Jörg-Michael Vogl

Ständiges Wachstum oder Untergang?

Enthegung des Marktes, Entleerung der Politik, naturwissenschaftlicher Nihilismus

 

 

Staatsdemontage, Enteignung des Sozialeigentums zugunsten der Monstrosität einer angeblich unendliche Bedürfnisse weckenden und befriedigenden Wirtschaft, die ein ständiges Wachstum postuliert. Ein Weltbild, so unser Autor, das naturwissenschaftlich untermauert wird von oft inhaltsleeren Diskursen wie in der Informatik oder Gentechnologie. Jenseits der Grenzen das Reich der Freiheit? Mit einem Menschenbild, in dem es nur noch um das Niederreißen aller Grenzen geht und einen Wandel ohne Ende?

In einer kleinen Stadt am Nordrand des Ruhrgebietes, seit Jahren in akuter Finanznot wie viele andere auch, lassen sich die Zeichen des ehemaligen Reichtums aus den Sechzigerjahren noch deutlich erkennen: Zum Beispiel ein immer noch futuristisch wirkender Rathausbau sowie eine Grundschule, die Hans Scharoun, der Architekt der Berliner Philharmonie und Staatsbibliothek, geplant hat. Insbesondere die Schule ist bis heute ein viel besuchtes architektonisches Juwel, jeder Klassenraum ist ergänzt durch die Möglichkeit des Unterrichts unter freiem Himmel, eine Vielzahl von Ebenen und Ecken lädt zum Verweilen ein, die Aula hat eine hervorragende Akustik. Wer diese Gebäude heute betritt, spürt, dass hier ein politisches Programm in Architektur umgesetzt wurde: Den Reichtum der Kommune, gewonnen aus florierender Kohle- und Chemieindustrie, in gemeinschaftlich genutzten Einrichtungen für alle spürbar zu machen.

Die Stadt ist seit langem verschuldet, im Kern handlungsunfähig. Die sieben Millionen Euro zur Rettung der Scharounschule vor dem Verfall könnte die Stadt trotzdem nach und nach aufbringen. Dies würde jedoch sämtliche Möglichkeiten für Reparaturen an Gebäuden und Straßen auf Jahre hinaus binden. Vermutlich wird die schon begonnene Renovierung deshalb abgebrochen.

Der Vorgang ist exemplarisch, nichts Besonderes, seine Struktur ist deshalb aufschlussreich. Zunächst ist die Wirtschaftskraft auch dieser Region insgesamt seit den Sechzigerjahren ständig gewachsen, Geld wird verdient. Die Flächen, die mit Einfamilienhäusern zugebaut werden, nehmen zu, eine wesentliche Chance für das Flächenrecycling der riesigen Industriebrachen. Wie in vielen anderen Regionen auch wird der gemeinnützige Wohnungsbestand, Hunderttausende von Wohnungen in Deutschland, an Investmentfonds verkauft, die ein Mehrfaches an Rendite erreichen, unter anderem durch den Weiterverkauf an Private. Es gibt viele kulturelle Highlights in der Region, neue Opernhäuser und Museen werden gebaut. Zum Teil wird dabei der beeindruckende Bestand der Industriearchitektur effektvoll genutzt. Ein Beispiel ist das Museum Küppersmühle in Duisburg, das die private Sammlung Grothe beherbergt – die gerade an das Sammlerpaar Ströher verkauft wurde, weswegen die zukünftige Leihgebung unsicher ist. Ein weiteres Beispiel ist die Jahrhunderthalle in Bochum, ehemals zum Krupp-Stahlwerk gehörend, die seit einer finanziellen Kraftanstrengung des Landes unter rot-grüner Regierung mit den erfolgreichen Produktionen der Ruhrtriennale bespielt wird – zu Lasten aller anderen kulturellen Einrichtungen. Gefördert wird dies mit EU-Mitteln, weil man weiß, wie wichtig weiche Standortfaktoren für die Ansiedlung von Wirtschaftsunternehmen sind. Außerdem will man am Kultur-Event-Tourismus verdienen.

Auflösung der Deutschland AG

Wie in einem Brennglas zeigen sich an diesen Beispielen die gesellschaftlichen Machtverhältnisse – und man bemerkt, dass sie sich verändert haben. In einem gesellschaftlichen Prozess entstandene, demokratisch festgelegte Prioritäten der Infrastrukturversorgung werden aufgelöst. Veränderungen in Machtverhältnissen sind nichts Neues, dramatisch ist jedoch, wie reibungslos dies abläuft. In der Region müsse alles mobilisiert werden, um in der Konkurrenz mit günstigeren Standorten, etwa Rotterdam, Investoren zu gewinnen, Wachstum zu erzeugen und damit Arbeitsplätze. Alles andere folge daraus. Man weiß: Nur ständiges Wachstum sichert unser Leben, wir müssen bereit sein für den Wandel, müssen versuchen, immer besser zu sein als die anderen, etwas düster formuliert: ständiger Wandel oder Untergang.

