Das neue Staatsangehörigkeitsgesetz

Oder: Wie dem Völkischen Ade sagen?

Mojmir Krizan

Nach jahrzehntelangen Vorbereitungen, begleitet von oft fruchtlosen Diskussionen, wurde in der Bundesrepublik Mitte 1999 ein neues Staatsangehörigkeitsgesetz beschlossen, das am 1. Januar 2000 in Kraft gesetzt und insbesondere von den regierenden SPD-Politikern mit vielen Vorschusslorbeeren bedacht wurde. Überprüft man Inhalt und Konsequenzen heute, fällt das Fazit weit kritischer aus. Hoffnungen wurden enttäuscht. Die Zahl der Einbürgerungen blieb hinter den Erwartungen zurück.

Die Vorbereitungen zur Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) (1) waren von der Erwartung begleitet, dass man den "Ausländern" – in manchen Fällen ihrer dritten in der BRD lebenden Generation – endlich im liberal-demokratischen Sinne entgegenkommen wird, etwa indem man ihnen bei der Einbürgerung die Beibehaltung ihrer bestehenden Staatsangehörigkeit ermöglicht. Im Hinblick auf die Staatsangehörigkeit der BRD unterteilt das StAG die Menschen in drei Kategorien (2):

Die erste Kategorie sind die Staatsangehörigen der BRD, die die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erwerben wollen. Für sie bringt das reformierte StAG eine Verschärfung der staatlichen Kontrolle und somit auch bürokratischer Willkür. Auf der einen Seite wird in § 25 Abs. 1 postuliert, dass ein Staatsangehöriger der BRD, der auf eigenen Antrag die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erwirbt, die Staatsangehörigkeit der BRD auch dann automatisch verliert, wenn sein Wohnsitz in der BRD bleibt. Auf der anderen Seite werden in § 25 Abs. 2 die Möglichkeiten erweitert, beim Erwerb der Staatsangehörigkeit eines anderen Staates, auf Antrag auch bei Emigration in diesen Staat, die Staatsangehörigkeit der BRD beizubehalten.

Diese Gesetzeslage ermöglichte die Behauptung des Bundesinnenministers Otto Schily, die Gesetzeslage in diesem Bereich sei gleichzeitig verschärft und gelockert worden: "Beim Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit auf eigenen Antrag kommt es künftig auch dann zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit, wenn der Wohnsitz im Inland fortbesteht." (3) "Der zweite Punkt: Die Möglichkeit, den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 25 Abs. 1 beim Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit durch eine Beibehaltungsgenehmigung nach § 25 Abs. 2 Staatsangehörigkeitsgesetz abzuwenden, wird erweitert. Künftig soll bei der Entscheidung über die Erteilung einer Beibehaltungsgenehmigung im Ausland der individuelle Aspekt in den Vordergrund gerückt werden, ob der Antragsteller fortbestehende Bindungen an Deutschland glaubhaft machen kann." (4) Die "fortbestehenden Bindungen an Deutschland" gelten als existent, wenn der Emigrant auf Verwandte oder Immobilienbesitz in der BRD verweisen kann. (5)

Die zweite Kategorie sind Deutsche ohne deutsche Staatsangehörigkeit, nämlich ehemalige deutsche Staatsangehörige und Deutsche im völkischen Sinne, also Personen, die, im Einklang mit dem Art. 116 Abs. 1 des Grundgesetzes und mit dem Bundesvertriebenengesetz, über die administrativ anerkannte "Deutscheneigenschaft" verfügen und "Statusdeutsche" genannt werden. Die "Statusdeutschen" sind, unabhängig von der Intensität ihrer Bindungen an die BRD oder an deutsche kulturelle Traditionen, keine "Ausländer"; sie genießen die "Rechtsstellung als Deutsche"(6) und können dementsprechend nicht eingebürgert werden, sondern sie "erwerben die deutsche Staatsangehörigkeit". Bisher hatten sie, im Unterschied zu den "Ausländern", aufgrund des ius sanguinis einen Anspruch auf Staatsangehörigkeit der BRD, und zwar unabhängig davon, ob sie sich in die deutsche Gesellschaft "integriert" hatten und durch ihre Arbeit zu deren Wohlstand ihren Beitrag leisteten. (7) Das neue StAG verstärkt diese Bevorzugung: Die "Statusdeutschen" erwerben die Staatsangehörigkeit der BRD automatisch sofort (§ 40a des StAG), beziehungsweise mit der Ausstellung der erforderlichen Bescheinigung (§ 7 des StAG).

