Lothar Probst
Machtperspektiven der Grünen im Superwahljahr 2009
Koalitionsfragen und Eigenprofilierung
Die
alten Koalitionsmuster der deutschen Parteienlandschaft taugen nur noch
begrenzt. Jenseits der großen Koalition kann Regierungsmacht nur in Kombination
mit mindestens einer der drei kleinen, scharf miteinander konkurrierenden
Parteien ausgeübt werden. Die Grünen versuchen den Status einer reinen
ökologischen Oppositionspartei zu überwinden und sich neue
Koalitionsmöglichkeiten zu erschließen. Einer prinzipienlosen Bündnispolitik, so
unser Autor, könnte mit der Formel Ökologie, Gerechtigkeit und Freiheit begegnet
werden.
Vor vier
Jahren, als noch niemand ahnte, dass es im September 2005 zu einer vorgezogenen
Bundestagswahl kommen würde, sah die Situation für die Grünen im
Parteienwettbewerb der Bundesrepublik relativ günstig aus. Seit der
Bundestagswahl 2002, als sie durch das beste Wahlergebnis, das sie je bei einer
Bundestagswahl erzielt hatten, das politische Überleben der rot-grünen
Bundesregierung gesichert hatten, konnten sie auch bei den folgenden
Landtagswahlen zulegen und – von Ostdeutschland abgesehen – sich als dritte
Kraft im Parteiensystem behaupten. Im größten und bevölkerungsreichsten
Bundesland Nordrhein-Westfalen sowie in Schleswig-Holstein regierten sie mit,
und in der rot-grünen Bundesregierung wurden sie angesichts der
Auseinandersetzungen in der SPD um die Agenda 2010 in der medialen
Öffentlichkeit sogar als Stabilitätsfaktor wahrgenommen. Die PDS hatte sich
trotz ihrer fortgesetzten Erfolge in Ostdeutschland noch nicht von der
Wahlniederlage bei der Bundestagswahl 2002 erholt, und es schien so, als wäre
sie endgültig auf den Status einer ostdeutschen Regionalpartei zurückgefallen.
Auch innerparteilich waren die Verhältnisse bei den Grünen damals konsolidierter
denn je. Joschka Fischer, dem eine entscheidende Rolle bei dem guten
Wahlergebnis von 2002 zugeschrieben wurde, war die unumstrittene Führungs- und
Integrationsfigur. Flankiert von Renate Künast und Jürgen Trittin als Minister
und dem Duo Claudio Roth und Reinhard Bütikofer als Bundesvorsitzende war es
gelungen, eine gut austarierte Machtbalance an der Spitze der Partei
herzustellen. Dementsprechend vermittelten auch die Parteitage ein Bild der
Geschlossenheit nach außen und signalisierten: Wir wollen diese Republik auch
zukünftig als Regierungspartei mitgestalten.
Vergleicht man die hier skizzierte Situation mit den gegenwärtigen Perspektiven
der Grünen im bevorstehenden Superwahljahr 2009, dann ist so ziemlich alles
anders, mit Ausnahme des auf dem Parteitag in Erfurt deutlich gewordenen
Willens, auch zukünftig als Regierungspartei in Bund und Ländern wieder stärker
mitmischen zu wollen – allerdings nicht mehr als Juniorpartner in einer
Bindestrichkoalition und in einem politisch definierten Langzeitprojekt
(Rot-Grün), sondern als selbstbewusste politische Kraft, die für so viel Grün
wie möglich in verschiedenen denkbaren Koalitionsoptionen kämpft.