Diese Metapher legt eine Spur: Hier wird offensichtlich von allen relevanten Beteiligten ein Bild von Politik vorausgesetzt, bei dem der Gedanke des Setzens von Zielen keine Rolle mehr spielt.(1) Das politische Programm der letzten Jahre kann man als Auflösung und Flexibilisierung der so genannten »Deutschland AG« skizzieren, die gekennzeichnet war durch relativ feste, durch die Großbanken gebündelte Kapitalverbindungen, sozial abgesichert durch betriebliche Mitbestimmung und Subventionen für Krisen-Branchen. Insbesondere die SPD steht nicht vor den Scherben ihres Projektes, im Gegenteil, sie war erfolgreich in der Mobilisierung umfangreicher alter Kapitalbestände, mit denen deutsche Großunternehmen zum Beispiel in Osteuropa dominant werden konnten, erfolgreich in der Rekrutierung von neuem Kapital durch die Teilprivatisierung der sozialen Sicherung sowie durch eine Steuergesetzgebung, die die Börse als Ort der Geldanlage auch für private Haushalte nahe legt.

Dass die SPD erfolgreich war, schlägt ihr bei Wahlen deshalb nicht zu Buche, weil sie mit ihrem Projekt, wie neben anderen Michael Vester in seinen empirischen Untersuchungen nachgewiesen hat, gegen den breit verankerten Konsens in der deutschen Gesellschaft verstoßen hat. Seine Kernthesen: Die traditionellen sozialen Milieus mit ihren je eigenen Sichtweisen und Lösungsstrategien bei den für sie typischen Problemen gebe es, wenn auch umgebaut, immer noch. Ihr Konsens werde gestiftet durch das Konzept »Leistung gegen Teilhabe«. Die Vorstellung einer Individualisierung als Auflösung traditioneller Bindungen hält er insofern für falsch. Die Politikverdrossenheit sei deshalb nicht Zeichen einer Krise der Gesellschaft, sondern der unzureichenden politischen Repräsentation der Milieus. Protest entstehe nicht aufgrund materieller Einschränkungen, sondern weil die Beeinträchtigungen nach dem Maßstab sozialer Gerechtigkeit als eine ungerechtfertigte, grundsätzliche Beeinträchtigung der Lebensweise des Milieus empfunden werde. Es sei die immer tiefer gehende Verunsicherung feststellbar, ob man seinen Lebensstil noch durch die eigene Leistung sichern könne.

Die Katastrophe des unendlichen Wachstums

Die rot-grüne Koalition hat die Herstellung gesellschaftlicher Unsicherheit mitgetragen und wird dafür abgestraft. Ein Aspekt der Erklärung ist sicher, dass in der politischen Diskussion allgemein zur gleichen Zeit Zentralbegriffe, die aus einer bestimmten Entstehungsgeschichte heraus für inhaltliche Zielsetzungen standen, vor allem der Begriff der Gerechtigkeit, endgültig zur beliebig füllbaren leeren Hülle wurden.(2) Hier soll zunächst die These erarbeitet werden, dass nach einer grundlegenderen Struktur gesucht werden muss: Die politische Sinnentleerung geht einher mit einer in veränderten Machtstrukturen durchgesetzten Sinnentleerung der gesellschaftlichen Produktion.

Dies wird in einem ersten Schritt deutlich, wenn man sich klar macht, dass unsere Gesellschaft eine des Reichtums, ja der überschießenden Fülle ist. Es ist sicher richtig, dass dieser Reichtum zunehmend ungleich verteilt wird zwischen den verschiedenen sozialen Gruppen. Der Kern des Problems wird jedoch nicht getroffen, wenn man bei dieser Feststellung stehen bleibt. Eine Zahl mag dies zunächst illustrieren: Kinder und Jugendliche geben nach einer repräsentativen Umfrage mehr Geld für ihr Handy als für Ausgehen aus, nämlich 2,5 Milliarden Euro pro Jahr, davon alleine 190 Millionen für das Herunterladen von Spielen und Klingeltönen. So wie die großen Kaufhäuser an der Wende zum 20. Jahrhundert wesentlich von den Käufen der Dienstmädchen lebten, so lebt heute die Kommunikationsindustrie auch von diesem Massenmarkt. Der Knackpunkt: Ein politisches Abwägen, zum Beispiel möglicher gesundheitlicher Risiken gegenüber dem Komfort des mobilen Telefonierens, findet nicht statt. Gleichzeitig wird mit dem UMTS-Standard der Markt für morgen gemacht, weil bestimmte Unternehmen davon ausgehen, dass die Flexibilisierung des Kommunikationsbedürfnisses immer weitergehen wird. Anders formuliert: Der Markt wird gemacht, eine gesellschaftliche Steuerung findet, trotz der Versuche von Wissenschaftlergruppen und Bürgerinitiativen, jedoch nicht statt.

Das genaue Gegenteil von Mangel zeigt sich auch, wenn für jedes Großunternehmen die »Finanzinvestitionen« genauso wichtig werden wie die Investition in die Produktion von Gütern irgendeiner Art: Problematisch ist offensichtlich der ständig erneuerte Einsatz des Kapitals unter Bedingungen, die zu einer genügend hohen Rendite führen.

Was in jedem Schulbuch steht, dass nämlich Wirtschaften der Befriedigung von Bedürfnissen mit knappen Mitteln dient, scheint heute nur mit einem Schuss Absurdität zu verstehen zu sein. Die Vorstellung, es gebe Knappheiten, die durch Wirtschaften behoben werden, ist jedenfalls erst mit dem modernen Denken entstanden, ein Mythos, wie Hans Achterhuis nachgewiesen hat. Das Knappheitsdenken funktioniert jedoch durch einen Kunstgriff, der sich endgültig wohl erst Anfang des 20. Jahrhunderts mit Gustav Cassel durchgesetzt hatte: Man geht von einer prinzipiellen Unendlichkeit der Bedürfnisse aus. Nur so lässt sich ständiges wirtschaftliches Wachstum denken, ein Gedanke, der so dringend gebraucht wird, um in einer Situation überbordenden Reichtums noch von Knappheit reden zu können.

