Peter Schyga

»Bürgerbewegungen« gegen Rechtsextremismus

Identitätsmuster, blinde Flecken und demokratische Gesinnung: Eindrücke einer Reise im Ostharzgebiet

 

 

Aus dem Osten der Republik erreichen uns regelmäßig Berichte über rechtsextremistische Gewalt, Menschenjagden, dreiste Inbesitznahme öffentlicher Räume und zunehmendes Propagieren völkisch-nationalsozialistischer Ideologie. Dem versuchen in vielfältiger Weise »Bürgerbündnisse«, staatlich geförderte Initiativen und Polizeiorgane Einhalt zu gebieten. Bei seinen Beobachtungen vor Ort im sachsen-anhaltinischen Teil des Harzes findet unser Autor jedoch auch die Probleme mit der Vergangenheitsbearbeitung und alten Identitätsmustern.

Es kann mittlerweile kaum noch einen Zweifel geben, dass einige Neonazigruppierungen bestrebt sind, die Region Harz unter dem Stichwort »Festung Harz« zu einem ihrer Zentren in Norddeutschland auszubauen. Im Westen der Region versuchen sie alte Geschichtsmythen neu zu beleben, um völkisch-nationalistische Zeremonienstätten wieder zu beleben.(1) Im Osten erhoffen sich die Neonazis den Zulauf aus einer derangierten Masse von Unzufriedenen, indem sie mit Gewaltakten und politischen Provokationen demokratische Ohnmacht vorzuführen trachten. Sie stützen sich dabei auf gesellschaftliche Verhältnisse, die Christoph Diekmann schon vor fast zehn Jahren in der ZEIT (39/98) beschrieb: »Was macht im Osten die Rechten so stark? Nicht nur die Massenarbeitslosigkeit, auch das historische Vakuum. Hier herrscht geschichtliche Brache, Baufreiheit für radikale Ideologien, die Selbstwertgefühle erzeugen und Sozialität völkisch definieren. … (Der Osten) bräunt rapide. Die bürgerliche Ostgesellschaft hat kaum eigene Strukturen und Autoritäten zur Gegenwehr«.

Auch dieses Urteil wollte ich auf meiner Reise vom »Tor zum Harz« (Halberstadt) zum anderen »Tor« in Goslar überprüfen, mit fragenden Gesprächen und wissenschaftlichem Material im »Gepäck«.

Halberstadt musste Station werden, weil hier am 8./9. Juni die letzten massiven neonazistischen Übergriffe auf eine Theatergruppe stattfanden, weil hier aber auch Widerstandswille organisiert und demonstriert wurde, der im Westen aufhorchen ließ. »Auf die Plätze«, hieß die Aktion am 15./16. September in der Halberstädter Innenstadt, initiiert vom Intendanten des Nordharzer Städtebundtheaters André Bücker und der Stadtverwaltung, die ein Zeichen gegen die Besetzung öffentlichen Raumes durch die Neonazis setzen wollte.

In 67 Veranstaltungen an 14 Orten boten über 1000 Mitwirkende vom Spielmannszug über die freiwillige Feuerwehr und Sportclubs bis zu Theaterensembles aus Naumburg, Magdeburg und anderswo den »über 6000 Gästen anspruchsvolle künstlerische, politische und sportliche Unterhaltung. … Der Abend und insbesondere auch die Phase der Vorbereitung hätten gezeigt, dass ›wir alle – Bürgerschaft, Verwaltung, Institutionen, Kulturschaffende und Polizei – ein Stück zusammengerückt sind und welches Potenzial in Halberstadt steckt«, berichtet das Halberstädter Tageblatt, Oberbürgermeister Andreas Henke (Die Linke) zitierend am17.2.07. Es sei um die politische »Wahrnehmung des öffentlichen Raumes« bei dieser »Bespielung der Stadt« gegangen, betont André Bücker. Diesem politischen Willen sei Ausdruck verliehen worden. Hier habe sich mehr als übliches Tschingderrassabum eines kleinstädtischen Volksauflaufs abgespielt.

Der Stadtwanderer kann sich vorstellen, was André Bücker meint und was ihm und seinen Mitstreitern am Herzen liegt: Es gibt kaum Leben im alltäglichen öffentlichen Raum. Die Einkaufspassage wirkt steril. Im Rathauscenter kann man sich mittags zu Ostpreisen an diversen Ständen mit Kosakenzipfel oder Chinapfanne verköstigen lassen – und natürlich sind die üblichen Ladenketten präsent. Das war’s dann. Auch aus der prächtig restaurierten Altstadt ist das Leben ausgesperrt. Eine vierspurige Straße trennt sie vom Rest der Innenstadt. Der Domplatz hat zwar nicht die Ausmaße der Kölner Domplatte, doch seine ausladende Fläche möchte eigentlich Menschen beheimaten. Der Platz liegt eingebettet vom prächtigen gotischen Dom an der Ostseite und alten Gemäuern, meist klerikalen Ursprungs. Nur gibt es kaum Menschen hier. Kein Cafe oder Restaurant lädt zum Verweilen ein, kein Geschäft zum Shopping. Der historische öffentliche Raum ist leer.

