Offensiv aus der Beschäftigungskrise

Beitrag zu einer vergessenen Diskussion1

Georg Vobruba

Manchmal sind Debatten schon eingeschlafen, wenn sie durch den Lauf der Dinge akut werden. So scheint es um die "Zukunft der Arbeit" und das "Ende der Arbeitsgesellschaft" zu stehen, die Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre heftig diskutiert wurden. Heute scheint die Erwerbsarbeit so ehern wie je als Grundlage jeder gesellschaftlichen Teilnahme reetabliert zu sein. Warum? fragt Georg Vobruba in seinem "Beitrag zu einer vergessenen Debatte".
Ein Gespräch mit André Gorz über sein jüngstes, eben auf französisch erschienenes Buch läßt noch einmal den Wind ahnen, der durch die damaligen Debatten wehte und heute selten zu spüren ist. Bei Christel Eckart allerdings schon. Sie fordert dazu auf, in der Diskussion um die Arbeitszeit die Interessen aus der Alltagspraxis von Frauen politisch zur Geltung zu bringen. Und damit ist die Frage nach der Stellung der Familie im gesellschaftlichen Reproduktionsprozeß schon aufgeworfen. "Ausrangiert und neu erfunden" heißt der Untertitel zu Reiner Fellmeths und Conrad Lays Artikel über die "Familie heute".

Es tut sich nichts. Offiziell hat sich der politische Diskurs noch immer nicht auf das Ende der Vollbeschäftigung eingestellt. Immer noch wird so getan, als sei Arbeitslosigkeit im Kapitalismus die Ausnahme, nicht die Regel. Immer noch wird die Massenarbeitslosigkeit als überwindbar dargestellt, "wenn nur alle wollten". Inoffiziell ist das Ziel Vollbeschäftigung längst aufgegeben worden. An seine Stelle getreten ist: nichts.

In einem gewissen Sinn war die Diskussion schon einmal weiter. Am Anfang vom Ende der Vollbeschäftigung, in den späten 70er und in den 80er Jahren, entwickelte sich eine breite Debatte über Alternativen zur industriell-kapitalistischen Produktion und Arbeit, die den Wegfall von Arbeitsplätzen nicht nur als Übel, sondern auch als Chance sah. Die Alternativökonomie-Diskussion ist interessant, weil sie bis heute die einzige offensive Reaktion auf das Ende der Vollbeschäftigung geblieben ist. Ich werde zuerst die Entwicklung dieser Diskussion kurz rekonstruieren. Dann werde ich darauf eingehen, warum man in dieser Diskussion nur in "einem gewissen Sinn" weiter war als heute. Daraus wird sich zugleich eine Antwort auf die Fragen ergeben, warum die Diskussion zusammengebrochen ist und wie sie mit Aussicht auf mehr Dauerhaftigkeit heute neu angelegt werden müßte.

Die Beschäftigungssituation in den westlichen Industriestaaten änderte sich zwischen der letzten Vollbeschäftigungs-Prosperität und der ersten Krise mit einschneidender Arbeitslosigkeit rasch.

Das Ende der Vollbeschäftigung traf auf eine kritische politische und sozialwissenschaftliche Öffentlichkeit, in der die folgenden beiden Überzeugungen gut verankert waren. Einerseits stand die industriell-kapitalistische Produktionsweise unter Dauerkritik. Dabei ging es um die Qualität der Arbeitsbedingungen, um Produktionsinhalte (Kritik der Rüstungsproduktion) und um Nebenfolgen (Kritik ökologischer Folgeschäden) der Produktion sowie um das industriell-kapitalistische Wohlstandsmodell insgesamt. Andererseits ging man wie selbstverständlich davon aus, daß der Grund für die zunehmende Arbeitslosigkeit eine abnehmende Zahl an Arbeitsplätzen sei. Arbeitslosigkeit wurde also ohne weiteres auf ein Sinken der Nachfrage nach Arbeitskraft zurückgeführt. Als sich die Arbeitslosigkeit als dauerhaft herausstellte, wurde dies als säkulares Phänomen aufgefaßt. Man meinte in der stetig wachsenden Arbeitslosigkeit das sich ankündigende "Ende der Arbeitsgesellschaft" (Dahrendorf 1980) zu sehen.

