Roland Schaeffer

Wasser ist kein Gold

Zur globalen Debatte über eine lokale Ressource, die nur kulturell geformt zu haben ist

Der Umgang mit Wasser kann nur sinnvoll gestaltet werden, wenn es als Bestandteil der jeweiligen materiellen Kultur einer Gesellschaft verstanden und behandelt wird. Die Veränderung des Wasserbedarfs ist in dieser Perspektive Teil der Modernisierungsprozesse, die jene jahrhundertealten Kulturen verändern oder zerstören, welche auf Subsistenzwirtschaft basieren – Kulturen, in denen noch die Hälfte der Menschheit direkt von der Natur lebt. An ihrer Stelle entstehen heute industrielle und konsumistische Kulturen, die die meisten jener Probleme verursachen, die dann als »Wasserkrise« globale Aufmerksamkeit erlangen. Diesen Kreislauf gilt es zu durchbrechen.

 

Wieder und wieder erzählen Experten und Medien dieselbe Geschichte vom traurigen Zustand der weltweiten Wasserversorgung und nennen die alarmierenden Zahlen, die uns alle zum Handeln auffordern sollen: 1,2 Milliarden Menschen sind ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser, 2 Milliarden ohne angemessene Sanitäreinrichtungen, und jährlich sterben 20 Millionen Menschen durch verschmutztes Wasser. Wasserkriege drohen.

Was die praktischen Konsequenzen angeht, gibt es hingegen zwei Varianten. Wir müssen handeln, sagen die einen, und deshalb die Privatwirtschaft international in Stellung bringen. Sie soll, so hört man nicht zuletzt von den Vertretern der Unternehmen selbst, mit ihrem Know-how und Kapital die notwendigen technischen Einrichtungen bauen und betreiben, weil die öffentliche Hand dafür zu ineffizient oder zu korrupt sei.

Wir müssen handeln, sagen auch die anderen, und deshalb vor allem die Profitgier der Wasser- und Dienstleistungsmultis bekämpfen, die sich nur die letzten im Gemeinbesitz befindlichen Schätze der Welt aneignen wollen. Das Eindringen der Multis habe eine noch schlimmere Benachteiligung der Armen zur Folge, die Erhöhung der Wasserkosten und die Erschöpfung der Ressourcen. Die Lösung, sagen diese Kritiker der Privatisierung, müsse deshalb in öffentlicher Verantwortung erfolgen und die jeweils lokalen Organisationen der Betroffenen sollen dabei mitwirken.

Wasser scheint in technisch-praktischer Hinsicht etwas ganz Einfaches zu sein. Etwas, das überall gleich ist, das jeder kennt, von dem jeder weiß, wie es zu handhaben ist. Was zur Lösung der Probleme notwendig ist, scheint klar: Wasserleitungen, Abwasserkanäle, Aufbereitungsanlagen, und wie diese Dinge funktionieren, wäre eine Frage an die Ingenieure an unseren Fachhochschulen. Für den globalen Aufbau einer funktionierenden Wasserinfrastruktur fehlte es dann nur an Geld und gutem Willen. Was die Organisationsformen angeht, sind die bekannten Schlachtordnungen erkennbar: Privat versus öffentlich, Markt versus Staat, dezentral und durch die Betroffenen gesteuert – oder zentral und von oben herab.

Tatsächlich aber kommt die Bewältigung der Weltwasserprobleme nur langsam voran, und inzwischen regen sich Befürchtungen, die Zahl der unzureichend mit Wasser Versorgten könne aufgrund des Bevölkerungswachstums in den nächsten Jahrzehnten zu- statt abnehmen. Der »Wasserbedarf« wächst exponentiell, und die Modernisierung der Wasserversorgung steigert ihn weiter. Industrieller Verbrauch, Bevölkerungswachstum und Klimairritationen kommen hinzu, und für die wasserabhängige Natur bleibt zu wenig, sodass Feuchtgebiete und die dort lebenden Menschen, einschließlich der heimischen Tier- und Pflanzenwelt, verschwinden. Es gibt gute Gründe, eine globale Wasserkrise auszurufen.

Es könnte deshalb sinnvoll sein, die scheinbar so offensichtlichen Antworten nochmals zu prüfen. Das hieße, die Muster zu untersuchen, nach denen die Geschichte erzählt wird. Weshalb gibt es in Indien praktisch keine funktionierende Kläranlage? Warum ist in Afrikas ländlichen Gebieten der Weg zur Wasserstelle noch immer mehrere Kilometer weit? Aus welchen Gründen bricht in den Armenvierteln Limas die Cholera aus? Wie lässt sich erklären, dass der Durchschnittsamerikaner mehr als die doppelte Wassermenge eines Europäers verbraucht?

 

Könnte eine andere Geschichte ein besseres Ende haben?