Peter Fuchs hat diese Metapher wunderschön auseinander genommen, indem er den »gesunden Menschenverstand« benutzte: Ständiges Wachstum einer Blume zum Beispiel ist nur als Katastrophe zu verstehen. Über diese Metapher zu lachen macht den Blick frei für die Frage danach, warum sie eine solche zentrale Stellung einnimmt. Natürlich nützt sie einigen gesellschaftlichen Gruppen, die parasitär, so Fuchs, von dieser Metapher leben. Aber reicht das?

Im freien Spiel der Marktkräfte müsste ein im Überangebot vorhandenes Kapital eigentlich eine Verzinsung erreichen, die gegen Null geht. Darauf hat Christoph Deutschmann hingewiesen. Er arbeitet eine Entleerung der Ziele des Wirtschaftens heraus: Abstraktes Ziel des Wirtschaftens im Kapitalismus sei das Geld mit seiner Eigenart der Ermächtigung zu beliebigem Handeln. Dabei treibt er Ansätze, die die Analyse des Kapitalismus als religiöse Struktur für notwendig halten, weiter und sieht in den ökonomisch-technischen Strukturen des Strebens nach Geldvermögen Strukturen des Strebens nach einer Allmachtsposition, letztlich einer Selbstvergöttlichung von Menschen.

Jedenfalls wurden auch unter der rot-grünen Bundesregierung mit enormem politischem Aufwand Bedingungen erreicht, die Knappheitsdenken herstellen: Ständige Hinweise auf den demografischen Wandel sowie auf die wachsenden Finanzierungsprobleme des öffentlich strukturierten Rentensystems verdichten sich zu einer grundlegenden Unsicherheit, die dazu führt, dass die privaten Haushalte mit einem Teil ihres Einkommens an die Börse gehen. Es hat eine Privatisierung der sozialen Sicherung stattgefunden, vielleicht stärker in den Köpfen als in den Institutionen. Dass seit einigen Jahren bei Nachrichten vor der Wettervorhersage über die Börse berichtet wird, rundet das Bild ab. Der gesellschaftliche Konsens, dass Wirtschaften eine grundlegende Sicherheit herstellen muss, ist angegriffen. Die Antwort darauf artikuliert sich seit langem in dem weit verbreiteten, diffusen Gefühl betrogen zu werden, nicht nur durch die Politik, sondern durch »die da oben« allgemein. Die Euro-Einführung hat dies verstärkt. »Geiz ist geil«, Schnäppchenangebote oder »Volksprodukte« der Bildzeitung vermarkten diese populistischen Stimmungen erfolgreich – und die Intellektuellen merken es nicht, wenn sie diese Schnäppchen-Mentalität auf einem anderen Kaufkraftniveau, vielleicht bei Ferienhäusern in Dänemark oder Italien, teilen. Wie Märkte gesellschaftlich konstituiert werden, zeigt sich hier im Negativen.

Enteignung des sozialen Eigentums

Dass die Herstellung von Sicherheit in der modernen Gesellschaft eine unverzichtbare, historisch gewachsene Aufgabe des Staates ist, daran hat Robert Castel eindringlich erinnert. Dabei sei die Sicherheit des Rechtsstaates, die ursprünglich privates Besitztum voraussetzte, schon früh durch die des Sozialstaates ergänzt worden. Das Sozialsystem sei zu verstehen als soziales Eigentum für diejenigen ohne persönliches Eigentum.(3) Castels Argument kann man auf zwei Ebenen weiterdenken: Wesentlicher Teil des »sozialen Staatsbürgerrechts«, an das er erinnert, müsste auch die Gewährleistung möglichst umfassender Bildung im Sinne ganzheitlicher Förderung aller Kinder sein, schon weil hier die Lebenschancen der nächsten Generation verteilt werden. Und: Der Begriff der Sicherheit ist unwiderruflich erweitert worden. Die sozialen Bewegungen der Siebziger- und Achtzigerjahre sorgten dafür, dass neue elementare Herde der Unsicherheit gesehen wurden: die durch Rüstung erzeugte, die durch Ungerechtigkeiten im weltweiten Vergleich und – am konkretesten nachvollziehbar – die durch die Nutzung der Natur als Rohstofflager und Müllkippe. Abrüstung, Nord-Süd-Ausgleich und Ökologie waren die Lösungsvorschläge.

Was seit längerem jedoch geschieht, ist nicht nur die Enteignung dieses sozialen Eigentums des Sozialstaates, sondern noch grundsätzlicher die reale Demontage der Möglichkeit eines auf der politischen Ebene formulierten, gesellschaftlich, das heißt durch die öffentliche Debatte, durch Gewerkschaften, Mitbestimmung und so weiter gesetzten Ziels für die Wirtschaft überhaupt. Warum konnte diese Enthegung des Marktes bezüglich der sozialen Sicherheit gegen viele Widerstände erfolgreich sein? Die Bedeutung dieser Frage wird noch hervorgehoben, wenn man bedenkt, dass gleichzeitig zum Beispiel der Bio-Lebensmittelmarkt vom Nischenmarkt einer Bildungsschicht zum Massenmarkt wurde: Hier war die gesellschaftliche Zielgebung für einen Markt offensichtlich trotz der Widerstände erfolgreich.

