Inhalt 6 - 2003


In dieser Ausgabe

 

Verschwindet die Idee der Bürgerversicherung wieder im tagespolitischen Ringen zwischen Regierung und Opposition? Begnügt sich, in Sachen Altersversorgung, Reformpolitik mit Salamitaktik? Schon bisher galt das deutsche Rentensystem als »konservatives« – wird jetzt wieder die Chance versäumt, die angeschlagene Generationensolidarität zu stärken? Michael Opielka führt eine Idee aus, die zum inneren Zusammenhalt einer brüchiger gewordenen Gesellschaft beitragen könnte. Denn soziale Gerechtigkeit verkommt in der neoliberalen Gesellschaft immer mehr zum Fremdwort, wie Günter Franzens Bericht über den ökonomischen Kahlschlag im sozialpsychologischen Bereich verdeutlicht.

Neoliberale Marktstrategien spielen im Bereich der internationalen Ressourcen-Politik eine große Rolle. Es geht hier um Rohstoffe sowie daraus gewonnene Energie, deren Vorkommen begrenzt sind. Es geht vor allem um die Frage ihrer Verfügbarkeit, ihrer Verteilung, der Infrastruktur und des Handels. Die Antworten könnten unterschiedlicher nicht sein. Sie zeigen zugleich auf, wie schwer es ist, prinzipielle Aussagen zu treffen. Roland Schaeffer möchte das Wasser als lokale Ressource in den jeweiligen kulturellen Kontext gestellt sehen, das vor dem Zugriff der westlichen Globalisierung, die »Wasserkrisen« verursacht, geschützt werden sollte. Uschi Eid wiederum hat dann nichts gegen Privatisierung einzuwenden, wenn auch ein soziales Programm erfüllt wird, denn an der Versorgung versagen kann auch eine unfähige öffentliche Hand. Der Strommarkt wiederum ist ein gutes Beispiel, dass hier, entgegen dem Geschwätz der Marktapologeten ein Monopol entsteht, das flächendeckende Ausfälle wie jüngst in den USA und in Italien »produziert«. Die Probleme um den Klimaschutz und Ressourcenkämpfe in Lateinamerika zerfächern das Bild einer gefährdeten Welt noch mehr...

... diese »freie Welt«, was hat sie schon für glänzende Perspektiven zu bieten? Ihre Vision vom unbegrenzten Wachstum ist eingebettet in Zerstörung und Krieg. Die Suche nach dem »besseren Leben« wirft Michael Jäger in seinem Essay zur Geschichtstheologie auf. Dabei geht es nicht um eine Rückwendung zu einer Religion des Trostes und des Jenseits, sondern um die Neubefragung des Unabgegoltenen im Hier und Jetzt.


THEMA

SOZIALBAUSTELLE
Bürgerversicherung mit Grundrente: Jeder zahlt nach seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ein – ähnlich wie bei der Einkommenssteuer. Die Frage ist, was eine Gesellschaft als soziale Gerechtigkeit formuliert, was sind öffentliche Güter, wie lässt sie ihre Mitglieder daran teilhaben. Das trägt dazu bei, ob sich der Kitt zwischen den Generationen lockert oder ob er sie verbindet. Derzeit ist eher die Rede von schmerzenden Einschnitten...

Generationensolidarität neu denken. Plädoyer für eine Bürgerversicherung mit Grundrente. Michael Opielka
Seite 6

 

Unten durch. Ökonomischer Kahlschlag. Sozial Panik. Individuelle Gewalt. Günter Franzen
Seite 13

 

SPD – eine moderne Partei in der Mediendemokratie? Umbau, nicht Abbau des sozialen Gefüges wird die Sozialdemokratie vor dem Absturz retten. Arne Heise
Seite 17

  

FORUM
»KOPFTUCH«

Das Bundesverfassungsgericht entschied in der Kopftuchklage, dass es nicht entscheiden wollte – Feigheit? Nein, meint Victor Pfaff, denn es fordert die Notwendigkeit einer öffentlichen Meinungsbildung, die Bürger sollen also nachdenken. Ja, meint Siegfried Knittel, denn es widerspricht dem aufklärerischen Geist des Grundgesetzes.