Vor dem Hintergrund dieser beiden Deutungen mußte die Arbeitslosigkeit so verstanden werden: Die Arbeit ist quantitativ unzureichend und qualitativ unzulänglich. Ich komprimiere die damalige komplizierte Diskurssituation im Begriff der "doppelten Krise der Lohnarbeit" (Vobruba 1989).

Es war für alle Beteiligten schwierig, sich in dieser Situation politisch eindeutig zu positionieren. War man für die bedingungslose Lösung des quantitativen Problems (also für Beschäftigungsförderung), so geriet man mit der qualitativen Kritik (gesundheits-, friedens-, umweltpolitische Bedenken) in Konflikt. Vertrat man bedingungslos die Richtung qualitativer Kritik, mußte man sich Ignoranz vor dem quantitativen Problem (Arbeitslosigkeit) vorwerfen lassen. Diese Konstellation der "doppelten Krise der Lohnarbeit" ist im Kern die Ursache der abnehmenden Orientierungskraft der politischen Rechts-links-Differenz. Sie bezeichnet ein bis heute ungelöstes politisches Strategieproblem.

"Nützliche Arbeitslosigkeit"

Angesichts steigender Arbeitslosenzahlen entwickelte sich erst einmal die Idee, man könne quantitatives Versagen und qualitative Kritik kurzschließen. Vereinfacht: Wenn Arbeitsplätze ohnehin ihrer Qualität nach nicht akzeptabel sind, dann ist es gut, wenn es keine solchen Arbeitsplätze gibt (Illich 1978). Diese Auffassung beruhte auf einer einfachen Kombination von Ideen von Marx und Arendt. Man erweiterte Marx' Entfremdungskritik ökologisch und verknüpfte sie mit Arendts Übergang von der Arbeits- zur Tätigkeitsgesellschaft. Die Idee der Durchsetzung einer anderen Qualität industrieller Produktion und Arbeit wurde überlagert von der Vorstellung des Ausstiegs aus der Lohnarbeit und des Umstiegs in ganz andere, bessere Formen von Arbeiten und Leben. Die empirische Evidenz dafür fand man in der Gleichzeitigkeit von Arbeitslosigkeit und Wertewandel (von Klipstein, Strümpel 1984). Diese Gleichzeitigkeit unterstützte die Überzeugung, daß der ökonomische und der kulturelle Wandel einander wechselseitig entproblematisieren: Der Rückzug der Lohnarbeit führt zu Einkommensverlusten - die aber werden durch den Wertewandel entproblematisiert. Der Wertewandel führt zu Wünschen nach mehr Selbstbestimmtheit - die Freiräume dafür werden durch den Rückzug der Arbeitsgesellschaft eröffnet. Die Diskussion befaßte sich darum mit den Fragen: Welche Benefits hat abhängige Erwerbstätigkeit für die Arbeitskräfte? Und wie können diese Benefits durch andere Tätigkeitsformen substituiert werden? Dabei wurde meist von der Unterscheidung zwischen materiellen und immateriellen Benefits ausgegangen.

Eine vollständige Substitution der materiellen Benefits wurde den Alternativen zur Lohnarbeit in der Regel nicht zugetraut.