Den nehmen dann die etwa vierzig stadtbekannten Rechtsrandalierer in Beschlag. In der öffentlichen Wahrnehmung vielleicht überzeichnet, stellen sie dennoch eine latente und manchmal auch akute Bedrohung dar. Sie haben hier mit dem Soziokulturellen Zentrum Zora ein Hassobjekt, das sie fast jedes Wochenende aufzumischen versuchen. Neun Angriffe in der Zeit von Ende März bis Anfang Juni listet der Verein auf seiner Internetseite auf.(2) Menschen anderer Hautfarbe, die wegen der zentralen »Asylbewerberauffangstelle« ein wenig häufiger im Stadtbild zu sehen sind als in anderen Regionen des Landes, brauchen Mut, sich insbesondere abends in der Stadt zu zeigen, wie Rainer Neugebauer, Gründungsdekan und Sozialwissenschaftler an der Hochschule Harz, meint.(3) Die neonazistischen Aktivisten sind zwar relativ wenige und bekannt, aber sie bilden eine Bedrohung für alle, die sie als »unvölkisch« betrachten. Mit ihrem Internetorgan Nationaler Beobachter Wernigerode haben sie sich ein Instrument der täglichen Aufhetzung geschaffen. Parolen gegen »jeden örtlichen Politiker der Systemparteien«, massive Propaganda »unserer Idee eines Nationalen Sozialismus gegen Bürgerpöbel« und alle, die sich den »nationalen Aktivisten« entgegenstellen, begleiten ihre Aktivitäten. Aus einem Straßencafé heraus einen Passanten öffentlich mit den Worten »du verlauster Rabbi, mach dich vom Acker« zu beschimpfen, ist für diese Truppe Alltag. Hier treten keine orientierungslosen Jungendlichen auf, die primär die Obhut von Sozialarbeitern bräuchten. Eine dezidiert sich auf Politik und Ideologie des Nationalsozialismus berufende neonazistische Grundeinstellung treibt sie an. Ihr Bestreben liegt nicht darin, politische Präsenz zu zeigen, sondern die zarten Zweige zivilgesellschaftlichen Bürgersinns zu zerstören: Einschüchterung durch permanente heimliche und öffentliche Attacken. Und die Stadt-, Regions- und Landesoffiziellen reden diese Vorfälle gern klein, um «Imageschäden« zu vermeiden.

Gegen dies Verharmlosen, Abwiegeln, Wegschauen, auch strafverfolgende Milde oder klammheimliche Zustimmung durch offizielle Stellen und Teile der Presse haben sich seit etwa 2001 »Bürgernetzwerke« gebildet und versuchen ihre MitbürgerInnen zu mobilisieren. Es geht ihnen zuvörderst um die Erhaltung ihres Lebensraums, weil der »Rechtsextremismus die Lebenswürdigkeit dieser Gesellschaft bedroht«, wie Rainer Neugebauer mit einem Sinn machenden Versprecher in einem Radiointerview meint.

Ein kleine Veränderung in dieser Haltung scheint der am 3. September 2007 gegründete »Präventionsrat im Harzkreis« zu versprechen. Er bündelt und koordiniert die Aktivitäten der Bürgerbewegungen und Aktionsbündnisse in der Region.(4) Rainer Neugebauer, der auch Mitglied des »Bürgerbündnisses für ein gewaltfreies Halberstadt« und Mitglied der Fraktion »Forum« im Rat der Stadt ist, sieht in der Konstituierung des Präventionsrats einen Fortschritt in der politischen Grundhaltung mancher Politiker. Das Abwiegeln und Beschweigen rechtsextremistischer Gewalt wegen der Sorge um einen »Image-Schaden« für Stadt und Region werde zumindest eingedämmt. Dennoch bleibt »die Befürchtung …, ob ein rechter Überfall auf einen echten Punker eine ähnlich große Empörung hervorrufen würde, wie der Überfall auf Schauspieler und Tänzer, von denen einer noch in einem Punkkostüm steckte«. Das Wissen, dass sich an einer ablehnenden Mehrheitshaltung dem Fremden und Anderen gegenüber, wenn, dann nur allmählich, etwas ändert, begründet diese Skepsis.

Obwohl zeitgleiche Kürzungsbeschlüsse der Stadt für Zuwendungen an Vereine die hehren Worte zu konterkarieren drohen, der Wille, demokratische Gestaltungspolitik zu veranstalten statt Mangel zu verwalten, scheint gewachsen zu sein. Oberbürgermeister Andreas Henke wird auf der Homepage der Stadt mit dem Satz zitiert, Rechtsextremismus, Gewaltbereitschaft und Fremdenfeindlichkeit seien längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Sein Amtskollege Eberhard Brecht aus Quedlinburg meint: rechtes Gedankengut sei nicht allein dadurch aufzulösen, dass demokratische Kräfte gemeinsam auf die Straße gingen. »Der Prozess wird uns ein, wenn nicht sogar zwei Jahrzehnte beschäftigen«.

