Sprit sparen, Verkehr sparen!

Vom Dreiliterauto und der Globalisierung - Thesen zur grünen Verkehrs- und Mobilitätspolitik in einer vollmotorisierten Gesellschaft

Ulrich Burmeister / Gerd Hickmann

Grüne Verkehrspolitik steckt in der Krise. Dabei war die alternative Verkehrspolitik von Grünen und Verkehrsinitiativen in den vergangenen fünfzehn Jahren ungemein erfolgreich. Die ökologische Neuausrichtung der Verkehrsplanung wurde nicht nur in Fachkreisen durchgesetzt, sie hat auch eine Reihe handfester Erfolge aufzuweisen. Wer hätte Anfang der achtziger Jahre gedacht, daß heute nahezu flächendeckend Tempo-30-Zonen eingerichtet sind, alle Landesregierungen quer durch die Bank Schienen-Taktfahrpläne bis in den hintersten Winkel einrichten oder sich selbst konservative Verkehrsminister die Förderung des Umweltverbunds auf die Fahnen schreiben.
Und dennoch ist die Enttäuschung groß. Das Ziel einer ökologischeren Mobilität wurde bislang auch nicht ansatzweise erreicht. Die Verkehrslawine auf den Straßen wächst ungebremst weiter, strukturell bewegt sich nichts, und ökologische Verkehrspolitik, so sie denn einmal ernst genommen wird, bietet in jeder Koalition Sprengstoff ohne Ende.

Grüne Verkehrspolitik: vom Paradepferd zur Achillesferse

Den Grünen wird große Fachkompentenz in der verkehrspolitischen Diskussion zugesprochen.1 Von der wissenschaftlichen Fachwelt wird - auch wenn freilich nicht jede politische Schlußfolgerung geteilt wird - die grüne Fachpolitik geschätzt, hebt sie sich doch wohltuend von der oberflächlichen Argumentation so manchen Verkehrsministers ab.

Zu allen möglichen Fragen liegen ausgeklügelte Konzepte vor. Kaum ein fachliches Problem, zu dessen Lösung es keinen Vorschlag gäbe. Der politische Instrumentenkasten grüner Verkehrsprogrammatik ist gut gefüllt - vom Radfahrstreifen bis zur europäischen Schwerverkehrsabgabe.

Innerparteilich war die Verkehrspolitik vor allem auch deshalb in der Vergangenheit wenig umstritten, weil ihre konsequent ökologische Ausrichtung zu den grünen Grundüberzeugungen gehört. Auch Differenzen zu den Umweltverbänden sind nicht auszumachen. So umgibt die grünen VerkehrspolitikerInnen innerparteilich eine Aura der unbestechlichen Facharbeiter, die jenseits strömungspolitischer Ideologien und Hinterlistigkeiten an der Sache arbeiten. Nur so ist auch erklärbar, wie wenig umstritten und unbeachtet die Verkehrspolitik schon frühzeitig Vorreiterrollen für die grüne Programmatik einnehmen konnte - sei es bei der Entwicklung von Ökosteuern oder sei es für die positiv-konstruktive Haltung zur Bahn-Privatisierung.

Durch einen gelungenen Spagat zwischen Politikgestaltung auf kommunaler und landespolitischer Ebene und Protesthaltung und langfristig angelegten Veränderungsperspektiven konnten die Bedürfnisse der grünen Politikakteure und ihrer WählerInnen sowohl nach Alltagstauglichkeit wie auch nach sinnstiftender Perspektive erfüllt werden.

Die Stärke grüner Verkehrspolitik hat aber zugleich eine Kehrseite. War bei den anderen Parteien die Verkehrspolitik nie ein wirklich eigenständiges Politikfeld, sondern immer nur Ausfluß anderer Entscheidungen der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, hat im Gegensatz dazu grüne Verkehrspolitik zu lange nur auf ihr eigenes Ressort und zu sehr nur auf Problemlösungen verkehrstechnischer und -organisatorischer Art geblickt.

Zum einen ist zu fragen, ob die starke Orientierung auf die reine Fachebene nicht auch mit einer Einflußlosigkeit im politischen Meinungsstreit und bei der Formulierung des Profils der Gesamtpartei erkauft wurde.

Andererseits wurde aber auch zu selten nach den gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Voraussetzungen und Folgen der verkehrspolitischen Konzepte gefragt. Gedanklich, wenn auch unausgesprochen, wurde stets von einem Primat der ökologischen (Verkehrs-)Politik ausgegangen, nach deren Pfeife in der Konsequenz andere Bereiche - von der Stadtentwicklung bis zum Wirtschaftsablauf - zu tanzen hätten: im Zweifel müsse ökologische Verkehrspolitik eben auch gegen andere Interessen durchgesetzt werden.

Grüner Verkehrspolitik bläst nun, in Zeiten der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Krise, der Wind ins Gesicht. Wir stellen fest:

-- Trotz größter Bemühungen einer vermittelnden Darstellung werden grüne Verkehrskonzepte in weiten Bevölkerungsteilen immer noch als Zumutung und Angriff auf Lebensstandard und Lebensstile betrachtet und wird darauf entsprechend emotional reagiert. Vom politischen Gegner wird dieses Gefühl plump, aber erfolgreich aufgegriffen, so beispielsweise im baden-württembergischen Landtagswahlkampf im März 1996, in dem die CDU in der heißen Phase plakatierte: "rot-grün: 5 Mark für den Liter Benzin".

