaktionär E.ON) und Tacke Geschäftsführer der STEAG (Großkraftwerke, 100-prozentige RAG-Tochter). Ein weiteres Beispiel liefert Laurenz Meier, seinerzeit gleichzeitig Bundestagsabgeordneter, Generalsekretär der CDU und Bezieher eines vollen Gehaltes des Energiegiganten RWE. Das sind nur kleine Spitzen eines riesigen Eisberges. Die Energiewirtschaft ist ein Machtkartell größten Umfanges, und das nicht nur in Deutschland.

Wir wollen hier jedoch nicht primär fragen, wie wir es erreichen, sondern was wollen wir erreichen, nämlich die Erschließung einer vollständigen erneuerbaren Stromversorgung Europas und seiner Nachbarn. Erneuerbare Energien sind dabei Wind, Sonne, Wasser, Biomasse.

Der neue Weg

In dem Szenario einer großräumigen Versorgung Europas werden große und preislich günstige Standorte, beispielsweise in Nordafrika erschlossen. Diese tragen zur Versorgung Europas bei. Technische Vorraussetzung ist ein »Supernetz« zur Übertragung der elektrischen Leistung und der Verteilung in Europa und seiner benachbarten Regionen. Dieses zu bauende Supernetz wird dem vorhandenen Netz übergelegt und verbindet die Regelzonen Europas mit seinen nationalen Stromnetzen.

Es ist genug für alle da. In 20 Minuten strahlt die Sonne so viel Energie auf die Erde, wie die gesamte Erdbevölkerung in einem Jahr verbraucht. Das riesige Potenzial muss nur genutzt werden. Allein solarthermische Kraftwerke in Nordafrika könnten Europas Energiebedarf siebenhundertmal decken.

Allerdings brauchen wir das nicht, in dem Szenario trägt die günstige Windenergie circa 70 Prozent der Stromproduktion. Das Ganze ist »konservativ« gerechnet, also mit bekannter Technik, mit vorsichtigen Kostenannahmen. Neue Techniken, die zu erwarten sind, können das Modell noch positiv ändern. Es kann jedoch heute schon ohne Spekulation auf ungelegte Eier überzeugen.

Die Stromproduktion trägt erheblich zur Treibhausgasproduktion bei, weltweit mit 45 Prozent, in Deutschland mit 40 Prozent. Es muss also etwas getan werden. Während bisher Strom aus den Stoffen Kohle, Uran und Gas erzeugt wurde, diese Stoffe dabei verbraucht wurden und problematische Rückstände wie Treibhausgase und radioaktiven Müll hinterließen, gehört die Zukunft der physikalischen Erschließung der Sonnenkraft.

Die an den Verbrauch von Stoffen gebundene Erzeugung führt zu Ressourcenschwund und zu Rückständen, die physikalische Erzeugung kennt diese Probleme nicht. Der bisherige »harte« fossilatomare Weg kann auch den berechtigten Energiehunger armer Länder nicht stillen. Aus den genannten Gründen hat Amory B. Lovins bereits 1977 in seinem Buch Soft Energy Paths einen anderen, einen sanften Weg in die Zukunft gefordert.

Wenn es heißt, »die Menschheit« habe seit dem Zweiten Weltkrieg mehr Energie verbraucht als in der gesamten Zeit davor, dann ist das nur die halbe Wahrheit, weil 20 Prozent der Weltbevölkerung dabei 80 Prozent der Vorräte für sich beanspruchen. Mangelnde Energieverfügbarkeit und Armut sind zwei Seiten derselben Medaille. Durch die großräumige Einbeziehung von bisher armen Ländern in ein Energiesystem Europas und seiner Nachbarn wird diesen Ländern eine Teilhabe an wirtschaftlicher Leistung erschlossen. Viele Länder und geteilter Wohlstand bedeuten nicht zuletzt Friedenspolitik und Sicherheit. Es ist auch ein europäisches Gegenmodell zu dem US-amerikanischen Weg einer robusten Rohstoffsicherungspolitik.