Schließlich sind die "Ausländer" zu nennen, also Personen, die weder die "Deutscheneigenschaft" besitzen noch Staatsangehörige der BRD sind. Im Unterschied zu den "Statusdeutschen" kommen sie in den Besitz der Staatsangehörigkeit der BRD durch Einbürgerung.

Bis in die Neunzigerjahre hinein lag die Einbürgerung der "Ausländer" im Ermessen der Einbürgerungsbehörden – sie war ein Gnadenakt. Erst im letzten Jahrzehnt erhielten Immigranten das Recht auf Einbürgerung, und zwar nach einem mindestens achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalt in der BRD, wenn sie die Verfassungsordnung der BRD respektierten, ihren Lebensunterhalt bestreiten konnten, ihre bisherige Staatsangehörigkeit aufgaben und nicht wegen einer Straftat verurteilt wurden. (8) Das StAG eröffnet darüber hinaus in § 8 Abs. 1 die Möglichkeit einer Ermessenseinbürgerung, wenn ein "Ausländer" eine Reihe weiterer Bedingungen erfüllt. (9)

Aus einer liberal-demokratischen Sichtweise fällt die Beurteilung kritisch aus:

1. Liberal-demokratische Staaten sind politische und Rechtsgemeinschaften von gleichberechtigten Bürgern. Sie sind nicht biologisch und/oder kulturell begründete Gemeinschaften von "Volkszugehörigen", von denen ein Teil zufällig in dem liberal-demokratisch konstituierten Staat lebt, während der Rest in anderen Staaten als Quasi-Bürger dieses Staates privilegiert und als willkommene Manipuliermasse missbraucht wird.

2. Es ist unvereinbar mit den Prinzipien der liberalen Demokratie, die Einbürgerung von dem Besitz einer Wohnung, der Fähigkeit, "sich und seine Angehörigen zu ernähren"(10), und der Beherrschung der deutschen (oder einer anderen) Sprache (11) abhängig zu machen. Der liberalen Demokratie geht es um den mündigen Bürger, und nicht um den erfolgreichen homo oeconomicus, den assimilierten Volkszugehörigen oder den hörigen Untertan. Nur der nachgewiesene Mangel an Bereitschaft, die Verfassung und die Gesetze der politischen und Rechtsgemeinschaft, der man beitreten will, zu respektieren, liefert einen zureichenden Grund für die Verweigerung der Einbürgerung.

3. Der Erwerb der Staatsangehörigkeit der BRD durch "Statusdeutsche" ist privilegiert: Da er automatisch geschieht, ist er weder mit einer Gebühr noch mit der Aufgabe der bestehenden Staatsangehörigkeit verbunden. Hieraus und aus dem § 25 des StAG kann geschlossen werden, dass die BRD es gerne sieht, wenn etwa ein in Polen lebender "Statusdeutscher" zugleich Staatsangehöriger Deutschlands ist, nicht aber, wenn ein Staatsangehöriger der BRD türkischer Herkunft zugleich Bürger der Türkei ist. Insbesondere im Hinblick auf Polen stellt sich auch die Frage nach dem Zweck dieser Bestimmung.