Gerade in den genannten sozialen Bewegungen war die Grundannahme der Individualisierung der Gesellschaft stark: Liberalisierung, ja Verflüssigung gesellschaftlicher Institutionen bis zur Atomisierung des Einzelnen, Patchwork-Identitäten und Bastelbiografien als Lebensentwürfe. Der Gedanke der Individualisierung setzt letztlich voraus, dass sich unsere Gesellschaft von ihrer Struktur her nicht auf einheitliche Ziele verständigen kann.(4)

Die Diagnose ging häufig mit einer positiven Bewertung dieser Unsicherheit und des ständigen Wandels als Chance einher. Genau an diese Strömung knüpfte zum Beispiel das Schröder-Blair-Papier 1999 an. Eine Anpassung an veränderte Realitäten erschien nicht nur den Regierenden, sondern vielen ihrer intellektuellen Mitstreiter unumgänglich, auch gegen traditionalistische Strömungen in der Partei und den Gewerkschaften. »Wähler, die in ihrem täglichen Leben Initiative und Anpassungsfähigkeit im Hinblick auf die wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen beweisen müssen, erwarten das Gleiche von ihren Regierungen und ihren Politikern«, so eine Kernaussage des Papiers.

Dieser Entleerung der Politik angesichts des Wandels, dem man sich nur anpassen kann, entsprach der Rückzug des Staates auf die Moderation sowie die Förderung von Verflüssigung: Alte Institutionen müssen aufgelöst und neue gestaltet werden – wobei auch Festlegungen des Grundgesetzes als irrelevant angesehen wurden. Jedenfalls entwickelt der herrschende politische Diskurs Ähnlichkeit mit dem der Wirtschaft: Es müssen ständig alte Produkte entwertet und neue hervorgebracht werden – weil die Bedürfnisse und deshalb das Wachstum ja unendlich sind. Die politische Konsequenz ist klar: Wenn man die Welt als Entfaltung gesetzmäßiger Prozesse sieht, kann man sich eine politische Zielsetzung für die Wirtschaft nicht vorstellen. Die Frage, ob man Kindern die bestmögliche Bildung unter optimalen Bedingungen geben müsse, ist dann doppelt sinnlos: Die Stadt hat das Geld nicht – und niemand braucht diese vielen musisch, sportlich, sozial, intellektuell geförderten Kinder …

Allerdings hört man: Wir können es uns »buchstäblich nicht leisten, eine einzige Begabungsreserve in unserem Volk unausgeschöpft zu lassen«,(5) weil in der Globalisierung unsere Fähigkeit zur Innovation die Zukunft unseres Landes bestimme. Die Rede ist davon, dass so wie die Ölreserven auch die Begabungsreserven gehoben werden müssen, um im Prozess der ständigen Erneuerung mobilisiert zu werden. Wofür die Begabungen genutzt werden sollen, ist damit klar ausgesprochen. Die Begrifflichkeit verweist darüber hinaus auf spezifische Erklärungsansätze dafür, wie diese Ressourcen entstehen. Durch diese Redeweise werden also die politische und die ökonomische Dimension auch mit einer naturwissenschaftlichen verknotet, es geht um ein Bild der Welt insgesamt.

Ein Aspekt des Weltbildes junger Erwachsener ist verblüffend klar. Fragt man sie, wie es mit den Menschen weitergeht, wenn zum Beispiel die Autodichte Chinas und Indiens genauso hoch ist wie die Westeuropas, so kommt ihre Antwort ganz selbstverständlich: Wenn die Erde ausgeplündert ist, wandert die Menschheit aus auf andere Planeten! Alles, was Menschsein ausmacht, konkreter Körper in konkreter Landschaft, verliert mit einem Satz jede Bedeutung. Michael Jäger hat in vielen Arbeiten die intellektuellen Wurzeln dieser Denkweise, die zum Vernichten und Ersetzen der Erde führt, herausgearbeitet. Dass dieser Prozess prinzipiell lenkbar sein könnte, widerspricht allen alltäglichen Erfahrungen der Jugendlichen. Gebrochen wird der erste Satz, mit dem die Flucht von der Erde erwartet wird, jedoch vom zweiten: Die Plätze in den Raumsiedlungen werden sich »die da oben« sichern.

Entgrenzung und entleerte naturwissenschaftliche Diskurse

Die Denkfigur, es gebe einen notwendigen, sich allmählich entfaltenden Prozess, dem man sich nur anpassen könne, weist über die Bereiche Politik und Wirtschaft hinaus. Deshalb muss nach ihren Wurzeln gesucht werden. Dies ist auch die Perspektive von Evelyn Hanzig-Bätzing und Werner Bätzing. In einem bedrückenden Panorama unterschiedlicher gesellschaftlicher Teilbereiche arbeiten sie die zerstörerische Kraft von nichts anderem als der Entfaltung der jeweiligen Funktionslogiken heraus, die traditionell respektierte Grenzen auflöse. Widerstand hat deshalb keinen Platz, es sei denn als paradoxe, unerwartete Reaktion. Er kann nicht organisiert werden, es bleibt nur die Haltung der Verweigerung.(6) Eine optimistischere Sicht ergibt sich jedoch, wenn man bedenkt, mit welchem Aufwand soziale Unsicherheit in der Form der Entleerung gesellschaftlicher Zielsetzung erst hergestellt worden ist und welches grundlegende Misstrauen dies hervorruft.