Großräumig

Was spricht darüber hinaus für einen großräumigen Verbund? Das sind die Erschließung bedeutender, nicht überall verfügbarer Erzeugungspotenziale, die stete oder der Nachfrage entsprechende Verfügbarkeit und der Preis. In der Tat ist solch ein alternatives System nicht nur die radikalste Antwort auf die Fragen Klimawandel und Armutsbekämpfung, es führt auch zu günstigen Preisen, die fossilatomar nicht zu erreichen wären.

Ein solarthermisches Kraftwerk (siehe unten) erzeugt eine Kilowattstunde (kWh) zu folgenden Preisen: Belgien 29 Cent, Spanien 14, Marokko 7,5 und Mauretanien 7,2 Cent. Wollte man diesen Strom in Deutschland zur Verfügung stellen, müsste man ihn 500, 2500, 4400 oder 5300 Kilometer transportieren. Das bedeutet Verluste, die auf kurzer Strecke kleiner als auf langen Netzwegen sind, von 2, 6, 13 oder 16 Prozent. Für einen Industriebetrieb in Kassel beispielsweise ergeben sich daraus Bezugspreise von 30 Cent aus Belgien, 15,7 Cent aus Spanien und jeweils 9,4 Cent aus Marokko und Mauretanien.

Man erkennt schon an diesem Beispiel, dass der Aufbau eines großräumigen Stromübertragungsnetzes von strategischer Bedeutung für eine zukunftsfähige europäische Stromversorgung ist. Wenn wir den Strom aus Zafarana nicht nach Hamburg transportieren können, hat Deutschland nicht den günstigen Strom und Ägypten nicht die Einnahmen, um für sich selber und auch für andere die Windenergieanlagen zu errichten, deren wesentliche Komponenten vielleicht in Rendsburg hergestellt werden.

Eingangs habe ich betont, dass dem dargestellten Szenario etablierte Techniken und nicht eventuelle zukünftige technische Möglichkeiten zugrunde liegen. Bei dem Wort »solarthermische Kraftwerke« stutzen vielleicht einige. Keine Angst, es handelt sich nicht um Luftschlösser in Grün, sondern um solide Kraftwerkstechnik, zu der die durch hitzebeständiges Glas bereits vom heimischen Backofen her bekannte deutsche Firma Schott wesentliche Komponenten liefert. Die beschreiben auf ihrer Internetseite die Sache so:

Hunderte rinnenförmig angeordnete Parabolspiegel konzentrieren die einfallende Sonnenstrahlung auf die SCHOTT-Receiver, die sich in der Brennlinie befinden. Ein SCHOTT-Receiver besteht aus einem speziell beschichteten Absorberrohr, das in ein vakuumdichtes Glasrohr eingebettet ist. Die eingefangene Sonnenstrahlung erhitzt das im Absorberrohr strömende Thermoöl auf knapp 400 Grad Celsius. Dieses wird über einen Wärmetauscher geleitet, in dem Dampf produziert wird, der dann in Turbinen Strom erzeugt. Die Kraftwerksleistung liegt zwischen 25 und 200 Megawatt.

Speicherung von Elektrizität: Überflüssig

Solarthermische Energie lässt sich speichern. Dadurch ist auch ein kontinuierlicher Grundlastbetrieb möglich. Dabei handelt es sich nicht um elektrische, sondern um thermische Speicher. Das betone ich deshalb, weil Eurosolar gerade einen Ruf zur Einreichung von Vorträgen gestartet hat für eine 2. Internationale Konferenz »Energieautonomie durch Speicherung Erneuerbarer Energien«, die im November stattfinden soll. Der von mir im Übrigen sehr geschätzte Präsident von Eurosolar, der SPD-Abgeordnete Hermann Scheer, bewegt sich da auf abseitigem Terrain.

Unter den Kritikern der etablierten alten Energiewirtschaft und der damit verbundenen Politik gibt es durchaus erhebliche Differenzen. Energieautonomie – oder sollte man nicht besser von Autarkie sprechen? – ist vor dem Hintergrund, dass wir etwa 90 Prozent unserer Energierohstoffe importieren müssen, nicht nur ein sehr schwer umsetzbares, sondern vor allem auch gar kein erstrebenswertes Ziel. Es wird teuer, es lässt arme mögliche Partnerländer links liegen und es lässt einen über Speicherung nachdenken, weil die kleinräumige regenerative Stromerzeugung durch ihre stochastische Produktion zu Verfügbarkeitsproblemen führt.