Theater- und Stadtkulturtradition

Die Aktion »Auf die Plätze« war deshalb ein besonderes Zeichen, den öffentlichen Raum für die Zivilgesellschaft in Anspruch zu nehmen. Ihre Form des »Bespielens der Plätze« knüpft an eine Theaterkulturtradition an, in der sich auch während der DDR bürgerliche Lebensart ein Stück weit Autonomie erhalten konnte. Das Nordharzer Städtebundtheater, im April 1992 aus dem Zusammenschluss des Traditionstheaters Halberstadt mit dem 1984 geschlossenen Theater in Quedlinburg hervorgegangen, stützt sich auf eine lange und wirksame kulturelle Geschichte in der Region, ist Zentrum bürgerlich autonomen Selbstverständnisses in der Stadt, einer Tradition aus dem 19. Jahrhundert, die sich seit der Neugründung des Theaters unter dem alten Namen Halberstädter Volkstheater 1949 auch in der DDR fortentwickelt hatte.

Ein anderes für die Region wichtiges Element bei der Tradierung eines Sinns für bürgerliche Lebensart bildet die sich in Städtebildern erhaltene oder zumindest bewusst tradierte Geschichte seit dem Mittelalter. Für gewöhnlich sind die Mentalitäten der BewohnerInnen mittelalterlich geprägter Städte getragen von übermütigem Stolz auf erhaltene Geschichte, die dann meistens auch noch groß sein soll. Auch wenn solch oft mythenbegangenes Selbstbild manchmal nervt, es trägt zu erstaunlichem Gemeinsinn in diesen Kommunen bei. Der scheint sich durch zwei Volksgemeinschaften erhalten und reproduziert zu haben. In der DDR wurde der Wiederaufbau des im Krieg zerstörten mittelalterlichen Stadtkerns von Halberstadt nur halbherzig betrieben und in den Siebzigerjahren durch die üblichen Honecker-Neubauaktionen konterkariert. Schließlich war es ja eine »moderne Industriestadt«. Die Innenstadtsanierung großen Stils begann erst 1990, entscheidend vorangetrieben von Menschen, die im Kulturbetrieb rund um das Theater schon immer engagiert waren.

»Künstler und Kirche« seien die Stützen zivilgesellschaftlicher Entwicklung nach 1989 geworden, meint Rainer Neugebauer. Treibende Kraft und Galionsfigur zivilgesellschaftlichen Engagements seit den Siebzigerjahren war der am 11. Februar 2007 im Alter von 66 Jahren verstorbene Bildhauer Johann-Peter Hinz, der erste Halberstädter Stadtratspräsident nach der Wende. Der Zusammenhang von Kunst, Kultur, Demokratie und gewaltfreier Zivilgesellschaft bündelt sich in dieser Person, deren Ausstrahlung den gesamten heutigen Harzkreis erfasst.(5)

Und das Theater war und ist immer mittendrin. In diesem kulturellen Raum hat sich eine gesellschaftlich anerkannte Enklave von bürgerlichem Selbstbewusstsein, das früher als Standesdünkel diffamiert wurde, erhalten. Nicht ohne Stolz verweist der Intendant André Bücker darauf, dass sein Haus kein Abosystem habe, dass es davon lebe, ständig aktiv als Kulturinstitution im öffentlichen Raum präsent zu sein und um die Zuschauer zu werben. Es arbeitet zum Beispiel mit der ARGE zusammen, stellt den Fallmanagern Karten für deren Klientel zur Verfügung, Menschen, »die den Kontakt zum gesellschaftlichen Leben verloren haben und vom kulturellen Leben abgeschnitten sind«.

In Wernigerode hat sich ähnlich wie in Quedlinburg, das sich nun UNESCO-Weltkultur-erbestadt nennen darf, dieser Bürgersinn in dem Ringen um Erhaltung des mittelalterlichen Stadtcharakters erhalten und immer neu belebt. Das 2001 in Wernigerode gegründete »Bürger-Bündnis Wernigerode für Weltoffenheit und Demokratie« hat sich nicht umsonst so genannt. Es geht ihm um die Herstellung einer Gegenwelt gegen (volks-)genossenschaftliche Gemeinschaftstraditionen zweier Diktaturen. Im Gründungsaufruf heißt es: »Wir wollen uns zusammenschließen als Bürgerinnen und Bürger, die selber sehr verschieden nach Herkunft und Abstammung, religiösen und politischen Anschauungen sind, und zeigen: Wir stehen gegen Gewalt, Ausländerfeindlichkeit und Intoleranz. Wir stehen für Weltoffenheit und Demokratie.« All diese Bündnisse bestehen auf ihrem Bürgerdasein. Die die Demonstrationen organisierenden Foren der Wendezeit hätten schon damals versucht, Bürgeridentitäten zu schaffen.