4. Ferner folgt daraus, dass die "Statusdeutschen" beim Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nicht eingebürgert werden, da sie bereits Bürger sind – Bürger ohne Staatsangehörigkeit, sozusagen "völkische Bürger". Da indes alle Staatsangehörigen der BRD zugleich deren Bürger sind, folgt hieraus eine weitere merkwürdige Konsequenz: Während es in manchen Staaten Staatsangehörige ohne einen vollwertigen oder gänzlich ohne Bürgerstatus gab – etwa Personen, die aufgrund eines Wahl-Zensus kein Wahlrecht hatten, so dass diese Staaten weniger Bürger als Staatsangehörige hatten –, ist es in der BRD umgekehrt: Sie hat mehr Bürger als Staatsangehörige.

5. Im Hinblick auf den § 25 Abs. 1 stellt sich die Frage, ob der Staat erwartet, dass derjenige, der eine andere – im Fall von eingebürgerten Immigranten wohl in der Regel die frühere, aufgegebene – Staatsangehörigkeit erwirbt, dies dem Staat unverzüglich meldet? Für einen solchen Erwerb ohne Beibehaltungsgenehmigung, deren Erteilung im Ermessen der Behörden liegt, werden sich wohl jene entscheiden, die wenig Vertrauen in die Bereitschaft des Staates haben, ihren Interessen entgegenzukommen, und die den bürokratischen Kampf für eine solche Genehmigung scheuen. Wird es die Folge dieser Vorschrift sein, dass der neu eingebürgerte Staatsangehörige der BRD in der Botschaft seines Herkunftsstaates nur eine leise indirekte Andeutung – anstelle eines Antrags im Sinne einer "freien Willensbetätigung, die unmittelbar auf den Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit gerichtet ist" (12) – von sich zu geben braucht, dass er seine frühere Staatsangehörigkeit wiedererlangen möchte, um diese auch zurückzubekommen?

Zwangserwerb der Staatsangehörigkeit durch Geburt und die "Optionspflicht"

Es ist nicht der Zweck des StAG, im Einklang mit den Prinzipien der liberalen Demokratie alle Immigranten mit vollen Bürgerrechten und -freiheiten auszustatten, sondern die in Deutschland geborenen oder aufgewachsenen Kinder der "Ausländer" als neue Staatsangehörige zu "integrieren", also möglichst weitgehend kulturell zu assimilieren. Darauf deuten folgende Bestimmungen des StAG hin:

Die in der BRD geborenen Kinder erhalten nach § 4 automatisch die Staatsangehörigkeit der BRD, "wenn ein Elternteil 1. seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und 2. eine Aufenthaltsberechtigung oder seit drei Jahren eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis besitzt" (13), sprich: wenn davon auszugehen ist, dass das Kind die BRD nicht mehr verlassen wird. Auf diese Weise werden die Immigranten-Kinder in zwei Kategorien eingeteilt – jene mit und jene ohne die deutsche Staatsangehörigkeit. Mit dem Begriff des ius soli wird also zugleich Schindluder getrieben.

Die so erhaltene Staatsangehörigkeit der BRD kann nicht ausgeschlagen werden. (14) Die Eltern des Neugeborenen können also über seine Staatsangehörigkeit bis zur Volljährigkeit nicht frei entscheiden, um ihm etwa die 18 Jahre später fällige "Optionspflicht" zu ersparen, es sei denn, sie sind fähig und bereit, sich auf eine Auseinandersetzung mit Justiz und Verwaltung mit ungewissem Ausgang einzulassen. Für sie gilt nämlich § 19 Abs. 1 des StAG: "Die Entlassung einer Person, die unter elterlicher Sorge oder unter Vormundschaft steht, kann nur von dem gesetzlichen Vertreter und nur mit Genehmigung des deutschen Vormundschaftsgerichts beantragt werden. Gegen die Entscheidung des Vormundschaftsgerichts steht auch der Staatsanwaltschaft, der die Entscheidung bekannt zu machen ist, die Beschwerde zu; gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts ist die weitere Beschwerde uneingeschränkt zulässig."