Öfter dagegen wurde argumentiert, daß Arbeitslosigkeit zwar Wohlstandsverluste mit sich bringe, die durch Eigenarbeit nicht ganz kompensierbar sind, daß aber die gewonnene frei verfügbare Zeit Tätigkeiten mit mehr immateriellen Benefits ermögliche. So würden die Wohlstandsverluste durch Wohlfahrtsgewinne (mehr als) aufgewogen. Diese Position beruhte zum einen auf einer Kritik der "kapitalistisch erzeugten" Bedürfnisse, auf einer Kritik der Transformation aller Bedarfe in monetär befriedigbare Wünsche nach Gütern, und in einigen Fällen auch auf der schlichten These einer Nachfragesättigung. Daran wurde die Erwartung geknüpft, der Verlust an Einkommen und der Zuwachs an Zeit für Eigenarbeit werde die authentischen, nicht mehr kapitalistisch verzerrten Bedürfnisse wieder freisetzen. Die "echten" Wünsche richten sich also auf weniger Güter und auf anderes als Güter - das war die Grundlage, auf der der quantitative und der qualitative Aspekt der doppelten Krise der Lohnabeit miteinander kurzgeschlossen wurden.

Pragmatische Dualwirtschaft

Eine pragmatischere Reaktion auf die doppelte Krise der Lohnarbeit bestand darin, diverse Formen von Dualwirtschaft vorzuschlagen. Diese Vorschläge gingen von der Annahme aus, daß der Bereich industrieller, entfremdeter Arbeit sich zwar nicht abschaffen, wohl aber erheblich einschränken lasse (Adler-Karlsson 1979; Gorz 1980). Der Bereich industrieller Arbeit wird in emanzipatorischer Hinsicht aufgegeben, wird aber zugleich so weit zurückgedrängt, daß dies insgesamt nicht mehr schadet.

Wichtig für die Entwicklung des Konzepts der "Dualwirtschaft" (Huber 1984) war die historische Rekonstruktion von Traditionen arbeitsmarktexternen Wirtschaftens und Arbeitens (Novy 1978; Novy, Prinz 1985) sowie die Erinnerung, daß in kapitalistischen Industriegesellschaften stets ein wesentlicher Teil der ökonomischen Aktivitäten, insbesondere Hausarbeit, außerhalb des Arbeitsmarktes geleistet wird (Ostner 1978). Es gab reichlich Überlegungen dazu, wieviel an Wohlstandsverlusten infolge von weniger Arbeit im formellen Sektor durch Eigenarbeit kompensiert werden kann. Diese Überlegungen wurden mit der These verbunden, es komme also angesichts schwindender Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt und des gleichzeitigen "Wertewandels" darauf an, bisher dem Arbeitsmarkt vorbehaltene Aktivitäten vermehrt auf den informellen Sektor zu verlagern.

Insgesamt wurde die Ansicht vertreten, daß abhängige Erwerbsarbeit durch den "autonomen Sektor" zwar nicht zu ersetzen sei, daß Eigenarbeit, kollektive Selbsthilfe und informelle Produktion aber in materieller und immaterieller Hinsicht eine wichtige Ergänzung des Arbeitsmarkts darstellen (Heinze, Olk 1982; Grottian, Kück 1983). Diese Auffassung führte zu Forderungen nach einer Arbeitszeitpolitik, welche die erforderliche Zeit für Tätigkeiten abseits abhängiger Erwerbsarbeit schafft (Gorz 1983).

Die Annahme, Leben abseits vom Arbeitsmarkt und von entfremdeter Lohnarbeit sei eine Chance, teilte die alternativökonomische Kritik am System industrieller Arbeit ironischerweise mit neoklassischen Lehrmeinungen. Die Neoklassik versteht bekanntlich Arbeitslosigkeit als Ausdruck einer Präferenz für alternative Zeitnutzungen, die Hoffnungen mancher Alternativökonomen richteten sich - ganz ähnlich - auf "Eigenarbeit" als bessere Alternative zur Lohnarbeit.

