Verschwindet die Idee der Bürgerversicherung wieder im
tagespolitischen Ringen zwischen Regierung und Opposition? Begnügt sich, in
Sachen Altersversorgung, Reformpolitik mit Salamitaktik? Schon bisher galt das
deutsche Rentensystem als »konservatives« – wird jetzt wieder die Chance
versäumt, die angeschlagene Generationensolidarität zu stärken? Michael
Opielka führt eine Idee aus, die zum inneren Zusammenhalt einer brüchiger
gewordenen Gesellschaft beitragen könnte. Denn soziale Gerechtigkeit verkommt
in der neoliberalen Gesellschaft immer mehr zum Fremdwort, wie Günter
Franzens Bericht über den ökonomischen Kahlschlag im sozialpsychologischen
Bereich verdeutlicht.
Neoliberale Marktstrategien spielen im Bereich der internationalen
Ressourcen-Politik eine große Rolle. Es geht hier um Rohstoffe sowie daraus
gewonnene Energie, deren Vorkommen begrenzt sind. Es geht vor allem um die
Frage ihrer Verfügbarkeit, ihrer Verteilung, der Infrastruktur und des Handels.
Die Antworten könnten unterschiedlicher nicht sein. Sie zeigen zugleich auf,
wie schwer es ist, prinzipielle Aussagen zu treffen. Roland Schaeffer
möchte das Wasser als lokale Ressource in den jeweiligen kulturellen Kontext
gestellt sehen, das vor dem Zugriff der westlichen Globalisierung, die
»Wasserkrisen« verursacht, geschützt werden sollte. Uschi Eid wiederum
hat dann nichts gegen Privatisierung einzuwenden, wenn auch ein soziales
Programm erfüllt wird, denn an der Versorgung versagen kann auch eine unfähige
öffentliche Hand. Der Strommarkt wiederum ist ein gutes Beispiel, dass hier,
entgegen dem Geschwätz der Marktapologeten ein Monopol entsteht, das
flächendeckende Ausfälle wie jüngst in den USA und in Italien »produziert«. Die
Probleme um den Klimaschutz und Ressourcenkämpfe in Lateinamerika zerfächern
das Bild einer gefährdeten Welt noch mehr...
... diese »freie Welt«, was hat sie schon für glänzende
Perspektiven zu bieten? Ihre Vision vom unbegrenzten Wachstum ist eingebettet
in Zerstörung und Krieg. Die Suche nach dem »besseren Leben« wirft Michael
Jäger in seinem Essay zur Geschichtstheologie auf. Dabei geht es nicht um
eine Rückwendung zu einer Religion des Trostes und des Jenseits, sondern um die
Neubefragung des Unabgegoltenen im Hier und Jetzt.
THEMA
SOZIALBAUSTELLE
Bürgerversicherung mit Grundrente: Jeder zahlt nach seiner
wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ein – ähnlich wie bei der Einkommenssteuer.
Die Frage ist, was eine Gesellschaft als soziale Gerechtigkeit formuliert, was
sind öffentliche Güter, wie lässt sie ihre Mitglieder daran teilhaben. Das
trägt dazu bei, ob sich der Kitt zwischen den Generationen lockert oder ob er
sie verbindet. Derzeit ist eher die Rede von schmerzenden Einschnitten...
Generationensolidarität neu denken. Plädoyer für eine Bürgerversicherung
mit Grundrente. Michael Opielka
Seite 6
Unten durch. Ökonomischer Kahlschlag. Sozial Panik.
Individuelle Gewalt. Günter Franzen
Seite 13
SPD – eine moderne Partei in der Mediendemokratie? Umbau,
nicht Abbau des sozialen Gefüges wird die Sozialdemokratie vor dem Absturz
retten. Arne Heise
Seite 17
FORUM
»KOPFTUCH«
Das Bundesverfassungsgericht entschied in der Kopftuchklage, dass es nicht
entscheiden wollte – Feigheit? Nein, meint Victor Pfaff, denn es
fordert die Notwendigkeit einer öffentlichen Meinungsbildung, die Bürger sollen
also nachdenken. Ja, meint Siegfried Knittel, denn es
widerspricht dem aufklärerischen Geist des Grundgesetzes.
Haar unter der Haube. Zur Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichtes. Victor
Pfaff
Seite 19
Clash der Kulturen hier zu Lande. Das Kopftuch – kein Mehr
an Selbstbestimmung. Siegfried Knittel
Seite 22
Wasser-Bilder. Fotos von Ilja C. Hendel und Markus
Kirchgeßner
Seite 24
Ausgegraben: Ermordete im spanischen Bürgerkrieg.
Zeichnungen von Simon Manfield
Seite 80
ZUR ZEIT
RESSOURCEN-POLITIK
Naturreichtümer sind endlich. Wer verfügt letztlich über das rare Gut Wasser?
Was bedeuten da Markt und Privatisierung? Stärken nicht Durchleitung und
Entgrenzung des Strommarktes die Monopolbildung statt Verbraucher und
Sicherheit? Untergräbt die dominante Energiewirtschaft nicht sowohl die
Souveränität Erdöl besitzender Nationen als auch die Versuche weltweiter
Klimaschutzpolitik? Bleiben da nur Rebellionen, wie etwa in den Anden, oder
gibt es Aussichten auf Bündnisse, die in weltumspannenden Institutionen
Ausplünderung und Verwüstung eindämmen?