Kindern von "Ausländern", die entweder in der BRD vor dem 1. Januar 2000 geboren wurden oder mit ihrern Eltern immigriert sind, am 1. Januar 2000 das zehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hatten und rechtmäßig in der BRD leben, wurde mit dem § 40 b des StAG bis zum 31. Dezember 2000 ein Anspruch auf Einbürgerung eingeräumt. Auch für die so Eingebürgerten gilt die "Optionspflicht". Diese wiederum ist in § 29 (15) geregelt. Sie besteht darin, dass Kinder von "Ausländern", die die Staatsangehörigkeit der BRD nach den §§ 4 und 29 des StAG erhalten haben, nach dem Erreichen der Volljährigkeit verpflichtet sind, diese Staatsangehörigkeit aufzugeben, wenn sie ihre eventuell bestehenden anderen Staatsangehörigkeiten behalten wollen. Tun sie das bis zum 23. Lebensjahr nicht, verlieren sie sie automatisch.

Diese illiberalen Einschränkungen des Rechts auf Einbürgerung werden die Zahl der ständigen legalen Einwohner der Bundesrepublik mit minderen Rechten zwar verringern, keineswegs aber eliminieren. Die BRD wird weiterhin ein Staat bleiben, dessen Bevölkerungsmehrheit eine Minderheit faktisch diskriminiert.

Weitere Mängel des reformierten StAG und die Konsequenzen

Neben seiner völkischen Ausrichtung  und der "Optionspflicht" enthält das reformierte StAG eine Reihe weiterer schwer wiegender Mängel:

Um die Assimilation zu fördern sind die Gesetzgeber bestrebt, ganze Familien einzubürgern, und setzen hierbei patriarchalische familiäre Verhältnisse quasi voraus: "Die Aufnahme oder Einbürgerung erstreckt sich, insofern nicht in der Urkunde ein Vorbehalt gemacht wird, zugleich auf die Ehefrau und auf diejenigen Kinder, deren gesetzliche Vertretung dem aufgenommenen oder Eingebürgerten kraft elterlicher Sorge zusteht. Ausgenommen sind Töchter, die verheiratet sind oder verheiratet gewesen sind." (16) Dies impliziert, dass der Einbürgerungskandidat mit zusätzlichen bürokratischen Problemen rechnen muss, wenn er als freier Einzelner eingebürgert werden will.

Die "Optionspflicht" wird die Konflikte in den Immigrantenfamilien vermehren, da die älteren Immigranten die Beibehaltung der bestehenden Staatsangehörigkeit oft als Loyalitätspflicht der Jüngeren dem Ursprungsland und ihnen selbst gegenüber betrachten. Auch vielen Immigrantenkindern, die sich sowohl der deutschen Gesellschaft als auch jener des Herkunftslandes ihrer Vorfahren zugehörig fühlen, wird die "Optionspflicht" als eine Forderung erscheinen, sich selbst kulturell zu verkrümmen oder an sich selbst Verrat zu verüben. Selbstverständlich wird dies die Loyalität gegenüber dem Staat, der eine solche Forderung stellt, nicht fördern.

Fraglich ist auch, welchen Status die aufgrund der "Optionspflicht" Ausgebürgerten erhalten werden in einem Land, in dem sie nie einen geregelten "Ausländer"-Status hatten, in dem sie möglicherweise keinen Arbeitsplatz haben und nicht in der Lage sind, für ihren Lebensunterhalt zu sorgen? Werden sie ausgewiesen oder zu einer weiteren Kategorie von Einwohnern der BRD mit minderen Rechten?

Zu befürchten sind ferner institutionelle und professionelle Probleme als Konsequenz der "Optionspflicht", etwa wenn junge Menschen die deutsche Staatsangehörigkeit während ihres Wehrdienstes oder nachdem sie ins Beamtenverhältnis übernommen wurden verlieren. Um diese Schwierigkeiten zu verhindern, müsste man die Aufgabe der von den Eltern geerbten Staatsangehörigkeit zur Bedingung für die Aufnahme in die Armee oder in das Beamtenverhältnis machen – und so die Rechte und Freiheiten der betroffenen Staatsangehörigen der BRD einschränken.