Die europäisch-amerikanische Wasserkultur ist im 19. Jahrhundert entstanden und hat ihre Grundprinzipien bis heute kaum verändert. Zunächst wurde, ob in Frankfurt, Paris oder London, die Wasserversorgung zentralisiert. Größere Gewinnungsanlagen, meist vor den Toren der Städte gelegen, ersetzten die kleinen Haus- und Straßenbrunnen, und ein zentrales Leitungssystem sowie Pumpwerke ermöglichten den Wassertransport bis in die Häuser. So konnte dort mehr Wasser genutzt werden, und mit der Abschaffung der Waschhäuser an Bächen und Flüssen und der Erfindung der Wassertoilette wurden zusätzliche Nutzungen für die ursprünglich nur zu den Zwecken des Kochens, Trinkens und der Körperhygiene herbeigeschaffte Flüssigkeit entdeckt: das Fortschwemmen von Schmutz und Fäkalien. Es wurde ein mehrfaches der vorherigen Wassermenge verbraucht, also musste für den Abtransport des durch den zum »Durchflussreaktor« Haushalt geleiteten Wassers eine Kanalisation gelegt werden. Aus praktischen Gründen wurden an diese Kanäle dann auch die Handwerks- und Industriebetriebe angeschlossen, die ebenfalls Wasser in bis dahin ungekannten Mengen nutzten. Und weil schließlich die Kanalisation die Flüsse mit Abfällen aus Toiletten und Industrien überlastete, mussten am Ende Kläranlagen entwickelt und gebaut werden, die das so entstandene giftige Gemisch mit hohem technischem Aufwand wieder trennen sollten.

Wenn von globaler Wasserpolitik die Rede ist, geht es in der Regel um nicht weniger als die Übertragung dieses technisch-kulturellen Modells auf andere Weltregionen, wobei sich auch die genannte Reihenfolge der Entwicklungsschritte quasi naturwüchsig einstellt. Aber während es in den gemäßigten Zonen des Nordens, wenn auch mit hohen Kosten und erheblichen ökologischen Schäden, mittlerweile einigermaßen funktioniert, ist es für viele Weltgegenden schlicht unpraktikabel. Wie soll etwa eine Kläranlage funktionieren, wenn es sechs Wochen im Jahr sintflutartig regnet, sonst aber die Hitze alles Wasser sofort verdunsten lässt? Welche Wassermengen werden benötigt, wenn in wasserarmen, aber dicht bevölkerten Gegenden der Gedanke Platz greift, zur Hygiene gehöre zwingend die Wassertoilette? Was trinken in solchen Regionen die Armen, wenn die Reichen sich dort den europäisch-amerikanischen Badezimmerstandard leisten, die zugehörige Kläranlage aber auf sich warten lässt?

Um solche Fragen zu beantworten, müsste eine andere Geschichte erzählt werden. Das hieße vor allem, die unendliche Vielfalt der menschlichen Umgangsweisen mit Wasser endlich ernst zu nehmen. Die europäisch-amerikanische Wassertechnologie wäre in dieser Erzählung nicht mehr als das unvermeidliche Ergebnis des wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritts, sondern Teil eines kulturellen Modells, das ebenso wenig globalisierbar und demokratisierbar ist wie andere hier zu Lande entwickelte Ideen, etwa die individuelle Nutzung von Flugzeugen zur Fortbewegung. Die Vorstellung vom Wasser als etwas ganz Einfachem, das überall nach denselben Regeln zu behandeln ist, wäre als europäische und amerikanische Besonderheit erkennbar – selbst wenn »Wasser« unter Laborbedingungen überall zum größten Teil aus H2O besteht, ist auch diese Beschreibung das Ergebnis spezifischer kultureller Praktiken. Zugespitzt ließe sich sagen: Wasser an sich gibt es nicht. Kulturell »ungeformt« ist es nicht zu haben.

Die Veränderung des Wasserbedarfs ist in dieser Perspektive Teil der Modernisierungs- und Industrialisierungsprozesse, die jene jahrhundertealten Kulturen verändern, verdrängen oder zerstören, welche auf Subsistenzwirtschaft, das heißt auf der lokalen Produktion fast aller lebensnotwendigen Gegenstände basieren – Kulturen, in denen noch die Hälfte der Menschheit direkt in und von der Natur lebt. An ihrer Stelle entstehen industrielle und konsumistische Kulturen, die die meisten jener Probleme verursachen, die dann als »Wasserkrise« globale Aufmerksamkeit erlangen.

Mit der globalen Einheitsressource verschwindet aber auch die Einfachheit der Lösungsmodelle. Anstatt die sozialen und ökologischen Bedingungen Mitteleuropas zum Maßstab zu machen und daran die Qualität der Infrastrukturen zu messen, kommt die unendliche Vielfalt menschlicher Kulturen in den Blick, in deren Alltag Wasser ebenso viele besondere Bedeutungen hat.(1) Die Verbesserung von Wassernutzungsverfahren und Hygienebedingungen hätte dann von den lokalen, an die Art der Vorkommen und die natürliche Umgebung angepassten Wassernutzungskulturen und Hygienepraktiken auszugehen. Die wichtigste davon ist ohne Zweifel die traditionelle Landwirtschaft mit ihren zahllosen Anbaumethoden und Früchten. Aber auch die Verrichtungen des Waschens, der Körperhygiene und des Trinkens gehören zur lokalen Kultur. Vieles davon hat religiösen Charakter – vom Schutz der Ressourcen über die Regeln für Reinheit und Reinigung bis zu Geboten, Dürstenden Wasser zu geben und Brunnen zu schützen. Auf das Wissen und die Praktiken dieser Subsistenzkulturen gilt es aufzubauen, sie gilt es zu stützen, und von ihnen gilt es zu lernen, um an sie anschließen zu können.