-- Grüne SpitzenpolitikerInnen vertreten die verkehrspolitische Programmatik häufig eher mit zusammengebissenen Zähnen als offensiv, und eher mit dem Unterton: es wird schon nicht so schlimm kommen, wie es unser Programm androht.

-- Für rot-grüne Regierungspolitik werden angesichts der Ebbe in den Kassen die Spielräume für draufgesattelte, angebotsorientierte Bonbons wie Radwegeprogramme oder ÖPNV-Ausbau zusehends geringer. Gleichzeitig unterliegt grüne Verkehrspolitik in Zeiten der wirtschaftlichen Krise und der Standortkonkurrenz regelmäßig und schmerzlich, wenn sie in den Konflikt mit den harten Interessen der Wirtschafts- und Standortpolitik gerät (Niedersachsen: Mercedes-Teststrecke im Papenburger Moor; NRW: Ausbau des Flughafens Dortmund; Schleswig-Holstein: A 20).

-- Die Gestaltungsspielräume für Reformpolitik nehmen aber nicht nur durch knapper werdende finanzielle Ressourcen, sondern auch durch die wirtschaftliche Globalisierung und damit objektiv abnehmende Steuerungsmöglichkeiten der nationalstaatlich organisierten Politik ab.

-- Obwohl eine Ökologisierung des Verkehrs allgemein akzeptiert wird, steigen Zahl und Motorisierung der zugelassenen Kraftfahrzeuge sowie die Fahrleistung von Jahr zu Jahr.

Vor diesem Hintergrund wird die Realitätstauglichkeit, Durchsetzbarkeit und damit die politische Effizienz der bislang hochgelobten grünen Verkehrspolitik angezweifelt. Will grüne Verkehrspolitik zukünftig noch mitreden, ist eine konsequente und tabulose Analyse ihrer strategischen Defizite gefragt.

Strategische Schwächen ökologischer Verkehrspolitik

Die größte und entscheidende umweltpolitische Herausforderung ist die globale Klimaerwärmung mit dem daraus erwachsenden Zwang zur Reduzierung klimarelevanter Emissionen, allen voran die Verminderung des Umsatzes fossiler Energie. Um das Problem einigermaßen in den Griff zu bekommen, so der Stand der Wissenschaft, müssen die westlichen Industrieländer bis zum Jahr 2050 die anthropogenen CO2-Emissionen um 80 Prozent reduzieren.

Der Sektor des Verkehrs macht an die 30 Prozent des Energieumsatzes aus - und das mit steigender Tendenz.2 Es ist wissenschaftlicher Konsens, daß zum Erreichen der genannten mittel- und langfristigen CO2-Minderungsziele Strategien der technischen Effizienzsteigerung und Verlagerung auf umweltverträglichere Verkehrsmittel allein nicht ausreichen. Zu deutlich übersteigen nach wie vor die jährlichen Steigerungsraten des motorisierten Verkehrs insgesamt die gleichzeitig erreichbaren Effizienzgewinne beim Verbrauch der einzelnen Fahrzeuge.

Gefordert wird im Rahmen der Nachhaltigkeitsdebatte daher eine Reduzierung motorisierten Verkehrs oder zumindest Maßnahmen zu dessen Wachstumsbegrenzung. So fordert etwa, um nur ein Beispiel zu nennen, die Studie "Zukunftsfähiges Deutschland" (BUND/Misereor) unter der Überschrift "Rechtes Maß für Raum und Zeit" eine Entschleunigung und Entflechtung, langsamere Geschwindigkeiten und kürzere Distanzen.3

Dieses, aus der Notwendigkeit eines ökologischen Umsteuerns heraus entwickelte Szenario steht offenkundig in krassem Widerspruch zu realen und längerfristigen Trendentwicklungen.

Die in den Blickpunkt der Diskussion geratene ökonomische Globalisierung steht für das genaue Gegenteil: Aufhebung von Raum und Zeit, Beschleunigung, Verflechtung, höhere Geschwindigkeiten und größere Distanzen. Nichts deutet derzeit darauf hin, daß sich die Ökonomie - abgesehen von Nischen - ohne gezieltes politisches Zutun wieder stärker regionalisieren wird.

Jenseits der Ökonomie ist die Zunahme von Verkehr das Spiegelbild der Individualisierung der Gesellschaft und der Pluralisierung der Lebensstile. Mobilität, gerade auch räumliche Mobilität, steht bis heute für Emanzipation und Selbstverwirklichung. Die Fähigkeit und Möglichkeit zur Mobilitätsteilnahme entscheidet nicht nur über Gewinnaussichten von Unternehmen, sondern auch über Lebenschancen der Individuen. Die Teilnahme an Mobilität ist in der "Erlebnisgesellschaft"4 wie kaum etwas anderes zum Indikator für Lebensqualität geworden. Der größte Verkehrszuwachs ist folgerichtig im Freizeitverkehr zu verzeichnen und wird dort auch für die Zukunft erwartet.

Der Flugverkehr ist im Zuge dieses Trends endgültig zum Massenverkehrsmittel mit überproportionalen Wachstumsraten geworden. Seine skandalöse Subventionierung tut ein übriges, um diese Entwicklung anzuheizen.5

Die hierdurch ermöglichte Entgrenzung der Welt ist verbunden mit hohen Geschwindigkeiten, energieintensiven Distanzüberwindungen in kurzer Zeit und einer überproportionalen Klimaschädlichkeit. Schon heute belasten, wie eine Studie des Wuppertal-Instituts am Beispiel der Stadt Köln zeigt, deren Einwohner das globale Klima stärker durch ihre Flugreisen als durch ihre Autofahrten.6 Die massiven Wachstumsraten verschärfen diese Probleme des Flugverkehrs rasant.