Dass nicht von der Entfaltung einer Funktionslogik gesprochen werden kann, sondern dass ein bestimmter Diskurs, teilweise durchaus aus Zufällen heraus, sich durchsetzte, kann man gerade an der von ihnen analysierten Biotechnologie sehen. Lily M. Kay stellt in einer hochinteressanten historischen Fallstudie die Entwicklung der Mikrobiologie seit dem Zweiten Weltkrieg und dem Kalten Krieg dar. Den Kern des neu entstehenden wissenschaftlichen Diskurses bildete die Metapher der Schrift, des Codes. Quelle war die Informationstheorie Norbert Wieners, Claude Shannons und John von Neumanns als Leitwissenschaft, massiv gefördert vor allem durch das US-Militär. Kay macht klar, dass die Metapher des Codes sich erst nach und nach durchsetzte, dass sie für einflussreiche Forscher nicht erkenntnisleitend war, andere mit dem Programm einer eng geführten Forschung unter dem Codebegriff scheiterten. Irgendwann sei jedoch Forschung nur dann überhaupt wahrgenommen worden, wenn sie mit dem Begriff des Gencodes arbeitete. Brauchbar habe sich dieser Begriff dabei gerade in einer diffusen, von konkreten Bedeutungen entleerten Form erwiesen: Die in der ursprünglichen linguistischen Verwendung mitgedachten Aspekte des Kontextes oder des Sinnes von Schrift seien abgetrennt worden. So wie der übliche mathematische Informationsbegriff ein rein stochastisches Maß sei, so habe sich der Gencode als entleerte Vorstellung durchgesetzt. Gleichzeitig sei aber diese entleerte Redeweise über Information als das Ganze gesetzt worden, bis hin zur Konsequenz des »Human Genom Projektes«, das »den Menschen« entschlüsseln wollte. Mit dem Siegeszug dieser entleerten Metapher habe sich gleichzeitig als Selbstverständlichkeit durchgesetzt, dass man den Code nicht nur lesen, sondern auch schreiben will.(7)

Bätzings verweisen darauf, dass der abendländische Dualismus Materie-Geist, der den Kern der gesellschaftlichen Funktionslogiken bilde, aufgelöst werde in der Perspektive der grenzenlosen Herrschaft des Geistes. Wenn das Paradigma der informationellen Rückkopplung so einflussreich ist, dann muss man eher sagen, dass die herrschende Tradition der Naturwissenschaften diesen Dualismus zugunsten einer ganz spezifischen materiellen Simulation von Geist auflöst. Deren Perspektive ist die Gleichsetzung von Mensch und Computer, von Umwelt und virtueller Realität. Beim Stammvater Norbert Wiener ist man erstaunt über die Naivität seiner Analogien, sie wirken an den Haaren herbeigezogen und funktionieren nur unter Weglassungen. Seine Sichtweise reduziert Menschen, Tiere, Maschinen und Gesellschaften auf den Informationsfluss und die Rückkopplung, die daraufhin im »Inneren« stattfindet. Dieses Innere wird als black box gesehen, die stoffliche Konkretion der Vorgänge ist radikal nebensächlich. Schon der Grundbegriff der Information wird nach Shannon rein statistisch und absolut definiert, ohne insbesondere den Aspekt zu berücksichtigen, dass die Information eine Beziehung herstellt.(8) In dieser entleerten Form des Informationsdiskurses wurde der physikalische Diskurs jedoch in den Fünfzigerjahren offensichtlich zum Leitbild der Naturwissenschaften – und darüber hinaus.(9)

Politische Grenzziehungen gegen ein nihilistisches »Reich der Freiheit«

Als vorläufiges Ergebnis sei festgehalten: Die Frage ist jedenfalls sinnvoll, wie eine Naturwissenschaft aussieht, die sich einem Paradigma der Komplexität und Konkretheit der Dinge verpflichtet fühlt, eher an Sicherung und Bewahrung als an Wandel und Neukonstruktion interessiert ist. Klar ist, dass die inhaltlich entleerte Vorstellung des Gens als Schrift sich in spezifischen, historisch nachzuvollziehenden gesellschaftlichen Strukturen etablierte. Wenn Kinder mit problematischem Sozial- und Lernverhalten das ADS-Syndrom haben, entstanden durch eine Dopamin-Unterversorgung des Frontalhirns, die auf einen Fehler am Chromosom 11, Genabschnitt DRD4 zurückgeht, dann wirkt sich die zerstörerische Vereinfachung dieses Diskurses aus: Das Problem ist in die Perspektive einer Neukonstruktion gesetzt, alle bekannten und erprobten pädagogischen Maßnahmen können nur Flickwerk sein. Katastrophisch wird diese Vorstellung in dem Ausmaß, in dem sie die gesellschaftliche Diskussion prägt. Allerdings haben solche Sichtweisen erhebliche Bedeutung. Ein Knotenpunkt ist dabei die Vorstellung, die biologische Evolution werde weitergeführt in eine »postbiologische«. Ein zunächst eher unverfängliches Beispiel kann dies verdeutlichen: Im Katalog einer Ausstellung über »Gehirn und Denken«, die einen repräsentativen Überblick über den Stand der Gehirnforschung gab, setzt Florian Rötzer Tamagotchis und anderes Kinderspielzeug, das elektronisch Leben simuliere, in eine Perspektive: Durch sie werde die emotionale Hemmschwelle, ja Wut der Menschen gegenüber Robotern aufgeweicht. Denkbar sei zum Beispiel eine »ko-evolutionäre« Entwicklung von Kindern und ihren Roboter-Spielgefährten, sodass sich »noch engere soziale Bindungen mit den ›Robotergeschwistern‹« ergäben.