Dann könnte die künftige Geschichte von der Wasserkrise anders lauten: Anstelle einer ein für allemal gefundenen, »wissenschaftlich« begründeten, extrem Ressourcen verzehrenden, technisch sehr aufwendigen und stark in ökologische und soziale Strukturen eingreifenden Wassertechnologie, die es global zu verbreiten gilt – wobei jeder wissen kann, dass dadurch vielerorts die »Wasserkrise« erst vollends zum Ausbruch käme –, würde sich ein Feld für anschlussfähige Modelle öffnen, darunter viele, die bereits existieren – und für andere, die erst zu entwickeln wären. Es würde also darum gehen, die Realität der kulturellen und ökologischen Vielfalt ernst zu nehmen und technische Verfahren zu entwickeln, die sich an diese Realität anpassen können.

 

Privatisierung von Monopolen?

Der Aufbau sämtlicher kommunaler Infrastrukturbereiche in Europa beruht auf zwei Säulen: auf einem hohen Maß gesellschaftlicher Stabilität und intensiver staatlicher, konkret meist kommunaler Reglementierung. Häufig trat auch der Staat selbst als Unternehmer auf.

Gesellschaftliche Stabilität bedeutete, dass die Anschluss- und Benutzungskosten in einem vernünftigen Verhältnis zu den jeweiligen Haushaltseinkommen stehen mussten, sodass sie von den Haushalten bezahlt werden konnten und in manchen Fällen aus Steuermitteln so weit subventioniert wurden, dass keine soziale Gruppe an den Rand gedrängt wurde. Der Staat sorgte nicht nur für Überwachung der Dienstleistung und Kontrolle der Gebührenhöhe, sondern sicherte auch die Eintreibung der Kosten bei den Kunden. Was die Regulierungsverfahren anging, wurde je nach transportiertem Gegenstand und Infrastrukturbedarf genau unterschieden: Während der Aufbau der Gasversorgungen in vielen Großstädten von konkurrierenden Gasproduzenten vorgenommen wurde, die im Zweifelsfall mehrere Leitungen nebeneinander verlegten, wurde bei der Wasserversorgung die Konkurrenz meist von vornherein ausgeschlossen. In Deutschland wurden diese Infrastrukturen im Lauf des 19. Jahrhunderts dann fast überall von den Kommunen direkt übernommen(2).

Wasserver- und Entsorgung war in Europa wie in Amerika fast nirgends ein Feld der Markt-, sondern eines der Staatswirtschaft. Denn auch die französische Tradition, das Management von staatlichen Infrastrukturen, also den Betrieb der Anlagen, vom Eigentum daran zu trennen und private Unternehmen damit zu beauftragen, ist nur vor dem Hintergrund eines starken Staates denkbar. Nur eine selbstbewusste, unabhängige Administration, korrespondierend mit unabhängig funktionierenden Rechtsinstanzen, kann Unternehmen Grenzen bei der Ausnutzung derartiger Monopolstellungen setzen. Der unreglementierte Verkauf derartiger staatlicher Monopole an private Firmen ist dagegen in Europa ein neues Phänomen. Es geht auf neoliberale Wirtschaftstheorien zurück, in deren Folge die britischen Konservativen Ende der Siebzigerjahre des letzten Jahrhunderts die Idee entwickelten, dass »natürliche Monopole« für den »Wettbewerb« geöffnet werden sollten. Die entsprechenden Regulierungsverfahren, die für so etwas wie Wettbewerb erst hätten sorgen können, wurden indes nicht mitgeplant. Die praktischen Folgen sind bekannt: Drastische Preissteigerungen bei ebenso drastisch verschlechtertem Dienstleistungsangebot sowie explodierenden Monopolrenditen haben die britischen Regierungen inzwischen gezwungen, diese Politik zu korrigieren.

Ob sich Netzwerke für den Wettbewerb öffnen lassen, hängt nicht zuletzt von ihren technischen Eigenschaften und denen der transportierten Güter ab. Das Straßennetz kann vielen privaten Nutzern als Basis ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten dienen, Stromnetze hingegen sind, sobald sie privat betrieben werden, sowohl für die Ausnutzung der Monopolstellung ihres Eigentümers als auch für Unterinvestitionen bis hin zum Blackout anfällig: Sie werden dann zum Beispiel strahlenförmig angelegt, um die von ihrem Eigentümer gleichzeitig betriebenen Erzeugungsanlagen zu privilegieren, und verlieren damit so die Stabilität, die ihnen durch die (für das Einzelunternehmen nicht profitablen und meist nicht notwendigen) Verknüpfungen der Netzstruktur vermittelt wurde. Auch die Deregulierung der Telefonnetze funktioniert nur in Grenzen, obwohl sie durch die Konkurrenz des netzunabhängigen Mobilfunks stimuliert wird. Von »Wettbewerb« kann hier nur dank der ständigen Kontrollen und direkten Eingriffe der (Re-)Regulierungsbehörde die Rede sein. Zumindest in Deutschland hat sie aber immerhin erhebliche Preissenkungen ermöglicht. Die für Wasserinfrastrukturen geltenden spezifischen Regeln werden ebenfalls von besonderen Eigenschaften des transportierten Gegenstandes beeinflusst. Echte Liberalisierung, das heißt die Öffnung der Wassernetze und die freie Wahl des Lieferanten durch die Kunden, scheitert an den natürlichen Eigenschaften des Stoffes Wasser: Es lässt sich nur unter erheblichem technischem Aufwand und mit hohen Qualitätsverlusten mischen. Mischung aber wäre notwendig, wenn mehrere Anbieter ihr »Produkt«(3) in die Leitung einspeisen. Bei der Wasserversorgung ist, solange nicht mehrere Leitungen parallel gelegt werden, der Netzbetreiber gegenüber dem Wasserkunden automatisch Monopolinhaber.