Die dominierenden ökonomischen wie gesellschaftlich-kulturellen Megatrends sprechen dafür, daß sich Geschwindigkeitsspirale und Verkehrswachstum ungebremst fortsetzen werden.

Die Konzeption ökologischer Verkehrspolitik steht also mit ihrem Vermeidungsansatz im Widerspruch zu wirtschaftlichen wie gesellschaftlich-kulturellen Trends. Auch die Feststellung ihrer Inkompatibilität mit den Politikkonzepten der wachstumsorientierten Moderne ist nicht überraschend.

Interessanter ist es hingegen, ihre Kompatibilität mit den übrigen programmatischen Konzepten der Grünen zu untersuchen.

In der Wirtschaftspolitik ist das Paradigma der Wohlstandsteigerung durch zunehmende, inzwischen immer stärker internationale, Arbeitsteilung ungebrochen. Zum Trend der ungezügelten Globalisierung der Ökonomie ist derzeit (auch in der grün-alternativen Debatte) kein über abstrakte Leitbilder oder trotzige Bekenntnisse hinausgehender, schlüssiger und operationalisierter Gegenentwurf auf dem politischen Markt. Der Trend der Globalisierung wird als unumkehrbar eingeschätzt, auf der Suche nach verbleibenden zukünftigen Gestaltungsmöglichkeiten dieses Prozesses tappen wir im Nebel. Ratlos wird nach Wegen gesucht, die gravierendsten Folgen in Form sozialer Verwerfungen und der völligen Entmachtung (national-)staatlicher Politik zu zügeln.

Der Trend wachsender Verflechtungen ist europa-/integrationspolitisch gewollt. Auch Bündnis 90/Die Grünen bekennen sich inzwischen - nach früherer EG-Skepsis, Ablehnung des Binnenmarktes und dem als Gegenentwurf verstandenen "Europa der Regionen" - schon angesichts der Gefahr wiedererstarkender Nationalismen ausdrücklich zur EU-Integration. Diese Integration, auch über die EU hinaus, ist zumindest nach gängigen Vorstellungen nicht ohne wachsende (wirtschaftliche) Verflechtungen und zunehmenden Austausch - und in der Folge mehr Verkehr - denkbar.

Angesichts der Hegemonie dieser Leitbilder sowie der real existierenden Standortkonkurrenz müssen verkehrsbeschränkende, -behindernde oder -lenkende Maßnahmen (zumal im Fall von Vorreiterrollen) in der Tat als für den Standort und seine wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit schädlich betrachtet werden. Den Streit der NRW-Koalition um den Dortmunder Regionalflughafen haben die Grünen auch deshalb verloren, weil das Argument, ein Verzicht auf den Ausbau schade der Standortgunst im internationalen Markt, zwar ein Totschlag-Argument ist, aber inzwischen in der Öffentlichkeit auf fruchtbarsten Boden fällt und zudem bei der gegebenen Standortkonkurrenz auch schwer zu widerlegen ist. Und der Streit um diesen Provinzflughafen ist natürlich nur die Spitze des Eisbergs.

Wenn die Frage aber - auch für Bündnisgrüne in Regierungsverantwortung - weiterhin lautet: wieviel ökologische Verkehrspolitik können wir uns trotz deren Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Konkurrenzfähigkeit leisten, ist die Auseinandersetzung auf lange Zeit verloren.

Auch die Sozialdemokraten haben ja im übrigen hochwohllöbliche Verkehrsprogramme auf geduldigem Parteitagspapier niedergeschrieben, die jedoch, da unter der Rubrik "Schönwetterpolitik" verbucht, aus den genannten Gründen - erst recht in Krisenzeiten - nicht als Regierungspolitik umgesetzt werden (Schröder: "Ich bin ein Automann").

Ähnlich große Schwierigkeiten bereitet die Vermeidungsstrategie auch jenseits des Diktats der Ökonomie beim Personenverkehr. Für eine "Kultur der Nähe" (der, beispielsweise im baden-württembergischen Landtagswahlprogramm 96, das Wort geredet wird7) gibt es in der heutigen Gesellschaft, trotz gewisser abstrakt bleibender Sympathien, aber kaum eine Basis. Bei aller Klage über das moderne Nomadentum ist kulturell hegemonial immer noch die "Kultur der Ferne". Immer mehr Lebensoptionen, die eigentlich nicht vereinbar sind, werden mit Hilfe eines wachsenden Verkehrsaufwands individuell unter einen Hut gebracht.

Mobilität ist damit das Spiegelbild eines aktiven, auf Teilhabe und Selbstverwirklichung ausgerichteten Lebensstils von Männern und Frauen. Gerade hinsichtlich räumlicher Mobilität sind die Leitbilder der Moderne ungebrochen. Handfeste und breite Folgen eines ökologischen Wertewandels sind hier noch nicht in Sicht. Gerade Grüne und ihre Klientel zählen zu den Bevölkerungsgruppen, die besonders viel und weit unterwegs sind - sei es im beruflichen Alltag sei es auf der Urlaubsreise. Der durch ökologische Sensibilisierung in Gang gesetzte Wertewandel bricht zwar die emotionale Bindung an das Auto als Statussymbol und Lustobjekt. Gleichzeitig führt die zunehmende räumliche Entgrenzung des Lebensstils zu einer noch größeren Abhängigkeit vom (motorisierten) Verkehr bei denselben Menschen.