Wenn manche wie der Physiker Frank Tipler eine Entwicklung zum Individuum als Emulation, das heißt als System von Dateien, auf einem Großrechner erwarten und propagieren, dann zeigt sich in diesem Extrem die strukturelle Verschränkung von Entleerung und unendlichem Wachstum besonders deutlich. Auch wenn solche Wissenschaftler eher als Außenseiter gelten: Sie treiben ein Denken der Ziellosigkeit, des blinden und tauben Prozesses radikal voran. Sie betreiben konkreten, aktiven Nihilismus: den Umbau des Menschen, der Gesellschaft, der Natur, des Kosmos. Und sie geben vielen Feuilletons ihre Denkweise vor. Jedoch ist noch nicht einmal das Konzept des notwendigen evolutionären Wandels mit dem Überleben der Höherentwickelten in der Biologie unumstritten.(10)

Die formalisierte, von Inhalten geleerte Denkfigur »Wachstum durch beständigen Wandel« könnte eine Nahtstelle gesellschaftlicher und naturwissenschaftlicher Diskurse sein, die es ermöglicht, dass sich die Prediger des Prozesses ständiger Vernichtung und Ersetzung zum Chor vereinen. Wenn in der politischen Debatte von einem unabweisbaren, notwendigen Prozess der Anpassung an Globalisierung ausgegangen wird, in dem jedes Land, jede Region, jeder Einzelne mit seiner Stärke im Wettbewerb bestehen muss, um nicht unterzugehen, dann verstärkt man spezifische Traditionen und verdrängt die Erfahrungen der Hilfsbedürftigkeit und Endlichkeit des Menschen sowie alle historisch erworbenen Möglichkeiten der Absicherung. In dem Maß, in dem sich die politische Diskussion von dem Denken befreit, dass es so etwas wie eine allgemeine Entwicklungsgesetzmäßigkeit gebe, die mit unabdingbarer Notwendigkeit beachtet werden müsse, begibt sie sich ins »Reich der Freiheit«. Die Verweigerung gegenüber dem Einreißen aller Grenzen kann nur entstehen, indem sie in der öffentlichen Debatte bestimmte Traditionen aufgreift; sie kann offensiv werden, wenn sie darauf besteht, dass Sicherheit ein Bürgerrecht ist. Diese Diskussion zu organisieren ist eine unverzichtbare Aufgabe der Politik.

Deshalb ist klar, dass ein Juwel der Architekturgeschichte wie die von Scharoun erbaute Schule, die ihre pädagogische Brauchbarkeit bewiesen hat, für die Kinder erhalten bleiben muss – eben auch als Mahnung, sich der Tradition, die hier baulich umgesetzt wurde, zu erinnern: ganzheitliche Bildung von Kindern, die sicher sein können, dass sie gebraucht werden.

1

Denn Selbstvertrauen oder Innovationskraft kann man nur dann, wie es Martin Altmeyer tut, als Ziele der Politik sehen, wenn Politik reduziert wird auf den Prozess ständigen Erneuerns gemäß extern vorgegebener Bedingungen. Damit fällt jede Inhaltlichkeit weg. Noch im schwammigen Begriff des Gemeinwohls ist mehr enthalten, weil er jedenfalls die Grundlage dafür bereitstellt zu debattieren, was für die Allgemeinheit gut ist.

2

Draheim und Reitz arbeiten als Paradoxie im Gebrauch des Gerechtigkeitsbegriffs heraus, dass historische Konnotationen ebenso verschwanden wie konkrete Politikinhalte, wodurch der Begriff der Gerechtigkeit beliebig aufladbar wurde.

3

Michael Ackermann hat die Bedeutung des Buchs Die Stärkung des Sozialen schon hervorgehoben. Castel weist zwar darauf hin, dass die Grenzen des Bedürfnisses nach Sicherheit gesehen werden müssten, wendet sich aber gegen die Vorstellung zunehmender, als normal angesehener und individuell zu steuernder Risiken. Die Rechtsstaatlichkeit als ursprüngliche Struktur der Sicherheit sei schon früh durch Formen der sozialen Sicherung ergänzt worden. Die Ausformung dieses Systems habe sich aus den historischen Bedingungen ergeben. Zu seiner Entstehungszeit herrschten sichere Beschäftigungsverhältnisse bei der Erwerbsarbeit vor und bildeten die Basis für den Anspruch auf soziale Sicherheit. Diese Grundlagen seien jedoch inzwischen unwiderruflich erodiert. Zwar überwögen die an Erwerbsarbeit gebundenen Formen der sozialen Sicherheit immer noch, es hätten aber die ergänzenden Formen, die sich individualisiert an bedürftige Personen wendeten, zugenommen. Aus dieser Situation heraus müssten neue Formen staatlich gewährleisteter (!) Rechte auf soziale Sicherheit, eine erneuerte Einhegung des Marktes entwickelt werden, allerdings nicht mehr im traditionellen Nationalstaat allein, sondern durch zentrale und lokale, nationale und transnationale Instanzen. Sonst drohe die erneute Bildung von »gefährlichen Klassen« an Orten, die, wie teilweise die französischen Vororte, aus jeder staatlichen Regelung herausfallen.