Wegen der damit zwangsläufig einhergehenden Umwandlungsverluste von einer Energieform in die andere ist die Speicherung von Elektrizität zum Zwecke der aus dem Speicher zu einem nachfragegerechten Zeitpunkt erneut zu erzeugenden Elektrizität technisch schlicht ein Irrweg. Der Energietheoretiker Dr. Jan Tönnies bringt es denn auch in einer umfangreichen und sehr lesenswerten Kritik an den Eurosolar-Speichern auf die prägnante Formel: »Speicherung elektrischer Energie ist Vernichtung elektrischer Energie.«

Von strategischer Bedeutung: Das neue Stromnetz

Unser Speicher jedoch ist das Netz. Im großräumigen Verbund gilt der Spruch: Irgendwo weht immer der Wind. Der Experte für Meteorologie und Windenergie, Dr. Gregor Giebel vom National Laboratory Risoe, Dänemark, legt dar, dass bereits bei 1000 Kilometer Abstand von Windenergieanlagen diese in eine verstetigte Verfügbarkeit kommen. Strom ist also ständig zur Verfügung.

Umso mehr gilt das für das Großflächenszenario, das an der Universität Kassel und am Institut für solare Energietechnik entwickelt wurde. In seiner Arbeit »Szenarien zur zukünftigen Stromversorgung – Kostenoptimierte Variationen zur Versorgung Europas und seiner Nachbarn mit Strom aus erneuerbaren Energien« betrachtet Dr.-Ing. Dipl.-Phys. Gregor Czisch einen sehr viel größeren Raum mit über 60 Ländern und annähernd einer Milliarde Menschen. Gregor Czisch hat mit seiner Arbeit den Anstoß gegeben, in diese neue Richtung zu denken und er hat in einem Dutzend verschiedener Randbedingungen Potenziale, Zeitverhalten, Technik und vor allem die ökonomischen Effekte dargestellt.

Man kann sich vorstellen, dass diese Theorie, gerade weil sie relativ einfach ist, weil sie durch ihre Vorteile sehr überzeugt, weil sie durchaus – Czisch ist auch gelernter Landwirt – etwas Bodenständiges hat, in der Fachwelt Beachtung fand und sich zahlreichen technischen und wirtschaftlichen Fragen, Kritiken und auch ideologischen Angriffen stellen musste. Sie hält jedoch allen Bedenken stand.

Zentral ist die Erschließung des Großraumes durch übergelagerte HGÜ-Leitungen und Kabel (HGÜ = Hochspannungsgleichstromübertragung). Der bestehende Stromverbund besteht aus Drehstromleitungen in einem großen vermaschten Netz. Man kann diese Netze überall in der Landschaft sehen. Die größten Masten mit drei aneinander gehängten Isolatoren sind die 380-Kilovolt-Leitungen, die europäischen Stromautobahnen. Der grenzüberschreitende Handel mit Strom beträgt jedoch weniger als zwölf Prozent. Die europäische Kommission möchte diesen Austausch verstärken und stärkere transeuropäische Netze ausbauen, denn im Grunde sind die europäischen Netze immer noch auf die nationalstaatliche Versorgung ausgerichtet.

Hier kann die HGÜ-Technik einspringen. HGÜ-Technik kann nur über größere Entfernungen Strom transportieren. Sie kann nicht alle paar Kilometer in einem Umspannwerk transformiert und ausgeleitet werden. Sie verbindet Punkt A mit Punkt B. Sie spielt ihre Vorteile erst ab einigen hundert Kilometern aus.

Dr. Michael Häusler, Weinheim, ehemals ABB Calor Emag Schaltanlagen AG, fasst die Vorteile so zusammen:

– geringerer Trassenbedarf als bei Drehstrom

– niedrigere Leitungskosten und -verluste

– lange Seekabelverbindungen möglich, also Einbindung von küstenfernen Offshore-Windparks in das Verbundnetz

– HGÜ ist für die Übertragung großer Leistungen über große Entfernungen hervorragend geeignet.