Dies untermauern inzwischen verschiedene empirische Untersuchungen über die Ökobilanz von Lebensstilen oder über das Urlaubsverhalten ökologisch bewußter Personenkreise.8 (Ökologisches) Wissen und Handeln fallen zunehmend auseinander. Abstrakte Forderungen nach Verkehrsvermeidung und einer Aufwertung der Nähe stoßen zwar selten auf offenen Widerspruch, treffen sich aber nicht - und vielleicht immer weniger - mit den realen Lebensentwürfen der Menschen.

Die Politik der Verkehrswende wird zwar von vielen Menschen im Prinzip gutgeheißen, aber man wünscht, wegen der unerwünschten "Nebenwirkungen", keine allzu große Dosis von dieser Medizin.

Freiheit im Jetzt oder Verantwortung für die Zukunft - Zielkonflikte ökologischer Verkehrspolitik

Schnell führt so die Frage der Polarität von individuellem Mobilitätsdrang und ökologisch notwendiger Begrenzung zur politischen Grundsatzfrage des Verhältnisses von Freiheit und Verantwortung, von Eigeninteresse und Gemeinsinn überhaupt. Grüne Verkehrspolitik ist traditionell ganz explizit gemeinwohlorientiert und ordnet dem die individuellen Interessen (des "Rasers", des "Umweltsünders") unter. Damit steht sie in der Tradition des kommunitaristisch orientierten und moralisierenden Gründungskonsenses der Grünen. Nach der Episode fundamentalistischer Verirrungen ist grüne Politik heute, unter Berücksichtigung einer sozialen Orientierung, freiheitlich-liberal, ja, libertär ausgerichtet. Nur im ökologischen Bereich, vielleicht kann man sagen: voran in der Verkehrspolitik, ist grüne Politik nach wie vor darauf ausgerichtet, das Verhalten der Menschen direkt zu beeinflussen. Sie fordert Anreize wie Restriktionen von oben und argumentiert moralisierend.9 Bündnis 90/Die Grünen als liberale und ökologische Partei haben bislang nicht grundsätzlich und theoretisch geklärt, wie sie den Zielkonflikt zwischen individueller Freiheit und ökologischen Notwendigkeiten - der gerade bei der Mobilität deutlich wird - auflösen wollen.

Dem Einwand, daß die aus ökologischen Gründen notwendige Reduzierung oder zumindest Begrenzung der motorisiert zurückgelegten Wegstrecken mit einer Abnahme an gewünschter Mobilität verbunden ist, wird von der alternativen verkehrspolitischen Lehrmeinung mit der Argumentation begegnet, Mobilität messe sich nicht in zurückgelegten Kilometern, sondern in der Anzahl der erreichten Ziele oder der durchgeführten Aktivitäten je Tag. Und diese Zahl hat sich tatsächlich - trotz Massenmotorisierung - in den letzten hundert Jahren ebenso wenig verändert wie die täglich für die Fortbewegung aufgewendete Zeit.

Dennoch taugt diese Erkenntnis nicht zur verkehrspolitischen Strategiebildung. Schließlich blendet diese "Anzahl der erreichten Ziele/durchgeführten Aktivitäten je Zeiteinheit" ganz offensichtlich die Qualität der erreichten Ziele aus. Natürlich ist es kein Zuwachs (sondern eher eine Abnahme) an Lebensqualität, wenn man fünf Kilometer zum Brötchenholen fahren muß, weil der Laden im Ort schließen mußte. Aber es ist, zumindest in einer ausdifferenzierten Gesellschaft mit einer Pluralität an Lebensstilen halt schon entscheidend, unter wie vielen verschiedenen Optionen ausgewählt werden kann (sei es beim Arbeitsplatz, beim Discobesuch oder beim Wochenendausflug). Und die Anzahl und Vielfalt der Ziele und Optionen steigt nun einmal unzweifelhaft (auch) mit dem zur Verfügung stehenden Aktionsradius (in Kilometern). Andererseits erfordern spezialisierte Einrichtungen, um sich (ökonomisch) zu tragen, größere Einzugsbereiche. Die Jahr für Jahr steigende motorisierte Verkehrsleistung ist eben nicht nur "erzwungener Verkehr", sondern Spiegelbild der Nutzung erweiterter Lebensoptionen.

Es führt kein Weg daran vorbei: eine Reduzierung (oder zunächst auch nur die Begrenzung) des motorisierten Verkehrs bedeutet - bei allen anderen Qualitäten, die dabei entstehen können - eben auch, die individuellen Freiheiten und Optionen zu begrenzen. Darüber und über die hieraus folgenden sozialpolitischen Zielkonflikte muß man sich im klaren sein.

Bausteine für die Neuausrichtung grüner Verkehrspolitik

Für grüne Umweltpolitik ist weder die schleichende Aushöhlung der ökologischen Ziele und eine Anpassung des Alltagsgeschäfts an den politischen Einheitsbrei noch eine Refundamentalisierung der politischen Praxis ein politisch erfolgversprechender Weg.

Grüne Verkehrspolitik steht vor der schwierigen Aufgabe, ihre programmatischen Vorstellungen zu einer tragfähigen Konzeption weiterzuentwickeln, welche die fundamentalen ökologischen Probleme weiterhin ernst nimmt und deren Lösung nicht auf spätere Zeiten verschiebt. Andererseits aber müssen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, gesellschaftlichen Verhältnisse und individuellen Bedürfnisse berücksichtigt werden.