@ZU1 = Grundeinkommensdiskussion

@BODY O.E. = Aber die Interpretation von Arbeitslosigkeit als Befreiung trug in der Praxis nicht weit. Die Aufmerksamkeit wurde bald auf den - eher selbstverständlichen - Umstand gelenkt, daß arbeitsmarktexterne Existenz an materielle Bedingungen geknüpft ist. In einigermaßen mühsamen Diskussionen stellte sich heraus, daß die Haushalte in der Regel nicht wirklich über die arbeitsmarktexternen Optionen verfügten, die ihnen von der Neoklassik zugeschrieben wurden; und daß sich solche arbeitsmarktexternen Optionen auch nicht so ohne weiteres individuell oder im kleinen kollektiven Rahmen entwickeln ließen, wie von den Alternativen angenommen worden war. Daraus nun wurde gefolgert, daß diese arbeitsmarktexternen Optionen erst staatlich bereitgestellt und abgesichert werden müssen. Das war der Ausgangspunkt der Grundeinkommensdiskussion (Schmid 1984; Opielka, Vobruba 1986).

Alle Vorschläge zu einem garantierten Grundeinkommen müssen drei Fragen abdecken: Wer soll zum Bezug des Grundeinkommens berechtigt sein? Wie hoch soll der Garantiebetrag sein? Und zu welchem Prozentsatz sollen Erwerbseinkommen auf das Grundeinkommen angerechnet werden? Die Grundeinkommensdiskussion überging die erste Frage mit der Formel, es sei "für alle" da. Sie konzentrierte sich zuerst eher auf den Garantiebetrag und später eher auf die Anrechnungsregelungen.

In ihrer emphatischen Phase verlief die Grundeinkommensdiskussion verbunden mit der Alternativökonomie-Diskussion. Die Idee war, die unvermeidliche Entkoppelung von Arbeit und Einkommen so zu regulieren und zu nutzen, daß das Grundeinkommen die materiellen Voraussetzungen für Tätigkeiten außerhalb des Arbeitsmarkts schafft. Der Vorschlag speiste sich aus einer ähnlichen Konstellation von Diagnosen und Motiven wie die Dualwirtschafts-Diskussion. "Wenn die durch den raschen technischen Fortschritt freigesetzte Arbeitskraft durch weiteres quantitatives Wachstum nicht mehr in den Arbeitsmarkt integriert werden kann, weil ein solches Wachstum an ökologische Grenzen und an Sättigungsgrenzen eines sinnvollen Konsums stößt, dann ist Dauerarbeitslosigkeit wachsender Schichten der Bevölkerung mit ihren katastrophalen psychischen und sozialen Folgen nur dann vermeidbar, wenn zweierlei geschieht: wenn die Arbeitszeit massiv gekürzt wird und durch die Einführung eines Grundeinkommens das Einkommen grundsätzlich von der Erwerbsarbeit abgekoppelt wird." (Büchele, Wohlgenannt 1985: 19, 20) Auch in der späteren, pragmatisch gewendeten Diskussion ist die Idee erhalten geblieben, daß die Option eines Grundeinkommens es möglich mache, auf die bedingungslose Verteidigung gegebener Arbeitsplätze zu verzichten und damit erst den erforderlichen Handlungsspielraum für staatliche Ökologiepolitik absichere (Nissen 1993). Während für diese Argumente der Garantiebetrag, den jede(r) erhält, die entscheidende Rolle spielte, findet in jüngster Zeit die Kombinierbarkeit von Erwerbseinkommen und Grundeinkommen, also die Technik der negativen Einkommensteuer, mehr Aufmerksamkeit. In dieser Perspektive werden Grundeinkommenskonzepte als Instrument zur Einrichtung eines sozialverträglichen Niedriglohnsektors, also als beschäftigungspolitisches Instrument, empfohlen (Scharpf 1995).

Wie weiter?