Dass überhaupt von »Liberalisierung« im Wassersektor gesprochen wird, beruht deshalb auf einem Kunstgriff. Vorbild ist dabei Frankreich, und das dort übliche Verfahren bedeutet, dass der Staat, konkret die Kommune, gegenüber dem privaten Anbieter als Kunde auftritt. Diese öffentliche Instanz ist und bleibt Eigentümer des Netzes, sie legt fest, welche Dienstleistung erbracht werden soll und wählt den »besten« Anbieter für das Management des Gesamtnetzes aus – eine Art Wettbewerb zweiten Grades. Dass die Wassernutzer dabei bessere Qualität oder günstigere Preise erhalten als im Falle eines einfachen staatlichen (d.h. meist kommunalen) Monopols, ist in keiner Weise bewiesen – im Gegenteil ist in vielen deutschen Gemeinden das Wasser besser und billiger als in Frankreich.

Bei der in Deutschland gegenwärtig laufenden Privatisierungswelle kann hingegen von »Wettbewerb« überhaupt keine Rede sein. Hier herrscht aufgrund der Finanznot der Kommunen und der mangelnden Bereitschaft auf Bundesebene, steuernd einzugreifen, das Gesetz des »anything goes«: Die Kommunen verhökern zur Kosmetik ihrer defizitären Haushalte die Unternehmen gleich samt ihrer Infrastruktur. Wenn aber die Infrastruktur nicht mehr im Eigentum der Kommune ist – wenn also eine Firma wie Vivendi 40 Prozent an den Berliner Wasserwerken hält, was der Firma in Frankreich gar nicht möglich wäre – ist auch die Frage nach der Ausschreibung der Management-Dienstleistung und ihrer Vergabe an den besten Bieter, das heißt die Frage nach der Einführung von Wettbewerb, ein für allemal erledigt. Die einfache Wahrheit, die im Nebel der Glaubensbekenntnisse über die Wohltaten der Privatisierung meist untergeht, lautet: Die Privatisierung der Infrastruktur im Wassersektor ist nichts weniger als eine Garantie für private Monopolrenditen, sprich: Privatisierung ist das Gegenteil von Liberalisierung.

Dass Netzwerkindustrien wegen ihrer Monopolstellung bei der Versorgung mit bestimmten Gütern im Falle der Privatisierung einer strengen staatlichen Reglementierung bedürfen, ist, gerade nach den Erfahrungen in Großbritannien, bei liberalen Ökonomen heute Konsens. Eins der Hauptprobleme ist dabei, dass mit dem Verkauf der Infrastruktur meist auch die technischen Experten in das privatisierte Unternehmen wechseln, sodass die staatlichen Stellen die für wirksame Kontrolle notwendigen Kenntnisse verlieren. Umso weniger spricht dafür, dass ein Staat, der ja, so die Privatisierungsfans, nicht in der Lage ist, eine Wasserinfrastruktur effizient zu managen, fähig sein könnte, ein multinationales Unternehmen unter technischen und finanziellen Gesichtspunkten im Interesse der Nutzer wirksam zu kontrollieren.

Weshalb derartige Verfahren sich ohne öffentliche Debatte vielerorts durchsetzen konnten und können, wird nur dann verständlich, wenn man einen weiteren starken Akteur in den Blick nimmt, der im wirtschaftlichen Spiel und in der interessierten Öffentlichkeit über erhebliche Meinungsmacht verfügt: den Finanzsektor. Nicht nur in Großbritannien, auch in Deutschland ging die Initiative für die Privatisierung der kommunalen Unternehmen vom Finanzsektor aus – im Fall des deutschen Wassersektors konkret von der Deutschen Bank, deren Forschungsabteilung Ende der Achtzigerjahre mit einer Studie eine Art Blaupause für das weitere Vorgehen lieferte. Wenn man die Vorderseite der Argumentation – Gemeinwohl-Interessen wie billigere Preise oder bessere Dienstleistung, Themen, die inzwischen in keinem praktischen Fall mehr eine Rolle spielen – beiseite lässt, bleibt als starkes Motiv der Privatisierungsstrategie die dringliche Suche nach sicheren Investments mit garantierten Renditen, wie sie für jedes Fonds-Portfolio benötigt werden.