Der
Ausgang der Bundestagswahl 2005
hatte den Grünen trotz eines passablen Ergebnisses vor Augen geführt, dass sich
ihre Position im Parteienwettbewerb radikal verändert hatte. Der Verlust der
Regierungsbeteiligungen in Bund und Ländern und das Schrumpfen zur kleinsten
Fraktion im Deutschen Bundestag brachten einen schmerzhaften Bedeutungsverlust
mit sich. Auch die unklaren Machtverhältnisse an der Spitze der Partei nach dem
Abgang von Joschka Fischer und das Bedürfnis an der Parteibasis, sich von den
Entscheidungen der rot-grünen Regierungsjahre in Fragen der Sozial- sowie Außen-
und Sicherheitspolitik zu distanzieren, stürzten die Partei mehrfach in eine
Formkrise. Auf der elektoralen Ebene vermitteln die Wahlergebnisse seit 2005
ebenfalls ein eher gemischtes Bild. Herausragenden Wahlergebnissen in
Baden-Württemberg, Berlin und Bremen standen das Scheitern an der
Fünf-Prozent-Sperrklausel in Rheinland-Pfalz, die herben Verluste in Hessen und
Hamburg und das abermalige Scheitern in Brandenburg gegenüber. Schließlich hat
sich auch die Wettbewerbssituation unter den kleinen Parteien seit der
Bundestagswahl 2005 grundlegend verändert. Neben der FPD ist die LINKE
inzwischen auch im Westen zu einem ernst zu nehmenden Konkurrenten um den ersten
Platz unter den kleinen Parteien geworden. Hinzu kommt, dass die LINKE im Osten
vor Selbstbewusstsein und Kraft nur so strotzt und dass es selbst der FDP
inzwischen gelungen ist, in den ostdeutschen Landesparlamenten wieder Fuß zu
fassen, während sich die Grünen dort – von Sachsen abgesehen – immer noch
unterhalb der Schwelle der parlamentarischen Repräsentation bewegen. Blickt man
auf die machtpolitischen Konstellationen, befindet sich die FDP unter den drei
kleinen Parteien eindeutig in der Pole-Position: Sie regiert in den vier
bevölkerungsreichsten Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Bayern,
Baden-Württemberg und Niedersachsen zusammen mit der CDU und hat bei der
anstehenden Neuwahl in Hessen reelle Chancen, in die Landesregierung eines
weiteren bedeutenden Bundeslandes einzutreten. Für die FDP dürfte dies im
Bundestagswahlkampf 2009 ein gewichtiges Argument sein, um für eine
schwarz-gelbe Mehrheit auch auf Bundesebene zu werben. DIE LINKE, bisher nur
Regierungspartei im Stadtstaat Berlin, ist wild entschlossen, nicht nur im
Osten, sondern auch im Westen einen Fuß in die Regierungsbildung zu bekommen.
Das hat nicht zuletzt das Beispiel Hessen eindrucksvoll demonstriert, wo die
LINKE bereit war, alles dafür zu tun, dass es zur Etablierung einer rot-grünen
Minderheitsregierung kommt. Bei den im nächsten Jahr anstehenden Landtagswahlen
in Thüringen und im Saarland werden die Grünen voraussichtlich nicht einmal
gebraucht werden, um rot-rote Landesregierungen – in welcher Konstellation auch
immer – zu bilden.
Um im
Wettbewerb um Regierungsbeteiligungen und -ämter nicht ins Hintertreffen zu
geraten, haben die grünen Spitzenakteure seit der Bundestagswahl 2005
kontinuierlich daran gearbeitet, die Partei davon zu überzeugen, dass das
Einigeln in den Status einer ökologischen Oppositionspartei verhängnisvoll wäre.
In der Parteiführung ist man sich bewusst, dass gerade die ökologisch und sozial
orientierten Mittelschichten aus dem kritischen Bürgertum ihr Votum für die
inhaltlichen Ziele der Grünen in der Regel mit der Erwartung verbinden, dass
sich dadurch auch Gestaltungsoptionen im Rahmen von Regierungsbeteiligungen
eröffnen. Sowohl die Bildung einer schwarz-grünen Koalition in Hamburg als auch
der Versuch, sich an der Etablierung einer Minderheitsregierung in Hessen zu
beteiligen, haben den Willen der Grünen deutlich gemacht, die sich bietenden
Chancen zur Regierungsbeteiligung auch zu nutzen.
Das
Beispiel Hessen sollte aber zugleich eine Warnung sein, dass nicht alle Optionen
gleich attraktiv und erfolgversprechend sind. Der Reiz, der in Hessen von der
Bildung einer Minderheitsregierung ausging und dem sich die Grünen
offensichtlich nicht entziehen konnten, um sich nach Hamburg auch »links« neue
koalitionspolitische Machtoptionen zu erschließen, dürfte jedenfalls vorerst
verflogen sein. An dem Experiment Minderheitsregierung wird sich so schnell
keiner wieder die Finger verbrennen, wenngleich ein Recycling zu einem späteren
Zeitpunkt angesichts der veränderten parteipolitischen Konstellationen in der
Bundesrepublik nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann. Schon die Art und
Weise, wie die hessische SPD-Spitze zunächst ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel
gesetzt hat, dann die innerparteiliche Kritik erstickte und schließlich die
Minderheitsregierung zu einem ideologischen Projekt umfunktionierte, hätte die
Grünen skeptisch machen müssen.