Die Diskussion um die Möglichkeiten einer gesellschaftspolitisch produktiven Nutzung der Arbeitslosigkeit wurden jahrelang von der falschen Vorstellung geleitet, man könne von steigenden Arbeitslosenzahlen auf sinkende Beschäftigung schließen. Es wurde also von einem Nullsummen-Spiel zwischen Beschäftigung und Arbeitslosigkeit ausgegangen. Diese Vorstellung war für die Alternativ- und Grundeinkommensdiskussion schädlich, da sie zu falschen Annahmen über nutzbare Verteilungsspielräume führte. Warum? Wenn man sich in einer wachsenden Wirtschaft Arbeitslosigkeit nur als Folge des Rückgangs von Beschäftigung vorstellen kann, dann muß man annehmen, daß die Arbeitslosigkeit auf einem Rückgang der Nachfrage nach Arbeitskräften, verursacht durch hohe Steigerungen der Arbeitsproduktivität, beruht. Zum Beispiel so: "Die mikroelektronische Revolution leitet das Zeitalter der Beseitigung der Arbeit ein" (Gorz 1983: 53). Diese Auffassung übersieht die außerökonomischen Bestimmungsfaktoren der Angebotsseite des Arbeitsmarktes. Es bleibt unbeachtet, daß in den vergangenen 25 Jahren in allen westlichen Industriestaaten die meiste Zeit Arbeitslosigkeit und Beschäftigung zugleich zugenommen haben. Auf ein Versagen des Arbeitsmarktes im Sinne eines säkularen Rückgangs der nachgefragten Arbeitsmenge2 läßt sich allenfalls ein kleiner Teil der Arbeitslosigkeit zurückführen. Von einem Mangel an Nachfrage nach Arbeitskräften muß man also eher in dem Sinn sprechen, daß, gemessen am zunehmenden Angebot, der zunehmenden Zahl Arbeitssuchender, die Nachfrage zu gering ist.

Mit dem Wandel von nachfrageseitigen zu angebotsseitigen Gründen zur Erklärung der Arbeitslosigkeit muß eine Ernüchterung bei der Einschätzung der nutzbaren Verteilungsspielräume einhergehen. Die hoffnungsvolle Annahme, daß es nur darum gehe, durch den technischen Fortschritt drastisch erweiterte Verteilungsspielräume zu nutzen, ist nicht zu halten. Es geht um mehr Leute, die im Rahmen des gegebenen Verteilungsspielraums Geld brauchen.

Die Diskussion der "doppelten Krise der Lohnarbeit" litt an zwei grundlegenden Defiziten. Die Diskussion unterstellte unrealistisch weite Verteilungsspielräume und überschätzte die Erwerbsmöglichkeiten im Alternativsektor. Sie unterschätzte also insgesamt den materiellen Aspekt der Krise der Lohnarbeit. Damit in engem Zusammenhang steht das zweite Defizit. Die Diskussion war eher normativ als analytisch. Am deutlichsten ist dieser Mangel in der Grundeinkommensdiskussion. Untersuchungen von Motivlagen relevanter Akteure und Analysen von Akteurskonstellationen, welche zu strategisch nutzbarem Wissen hätten führen können, wurden bis vor kurzem vernachlässigt. Statt dessen dominierten mehr oder weniger elaborierte normative Begründungsversuche - ganz allgemein kein gutes Zeichen für die politische Relevanz einer Diskussion (Vobruba 1997). Die Alternativökonomie-Diskussion bezog sich stärker, aber doch nicht ausreichend, auf Empirie. Zwar konnte in dieser Diskussion unmittelbar auf Beispiele aus der gesellschaftlichen Praxis verwiesen werden, aber es handelte sich um die Praxis eines relativ kleinen Bevölkerungskreises. Zwar wußte man das, und dementsprechend war auch immer wieder einschränkend von der Modellfunktion der real praktizierten Alternativökonomie die Rede. Aber man verknüpfte dies dann doch mit weiterreichenden Erwartungen, daß der Alternativsektor ein Schlüssel zur Lösung großflächiger Probleme des Arbeitsmarktes sei. So wurden aus den tatsächlich praktizierten Lebensformen einer relativ kleinen Gruppe unter der Hand ein Modell-Entwurf eines neuen Lebensmusters, das aber nicht verallgemeinerbar war.