Identitäten

Die Suche und Erfassung von Identitätsbildern nimmt einen wichtigen Raum im Prozess des Aufbaus und der Verteidigung einer demokratischen Gesellschaft ein, weil in hohem Maße andere Strukturen weggebrochen sind. In der DDR war mehr noch als in anderen Gesellschaften Arbeit wesentliches Modul von Identifikation. Selbst als produktive Arbeit immer mehr zu Mangelverwaltung und Pfuscherei verkam, bildeten die Organisationsinstanzen der Arbeit, die Brigaden, Einheiten kollektiven Selbstverständnisses. Diese sind nach der Wende abrupt zerstört worden. Peter Lehmann, Theologe, Gründungsmitglied, Kreistagsabgeordneter, Pressesprecher der Grünen, Gründungsmitglied von Bündnis 90 sowie Sprecher des »Bürgerbündnisses für Weltoffenheit und Demokratie Wernigerode« bestätigt, dass der Wegfall der Brigade-Identität ein dramatischer Einruch im Selbstverständnis Vieler gewesen ist: »Staatsbürger der Deutschen Demokratischen Republik« war man halt und bei internationalen Sportwettkämpfen auch manchmal mit Inbrunst, doch so etwas wie DDR-Patriotismus habe es nicht gegeben. Jeder war in seiner Brigade verwurzelt, es gab nichts anderes außer der Partei. Doch die wurde von den meisten als notwendige Leiter für das berufliche Fortkommen verstanden. Mit der Zerschlagung der Brigaden verschwand ein wichtiger Eckpunkt individueller und gemeinschaftlicher Identitätsvorstellung.

338.000 Arbeitnehmer aus dem produzierenden Gewerbe verloren in den Jahren unmittelbar nach der Wende 1991 bis 1995 nicht nur ihren Arbeitsplatz, sondern ihre soziale Heimat. Von 1991 bis 2006 schrumpfte die Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer insgesamt um 26 Prozent, im produzierenden und verarbeitenden Gewerbe, also den Brigadeeinheiten, um 58 Prozent.(6) Die Bürgerbewegungen der Wendezeit hatten keinen Zugang in das Milieu der Brigaden, es ist ihnen noch heute weitgehend verschlossen. Alle Parteien alten Typs schufen vor allem die Möglichkeit, Eigenverantwortung abzugeben. Man wählte, also sollten die machen. Lang gelebte Verantwortungsdelegation an die SED wurde nun umverteilt. Nur in wenigen Nischen konnten sich die Wendezeit-Foren erhalten. In Halberstadt etwa sitzen ihre unmittelbaren Nachfolger mit vier Abgeordneten im Rat. Im Kreistag des Landkreises Harz bilden fünf Wählergruppen, darunter das Forum Halberstadt, eine sechsköpfige Fraktion, Bündnis 90/Die Grünen konnten bei 4,3 Prozent der Stimmen drei Abgeordnete entsenden. Sie alle waren und repräsentieren Minderheiten, die sich zwar mittlerweile in den Institutionen verankert haben, deren politische Wirkung im Alltagsgeschäft jedoch gering ist. Das Klammern am Ostmenschsein oder die Nivellierung der Unterschiede zwischen Ost und West bilden immer noch die beiden entscheidenden Identifikationsmotive der Mehrheit.

Den Chefredakteur der Tageszeitung Volksstimme aus Magdeburg, Franz Kadell, trieb anlässlich des 3. Oktober wohl ein inneres Bedürfnis, in einer Art Grundsatzartikel seinem (Un-)Behagen über 17 Jahre deutsche Einheit Ausdruck zu verleihen. Zwar ziehe man ständig übereinander her bis dahin, dass »Beleidigungen an ›Ossis‹ losgelassen werden, die in anderen Zusammenhängen wegen ›Volksverhetzung‹ den Staatsanwalt beschäftigen würden«, doch seien sich die »Deutschen in Ost und West viel ähnlicher, als sie glauben«. Seine elegische Bestandsaufnahme: »West und Ost bilden gleichermaßen eine nachbürgerliche oder entbürgerlichte Gesellschaft. … Das geistige Leben wird längst nicht mehr von den Wurzeln (des Humanismus) genährt. Ost und West leben gleichermaßen wie abgetrennt vom tradierten Bestand. Denken in Generationen gibt es nicht mehr.« Lebensstile, politische Grundauffassungen, Stichwort Politik- und Wahlverdruss, hätten sich angeglichen, die Drift im materiellem Wohlstandsgefälle würde sich wohl nicht ändern. Es gelte das Vaterland »bei allen Mängeln ruhig zu lieben. Denn es ist unser Vaterland; ein anderes bekommen wir nicht. Was daraus wird, liegt an uns«.