 

Es gibt kein »blaues Gold« – reichlich fließen staatliche Subventionen

In Deutschland verhandeln Kunden, Kommunen und Eigentümer immerhin »auf Augenhöhe« – es gibt rechtsstaatliche Voraussetzungen und ökonomisch-soziale Bedingungen, die für den Anbieter eine ernsthafte Herausforderung darstellen. Deshalb ist die Privatisierung hier zu Lande zwar in vielen Fällen ein teures Abenteuer, aber sie ist nicht das Ende der Geschichte. Wir dürfen vielmehr davon ausgehen, dass das Beispiel der Stadt Potsdam auch weiterhin Schule machen wird: Dort wurde das Wassernetz soeben – zu hohen Kosten – in kommunales Eigentum zurückgeführt.

In den Ländern der 3. und 4. Welt aber herrschen andere Bedingungen. Umso überraschender ist die scheinbare Naivität, mit der die in Europa und Amerika verbreiteten Modelle den Staaten der Dritten Welt aufgezwungen werden.

Das generelle Argument, Korruption und Schlamperei staatlicher Bürokratien verhinderten dort eine effiziente Versorgung der Bevölkerung, greift zu kurz. Der amerikanische Ökonom Josef Stiglitz hat zu Recht darauf hingewiesen, dass sich bei der Vergabe von Leistungsverträgen oder gar dem Verkauf der Infrastruktur lediglich die Größenordnung verschiebt, in der Korruption ins Spiel kommt – wird sonst im Alltag mit kleineren Summen das Wohlwollen der Mächtigen erkauft, fließen jetzt zu bestimmten Terminen größere Beträge.

»Die zeitgenössischen globalen Eliten«, schreibt der polnische Sozialphilosoph Zygmunt Bauman, »gleichen den traditionellen Latifundienbesitzern, die selbst nicht auf ihren Besitzungen lebten. Man herrscht, ohne sich mit der Last der Verwaltung zu beschweren ... Man muss sich in das Leben der Untertanen nicht mehr einmischen (im Gegenteil, das ist teuer und wenig effektiv und sollte daher tunlichst vermieden werden) ...«(4) An Belegen für Baumans Beobachtung fehlt es nicht. Die Hersteller von Markenartikeln etwa: Sie beschäftigen über ihre Zulieferer Hunderttausende von Angestellten in den Sweat-shops von Bangladesh, Indonesien oder Nicaragua, ohne einen einzigen Arbeitsvertrag abzuschließen. Bei der ersten Forderung nach Lohnerhöhung hingegen kommt die Drohung, ihre Aufträge ein paar Länder weiter zu vergeben und ganze Regionen in furchtbare Krisen zu stürzen. Derartige Strategien zu entlarven, zählt zu den am besten begründeten Argumentationen der Globalisierungskritiker.

Den globalisierungskritischen Analysen zur Wasserwirtschaft zufolge verhalten sich ausgerechnet die Wassermultis RWE, Suez und Vivendi völlig anders: Sie kämpfen darum, ein globales Wasser-Oligopol zu errichten, um in absehbarer Zeit als Herren des Wassers der Welt das kostbare Nass zuteilen zu können. Sie erwerben deshalb möglichst umfangreiche Konzessionen für die Wasserentnahme und die Versorgung der Bürger. Weil Wasser immer knapper wird und die Weltbevölkerung zunimmt, erscheint das als hoch profitables Geschäft. So wird den Ärmsten der Armen ihr Anteil an dem öffentlichen Gut Wasser geraubt, das sie anschließend teuer kaufen müssen. Und weil Profitgier unmäßig macht, wird zusätzlich noch durch Raubbau die Ressource zerstört.

Globalisierungskritische Bücher zur Wasserkrise wie Blaues Gold. Das globale Geschäft mit dem Wasser von Maude Barlow und Tony Clarke(5) oder Der Kampf um das blaue Gold – Ursachen und Folgen der Wasserverknappung von Vandana Shiva(6) sind so aus mehreren Gründen eine verwirrende Lektüre. Der Versuch, ein lokales Problem in seiner globalen Dimension zu beschreiben, führt hier, auf der Spur der globalen Konzerne und ihrer Taten, zu einer halsbrecherischen Springprozession von Kontinent zu Kontinent und von Kontext zu Kontext. Dabei sind sie über weite Strecken beinahe allzu flüssig geschrieben – offenbar hat der TV-Grundsatz, dass kein Argument länger als eine halbe Minute dauern darf, wenn der Zuschauer nicht die Aufmerksamkeit verlieren soll, inzwischen auch die Autoren von Sachbuch-Bestsellern fest im Griff. Insbesondere Barlow und Clarke sind auf eine enorme Menge an Sekundärquellen (offenbar das Ergebnis von Zeitungs- und Internetrecherchen) angewiesen, die häufig eine wenig plausible Außensicht der Dinge wiedergeben – eine Art globales Medien-Bewegungswissen, das konkreter Nachfrage selten gewachsen ist und die vorgetragenen Thesen illustriert, anstatt Argumente anzubieten.