Insgesamt: Das Bemerkenswerte an der Diskussion der doppelten Krise der Lohnarbeit ist, daß sie das Ende der Vollbeschäftigung offensiv aufgriff, statt es zu beklagen. Aber sie scheiterte an ihren beiden Defiziten, an Illusionen über Verteilungsspielräume einerseits und am Mangel an Verallgemeinerbarkeit der Alternativentwürfe andererseits.

In Analysen über Entwicklungsmöglichkeiten der Gesellschaft nach der Vollbeschäftigung muß daher das Verteilungsproblem und die Problem- und Chancenperzeptionen der Leute selbst eingebaut werden. Man weiß über die Einkommensstrategien und die Lebenslagen nach der Vollbeschäftigung nach wie vor wenig. Möglicherweise hat sich die überwiegende Mehrheit bereits ganz gut auf die Situation nach der Vollbeschäftigung eingestellt.

Literatur

Adler-Karlsson, Gunnar (1979): Gedanken zur Vollbeschäftigung; in: MittAB 4

Büchele, Herwig, Lieselotte Wohlgenannt (1985): Grundeinkommen ohne Arbeit, Wien: Europaverlag

Dahrendorf, Ralf (1980): Im Entschwinden der Arbeitsgesellschaft, in: Merkur 34

Gorz, André (1980): Abschied vom Proletariat. Frankfurt: Europäische Verlagsanstalt

Gorz, André (1983): Wege ins Paradies, Berlin: Rotbuch Verlag

Grottian, Peter/Kück, Marlene (1983): Modell Berlin: 1<%10>0<%0>000 neue Arbeitsplätze im Selbsthilfe- und Alternativbereich, in: Michael Bolle, Peter Grottian (Hg.): Arbeit schaffen - jetzt!, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt

Heinze, Rolf G./Olk, Thomas (1982): Arbeitsgesellschaft in der Krise - Chance für den informellen Sektor?, in: Österreichische Zeitschrift für Soziologie, Nr. 3-4

Huber, Joseph (1984): Die zwei Gesichter der Arbeit, Frankfurt/M.: Fischer

Illich, Ivan (1978): Nützliche Arbeitslosigkeit - eine gesellschaftliche Alternative, in: Technologie und Politik. Das Magazin zur Wachstumskrise. Band 10, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt

von Klipstein, Michael/Strümpel, Burkhard (1984): Der Überdruß am Überfluß, München: Olzog

Nissen, Sylke (1993): Umweltpolitik in der Beschäftigungsfalle, Marburg: Metropolis

Novy, Klaus (1978): Strategien der Sozialisierung, Frankfurt/M.: Campus

Novy, Klaus/Prinz, Michael (1985): Illustrierte Geschichte der Gemeinwirtschaft, Berlin/Bonn: Dietz Nachf.

Opielka, Michael/Vobruba, Georg (Hg.) (1986): Das garantierte Grundeinkommen, Frankfurt/M.: Fischer

Ostner, Ilona (1978): Beruf und Hausarbeit, Frankfurt/M.: Campus

Scharpf, Fritz (1995): Subventionierte Niedriglohn-Beschäftigung statt bezahlter Arbeitslosigkeit, in: Zeitschrift für Sozialreform, 41. Jg., Heft 2

Schmid, Thomas (Hg.) (1984): Befreiung von falscher Arbeit, Berlin: Wagenbach

Vobruba, Georg (1989) Arbeiten und Essen, Wien: Passagen

Vobruba, Georg (1997) Autonomiegewinne, Wien: Passagen

1 Das ist ein Ausschnitt aus einem längeren Text "Am Ende der Vollbeschäftigungsgesellschaft". Er erscheint in: Kai Eiker-Wolf u.a. (Hg.): Die arbeitslose Gesellschaft, Marburg: Metropolis-Verlag 1998.

2 Die Folgen des säkularen Rückgangs des Arbeitsvolumens sind in der Bundesrepublik in der Vergangenheit durch Arbeitszeitverkürzungen abgefangen worden. Das Aussetzen von Arbeitszeitverkürzung hat zur ohnehin hohen Arbeitslosigkeit zusätzlich noch beigetragen.