Das
doppelte Dilemma der hessischen Grünen waren die jeweiligen personalpolitischen
Konstellationen an der Spitze der beiden Volksparteien: Mit Roland Koch war nach
dem Wahlkampf de facto eine Koalition ausgeschlossen, mit Andrea Ypsilanti war
die Bildung einer Minderheitsregierung von Anfang an ein Harakiri-Unternehmen.
Doch trotz des ernüchternden Ausgangs des Experiments Minderheitsregierung hat
die hessische Erfahrung der letzten Monate einen Trend bestätigt, der sich
bereits seit der Bundestagswahl 2005 abzeichnet und der die Grünen
koalitionspolitisch im Prinzip in eine sehr komfortable Position bringt: Sie
werden von beiden Volksparteien als Partner umworben und bei allen
Dreier-Koalitionen, in welcher Farbschattierung auch immer, gebraucht. Das macht
die machtpolitischen Perspektiven für die Grünen jedoch nicht unbedingt
einfacher, denn sie müssen in unterschiedlichen Konstellationen unter Beweis
stellen, wie man mit diesem Pfund auf der Ebene der Umsetzung grüner Politik
wuchern kann, ohne in den Verdacht zu geraten, lediglich als Mehrheitsbeschaffer
zu dienen.
Da im
fluiden Mehrparteiensystem der Bundesrepublik,
wie es sich jetzt herausgebildet hat, Wahlausgänge dazu tendieren, Koalitions-
und Mehrheitsbildungen entweder arithmetisch oder politisch zu blockieren, sind
alle Parteien gezwungen, sich koalitionspolitisch flexibler zu verhalten, als es
den alten Koalitionsmustern in der Bundesrepublik entspricht. Die
Koalitionsbildungsprozesse machen auf jeden Fall deutlich, dass die früher
reibungslos funktionierende Regierungsbildungsfunktion des deutschen
Parteiensystems »gestört« ist und nicht mehr ohne weiteres nach dem Prinzip der
Bildung der jeweils kleinstmöglichen Gewinnkoalition funktioniert. Die
strategische Ausgangssituation für Koalitionsbildungsprozesse in der
Bundesrepublik verhält sich interessanterweise gegenwärtig umgekehrt zur
demoskopisch gemessenen Stärke der Parteien. Die SPD befindet sich trotz
Umfragetiefs koalitionspolitisch in einer günstigeren Position als die CDU, weil
sie über Koalitionserfahrungen mit allen anderen im Bundestag vertretenen
Parteien verfügt und vor diesem Hintergrund mit allen Parteien koalitionsfähig
ist. Der CDU steht dagegen – abgesehen von der erneuten Bildung einer großen
Koalition mit der SPD – bisher nur die FDP realistischerweise als
Koalitionspartner zur Verfügung. Mit der ersten schwarz-grünen Koalition in
Hamburg, die nicht zuletzt deshalb auch für die CDU von herausgehobener
strategischer Bedeutung war, könnte sich zwar eine Erweiterung der
koalitionspolitischen Optionen der CDU anbahnen, aber die Differenzen sind
gegenwärtig zumindest auf der Bundesebene noch sehr groß. Bei den kleineren
Parteien verhält sich der koalitionspolitische Spielraum ebenfalls umgekehrt zur
ihrer gegenwärtig gemessenen demoskopischen Stärke. Die LINKE hat mit der SPD
und gegebenenfalls den Grünen nur zwei Optionen, während der FDP drei und den
Grünen – mit einem gewissen Fragezeichen – im Prinzip sogar vier
Koalitionsmöglichkeiten offen stehen (siehe Schaubild: »Koalitionsoptionen
der Parteien«).