Daneben ist die Zeitdimension zu beachten. Die "Verkehrswende" ist kein Regierungsprogramm für vier Jahre, sie wird viel langen Atem erfordern. Um so wichtiger ist es, im Interesse einer möglichst raschen realen Umweltentlastung die kurzfristig wirkungsvollsten und vor allem durchsetzbaren Maßnahmen und Strategien zu identifizieren. Nach allem, was wir wissen, ist dies die technische Optimierung und Effektivierung der Fahrzeuge.

Dagegen muß die Strategie der Verkehrsvermeidung von der wenig reflektierten Worthülse zu einem integrierten Bestandteil eines halbwegs konsistenten und überzeugenden wirtschafts- und gesellschaftpolitischen Leitbilds weiterentwickelt werden. Verkehrspolitik alleine ist mit Verkehrsreduzierung oder -begrenzung überfordert.

Aus den bisherigen Überlegungen lassen sich drei Herausforderungen ableiten, denen sich grüne Verkehrspolitik stellen muß:

1. Der politische Einsatz für (ökologische) Effizienzsteigerung des bestehenden Systems

2. Die Verzahnung der Verkehrspolitik mit anderen Bereichen der Programmatik, insbesondere der Wirtschaftspolitik

3. Die Kommunizierung positiv besetzter Leitbilder, um langfristig grundlegene verkehrspolitische Veränderungen für eine große Mehrheit der Menschen wünschbar zu machen.

Der erste Schritt - die Hälfte Sprit. Das Auto ökologisch optimieren

Grüne Verkehrspolitik braucht ein aufgeklärteres Verhältnis zur technischen Lösung innerhalb des bestehenden Verkehrssystems.

Bislang steht im Vordergrund grüner Verkehrspolitik die Verlagerung von Verkehr auf umweltverträglichere Verkehrsmittel. Demgegenüber hat sie sich bislang nicht gerade offensiv als Speerspitze bei der Forderung nach verschärften Abgasnormen oder dem Spar-Auto profiliert. Im Gegenteil wurde eine entsprechende Greenpeace-Kampagne zum 3-Liter-Auto vor wenigen Jahren noch höchst mißtrauisch verfolgt, zuweilen auch als Verirrung betrachtet, die ein an sich zerstörerisches Verkehrssystem nur stabilisiert. Noch immer gilt das "Primat der nichttechnischen Lösung".

Ob wir es wollen oder nicht: auch bei (der nötigen!) konsequenten Gegensteuerung wird auf absehbare Zeit der motorisierte Individualverkehr das dominierende Verkehrsmittel bleiben. Zu Auto-orientiert sind inzwischen die Strukturen und entsprechend hoch die Transaktionskosten einer Umstellung.

Vor diesem Hintergrund gibt es keinen Zweifel, daß kurzfristig am wirkungsvollsten - zumindest im Personenverkehr - Maßnahmen der technischen Optimierung und Effizienzsteigerung der Kraftfahrzeuge sind.10

Sie bringen relativ rasch ökologische Entlastung und vor allem einen "Zeitgewinn", bis die tiefgreifenderen Strategien greifen können.

Das bedeutet konkret, daß sich Bündnisgrüne nicht nur für das bessere Bahnsystem oder die effizientere Führung einer DB-Neubaustrecke einsetzen sollen, sondern sich auch an die Spitze der Bewegung für die schnelle und breite Durchsetzung von 3- oder 2-Liter-Autos (von denen bislang ja nur geredet wird) setzen müssen. Und natürlich nicht als Zweit- oder Drittwagen, sondern als Regelfahrzeug. Das Konzept der Ökosteuer, flankiert durch strenge Verbrauchs- und Emissionsgrenzwerte, bietet dafür die besten Voraussetzungen.

Die zumindest mittelfristig unzweifelhafte Dominanz des Verkehrsmittels Auto erfordert aber auch, die grundsätzlich ablehnende Haltung zum Straßenneubau im Fall von Ortsumgehungen kritisch zu überdenken. Wenn selbst bei lauter grünen VerkehrsministerInnen nicht zu erwarten ist, daß der Straßenverkehr in absehbarer Zeit deutlich, sagen wir: um mehr als 50 Prozent abnimmt, macht es weder sachlich noch politisch einen Sinn, die Anwohner von Durchgangsstraßen auf die Zeit nach der großen Verkehrswende zu vertrösten. An die Stelle grundsätzlicher Ablehnung von Ortsumgehungen muß eine differenzierte Beurteilung in Abhängigkeit von realer Entlastungswirkung, neuer ökologischer Zerstörung und Finanzierbarkeit treten. Ausbaustandards müssen aus ökologischen und fiskalischen Gründen heruntergefahren werden. Hieraus lassen sich auch neue und überzeugende Argumente für die Herabsetzung von Höchstgeschwindigkeiten gewinnen. Ein Schritt, den grüne KommunalpolitikerInnen vor Ort, konfrontiert mit den realen Situationen, schon längst gemacht haben. In Abgrenzung zur bisherigen Straßenbaupolitik muß hingegen der beschleunigungs- und kapazitätsorientierte Ausbau des übergeordneten Straßennetzes tabu bleiben.

Soviel zu kurzfristigen Strategien, wohl wissend, daß - wie oben dargestellt - durch Technik allein die Umweltziele nicht zu erreichen sein werden. Ökologische Verkehrspolitik muß nach wie vor - und verstärkt - über den Tellerrand kurzfristiger Machbarkeit und der Ressortpolitik hinausblicken.