Nicht zu vernachlässigen sind auch die vielfältigen Möglichkeiten für bürokratische Willkür im Rahmen der weiter bestehenden weiten "Ermessensspielräume" der Verwaltung bei vielen Fragen der Einbürgerung und der mehrfachen Staatsangehörigkeit.

Die genannten Mängel erklären die geringe Bereitschaft der "Ausländer", sich entsprechend den Erwartungen der Gesetzgeber zu verhalten. Die Immigranten spüren, dass die Reform des StAG, nachdem sie jahrzehntelang schikaniert und erniedrigt wurden, nur unter dem Druck der Umstände zustande gekommen ist, in erster Linie aus wirtschaftlichen und demografischen Gründen, und nicht weil sich die Gesetzgeber – oder gar die gesamte Bevölkerung der BRD – eindeutig zu den Prinzipien der liberalen Demokratie bekehrt hätten. (17) Sie spüren, dass sie als Arbeitskräfte und Steuerzahler gebraucht, nicht aber als freie Personen mit ihren besonderen Kulturen und Religionen akzeptiert und respektiert werden.

Dementsprechend sind auch die auf freier Entscheidung beruhenden Einbürgerungen weit unter den Erwartungen geblieben. In Berlin ist die Zahl der Anträge in 2000 sogar zurückgegangen. Daher setzte bereits wenige Monate nach dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes die Diskussion über die Gründe der Zurückhaltung der Immigranten ein. Dabei wurde die Erklärung nicht in einer verfehlten "Ausländer"-Politik und -Gesetzgebung gesucht, sondern bei den "Informationsdefiziten" und "psychologischen Barrieren" der Betroffenen selbst. (18) Die wirklichen Gründe dafür hat der Pressedienst des Bundesverbandes der Arbeiterwohlfahrt (AWO) benannt:

"1. Das neue Staatsangehörigkeitsrecht ist aus der Sicht der ausländischen Familien eher integrationshindernd als integrationsfördernd.

2. Es ist ein Gesetz mit vielen Ausnahmeregelungen, individuellen Nischen und komplizierten Zusammenhängen. Die Familien sind weitgehend überfordert. Vorteile für Kinder, die sich aus den Bestimmungen ergeben, werden von den Familien als solche nicht bewertet und führen deshalb auch nicht zur Einbürgerung. Viele Eltern nehmen eine eher abwartende Haltung ein, nach der ihre Kinder auch noch später die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben können. Den ausländischen Eltern ist auch nicht klar geregelt, welchen Aufenthaltsstatus die Kinder haben werden, wenn sie mit 23 Jahren die deutsche Staatsangehörigkeit wieder abgeben.

3. Schließlich sind die Familien in der Frage verunsichert, ob sie – mit ausländischer Staatsangehörigkeit – ihr minderjähriges Kind (mit deutscher Staatsangehörigkeit) bei einer definitiven Rückkehr ins Heimatland oder beim Verlassen Deutschlands mitnehmen können. ...

Die Beratungsaktion der AWO hat bestätigt, dass den ausländischen Mitbürgern eine doppelte Staatsangehörigkeit, wie sie im Koalitionsvertrag von 1998 vereinbart worden war, die Integration eher erleichtert hätte. Da das Staatsangehörigkeitsgesetz aber Mehrstaatigkeit nur als Ausnahme vorsieht, kann die nach den geltenden Bestimmungen anspruchsberechtigte Bevölkerungsgruppe nicht in dem erwarteten Maße erreicht werden." (19)

Während der langen öffentlichen Diskussion über die Reform des StAG ist kaum jemand auf die Idee gekommen, die "ausländischen Mitbürger" selbst als die am stärksten betroffene Bevölkerungsgruppe in die Diskussion einzubeziehen. Da ihre Wünsche und Bedürfnisse der Öffentlichkeit unbekannt blieben, konnte diese auch kein Verständnis dafür entwickeln, Sympathie und Respekt für die Immigranten blieben auf der Strecke. Vielmehr schürten Politiker und Medien mit den angeblichen Gefahren der "Überfremdung", der Anziehung neuer Immigranten bei der Bevölkerung Ängste und verhalfen so der chauvinistischen Unterschriftensammlung der CDU gegen die doppelte Staatsangehörigkeit zum Erfolg – und dem stümperhaft reformierten StAG zum Misserfolg.