Es fehlt das Amen – die Mehrheit der LeserbriefschreiberInnen hat es ihm auch nicht gewährt, sie beharrt auf der Unterschiedlichkeit von Geschichte und Lebenswelten und sie hat in positivem Sinne Recht. Denn nur wenn diese anerkannt und eine gemeinsame Bearbeitung von unterschiedlichen Identitäten betrieben wird, lassen sich gesellschaftliche Verwerfungen wie bei Rechtsextremismus und Demokratieskepsis überhaupt behandeln. Doch das funktioniert nur, wenn Identitätsbildung nicht als Anpassung oder deren Negation mit Verweis auf früher begriffen wird – was bevorzugte Praxis ist –, sondern Ausdruck selbstkritischer Neuerfindung.

Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Die massive Tendenz, sich aus dem politisch-gesellschaftlichen Leben auszuklinken, wächst nämlich noch. Das zeigen nicht zuletzt die konstituierenden Wahlen zum neuen Landkreis Harz am 22. April 2007. Die Wahlbeteiligung betrug 38,5 Prozent (1999: 51,5 %; 2004: 41, 8 %) Die NPD kam auf 3,5 Prozent der Stimmen bei zwei Sitzen – eine kleine Minderheit und doch ist sie mit ihren Gewaltbanden präsent.(7) Sie meint, sich auf eine indifferente schweigende, wenn nicht Zustimmung, dann doch Tolerierung einer großen Zahl von Menschen verlassen zu können.

In der niedrigen Wahlbeteiligung und im demonstrativen Bekenntnis zum Nichtwählerdasein drückt sich die mangelnde Verankerung demokratischer Grundeinstellungen aus. Träger dieser Verweigerung ist das ehemalige DDR-Proletariat. Im realen Sozialismus gehätschelt und dann gedemütigt, sind große Teile dieser Klasse im neuen System noch nicht angekommen. Schlaue und flinke Angehörige der »herrschenden« Klasse der DDR haben sich in den neuen Gewerkschaftsapparat, den öffentlichen Dienst und Parteiapparate eingeklinkt.(8) Die große Mehrheit musste sehen, wo sie bleibt. In Halberstadt gab es 1989 drei große Betriebe mit etwa je 2000 MitarbeiterInnen. Die existieren nicht mehr, dafür dräut als größtes neues Gebäude auf dem Weg zur Innenstadt die ARGE-Verwaltung, die eine Arbeitslosigkeit von 17 Prozent zu behandeln hat.

Die PDS/Linke als Klientelpartei kann nur einen Teil des ehemaligen DDR-Proletariats ideologisch per proletarischer Nostalgie an sich binden. Die etwa 21 Prozent der Bevölkerung, die sich die DDR restauriert wünschen, sind zum größten Teil bekennende Nichtwähler. Politisch hat PDS/Linke kaum Zugang zu diesen beiden Gruppierungen, denn sie ist eingezwängt in die politischen, und das heißt auf kommunalem und regionalem Gebiet finanziellen Fesseln von Systemgestaltung. Der jetzige direkt gewählte Oberbürgermeister von Halberstadt ist Mitglied der Linkspartei, war SED-Kader, wurde aber nicht von DDR-Nostalgikern gewählt – von Systemopponenten sowieso nicht – sondern konnte das kleinbürgerlich-sozialdemokratische Lager an sich binden.

Während die PDS/Linke sich politisch als Ostintegrator vorstellt, wirkt ihre ideologische Mentalitätspflege eines volksgemeinschaftlichen Ostdaseins desintegrierend. Ihr Beharren auf die Opferlegende ist die eine Seite. Die andere sind Traditionspflege und die Beschlagnahme von Geschichte – auch wenn es dabei »nur« um Blockade von Diskursen über die Vergangenheit geht. Die Fehlbearbeitung des Nationalsozialismus durch die inszenierte Faschismusbewältigung mittels verordnetem Antifaschismus wirkt fort.(9) Auf ähnliche Weise wird nun mit dem DDR-Staat und der in ihm agierenden sozialistischen Volksgemeinschaft umgegangen. Bleierne Phrasen, hohle Treueschwüre, pompöse Rituale sorgten in der DDR für die Verkleidung kollektiver Verantwortungsverdrängung gegenüber Geschichte und Gegenwart. Und zunehmend organisieren die Kader eines untergegangenen Regimes predigend die alte Herrlichkeit. Sie schließen sich in Stasi- und Kampfgruppen-Hardcore-Zirkeln zusammen. Eingeübte DDR-Rituale der antifaschistischen Genossengedenkfeiern werden fortgeführt und wieder belebt. Kritische Nachfragen und Impulse zur Gedenkstätten- und Erinnerungsarbeit werden abgeschmiert. Dabei kommen merkwürdig anmutende Erinnerungsszenarien heraus. An einem der ältesten Häuser der Innenstadt (Breite Str. 78) hängt eine Metallplakette mit der Inschrift: »Am 22. Februar 1944 warfen amerikanische Bomber der 8. US Air Force 210 Sprengbomben auf Wernigerode. Dieser Angriff kostete 192 Menschen das Leben. 67 Gebäude wurden total und über 400 teilweise zerstört. Das Leid jenes Tages ist uns Mahnung«. Der genaue Hinweis auf die Täterkampfeinheit drückt Ressentiments gegen die Westalliierten des Zweiten Weltkriegs aus, ist integraler Bestandteil ostdeutscher Erinnerung – ein unscheinbares Zeugnis, dass eine Menge Vergangenheitsbearbeitung noch aussteht.