Dies alles bedeutet nicht mehr - aber auch nicht weniger! - als das grüne verkehrspolitische Theoriegebäude umzukehren. Dessen Rangfolge der Strategien "1. Verkehr vermeiden, 2. Verkehr verlagern, 3. Verkehr verträglich abwickeln" ist zwar analytisch richtig und als theoretisches Leitbild korrekt. In der politischen Praxis muß es jedoch vom Kopf auf die Füße gestellt und in der Reihenfolge genau andersherum buchstabiert werden.

Ökologisches Wirtschaften zwischen Globalisierung und Regionalorientierung

In einer ökologischen Partei kann sich Verkehrspolitik nicht auf die Rolle der abgeleiteten (früher angebotsorientierten und heute oft nur noch nachsorgenden) Infrastrukturpolitik beschränken. Verkehrspolitik muß schon wegen der ökonomischen Bedeutung und ökologischen Auswirkungen mehr als Ressortpolitik, nämlich auch Querschnittsthema der Wirtschafts-, Gesellschafts- und Finanzpolitik sein.

Wie lassen sich verkehrsökologische Notwendigkeiten mit positiven wirtschaftspolitischen Perspektiven zusammenbringen?

In den Vordergrund gestellt werden müssen einerseits stärker die positiven wirtschaftspolitischen Effekte ökologischer Verkehrspolitik angesichts des realen Beschäftigungsabbaus in der Automobilindustrie und ihrer Zulieferer. So führt die Durchsetzung von Sparautos zu einem Innovationsschub für den Fahrzeugbau, der die Autoindustrie davor bewahren könnte, am Standort Deutschland zur Altindustrie von morgen zu werden. Andererseits führt eine stärkere Dienstleistungsorientierung der Verkehrswirtschaft (ÖPNV, Car-Sharing et cetera statt Fahrzeugbau) zu einem Zuwachs nichtexportierbarer Arbeitsplätze.

Andererseits müssen jedoch auch die verkehrsgestaltenden (bislang: verkehrsexpansiven) Wirkungen der Wirtschaftspolitik größere Beachtung finden.

Wenn die Notwendigkeit der Verkehrsbegrenzung richtig ist, so muß die räumliche Dimension bei der Entwicklung von gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Leitbildern von vornherein mitgedacht werden.

Das aus der verkehrspolitischen Diskussion heraus in den letzten Jahren entwickelte Konzept der "Verkehrswende"11 mit ganzheitlichen Vorschlägen hierzu wurde bislang in seiner gesamten Dimension kaum zur Kenntnis genommen und ressortübergreifend diskutiert.

Wenn es richtig ist, daß nach über einem Jahrhundert der Produktivitätssteigerung von Arbeit und Kapital zukünftig vor allem der Produktivitätssteigerung beim Einsatz von natürlichen Ressourcen (insb. Energie) zum Durchbruch verholfen werden muß, so kann dies nicht ohne Einfluß auf die zukünftige Gestaltung der räumlichen Dimension des Lebens und Wirtschaftens bleiben. "Small is beautiful" oder die Chancen der Globalisierung nutzen? Global, regional - wie soll es denn sein?

Die Bündnisgrünen müssen die Debatte über Antworten auf die Herausforderung der Globalisierung führen. Darauf schlüssige Antworten zu finden, wie die Chancen zu nutzen und gleichzeitig die zerstörerischen Wirkungen zu zähmen sind, das wird insgesamt für die Politik der nächsten Jahre entscheidend sein. Hinter den sozialen und wirtschaftlichen Verwerfungen durch die Globalisierung der Ökonomie treten deren ökologische Folgen in der gegenwärtigen Debatte zurück, müssen jedoch gerade von Grünen thematisiert werden. Denn daß eine weitergehende Globalisierung (und darunter sind in diesem Zusammenhang der Ausbau aller internationalen Verflechtungen, also auch innerhalb Europas, zu verstehen) zu einem Anwachsen der Warenströme über größere Distanzen führen wird und Konzepten der Verkehrsreduzierung entgegenstehen, liegt auf der Hand. Die oft verbreitete Hoffnung, daß physischer Transport durch neue Kommunikationsmöglichkeiten quasi automatisch ersetzt wird, läßt sich angesichts der bisherigen Erfahrungen nicht stützen. Historisch hat eine verbesserte Kommunikation unter dem Strich stets zu mehr Austausch in Form von physischem Transport geführt.

Unabhängig von der Notwendigkeit politischer Rahmensetzung in Form von ökologischen und sozialen Mindeststandards auf einem globalen Markt gibt es, mit unterschiedlichen Konsequenzen für den Verkehrsaufwand, grundsätzlich zwei Möglichkeiten, auf die Herausforderung zu reagieren:

Die traditionelle/neoliberale (und derzeit unzweifelhaft hegemoniale) Strategie bedeutet, die neuen Spielregeln offensiv aufzunehmen und sich als Volkswirtschaft auf jene Marktsegmente zu konzentrieren, bei denen komparative Vorteile bestehen oder aufgebaut werden können. So wird (ökologisch adaptiert) bei den Grünen argumentiert, Deutschland könne eine Vorreiterrolle im Umweltschutz auch ummünzen in Weltmarktvorteile: von der Rauchgasentschwefelungsanlage bis zum Drei-Liter-Auto ("wer zuerst das Drei-Liter-Auto einführt und baut, wird auf dem Weltmarkt die Nase vorn haben").