 

Anmerkungen

1 Der weitere Text bezieht sich auf das Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913 (RGB1. S. 583 – BGB1. III S. 102), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Juli 1999 (BGB1. I S. 1618), das am 1. Januar 2000 in Kraft getreten ist.

2 vgl. den § 3 und passim.

3 Parlamentsrede von Otto Schily: "Nur konstruierte Kritik geübt", Das Parlament, 4. Juni 1999, S. 21; vgl.: "Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Staatsangehörigkeitsrechts", unterschrieben von Dr. Peter Struck und Fraktion, Kerstin Müller (Köln), Rezzo Schlauch und Fraktion, vom 16. März 1999, S. 16.

4 Schily: "Nur konstruierte Kritik geübt", a. a. O., S. 21.

5 Vgl.: "Entwurf eines Gesetzes ...", a. a. O., S. 21 f.; "14 Fragen zum Staatsangehörigkeitsrecht", URL: http://www.bmi.bund.de/themen/in_staatsrecht.html, Antwort des Bundesministeriums des Innern auf die Frage: "Was bringt die Reform den Deutschen?"

6 Vgl. die "Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht", Bundesministerium des Innern, URL: http://www.bmi.bund.de/dokumente/Artikel/ix_23372.htm.

7 Vgl. die §§ 4, 5, 7 und 13 des StAG.

8 Vgl. das Ausländergesetz vom 9. Juli 1990, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 15. Juli 1999, § 85.

9 Vgl. die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht, § 8, URL: http://www.bmi.bund.de/dokumente/Artikel/ix_23372.htm.

10 Vgl. § 8 des StAG und § 85 Abs. 1 Satz 3 des Ausländergesetzes.

11 Vgl. § 86 Satz 1 des Ausländergesetzes und die Nummer 8.1.2.1.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht, URL: http://www.bmi.bund.de/dokumente/Artikel/ix_23372.htm.

12 Vgl. die Nummer 25.1.3 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht, URL: http://www.bmi.bund.de/dokumente/Artikel/ix_23372.htm.

13 StAG § 4 (3).

14 Vgl. die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht, Nummer 4.3.2, URL: http://www.bmi.bund.de/dokumente/Artikel/ix_23372.htm.

15 Es ist darauf aufmerksam zu machen, dass über die Anwendung dieses Paragrafen zur Zeit der Niederschrift keine Verwaltungsvorschriften vorlagen.Vgl. die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörigkeitsrecht, URL: http://www.bmi.bund.de/dokumente/Artikel/ix_23372.htm.

16 § 16 Abs. 2 des StAG; vgl. auch § 5 Artikel 3 Abs. 2 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt."

17 Über ausgeprägten völkischen Dünkel und die rechtsextremen Tendenzen bei zwei Dritteln der Bevölkerung der BRD gibt eine einschlägige Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung Auskunft; vgl.: Gunter Hofmann, "Starke Hand gesucht", Die Zeit, Nr. 52, 20. Dez. 2000, S. 7.

18 Vgl.: "Zahl der Einbürgerungen wächst", SZ, 16. Mai 2000; "50 000 Ausländer-Kinder wurden Deutsche", SZ, Nr. 291, 18. Dez. 2000, S. 5.

19 Vgl.: "Die Frist für die Einbürgerung von Ausländerkindern bis zum 10. Lebensjahr läuft am 31.12.2000 ab", URL: http://www.klick-nach-rechts.de/gegen-rechts/2000/12/frist.htm.

 

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Ausgabe April 2001 (19. Jg., Heft 4/2001)