Haar unter der Haube. Zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes. Victor Pfaff
Seite 19

 

Clash der Kulturen hier zu Lande. Das Kopftuch – kein Mehr an Selbstbestimmung. Siegfried Knittel
Seite 22

 

REPORTAGEN

Wasser-Bilder. Fotos von Ilja C. Hendel und Markus Kirchgeßner
Seite 24

 

Ausgegraben: Ermordete im spanischen Bürgerkrieg. Zeichnungen von Simon Manfield
Seite 80

  

ZUR ZEIT
RESSOURCEN-POLITIK
Naturreichtümer sind endlich. Wer verfügt letztlich über das rare Gut Wasser? Was bedeuten da Markt und Privatisierung? Stärken nicht Durchleitung und Entgrenzung des Strommarktes die Monopolbildung statt Verbraucher und Sicherheit? Untergräbt die dominante Energiewirtschaft nicht sowohl die Souveränität Erdöl besitzender Nationen als auch die Versuche weltweiter Klimaschutzpolitik? Bleiben da nur Rebellionen, wie etwa in den Anden, oder gibt es Aussichten auf Bündnisse, die in weltumspannenden Institutionen Ausplünderung und Verwüstung eindämmen?

Wasser ist kein Gold. Zur globalen Debatte über eine lokale Ressource, die nur kulturell geformt zu haben ist. Roland Schaeffer
Seite 25

 

Beim Wasser zählt die Qualität. Ob private oder öffentliche Hand: Optimierung der Wasserversorgung jenseits ideologischer Muster. Uschi Eid
Seite 32

 

Grenzen der Erde. Klimaschutzpolitik gegen die globalisierte Ölwirtschaft. Hartwig Berger
Seite 35

 

Markt unter Strom. Wenn Marketing und Börse die Stromversorgung dominieren. Wolfgang Hafner
Seite 40

 

Dauerkrise in den Anden. Bolivien und Venezuela: Konflikte um Öl, Gas und Wasser. Albert Sterr
Seite 42

 

ZUR ZEIT

Americana (2): Brooklyn / Williamsburg, N. Y. Martin Altmeyer
Seite
51

 

Ein Weg mit Hürden. Kroatien im Reformprozess. Dunja Melcic
Seite 54

  

SCHWERPUNKT
JENSEITS DER ERLÖSUNG
Die großen Geschichtserzählungen der Moderne gehen hervor aus der theologischen Vorstellung von Heilsgeschichte. Haben sie sich davon je gelöst? Die Annahme, schwarze Zeiten seien Vergangenheit und Säkularisierung eine Tatsache, hält unser Autor für falsch. Der 11. September 2001 war dafür ein Zeichen. Die neutestamentarische Geschichtstheologie kann als Ereignisgeschichte gelesen werden, die uns nicht fremd ist. Sie führt über den Weg der Kirche, über Nihilismus und »Endzeit«, über Rom. Michael Jäger  liest sie als Abwendung vom »strafenden Gott«, als Möglichkeit zur Aufkündigung der Heilsgeschichte.