Der Vergleich von Wasser und Gold führt in die Irre. Die Schaffung und Erschließung eines »Weltwassermarktes« nach dem Bild der kolonialen Raubzüge der Vergangenheit zu zeichnen trifft weder die Besonderheit der Ressource Wasser noch die Funktionsweise der neuen Wasserinstitutionen. Die Beute kolonialer Raubzüge – Gold, Diamanten, Elfenbein, selbst Erdöl – bestand aus transportablen Reichtümern. Wer es schafft, sie an sich zu bringen, kann sie von ihren lokalen und kulturellen Kontexten trennen, als Schätze ins Mutterland schaffen und dort mit Gewinn verkaufen.

Wer hingegen eine Konzession zur Wasserversorgung irgendwo in der Welt kauft, erwirbt eine lokale Ressource. Das ist ein Unterschied ums Ganze. Denn die großen Mengen werden lokal verbraucht, und der Transport des Wassers selbst lohnt, von Ausnahmen abgesehen, allenfalls über ein paar Kilometer.(7) Er muss also dieses Wasser erst zu Geld machen, das heißt, er muss es mit Hilfe einer teuren und komplexen Infrastruktur zu den Nutzern, seinen Kunden, transportieren, diese veranlassen, ihn dafür zu bezahlen, und dann das Geld regelmäßig in kleinen Beträgen einsammeln. Erst wenn ihm alle diese Operationen, bis zu deren routinemäßiger Abwicklung es auch in vielen Teilen Europas mehr als ein Jahrhundert gedauert hat, gelungen sind, kann er seinen Gewinn nach Hause schaffen.(8) Wer die Wasserversorgung oder -entsorgung übernimmt, begeht deshalb gleich mehrere Todsünden gegen den Geist von Baumans neuem »flüchtigem« Kapitalismus: Er beschwert sich mit der »Last der Verwaltung«, errichtet und managt ein komplexes technisches System und mischt sich ebenso in das Privatleben der Bevölkerung ein wie in ihr alltägliches wirtschaftliches Handeln.

Und er ist dabei, zumal als Fremder und all seiner finanziellen Macht zum Trotz, höchst angreifbar. Zahlreiche Beispiele, gerade auch in den zitierten Büchern, zeigen, dass Konzessionäre das Handtuch werfen oder von der Bevölkerung, die über schlechte Dienstleistung und steigende Preise erzürnt ist, außer Landes gejagt werden.

 

Wasser ist zu wichtig für ein Privatisierungs-Roulette

Die internationalen Wasserunternehmen erweitern ihre Geschäfte deshalb am liebsten dort, wo sie mit den eingangs aufgezählten Problemen am wenigsten konfrontiert werden: In halbwegs funktionierenden Gemeinwesen und unter den Bedingungen ökonomischer Stabilität. Und sie vermeiden nach Kräften, sich dabei durch den Einsatz eigener Finanzmittel festzulegen. Um einen Investor, der die katastrophalen Zustände bei der Wasserversorgung in Algier in den Griff bekommen soll, bemüht sich die Weltbank deshalb seit Jahren vergebens. Und ländliche Regionen oder Slumgebiete, deren Kaufkraft für keine Wassergebühr ausreicht, deren Zahlungsbereitschaft ungeklärt ist und deren natürliche Bedingungen mit herkömmlicher Infrastruktur nicht zu bewältigen sind, bleiben ohnehin frei von Privatisierungsangeboten. Um noch einmal Zygmunt Bauman das Wort zu geben: »In einer bemerkenswerten Verkehrung jahrtausendealter Tradition entwickeln heute die Großen und Mächtigen eine Vorliebe für das Flüchtige und Vorübergehende, während die Verlierer verzweifelt versuchen, ihren Schrott am Laufen zu halten.«(9)

Wahrscheinlich haben die »globalisierungskritischen« Autoren in einem Punkt Recht: Von der Privatisierung des Wassers ist die Lösung der Probleme nicht zu erwarten. Dass jährlich Milliarden an Weltbankkrediten und Entwicklungshilfe-Geldern in solche Privatisierungsprojekte fließen, hängt nicht davon ab, ob es den Unternehmen gelingt, die Menschen vor Ort für ihre Ziele zu gewinnen oder das dauerhafte Funktionieren der von ihnen gebauten Anlagen zu garantieren. Die internationalen Wasser- und Consultingunternehmen müssen vielmehr die möglichen Geldgeber für Investitionen – also Menschen aus der industrialisierten Welt – davon überzeugen, dass hier Geld auf kontrollierbare Weise regelkonform ausgegeben wird. Ob das jeweilige Projekt sich am Ende als sinnlos erweist, danach wird, wenn überhaupt, erst viel später gefragt.(10) Einheimische Unternehmen kommen hingegen bei den internationalen Kreditgebern aus vielen Gründen fast nie zum Zuge.(11)

Die so genannte Privatisierung der Wasserdienstleistung kommt denn bei internationalen Projekten in der Regel nur dank öffentlicher Milliardensubventionen zustande. Das »Gold« fließt, wenn überhaupt, aus den mit Steuermitteln gespeisten staatlichen Töpfen der Entwicklungsagenturen von der deutschen KfW bis zur Weltbank, die es den Wasserunternehmen gegen das Versprechen zur Verfügung stellen, in irgendeinem Land die Wasserinfrastruktur auszubauen und zum Funktionieren zu bringen. Die Privatisierer holen ihr Geld mit bestem Gewissen beim Staat ab.