Die
strategischen Koalitionsoptionen sind aber nicht mit den
Koalitionswahrscheinlichkeiten zu verwechseln. Koalitionsbildungsprozesse, das
zeigen sowohl entsprechende Koalitionstheorien als auch die empirische
Erfahrung, unterliegen nicht nur der Logik des Machterwerbs um jeden Preis (office
seeking), sondern Koalitionsparteien folgen auch Policy-Präferenzen (policy-seeking)
und berücksichtigen Wählerstimmungen (vote-seeking). Das Problem der
neuen Unübersichtlichkeit im deutschen Parteiensystem liegt darin, dass die
Ausdifferenzierung zwar die Tendenz zur Auflösung der politischen Lager und zur
Entwicklung neuer Koalitionsmuster verstärkt hat (vor allem bei den
Parteieliten), die Lager mental unter den Mitgliedern und Wählern aber
fortbestehen. Das trifft insbesondere auf die Mitglieder und Wähler der Grünen,
der FDP und der CDU/CSU zu. So erfahren etwa Dreier-Koalitionen oder
schwarz-grüne Koalitionen in den Umfragen regelmäßig nur eine außerordentlich
geringe Unterstützung. Außerdem repräsentiert nicht jede denkbare
Dreier-Koalition ein lagerübergreifendes Bündnis (eine Koalition aus SPD, Grünen
und LINKE wäre die Fortschreibung eines »linken« Lagers). Während die Wähler
also auf der einen Seite die Parteien durch ihr Wahlverhalten dazu zwingen, nach
neuen Koalitionsmöglichkeiten zu suchen, müssen die Parteien ihrerseits
befürchten, dass Lager- und Koalitionswechsel teuer bezahlt oder aber teuer
erkauft werden müssen. Die FDP hat 1969 und 1982 einschlägige Erfahrungen mit
Koalitionswechseln gemacht und wäre daran fast gescheitert. Neuen
Koalitionsmodellen sind von daher Grenzen gesetzt, und auch die Grünen werden
vor diesem Hintergrund dazu neigen, die Risiken neuer Koalitionsoptionen
abzuwägen und zu minimieren.
Spielt
man mit Blick auf die Bundestagswahl
die drei denkbaren Konstellationen, an denen die Grünen beteiligt sein könnten,
durch, liegen die jeweiligen Risiken auf der Hand:
– Eine
Jamaica-Koalition auf Bundesebene wäre de facto eine Vierparteienkoalition
aus CDU, CSU, FDP und Grünen, in der die Grünen zwischen drei Parteien
eingeklemmt wären, die auf der Policy-Ebene über einen Grundbestand an
Gemeinsamkeiten verfügen. Insbesondere in den für die Grünen elementaren
Politikfeldern innere Sicherheit sowie Zuwanderungs- und Atomausstiegspolitik
wäre das Konfliktpotenzial in einer solchen Koalition außerordentlich groß. Wenn
man bedenkt, dass das Koalitions- und Krisenmanagement bereits in
Zweier-Koalitionen nicht immer ganz einfach ist, kann man sich darüber hinaus
vorstellen, welche Herkulesaufgabe es wäre, eine Vierer-Koalition
zusammenzuhalten, in der jede Partei auch auf Eigenprofilierung bedacht sein
muss.
– In
einer Linkskoalition aus SPD, LINKEN und Grünen würden die Grünen
wiederum entweder nur der »grüne« Appendix von zwei etatistisch orientierten
Sozialstaatsparteien sein oder sie müssten, um dem Etatismus der beiden
Koalitionspartner etwas entgegenzusetzen, ein Stück weit in die undankbare Rolle
einer »grünen FDP« schlüpfen und damit jenen Teil ihrer Wählerschaft verprellen,
für die soziale Gerechtigkeit ein hohes Gut ist. Hinzu kommt, dass die außen-
und europapolitischen Positionen der LINKEN für die Grünen nicht akzeptabel
sind. Die Linkskoalition ist von daher für die Grünen weder eine wünschenswerte
noch eine realistische Perspektive.