Wasser ist kein Gold. Zur globalen Debatte über eine lokale
Ressource, die nur kulturell geformt zu haben ist. Roland Schaeffer
Seite 25
Beim Wasser zählt die Qualität. Ob private oder öffentliche
Hand: Optimierung der Wasserversorgung jenseits ideologischer Muster. Uschi
Eid
Seite 32
Grenzen der Erde. Klimaschutzpolitik gegen die globalisierte
Ölwirtschaft. Hartwig Berger
Seite 35
Markt unter Strom. Wenn Marketing und Börse die
Stromversorgung dominieren. Wolfgang Hafner
Seite 40
Dauerkrise in den Anden. Bolivien und Venezuela: Konflikte
um Öl, Gas und Wasser. Albert Sterr
Seite 42
ZUR ZEIT
Americana (2): Brooklyn /
Williamsburg, N. Y. Martin Altmeyer
Seite 51
Ein Weg mit Hürden. Kroatien im Reformprozess. Dunja
Melcic
Seite 54
SCHWERPUNKT
JENSEITS DER ERLÖSUNG
Die großen Geschichtserzählungen der Moderne gehen hervor aus der theologischen
Vorstellung von Heilsgeschichte. Haben sie sich davon je gelöst? Die Annahme,
schwarze Zeiten seien Vergangenheit und Säkularisierung eine Tatsache, hält
unser Autor für falsch. Der 11. September 2001 war dafür ein Zeichen. Die
neutestamentarische Geschichtstheologie kann als Ereignisgeschichte gelesen
werden, die uns nicht fremd ist. Sie führt über den Weg der Kirche, über
Nihilismus und »Endzeit«, über Rom. Michael Jäger liest sie als Abwendung vom »strafenden
Gott«, als Möglichkeit zur Aufkündigung der Heilsgeschichte.
Geschichtsunterbrechung als theologische Kategorie. Teil I:
Die Grundlagenkrise des Neuen Testaments. Michael Jäger
Seite 63
Veränderungen im Diesseits – aber der neue Mensch muss
warten. Über die christliche Tradition vom Reich Gottes. Christoph
Fleischmann
Seite 76
»Alfred Andersch war niemals hier«. Auf Sansibar – Insel der
Gewürze und Gerüchte. Marko Martin
Seite 82
Sontag und Kertész. Oder: Über ein entscheidendes Dilemma
unserer Zeit. István Eörsi
Seite 86
Vater, Mutter, Klonkind. Der Verlust der Unverfügbarkeit –
Fortpflanzungspolitik und Biopolitik in neuen Büchern. Harry Kunz
Seite 89
Aus der Welt von Gestern? Eine Erinnerung an Otto Weiningers
»Geschlecht und Charakter«. Friedhelm Kröll
Seite 92
Familien, Paare, Dreiecksbeziehungen. Gerd Koenen steigt
tief in die Psychodynamik des »deutschen Terrorismus«. Martin Altmeyer
Seite 94
Stammheim revisited. Horst Bubecks Bericht – Einblicke und
bleibende Fragen. Gerd Koenen
Seite 96
Probleme der Prostmoderne. Thomas Kapielski: Dekonstruieren,
bis der Arzt kommt. Wilhelm Pauli
Seite 98
Bücherfenster: Empire – kein Ende / Deutscher Auftritt. Joscha
Schmierer
Seite 108
Bücherwelt: Über Adorno, erschütternde Bilddokumente der
chinesischen proletarischen Kulturrevolution und Totalitarismus: Rolf
Wiggershaus, Helmut Forster-Latsch, Rolf Wörsdorfer
Seite 110
Recht: Steuern, steuern und Moral. Uwe Günther
Seite 8
Nachgezählt: Alternde Gesellschaft. Peter Lohauß
Seite 12
Foto-Buch: Lee Friedlander. Helmut Veil
Seite 15
Republikanische Randnotizen (6): Willfried Maier
Seite 21
Glosse: Unsere Reste. Albrecht von Lucke
Seite 23
Italien: Strategisch aufgestellt. Annemarie Nikolaus
Seite 28
Schweiz: »Retter« von rechts. Kurt Seifert
Seite 30
Kommentar: Europa, Europa! Eve-Marie Kallen
Seite 38
Umweltpolitik: Krisenprävention und internationaler
Naturschutz. Sascha Müller-Kraenner
Seite 44
Ereignisse & Meinungen: Macht und Ohnmacht.
Balduin
Winter
Seite 46
Brief aus Bagdad: Besatzer im Schlamassel. Gregor Mayer
Seite 48
Brief aus Südostasien: Betriebsunfall im Papierlager. Doris
Klein
Seite 50
Kommentar: Dreimal Versöhnung. Ernst Köhler
Seite 56
Buch: Zoran Feric erster Roman. Heiko Hänsel
Seite 57
Nachruf: Alija Izetbegovic. Dunja Melcic
Seite 58
Brief aus Österreich: Schwarz-grüner Probelauf. Gerhard
Fritz
Seite 59
Brief aus den Niederlanden: Schiphol – Die taube Demokratie.
Frank Eckardt
Seite 60
Buch: Abschied von der Religion des Geldes. Kurt Seifert
Seite 72
Film-Schnitte: Trier, Tarantino, Petzold. Marcus Welsch
Seite 100
Untaten & Orte: Behörden. Michael Schweizer
Seite 102
Aus dem Beitrittsgebiet: Das Comeback der Wiese. Superumbau
in Hoyerswerda. Wilhelm Pauli
Seite 104
Aufgelesene Töne: Afro-London. Afrikanische Musik in der
Themse-Metropole. Christoph Wagner
Seite 106
Titel, Echo, AutorInnen, Impressum
Seite 113/114
Aus Anlass des Todes von Elias Petropoulos am 3. September 2003 veröffentlichen wir noch einen Essay aus Kommune 8/02::
„Mich persönlich interessiert der Teufel mehr als Gott“. Über den griechischen Dichter Elias Petropoulos. Peter Mosler
Aus: »Kommune. Forum für Politik, Ökonomie, Kultur«, Ausgabe
6/03, Dezember 2003.