Solch ein neu zu schaffendes Stromnetz könnte die Potenziale aus erneuerbaren Energien erschließen. Die damit verbundenen Kosten sind vergleichsweise unschlagbar günstig. Die elektrischen Verluste sind gering (siehe Zeichnung).

Gleichstrom kann mehr als Drehstrom bei schlankerem Aufbau

Hier kommt eine Grafik rein!

Gleiche Übertragungsleistung an Strommenge erfordert bei HGÜ kleinere Strukturen – hier im optischen Vergleich zu sehen

Es begegnen sich in Zukunft also zwei Stromwelten: Die großen Mengen überregional, die vom HGÜ-Punkt ins Netz gelangen wie bei einem Kraftwerksstandort, und dezentrale Erzeugung etwa in Kraft-Wärme-Kopplung vor Ort, wo das Netz auch über die Steuerung die Funktion eines virtuellen Kraftwerkes übernehmen sollte. Strong Grid – smart Grid, das heißt: starkes Netz von oben und schlaues Netz von unten.

Exkurs: Wer das Netz hat, hat die Macht

Die Netze sind von entscheidender Bedeutung für die Offenheit der Märkte und für die Umsetzung von politischen Vorgaben in der Stromwirtschaft. Das Stromnetz wird von den Strom-Oligopolisten zur Erlangung von Wettbewerbsvorteilen im Bereich der Stromerzeugung und des Handels mit Strom missbraucht.

Das Stromnetz wird auch als natürliches Monopol bezeichnet. Niemand, der ein kleines Kraftwerk betreibt, wird ein Parallelnetz zur Versorgung seiner Kunden errichten. Es liegt in der Natur des Netzes, Monopol zu sein. Gleiches gilt für Infrastrukturen wie Wasserleitungen, Autobahnen, Schiene, Gasnetz et cetera. Ein Markt kann sich nicht bilden. Das Eigentum der Stromnetze in der Hand der auch Kraftwerke betreibenden Unternehmen der Stromwirtschaft führt ökonomisch zwangsläufig zu einer Eigenbegünstigung. Die Nutzung des Netzes muss jedoch jedem Erzeuger elektrischer Energie diskriminierungsfrei möglich sein. Dies kann nur durch eine strikte Trennung im Eigentum erreicht werden.

Daher sollten die Stromnetze als notwendige Infrastruktur der Daseinsvorsorge in das Eigentum der öffentlichen Hand überführt werden. Die Vorhaltung des Netzes ist als Infrastrukturmaßnahme eine öffentliche Aufgabe, die nicht primär nach Renditegesichtspunkten erfüllt werden darf. Dabei kann durch eine zeitliche Begrenzung der Vergabe des Betriebs an private Unternehmen eine rationelle und diskriminierungsfreie, den Wettbewerb in der Erzeugung begünstigende Betriebsführung sichergestellt werden.

Der Preis

Wenn die Stromverteilung in dem angestrebten großen Versorgungsraum technisch funktioniert, bleibt die Frage nach den ökonomischen Vorteilen dieses Systems. Diese sind sehr überzeugend. Biomasse, Wasserkraft, Windenergie und Sonne sind günstig, wenn sie allokationstheoretisch richtig organisiert werden.

Wasserkraft in Norwegen ist billig und reichlich vorhanden. Man kann in Schleswig-Holstein ebenfalls Wasserstrom erzeugen, aber eben nur wenig und viel teurer. Da denkt man sofort, das ist richtig, Schleswig-Holstein ist ja auch ein flaches Land, aber die Windkraft, die lohnt sich dort. Der Grundgedanke stimmt. Trotzdem zählt Deutschland, obwohl es mit Windenergie führend ist, nicht zu den Topstandorten. Die Atlantikküste Spaniens und Portugals, das sturmumtoste Schottland sind sehr viel bessere Lagen. Und in dem Großraum unter Einschluss nordafrikanischer Länder finden sich noch viel bessere »Sites«. Das hängt mit der Physik der Windenergie zusammen, die Windgeschwindigkeit ist entscheidend. Die Leistung der Stromerzeugung korreliert mit der dritten Potenz der Windgeschwindigkeit (P = v3). Kein Wunder also, dass ein und dieselbe »Windmühle« bei uns an Land stehend zwischen 1700 und 2200 Jahresvolllaststunden (JVS) leistet, in Schottland über 3000 und in der Nordsee werden zwischen 3500 und 4200 JVS erwartet. In Ägypten gibt es jedoch Landstandorte mit bis zu 6500 JVS. Dort kostet die Kilowattstunde Windstrom 2,9 US-Cent. Windenergie bringt Masse und Preis. Sie ist in dem Szenario mit bis zu 70 Prozent Anteil enthalten.