Ähnlich verhält es sich mit der Gedenkstättenarbeit. Im Westen kommt dies Thema nur an, wenn sich Hubertus Knabe mal wieder empört. Dabei liegen die wahren Probleme nicht in Hohenschönhausen oder anderen Großgedenkstätten, sondern im Kleinen. In Wernigerode erinnert ein Areal, größer als ein Fußballfeld, der Mahn- und Gedenkstätte Veckenstedter Weg an das Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald. Obwohl hier viel Originales erhalten ist, ein beträchtlicher Akten- und Dokumentenbestand der Auswertung harrt, droht diese Gedenkstätte bei allem Einsatz der dort Tätigen zu verkommen. Die Mittelbeschaffung für eine grundlegende Neu- und Umgestaltung, die historisches Gedenken in tätigem Erinnern konzipiert, ist blockiert. Mit der PDS/Linken im Rücken beharren die Altkader auf ihrer Widerstandsapologetik. Viermal im Jahr finden nun hier Gedenkfeiern statt: Am 27. Januar und 9. November von Stadt und Land als Träger veranstaltet, am 8. Mai und 9. September (DDR-»Tag der Opfer des Faschismus«) organisiert von PDS/Linke und den Traditionalisten.

Ein weiteres Betätigungsfeld der Altkader bildet das in der DDR geächtete, doch in Deutschland so beliebte Schützenvereinswesen. Diese Gilden werden neu belebt. Sie waren und sind immer Orte politisch-kameradschaftlichen Klüngels. In ihnen werden neue Seilschaften gestrickt, wird massiv Lokalpolitik betrieben. Wer im Ort mitreden will, muss dabei sein. (Was im Rheinland und südlicher der Karnevalsverein ist, ist in Norddeutschland der Schützenverein)

Die ausstehende Herkulesarbeit

Die Geschichte von 1933 bis 1945 sei immer noch ungeschrieben, hieß es auf einer Tagung der Landeszentrale für politische Bildung zum Thema Stadtgeschichte in der NS-Zeit im November 2003 in Magdeburg.(10) Es gibt Versuche, dieses große Loch zu stopfen. Im Rahmen der Jugendstiftung Perspektiven etwa wurde 2007 das Projekt Zeitsprünge Sachsen-Anhalt initiiert, das sich Themen von Alltagsgeschichte vor Ort annimmt. Zeitsprünge nennen sich Initiativen, die als Bestandteil der Netzwerkprojekte gegen Rechtsextremismus, die im Rahmen des Bundesprogramms CIVITAS im Schwerpunkt »Vernetzung des zivilgesellschaftlichen Engagements im Gemeinwesen« arbeiten.(11) Wie wirksam solch kühne Projekte sein mögen, wird man abwarten müssen. Skepsis ist angebracht, wenn man die bundesrepublikanischen Erfahrungen mit Geschichtswerkstättenarbeit im Blick hat. Sie hatten und haben mit mehr oder minder massiven politischen Widerständen zu kämpfen, wenn es um lokale oder regionale Zeitgeschichte geht. Sowie es um die Bearbeitung von DDR-Geschichte geht, die ja noch viel dichter an der Gegenwart liegt als das Thema Nationalsozialismus, verfallen viele politische und kulturelle Akteure kollektiver Amnesie. Diese mündet jedoch im Nichtbegreifen von zeithistorischer Vergangenheit. Doch ohne diese können sich keine selbstbewussten neuen kollektiven Identitäten bilden. Sollen Identitäten jedoch nicht von Ideologien gestiftet werden, sind sie an (Heimat-)Regionen und deren Geschichte gebunden. Alle GesprächspartnerInnen bestätigten dies Defizit. Doch die Kräfte und Mittel für diese Arbeit aufzubringen, scheint derzeit unmöglich.

Wenn man sich besinnt, wie zentral die kritische Auseinandersetzung mit der zeitgeschichtlichen Vergangenheit für die Entwicklung der Bundesrepublik zu einem Staatswesen mit »Lebenswürdigkeit« gewesen ist, dann kann man ermessen, welche Herkulesarbeit Bürgerbewegungen im Osten noch auf sich laden müssen.