Der Eingriff multinationaler Konzerne dürfte dabei in vielen Fällen wenig praktische Erfolge erzielen, aber das Gegenteil dessen bewirken, was Ziel jeder Entwicklungszusammenarbeit sein müsste. Der anbietende Wassergigant verfügt häufig über eine Finanzkraft, die derjenigen des Staates weit überlegen ist, auf dessen Gebiet er tätig wird. Seine Angestellten verdienen oft in wenigen Tagen so viel, wie sich ihre Gesprächspartner vor Ort im Jahr als Einkommen erhoffen. Er verfügt über die nötigen juristischen Kenntnisse und hat mit dem Herkunftsstaat eine machtvolle Basis, um im Fall von Vertragsverletzungen (oder dem, was dazu erklärt wird), gegen die Städte und Regionen vorzugehen, die seine Dienstleistung nicht mehr wünschen. Die Fälle nehmen zu, in denen das Ergebnis der Privatisierung nicht ein funktionierendes Wasserunternehmen ist, sondern eine auf halbem Wege verlassene Baustelle – nebst einer Serie von Millionenklagen vor internationalen und nationalen Schiedsgerichtshöfen(12). Und die gegenwärtigen WTO-Verhandlungen zum Dienstleistungssektor drohen dieses Ungleichgewicht noch zu verschärfen.

Die eigentliche Aufgabe der Entwicklungspolitik wird hingegen mit einem unsinnigen »Markt«-Argument (es kann, wie oben dargestellt, ebenso wenig einen echten Markt für Wasser geben, wie es blaues Gold gibt) und unbegründeten Heilserwartungen kurzgeschlossen. Funktionierende Wasserstrukturen, gleich welcher Art, basieren auf einem funktionierenden Alltag der Menschen – und bei dessen Gestaltung können multinationale Dienstleister nur sehr begrenzt helfen. Die Aufgabe hieße Hilfe zur Selbsthilfe, sie bestünde darin, einen Prozess in Gang zu setzen, der eher dem »nation building« ähnelt und vor Ort Verbündete für eine bessere Infrastruktur und damit einen leichteren Alltag finden muss. Es geht um Dorfgemeinschaften, die sich einen Wasserspeicher anlegen oder ihre Toiletten verbessern, um dezentrale Sanitäranlagen, um Leitungen, die zu Straßenbrunnen führen, aber auch um innovative technische Entwicklungen, die in den Megalopolen eine Alternative zum Wasserklosett ermöglichen würden und auch für die Mittelschichten akzeptabel wären.(13) Von alledem ist in den herkömmlichen Wasserkontroversen kaum die Rede.

Ein wichtiger Effekt einer solchen Strategie wäre die Erhaltung der seit Jahrtausenden erprobten Kreisläufe auch der Abfallstoffe überall dort, wo das möglich erscheint – wenn auch auf einem hygienetechnisch verbesserten Niveau. Es wäre ein Segen für die Landwirtschaft besonders dort, wo die Humusschicht dünn ist und künstlicher Dünger nicht erschwinglich, wenn die europäische Erfindung der letzten 150 Jahre, Wasser durch Fäkalien zu vergiften, erst gar nicht eingeführt würde.

Gewiss: für eine Institution wie die Weltbank wären mit einer derartigen Strategie enorme Probleme verbunden. Da würden die von den Industrieländern bereitgestellten Gelder nicht mehr nach dem Proporz dieser Geber an deren multinationale Unternehmen verteilt werden können, die Projekte würden kleiner, und das Risiko, dass Gelder auf bürokratisch unkorrekte Weise verschwinden, würde steigen, (auch wenn es dabei, verglichen mit den gegenwärtig bürokratisch korrekt verschwindenden Summen, um bescheidene Beträge gehen dürfte), die Technologien würden innovativer und deshalb manchmal riskanter, die lokalen Eliten, die ihre Vorstellung von »richtiger« Wassertechnik aus dem westlichen Vorbild beziehen, würden möglicherweise nicht mitmachen. Vielleicht würden sogar die Summen insgesamt kleiner, die »wir« für die dringende Lösung der globalen Wasserprobleme aufbringen – in öffentlichen Debatten ein nicht unerhebliches Problem.

Die Umweltbewegung hingegen gerät in Gefahr, einen Kampf gegen die Windmühlenflügel der privaten Profitinteressen zu entfachen – und dabei zu übersehen, dass es die europäisch-nordamerikanischen Infrastrukturmodelle selbst sind, die Kultur und Natur zerstören. Erst durch diese Modelle werden private Großunternehmen überhaupt erst ins Spiel gebracht, weil sie als Erbauer und Betreiber derartiger Anlagen das notwendige Know-how besitzen.

Wer die Verhältnisse wirklich verbessern will, kann Wasser nicht als global identischen Rohstoff behandeln – er muss die ganze Frage stellen: Die nach dem lokalen Alltag, den Lebens- und Wirtschaftsweisen, den damit verbundenen Wasser- und Bodennutzungskulturen – und erst dann nach der Antwort in Form einer ökologisch verträglichen, zumindest im Betrieb vor Ort finanzierbaren und kulturell angemessenen Technologie suchen.