4

So schreibt Beck zum Beispiel: Die Institutionen der staatlichen politischen Ebene seien unwirklich geworden, stünden als Relikte der industriellen Moderne den individualisierten Subjekten beziehungslos gegenüber. Politik finde als »Subpolitik« statt, das heißt in themenzentrierten Zusammenschlüssen von Bürgern. Das Soziale sei im Individualisierungsprozess verdampft, es könne nur noch von den Individuen neu hergestellt werden (S. 154 ff). Honneth sieht bei postmodernen Ansätzen allgemein die Auffassung, dass schon die Möglichkeit der Verständigung auf einer intersubjektiven Ebene verschwunden sei (S. 12 ff).

5

So Bundeskanzler Schröder am 26.1.04 auf dem Innovationskongress »Deutschland. Das von Morgen«. In der Auswertung der Pisa-Studie 2003 liest man jetzt, dass unter effizienter Ausnutzung der Ressource Lebenszeit aus den regional unterschiedlichen Vorbedingungen, den »Standortfaktoren«, ein optimales Kompetenzniveau der Schüler erreicht werden müsse. Dies sei eine Investition in die Zukunft, die Folgekosten vermeiden könne. Auch hier wird im Knappheitsdiskurs gedacht und die komplexe Zielsetzung schulischer Arbeit zum Punktgewinn in der Pisa-Rangfolge entleert.

6

Das gerade erschienene, sehr anregende Buch von Evelyn Hanzig-Bätzing und Werner Bätzing stellt in einem Panorama unterschiedlicher Fachgebiete wie Psychotherapie, Kindheitssoziologie, Fortpflanzungsmedizin, Naturphilosophie, Raumbegriffe usw. heraus, dass überall traditionell gegebene, räumliche und zeitliche Grenzziehungen missachtet werden. Dies geschehe in der Form der Entfaltung der jeweiligen Funktionslogiken im Verlauf ihrer Optimierung. Diese Entgrenzung führe zu zerstörerischen Prozessen, die sie für die verschiedenen Bereiche nachweisen. Die gemeinsame Wurzel dieser Funktionslogiken zeige sich immer deutlicher im Kern der abendländischen Tradition des Einheitsdenkens, das neben wahr und falsch keinen Rest lasse. Daraus ergebe sich der Glaube an das Machbare, der in der gegenwärtigen Dienstleistungsgesellschaft grenzenlos werde. In der extremsten Form zeige sich diese Grundhaltung im postmodernen Denken: In der Vielheit der Vernunftkonzepte seien alle gleich gültig, diese Gleich-Gültigkeit der Innenwelt der Subjekte werde eine Wirklichkeit gestaltende Instanz, das Subjekt liefere sich an die Außenwelt aus. Die Bejahung dieser Heterogenität setze einen freien Menschen voraus, der ohne Verlustempfinden, also ohne dass seine Vergangenheit Bedeutung habe, jederzeit zu Neuem wechseln könne. Für den Widerstand gegen diesen Prozess könne es unter der Voraussetzung der Postmoderne kein Außerhalb geben, er könne sich aber aus dem nachweislich zunehmenden psychischen Leiden an diesem Prozess ergeben. Als politische Form des Widerstands schlagen die Autoren eine Verweigerung im Konkreten vor, also Machbares nicht zu machen.
Wenn ich es richtig verstehe, unterschätzen sie die Kräfte des Widerstands, weil sie nicht berücksichtigen, dass das, was gedacht wird, ein umkämpftes Machtfeld ist. Was und wie etwas hergestellt wird, unterliegt unvermeidlich einem gesellschaftlichen Prozess. Nur wird dieser unter der Herrschaft von Diskursen gestaltet, bei denen der Gedanke der notwendigen Entwicklung, der man sich nur anpassen, die man also nicht steuern könne, von Gewicht ist.

7

Wie wirksam dieser Diskurs ist, zeigt sich auch darin, dass eine ausgewiesene Kritikerin des Humangenom-Projekts wie die Wissenschaftstheoretikerin Evelyn Fox Keller das Problem in der Tradition von Wieners informationellen Rückkopplungen fokussiert. Zwar habe gerade dieses Projekt gezeigt, dass die Vorstellung eines Codes viel zu einfach sei, man könne eigentlich nur ehrfürchtig staunen über die Komplexität des Vorgangs. Sie schlägt alternativ aber vor, genetische Vererbung als Entwicklungsprogramm zu sehen – auch Programme werden geschrieben!