1

Mit diesem Begriff zitieren sie einen der letzten Befehle Hitlers und des Gauleiters der westlichen Region Harz Hartmann Lauterbacher aus den letzten Kriegswochen des Zweiten Weltkriegs, die dieses Gebiet mit seinen bedeutenden Rüstungseinrichtungen zur »Festung« erklärten. In Herzberg hielt die NPD ihren letzten Landesparteitag ab. Die Öffentlichkeit erregte dies Ereignis bundesweit, weil NPD-Vertreter vom Bürgermeister begrüßt wurden. In zwei Orten, Vienenburg und Bad Lauterberg, sind sie mit Ratsherren in der Gemeindeversammlung vertreten. In Bad Lauterberg wohnen sechs Listenkandidaten zur niedersächsischen Landtagswahl am 27. Januar nächsten Jahres, und wie zur Bestätigung wachsender Rechtsaktivitäten wurden am 5. November in Fretterode bei Göttingen, dem Wohnsitz des bundesweit bekannten NPD-Funktionärs Thorsten Heise und anderen Orten im Landesgrenzgebiet Niedersachsen/Thüringen Wohnungen und Anwesen zahlreicher führender Neonazis von der Polizei durchsucht, Waffen, CDs und Unterlagen beschlagnahmt. Zudem ist der Harz seit den 1890er-Jahren bevorzugter Bezugspunkt für Reichs- und Germanenmythen, belebt von Himmlers Ahnenerbe e. V. und Reichsnährstandführer Richard Walther Darrés »Blut-und-Boden-Feiern« in seiner Reichsbauernstadt Goslar.

2

Vgl. www.zora.de/index.php?n=Zora.Aktuelles …

3

Nach der amtlichen Statistik beträgt der AusländerInnenanteil in diesem Bundesland 1,8 %, in Halberstadt 2,1 %.

4

www.halberstadt.de

5

»Als Protest gegen den damals eskalierenden Abriss der Altstadt-Fachwerkhäuser hatte er riskiert, den Kulturpreis der Stadt Halberstadt zurückzugeben. Sein engagiertes Eintreten gegen den Zerfall und den Abriss der Halberstädter Altstadt ist beispiellos. Dabei sind Einzelaktionen seit den Achtzigerjahren ebenso zu nennen, wie die Organisation von Protest- und Bergungsaktionen. Die Zerstörung alter Häuser wurde für viele Halberstädter ein Symbol für unwiederbringliche Lebensqualität.›Wenn Häuser schreien könnten‹, lautete eine dieser Aktionen, die nicht zuletzt auch ein prägendes Motiv der ersten Demonstration 1989 waren«. – Aus dem Nachruf der Stadt: www.wernigerode.de

6

Von 1991 bis 2006 reduzierte sich die Zahl der Arbeitnehmer insgesamt von 1, 22 Mio. auf 896.000. Im produzierenden, verarbeitenden und Bau-Gewerbe plus Land- und Forstwirtschaft waren 1991 916.000 Arbeitnehmer beschäftigt, 2000 439.000 und 2006 betrug ihre Zahl 369.000; www.stala.sachsen-anhalt.de.

7

Sitzverteilung im gegenwärtigen Kreistag: CDU: 21 Sitze; Die Linke 12; SPD 12; FDP 4; Bündnis90/Die Grünen 3; NPD 2; Bürgerfraktion 6 setzt sich zusammen aus: Bürger unseres Kreises ohne Parteibuch (2), Bürgerinitiative Oberharz (1), Bürgerverein Unterharz(1), Quedlinburger freie Wählergemeinschaft (1), Forum Halberstadt (1).

8

Nach der Erwerbstätigenstatistik ist der Bereich der öffentlichen und privaten Dienstleistungen der einzige, in dem die Beschäftigung 2006 auf dem gleichen Niveau wie 1991 liegt.

9

Der Historiker Olaf Gröhler fasste vor vielen Jahren das DDR-Treiben von »Bewältigung« zusammen: »Gefragt war nicht, wie weit man sich vom Nationalsozialismus und seiner Ideologie tatsächlich gelöst hatte, sondern vielmehr das Gelöbnis zur neuen Ordnung, das durch Taten zu beweisen war. Die Lebensläufe vieler Bürger der DDR lassen erahnen, wie wenig man sich von alten Vorstellungen gelöst hatte, weil man zu viel Vertrautes in der neuen Ordnung vorfand.« Olaf Gröhler (1992): »Antifaschismus – Vom Umgang mit einem Begriff«, in: Ulrich Herbert, Olaf Gröhler (Hrsg.): Zweierlei Bewältigung. Vier Beiträge über den Umgang mit der NS-Vergangenheit in den beiden deutschen Staaten, Hamburg, S. 31.

10

Vgl. Detlef Schmiechen-Ackermann, Steffi Kaltenborn (Hrsg.) (2005): Stadtgeschichte in der NS-Zeit. Fallstudien aus Sachsen-Anhalt und vergleichende Perspektiven, Münster.

11

»Über das direkte Engagement gegen Rechtsextremismus hinaus sollte es zukünftig darum gehen, demokratische Strukturen erlebbar zu machen und gerade Jugendlichen Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume im Gemeinwesen eröffnen.« Die Spannbreite der Projekte reicht vom »Liebesleben im Grenzbereich« (in einem Ort im ehemaligen Sperrgebiet) über »Lehrjahre in der DDR« bis zur Untersuchung »Jüdische Lebenswege in Aschersleben«. Vgl. www.jugendstiftung-perspektiven.org – Zeitsprünge-Projektübersicht.