Auch das erwähnte solarthermische Kraftwerk ist ökonomisch sehr leistungsfähig. Mit dem höchsten Wirkungsgrad und den niedrigsten Stromgestehungskosten haben die Parabolrinnen-Kraftwerke unter den Solarkraftwerken eine hervorragende Zukunftsperspektive. Sie können mit konventioneller Erzeugung preislich gut mithalten.

Im Prinzip arbeitet ein solarthermisches Kraftwerk nicht anders als ein gewöhnliches Dampfkraftwerk. Mit einem entscheidenden Unterschied: Der Wasserdampf wird nicht durch die klimaschädliche Verbrennung von Kohle, Öl oder Erdgas erzeugt oder durch die Spaltung von Uran, sondern allein durch die Energie der Sonne.

Wind, Wasser, Solarthermie, Biomasse, das ergibt optimiert einen Strompreis von circa 4,6 Cent für Erzeugung, Transport und Verteilung. Das würde einen volkswirtschaftlichen Aufwand von etwa 1,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) in Norwegen und der EU bedeuten. Der heutige Aufwand ist hingegen 2,2 Prozent des BIP, in Deutschland sogar etwa 3 Prozent.

Ob die theoretisch optimale Wirtschaftlichkeit in einem neuen System erreicht werden kann, sei dahingestellt. Die Umstellung auf regenerative Stromversorgung wird sich jedenfalls in dem bisher gewohnten Kostenrahmen bewegen. Das ist von einem fortbestehenden fossilatomaren Weg nicht zu erwarten.

Das Thema wird entdeckt

Kiotoverträge, Klimaziele der EU, Merkels Klimagipfel, diese Politik ist weit entfernt von der Notwendigkeit und Konsequenz des Handelns, das der Wandel des Klimas uns abverlangt. Es geht anders, es geht besser.

Der »Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen« (WBGU) schlägt neuerdings ein europäisches Stromnetz vor, das dann auch gleich als »Leuchtturm 1 Europäisches Supernetz« bezeichnet wird. Dort heißt es: »Als technischer Leuchtturm für Europa wird die Realisierung eines transeuropäischen Hochleistungsnetzes für elektrische Energie vorgeschlagen. Dieses Netz mit einer Übertragungskapazität im Bereich von 10 GW ermöglicht den innereuropäischen Stromaustausch und dient damit dem Ziel einer kostengünstigen Versorgung im Sinne der Lissabon-Strategie. Dieses leistungsfähige Netz ist aber auch notwendig, um einerseits die stark schwankenden Einspeiseleistungen zum Beispiel der Windenergie auszugleichen, andererseits um die großen Speicherkraftwerkskapazitäten Norwegens für ganz Europa verfügbar zu machen ...«

Vielleicht hat der Beirat sich auch etwas vom Beschluss von Bündnis 90/Die Grünen beeinflussen lassen, die auf ihrem Parteitag im Dezember 2006 die Schaffung eben solcher großräumigen Netze gefordert haben.

Der Club of Rome macht sich ebenfalls für interkontinentale Strom-Supernetze stark. Das soll vom Netzwerk Trans-Mediterranean Renewables Energy Cooperation (TREC) demnächst veröffentlicht werden. Er denkt dabei überwiegend an Stromerzeugung aus Solarthermie und sollte dieses aus meiner Sicht noch weiterentwickeln.

Man sieht, dass sich etwas tut, nachdem Lovins 1977 den Einstieg in die sanfte Energie gefordert hat. Auch Einstein hat es mal so genial formuliert, wie man es von ihm erwarten kann: »Die Methoden, die unsere Probleme hervorgerufen haben, sind ungeeignet, sie überwinden zu können.«

Aus: »Kommune. Forum für Politik, Ökonomie, Kultur«, Ausgabe 2/2007