Auf der anderen Seite steht die Forderung, die entfesselte räumliche Entgrenzung des Wirtschaftens in Frage zu stellen und wieder stärker auf regionale Strukturen zu setzen (wobei "regional" relativ weit gefaßt sein kann). Dafür sprechen natürlich verkehrsökologische Vorteile. Für diese Strategie spricht aber auch die Erkenntnis, daß ohne eine (wieder) rahmensetzende Macht das gegenseitige Niederkonkurrieren sozialer und ökologischer Standards wohl nicht aufzuhalten sein wird. Da eine solche Macht jedoch für den globalen Markt nicht abzusehen ist, bleibt nur eine Stärkung von (zumindest im Weltmaßstab) regionalen Strukturen.

Grüne Politik wird auch hier differenzierte Lösungen brauchen. Auch wenn grüne Politik grundsätzlich an verkehrsminimierenden Strukturen interessiert sein muß: der Mikrochip läßt sich nicht über einen Kamm scheren mit der Kiwi aus Neuseeland, der Importkohle aus Südafrika oder Rinderhälften aus Argentinien. Aber in der Summe muß aus ökologischen Gründen eine deutlich stärkere "Regionalorientierung" des Wirtschaftens erreicht werden, als dies im Trend abzusehen ist.

Vorschläge, wie eine solche Regionalorientierung in Gang zu setzen ist und entsprechende Leitbilder operationalisiert werden können, bleiben bislang auch in den entsprechenden Studien und Streitschriften (z.B. Zukunftsfähiges Deutschland oder Weizsäcker/Lovins: Faktor 4)12 eher vage. Reichen dazu Transportkosten, die die ökologische Wahrheit sagen? Und bei wieviel Mark pro Liter ist diese Wahrheit erreicht? Ist dies ein politisch durchsetzbarer Weg? Und vor allem: Wie soll dies in absehbarer Zeit international organisiert werden, wenn nationale Vorreiterrollen immer weniger möglich sind? Welche bislang unbeachteten Bedeutungen können Unternehmensstrategien (Öko-Audit) erlangen?

Die ökologische Frage allein wird den Trend wachsender Verflechtung nicht aus den Angeln heben. Doch inzwischen spricht vieles dafür, daß eine Abkehr vom Leitbild der ungesteuerten Liberalisierung und Globalisierung, hin zu einer Re-Regulierung und Re-Regionalisierung der Ökonomie, auch aus wirtschafts- und sozialpolitischen Gründen sinnvoll ist.13 Hier können sich, um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen, wirtschaftspolitische und verkehrs-/umweltpolitische Anliegen durchaus treffen und müssen zu einer kongruenten Strategie weiterentwickelt werden.

Leitbildorientierte Verkehrspolitik

Auch auf dem Terrain der Verkehrspolitik spiegelt sich die Pluralisierung von Lebensentwürfen, erodieren die geschlossenen Weltbilder und zeigen sich die postmaterialistischen Orientierungskrisen. Gerade auch im Bereich der Mobilität ist das Spannungsverhältnis zwischen der Notwendigkeit ökologischer Begrenzung und den vermehrten Möglichkeiten der Selbstverwirklichung bestimmend.

Die Auflösung dieses Widerspruchs weist über traditionelle grüne Politikansätze, erst recht über den Handlungsrahmen der parlamentarischen Institutionen und staatlichen Instanzen hinaus. Es wird kritisch über die Reichweite staatlichen Handelns zu reden sein. Und gleichzeitig sind Grundfragen der Grünen wieder aufzunehmen, die der ökologischen Bewegungspartei zwar in die Wiege gelegt wurden, aber bis heute nicht ausdiskutiert sind.

Gemeint ist die Grundsatzfrage des Verhältnisses von Freiheit und Gemeinsinn, die gerade aus ökologischer Sicht durchbuchstabiert werden muß: zu welchen wie weitgehenden Selbstbeschränkungen ist die Gesellschaft im Interesse der Sicherung von Freiheitsgraden zukünftiger Generationen bereit? Das heißt aber auch: stehen die Grünen noch dazu, daß auch Änderungen im Lebensstil notwendig sind? Stehen sie zu den "Zumutungen", die gerade ökologische Politik auch für jede/n einzelne/n bedeutet, während im Gegenzug zunächst einmal nur vage neue Chancen eines "besseren Lebens" angeboten werden können?

Dabei steht fest, daß Lösungen, die den Menschen gegen ihren Willen aufgezwungen werden, keine Antwort auf diese Fragen darstellen. Darüber hinaus wäre dies in jeder Hinsicht politisch tödlich. Lustfeindliche Verzichtsideologien treffen nicht das Lebensgefühl der Menschen. Reduktionsziele allein informieren höchstens, begeistern aber niemanden. Wer allein auf das schlechte Gewissen setzt, fördert die Reaktanz und gefährdet die Akzeptanz und den Erfolg ökologischer Politik.