Die ganze Frage stellen hieße Finanzierung von Forschungsprojekten mit den Beteiligten vor Ort und den örtlichen Schulen und Hochschulen, hieße Unterstützung der betroffenen Kommunen und Regierungen, hieße sorgfältige Bestandsaufnahme der vorhandenen Wasserkulturen. Es ginge um die kleinteilige Arbeit an lokalen Verbesserungen auf einem Feld, wo niemand die Problemlösung von zu Hause mitbringen kann. Und wenn dabei im Einzelfall das Know-how eines international tätigen Unternehmens weiterhelfen kann, sollte man es in aller Ruhe in Anspruch nehmen.

 

1

Vandana Shiva verdanken wir die Aufzählung von 108 Namen eines einzigen Flusses, des Ganges. Vandana Shiva: Der Kampf um das blaue Gold. Ursachen und Folgen der Wasserverknappung, deutsche Ausgabe Zürich (Rotpunkverlag) 2003, S. 193.

2

Die Vorstellung, dass dies ein einfacher und gradliniger Vorgang gewesen sei, bei dem die Fehler der Anfänge durch die Erfahrung korrigiert und schließlich in eine allgemein geteilte Vorstellung von optimaler Gestaltung übergegangen wäre, trifft nicht zu – häufig wechselten Anlagen und Unternehmen mehrfach zwischen dem privaten und dem öffentlichen Sektor hin und her, und der Disput ist auch im alten Europa keineswegs abgeschlossen.

3

Dass die »Herstellung« dieses »Produkts« ihrerseits auf einem staatlich verliehenen und strengstens reglementierten und kontrollierten Monopol, dem Recht auf Wasserentnahme an bestimmten Orten, beruht, kann hier außer Acht bleiben.

4

Zygmunt Bauman: Flüchtige Moderne, Frankfurt am Main (edition Suhrkamp) 2003, S. 21.

5

Maud Barlow, Tony Clarke: Blaues Gold. Das globale Geschäft mit dem Wasser, München (Kunstmann) 2003.

6

Vandana Shiva, a.a.O. Das Buch enthält viele hochinteressante Beispiele und Detailbeschreibungen, insbesondere aus Indien, so wird zum Beispiel beschrieben, wie die im Gefolge der »Grünen Revolution« durchgesetzten modernen landwirtschaftlichen Bewirtschaftungsverfahren Wassermangel verursachten. Leider hat aber auch Vandana Shiva, die in Deutschland als eine der Ersten den Zusammenhang von Subsistenzwirtschaft und Ökologie beschrieben und auf die Produktivität traditioneller Formen der Landbewirtschaftung im Gegensatz zu den agrarindustriellen Verfahren hingewiesen hat, nicht gewagt, sich auf lokalen Wasserkulturen und die Möglichkeiten ihrer »sanften« Verbesserung zu konzentrieren, sondern einen »globalen« Wurf versucht, der nicht die analytische Präzision ihrer sonstigen Arbeiten erreicht.

7

Hier ist von Wasserver- und -entsorgung die Rede, nicht von Flussumleitungsprojekten, Staudämmen oder Wasserpipelines, die die Wasserverteilung großräumig verändern und dabei das Gemeineigentum indigener Bevölkerungen enteignen und regionale Kulturen zerstören. Zwar sind auch bei derartigen Großprojekten stets westliche Privatunternehmen beteiligt, aber eben nicht die genannten Wasser-Dienstleister. Außerdem steht hier meist das Renommee von Diktatoren und nicht der marktwirtschaftlich zu erzielende Gewinn im Vordergrund.

8

Wie unendlich schwierig, ja unmöglich es im fernen »Ruritanien« sein kann, auch nur eine Liste der Wasserverbraucher zu erstellen und auf dem aktuellen Stand zu halten, hat der Ethnologe Richard Rottenburg auf höchstem philosophischem Niveau erörtert. Vgl. seine ebenso brillante wie amüsante Studie Weit hergeholte Fakten. Eine Parabel der Entwicklungshilfe, Stuttgart (Lucius & Lucius) 2002.

9

Bauman, a. a. O., S. 22.

10

Vgl. hierzu Rottenburg, a. a. O., der höchst sarkastisch schildert, wie eine Entwicklungshilfeinstitution auf das Scheitern eines Projektes reagiert: durch ein neues Projekt.

11

Auch hierzu vgl. Rottenburg,, a. a. O.

12

In der Zeit lieferte Christiane Grefe anhand eines international umfassend diskutierten Paradeprojekts, der Wasserversorgung von Manila, eine sorgfältige Detailbeschreibung, die die unterschiedlichen Interessen, aber auch die Leistungen der Beteiligten würdigt.

13

Die deutsche GTZ hat, auf Initiative u. a. des Hamburger Professors Ralf Otterpohl, diese Thematik mit ihrem »ecosan« (= ecological sanitation)-Projekt aufgegriffen, das weltweit alternative Technologien sammelt und optimiert.

 

 

 

Aus: »Kommune. Forum für Politik, Ökonomie, Kultur«, Ausgabe 6/03, Dezember 2003.