–
Schließlich die ungeliebte Ampel-Koalition. Auch in dieser Koalition
gehen die Grünen Risiken ein und würden einen hohen Preis zahlen. Um die FDP zum
»Lagerverrat« zu bewegen, müssten SPD und Grüne Gudio Westerwelle das Amt des
Außenministers und Vizekanzlers andienen und der FDP auf der Policy-Ebene
erhebliche Zugeständnisse in der Steuer- und Wirtschaftspolitik machen. Für die
Ampel-Koalition spricht, dass die Grünen in dieser Konstellation einerseits mit
der FDP gegen den Etatismus der SPD und für Bürgerrechte und andererseits mit
der SPD gegen den Deregulierungseifer der FDP und die weitere soziale Spaltung
der Gesellschaft streiten könnten. Das Problem ist, dass beim gegenwärtigen
Zustand der SPD eine Ampelkoalition selbst arithmetisch relativ weit von einer
Mehrheit bei der nächsten Bundestagswahl entfernt ist.
Es
bleibt den Grünen vor diesem Hintergrund
gegenwärtig keine andere Alternative, als weiter an ihrer Eigenprofilierung zu
arbeiten, ohne eine der möglichen Koalitionsoptionen völlig auszuschließen. Wenn
man im Wettbewerb der kleinen Parteien die stärkste Partei bei der nächsten
Bundestagswahl werden will, wird es vor allem darum gehen, mit Hilfe des grünen
Markenkerns »Ökologie« nicht nur die Stammwähler zu umwerben, sondern diesen
Markenkern so mit anderen Kompetenzfeldern (Bildung, Sozialpolitik,
Wirtschaftspolitik, Steuer- und Finanzpolitik) zu verknüpfen, dass neue Wähler
hinzugewonnen werden können. Dazu müssen auf der Policy-Ebene konkrete und
realisierbare Projekte entwickelt werden, die man, in welcher Konstellation auch
immer, bei einer Regierungsbeteiligung umsetzen will.
Allerdings bedarf es neben der Entwicklung solcher Projekte auch einer
übergreifenden politischen Formel, mit der man den Weg in flexible, aber nicht
prinzipienlose neue Bündnisse ebnen kann. Angesichts der nationalen und globalen
Herausforderungen müsste diese Formel die drei Ebenen Ökologie, Gerechtigkeit
und Freiheit in ein produktives Verhältnis zueinander setzen. Am meisten
Schwierigkeiten dürfte Teilen der Grünen das Bekenntnis zur Freiheit bereiten,
weil Freiheit im parteiinternen Diskurs erstaunlicherweise immer noch mit
wirtschaftsliberalen oder konservativen Positionen assoziiert wird, obwohl
gerade das Versprechen der Freiheit, wie es sich historisch in der
amerikanischen und französischen Revolution Bahn gebrochen hat, zum Erbe einer
freiheitlichen Linken gehört.
Hier
könnten die Grünen sich tatsächlich eine Scheibe von Barack Obama abschneiden,
der es in seinem Wahlkampf vermocht hat, die in der amerikanischen Geschichte
tief verankerte republikanische Tradition der Freiheit zu reaktivieren und die
Selbstregierung der Bürger zum Programm einer Erneuerung der amerikanischen
Demokratie zu machen. Der 60. Jahrestag der Verabschiedung des Grundgesetzes und
der 20. Jahrestag der freiheitlichen Revolution in der DDR könnten den Grünen
auch in der Bundesrepublik genug Anhaltspunkte bieten, um den Begriff der
Freiheit nicht den Konkurrenten im politischen Wettbewerb zu überlassen.
Siehe zum Thema in der »Kommune« auch:
Willfried Maier: »Komplementärmodell in der Stadtgesellschaft. Schwarz-grün in
Hamburg – und im Bund? (5/08); Helmut Wiesenthal: »Vor uns die schwierigen
Jahre. Wandel des deutschen Parteiensystems, gesellschaftliche Desintegration
und die Zukunft der Grünen« (4/08); Michael Jäger: »Machtfrage und
Parlamentstaktik. Die Politik wechselnder Mehrheiten – damals und heute« (3/08);
Thorsten Hasenritter, Herbert Hönigsberger, Andreas Kolbe, Sven Osterberg: »Die
Haupttendenz ist Reformismus. Die Leitpartei SPD und der sozialdemokratische ›common
sense‹« (2/08); Tine Stein: »Konservatismus in Deutschland heute. Politische und
intellektuelle Erneuerungssversuche « (5/07); Martin Kühn: »Neues Spiel, neues
Glück. Die Grünen suchen das Politische« (4/07)
In:
Kommune, Forum für Politik, Ökonomie, Kultur 6/2008