Geschichtsunterbrechung als theologische Kategorie. Teil I: Die Grundlagenkrise des Neuen Testaments. Michael Jäger
Seite 63

 

Veränderungen im Diesseits – aber der neue Mensch muss warten. Über die christliche Tradition vom Reich Gottes. Christoph Fleischmann
Seite 76

 

FEUILLETON

»Alfred Andersch war niemals hier«. Auf Sansibar – Insel der Gewürze und Gerüchte. Marko Martin
Seite 82

Sontag und Kertész. Oder: Über ein entscheidendes Dilemma unserer Zeit. István Eörsi
Seite 86

Vater, Mutter, Klonkind. Der Verlust der Unverfügbarkeit – Fortpflanzungspolitik und Biopolitik in neuen Büchern. Harry Kunz
Seite 89

Aus der Welt von Gestern? Eine Erinnerung an Otto Weiningers »Geschlecht und Charakter«. Friedhelm Kröll
Seite 92

Familien, Paare, Dreiecksbeziehungen. Gerd Koenen steigt tief in die Psychodynamik des »deutschen Terrorismus«. Martin Altmeyer
Seite 94

Stammheim revisited. Horst Bubecks Bericht – Einblicke und bleibende Fragen. Gerd Koenen
Seite 96

Probleme der Prostmoderne. Thomas Kapielski: Dekonstruieren, bis der Arzt kommt. Wilhelm Pauli
Seite 98

Bücherfenster: Empire – kein Ende / Deutscher Auftritt. Joscha Schmierer
Seite 108

 

Bücherwelt: Über Adorno, erschütternde Bilddokumente der chinesischen proletarischen Kulturrevolution und Totalitarismus: Rolf Wiggershaus, Helmut Forster-Latsch, Rolf Wörsdorfer
Seite 110

 

 

KOMMENTARE & KOLUMNEN

Editorial

Recht: Steuern, steuern und Moral. Uwe Günther
Seite 8

Nachgezählt: Alternde Gesellschaft. Peter Lohauß
Seite 12

Foto-Buch: Lee Friedlander. Helmut Veil
Seite 15

Republikanische Randnotizen (6): Willfried Maier
Seite 21

Glosse: Unsere Reste. Albrecht von Lucke
Seite 23

Italien: Strategisch aufgestellt. Annemarie Nikolaus
Seite 28

Schweiz: »Retter« von rechts. Kurt Seifert
Seite 30

Kommentar: Europa, Europa! Eve-Marie Kallen
Seite 38

Umweltpolitik: Krisenprävention und internationaler Naturschutz. Sascha Müller-Kraenner
Seite 44

Ereignisse & Meinungen: Macht und Ohnmacht. Balduin Winter
Seite 46

Brief aus Bagdad: Besatzer im Schlamassel. Gregor Mayer
Seite 48

Brief aus Südostasien: Betriebsunfall im Papierlager. Doris Klein
Seite 50

Kommentar: Dreimal Versöhnung. Ernst Köhler
Seite 56

Buch: Zoran Feric erster Roman. Heiko Hänsel
Seite 57

Nachruf: Alija Izetbegovic. Dunja Melcic
Seite 58

Brief aus Österreich: Schwarz-grüner Probelauf. Gerhard Fritz
Seite 59

Brief aus den Niederlanden: Schiphol – Die taube Demokratie. Frank Eckardt
Seite 60

Buch: Abschied von der Religion des Geldes. Kurt Seifert
Seite 72

Film-Schnitte: Trier, Tarantino, Petzold. Marcus Welsch
Seite 100

Untaten & Orte: Behörden. Michael Schweizer
Seite 102

Aus dem Beitrittsgebiet: Das Comeback der Wiese. Superumbau in Hoyerswerda. Wilhelm Pauli
Seite 104

Aufgelesene Töne: Afro-London. Afrikanische Musik in der Themse-Metropole. Christoph Wagner
Seite 106

Titel, Echo, AutorInnen, Impressum
Seite 113/114

 

Aus Anlass des Todes von Elias Petropoulos am 3. September 2003 veröffentlichen wir noch einen Essay aus Kommune 8/02::

 

„Mich persönlich interessiert der Teufel mehr als Gott“. Über den griechischen Dichter Elias Petropoulos.  Peter Mosler

 

Aus: »Kommune. Forum für Politik, Ökonomie, Kultur«, Ausgabe 6/03, Dezember 2003.