 

KASTEN:

Der dornige Weg zu demokratischen Einstellungen

Unter der Überschrift »Hohe Zustimmung zur Demokratie als Staatsform und deutliche Ablehnung des Rechtsextremismus« stellte die Staatskanzlei des Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt, Wolfgang Böhmer, am 24. September 2007 eine neue Studie »Sachsen-Anhalt-Monitor 2007« vor.(1)

In der Studie werden persönliche Einschätzungen zur wirtschaftlichen Lage, zu politischen Einstellungen und Kompetenzen, zur Mediennutzung und zu demokratischem Engagement erfragt und ausgewertet. So systemkonform und extremismusresistent wie von der Landesregierung interpretiert, fallen die Selbsteinschätzungen der BürgerInnen nicht aus. Die wesentlichen Ergebnisse: Bei prinzipieller Zustimmung zur »Demokratie als beste aller Staatsideen« (79 %) liegt die »Zufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie und ihren Institutionen« bei nur 43 Prozent. Politik »kümmere sich nicht um die Leute« (73 %) und Abgeordnete verlören den Kontakt zu ihren Wählern (85 %). Gleichzeitig gaben sich 28 Prozent der Befragten als überzeugte Nichtwähler zu erkennen. Zwar werde Rechtsextremismus mehrheitlich abgelehnt, doch unter den Jüngeren sei ein »gestörtes Verhältnis zu wichtigen Funktionsbedingungen der Demokratie« zu beobachten: »Fast ein Viertel der 18- bis 24-Jährigen (24 %) lehnt die verfassungsförmige Verbürgung der Möglichkeit eines Regierungswechsels ab. 13 Prozent verneinen das Recht von Bürgern, für die eigene Überzeugung notfalls auf die Straße zu gehen. Des Weiteren halten 14 Prozent eine demokratische Opposition für überflüssig, und auch die eher obrigkeitsstaatliche Vorstellung, recht verstandene oppositionelle Tätigkeit bedeute, ein treuer Helfer der Regierung zu sein, wird in der jüngsten Altersgruppe mit 73 Prozent – nach der ältesten – weitaus am meisten geteilt. Generell lassen sich im vorherrschenden Demokratieverständnis der Sachsen-Anhalter auch Sympathien für eine stärker gelenkte sowie hierarchisch geordnete politische Betätigung nachweisen. Zwar nicht die Mehrheit, aber immerhin 40 Prozent der Bevölkerung des Landes halten den Streit der Interessengruppen und deren Forderungen an die Regierung für gemeinwohlschädlich. Die Wahrnehmung des Streikrechts und Demonstrationsrechts mögen sich die Bürger mehrheitlich (59 %) nur so weit zugestehen, wie die ›öffentliche Ordnung‹ nicht gefährdet ist. (2)

Vor die Alternative Freiheit oder soziale Sicherheit gestellt, entschieden sich die Befragten je zur Hälfte für eine Präferenz. Wohl meinen 82 Prozent der Befragten, dass die DDR eine Diktatur war, doch 90 Prozent stimmen der Auffassung zu: »Trotz aller Einschränkungen konnte man in der DDR privat alles in allem ganz gut leben« und lehnen das Negativurteil »Wenn man in der DDR leben musste, hat man viele wertvolle Jahre seines Lebens verloren« zu 82 Prozent ab. Das Fazit der Autoren zu diesem Themenkomplex lässt aufmerken: »Im Blick zurück nimmt die DDR für die meisten ihrer ehemaligen Bürger – und teilweise für deren Nachgeborene – bezogen auf den damaligen Alltag ersichtlich Züge eines großen Volksfreundes an, der eine soziale Rundumversorgung für alle vorhielt und solidarische Lebensformen in Gesellschaft und privater Gemeinschaft ermöglichte. … Der diktatorische Kern des Systems und dessen undemokratische Funktionslogik werden abgeschwächt, indem in der Rückschau nach ›guten‹ und ›schlechten‹ Systemteilen sortiert wird«. (3)

P. S.

1

Ossip Fürnberg, Everhard Holtmann, Tobias Jaeck, (Institut für Politikwissenschaft und Japanologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg) 2007: Sachsen-Anhalt-Monitor 2007 – Politische Einstellungen zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Im Auftrag der Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt und des Mitteldeutschen Rundfunks Landesfunkhaus Sachsen-Anhalt, Halle. Vgl.: Friedrich Ebert Stiftung (Hg.), Oliver Decker, Elmar Brähler unter Mitarbeit von Norman Geißler (2006): Vom Rand zur Mitte. Rechtsextreme Einstellung und ihre Einflussfaktoren in Deutschland, Berlin; vgl dazu auch Peter Schyga: »Auch ›deutsche Zustände‹ haben eine Geschichte. Über die Zunahme rechtsextremistischer Weltbilder in der ›Mitte‹«, in: Kommune, 1/07, S. 29–31.

2

Monitor, S. 21.

3

Ebd., S. 61.

 

In: Kommune, Forum für Politik, Ökonomie, Kultur 6/2007