8

Der Teilchenphysiker Hans Graßmann attackiert die Gleichsetzung von Gehirn und Computer mit Argumenten der Thermodynamik: Er schlägt vor, Shannons Definition des Informationsgehaltes durch eine relationale zu ersetzen, also die Informationsverarbeitung zugrunde zu legen. Diese würde als die notwendige Menge der Bits definiert, die ein Empfänger eines Signals aus der Außenwelt für dessen Speicherung braucht. Sie wäre dann auch physikalisch messbar über die Arbeit, die beim Speichern benötigt wird. Damit kann er weiter den Begriff der Informationsdichte definieren: Ein menschliches Gehirn braucht deswegen so wenig Platz für neue Informationen, weil es sie auf der Grundlage der gesamten Geistesgeschichte der Menschheit nicht speichern, sondern nur einordnen muss. Genau in diesem Prozess unterscheiden sich nach Graßmann Gehirn und Computer prinzipiell: Menschen greifen ordnend, »dissipativ« in ihre Umwelt ein.

9

Aus dieser Zeit stammt der utopische Roman Walden Two des Verhaltenspsychologen B. F. Skinner, der dem Kreis um Wiener angehörte. In ihm schildert er die optimierte Gesellschaft der Zukunft, erdacht und in die Wege geleitet von Ingenieuren, die ein perfektes Rückkopplungssystem von positiven Verstärkungen aufgebaut haben, optimaler als ein demokratisches System, ja strukturell effizienter, als es, so wird ausdrücklich formuliert, Gott vermocht habe.

10

Zum Beispiel ist daneben die Auffassung Steven J. Goulds von Bedeutung, dass es lange Phasen des Stillstands gebe, unterbrochen durch sprunghafte Entwicklungen, die sich aber nur auf bestimmte Grobstrukturen beziehen und nicht die Feinstrukturen festlegen. Er hält es von daher für falsch, Evolution mit Fortschritt gleichzusetzen. Einen Überblick über die Diskussion gibt Brockman. Es ist sicher kein Zufall, wenn Tipler gerade die Arbeiten Goulds vehement angreift.

Literatur:

Achterhuis, Hans: »Natur und der Mythos der Knappheit«, in: Wolfgang Sachs (Hrsg.): Der Planet als Patient. Über die Widersprüche globaler Umweltpolitik, Berlin/Basel/Boston 1994, S. 136 ff.

Ackermann, Michael: »Kapitalismus-Fragen«, in: Kommune 3/2005, S. 6 ff.

Altmeyer, Martin: »What’s left?«, in: Kommune 4/05, S. 6 ff.

Beck, Ulrich: Die Erfindung des Politischen, Frankfurt am Main 1993

Brockman, John: Die dritte Kultur. Das Weltbild der modernen Naturwissenschaft, München 1996

Castel, Robert: Die Stärkung des Sozialen, Hamburg 2005

Deutschmann, Christoph: Die Verheißung des absoluten Reichtums. Zur religiösen Natur des Kapitalismus, Frankfurt am Main 2001

Draheim, Susanne/Reitz, Tilman: »Work Hard and Play by the Rules«, in: Das Argument 256/2004, S. 468 ff.

Fuchs, Peter: »Auf die Parasiten achten«, in: FR, 14.10.03

Graßmann, Hans: Das Denken und seine Zukunft, Reinbek 2002

ders.: »Scheinbar zufällig«, in: Hosp, I. u. a.(Hrsg.): Entwicklung des Universums und des Menschen – Entscheidung, Zufall, Naturgesetz?, Herdecke 2003

Hanzig-Bätzing, Evelyn/Bätzing, Werner: Entgrenzte Welten. Die Verdrängung des Menschen, Zürich 2005

Honneth, Axel: Desintegration. Bruchstücke einer soziologischen Zeitdiagnose, Frankfurt am Main 1994

Jäger, Michael/Kohn-Waechter, Gudrun: »Materialien zur ökologischen Katastrophe«, in: Kommune 1/1993, S. 33 ff., 2/1993, S. 44 ff., 3/1993, S. 46 ff. und 4/1993, S. 50 ff.

ders.: »Geschichtsunterbrechung als theologische Kategorie«, Teil 1 und 2, in: Kommune 6/2003, S. 63 ff. und 1/2004, S. 60 ff.

Kay, Lily E.: Das Buch des Lebens. Wer schrieb den genetischen Code? München/Wien 2001

Keller, Evelyn Fox: Das Jahrhundert des Gens, Frankfurt am Main 2001

Rötzer, Florian: »Künstliche Lebewesen«, in: Deutsches Hygiene-Museum Dresden (Hrsg.): Gehirn und Denken. Kosmos im Kopf, Dresden 2000, S. 94 ff.

Schröder-Blair-Papier – »Der Weg nach vorne für Europas Sozialdemokraten«, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 7/1999, S. 889 ff.

Skinner, B. F: Futurum Zwei. »Walden Two«. Die Vision einer aggressionsfreien Gesellschaft, Reinbek 1972 (Orig.1948)

Tipler, Frank J.: Die Physik der Unsterblichkeit. Moderne Kosmologie, Gott und die Auferstehung der Toten, München 1994

Wiener, Norbert: Kybernetik. Regelung und Nachrichtenübertragung in Lebewesen und Maschine, Düsseldorf/Wien 1963(Orig. 1948)

Vester, Michael: »Milieus und soziale Gerechtigkeit«, in: Korte, Karl-Rudolf/Weidenfeld, Werner (Hrsg.): Deutschland-TrendBuch. Fakten und Orientierungen, Opladen 2001, S. 136 ff