Nur wenn attraktive Leitbilder eines ökologischen Konsums und einer nachhaltigen Mobilität auch kulturell hegemonial werden, hat ökologische Verkehrspolitik langfristig eine Chance. Damit Leitbilder nicht nur abstrakt und daher wirkungslos bleiben, müssen sie konkrete Vorstellbarkeit und individuelle Wünschbarkeit von Veränderungen für die große Mehrheit der Menschen verknüpfen.14

Statt vorrangig auf die fraglos vorhandenen Inkonsequenzen und Widersprüchlichkeiten aufmerksam zu machen, sollte ökologische Verkehrspolitik positive Tendenzen stärken (vgl. dazu auch den Kasten "Gegen die verkehrspolitischen Irrtümer"). Dies kann das wachsende Interesse an der (regionalen) Herkunft von (gesunden) Lebensmitteln sein oder die Renaissance, die nichtmotorisierte Fortbewegungsarten wie Fahrradfahren und Wandern im Freizeitbereich erfahren, gerade wegen ihrer relativen Langsamkeit und der intensiven Naturerfahrung. Autofreies Wohnen belohnt individuelle Verhaltensänderungen direkt und ohne den Umweg der großen Veränderungen mit individuellen Vorteilen und einem Zuwachs an Lebensqualität. Mitglieder der Car-Sharing-Bewegung schaffen ihr eigenes Auto ab, ohne auf die Nutzung des Autos gleich vollständig zu verzichten - und Autofahren darf immer noch Spaß machen.

Fußnoten:

1 Dieser Beitrag setzt sich speziell mit den Erfahrungen der Verkehrspolitik von Bündnis 90/Die Grünen auseinander. Ohne im weiteren Verlauf darauf zu verweisen, gilt der größte Teil des Ausgeführten jedoch auch für die Politik der Umweltverbände und die ökologisch orientierten Verkehrsverbände.

2 Der hohe Anteil ergibt sich auch durch die Einbeziehung des Flugverkehrs nach dem Inländerprinzip, das heißt inclusive der von Deutschen im/über dem Ausland verbrauchten Energie. Während in anderen Sektoren wie Industrie und Haushalten der Energieverbrauch stagniert oder gar sinkt, steigt er im Verkehrssektor noch immer an.

3 Vgl. BUND/Misereor (Hrsg.): Zukunftsfähiges Deutschland. Ein Beitrag zu einer global nachhaltigen Entwicklung; Studie des Wuppertal-Instituts, Basel 1996, S. 153 ff.

4 Vgl. Gerhard Schulze: Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart, Frankfurt 1993.

5 So profitiert der Flugverkehr sowohl von seiner Mineralölsteuer- und (im grenzüberschreitenden Verkehr) Mehrwertsteuerbefreiung wie von subventionierten Flughafenausbauten.

6 Wuppertal-Papier Nr. 43, vgl. Fairkehr, 6/95.

7 Bündnis 90/Die Grünen: Programm zur Landtagswahl 1996, Teil "Ökologisches Leben".

8 Nach einer Untersuchung an der Universität Trier aus dem Jahr 1992 unterscheidet sich das Reiseverhalten der befragten Umweltschützer (Mitglieder von BUND und VCD) kaum vom Verhalten der entsprechenden soziodemographischen Vergleichsgruppe (hoher Bildungsgrad, hohes Haushaltseinkommen, überwiegend jüngere Jahrgänge). Kennzeichnend ist eine überdurchschnittliche Reisehäufigkeit sowie ferne Ziele. So wählten nur 27 Prozent der Umweltschützer Reiseziele im Inland (BRD gesamt 36 %), 10,4 Prozent flogen ins außereuropäische Ausland (BRD gesamt 8,7 %). Allerdings verreisen 25 Prozent der Umweltschützer mit der Bahn (BRD gesamt 9,4 %). B. Hallerbach: Grün im Urlaub oder nur Urlaub im Grünen?, Trier 1992.

9 Vgl. M. Brumlik: Die Grünen - eine neue linksliberale Partei?, in: Kommune, 2/96.

10 Theoretisch ist es möglich, bei entschlossenen und klaren politischen Vorgaben den Energieverbrauch des Pkw-Verkehrs innerhalb von zehn Jahren - bei abstrakt angenommener stagnierender Fahrleistung - zu halbieren (durch eine Halbierung des Durchschnittsverbrauchs des Fahrzeugbestands von 9 auf 4,5 Liter/100 km). Um den gleichen Einspareffekt durch Verlagerung auf öffentliche Verkehrsmittel zu erreichen (Annahme: spezifischer Energieverbrauch ein Drittel des Autos) müßten 75 Prozent des Autoverkehrs auf Bahnen und Busse verlagert werden. Dies ist innerhalb von zehn Jahren unmöglich. Technik kann freilich nicht alle Probleme lösen. So sind auch Zwei-Liter-Autos in den Städten viel zu flächenintensiv. - Bei Lkw-Verkehr sind vergleichbare Einsparungspotentiale allerdings nicht gegeben.

11 Vgl. M. Hesse: Verkehrswende. Ökologisch-ökonomische Perspektiven für Stadt und Region, Marburg 1993; Besprechung in: Kommune, 4/94.

12 Z. B. BUND/Misereor: Zukunftsfähiges Deutschland, a. a. O.; von Weizsäcker/Lovins: Faktor Vier. Doppelter Wohlstand-halbierter Naturverbrauch, München 1995.

13 Vgl. etwa H.-P. Martin/H. Schumann: Die Globalisierungsfalle. Angriff auf Demokratie und Wohlstand, Reinbeck 1996.

14 Zur Bedeutung von Leitbildern vgl. auch insbesondere: Zukunftsfähiges Deutschland, a.a.O., sowie: Micha Hilgers: Motivationfragen der Umweltbewegung, in: Wechselwirkung, April 96.

Drei Grundstrategien ökologischer Verkehrspolitik

Der Rückblick auf 15 Jahre Verkehrspolitik der Grünen und ihnen nahestehenden Initiativen und Verbände in den alten Bundesländern läßt die Umrisse von drei verkehrspolitischen Strategien erkennen, die sich zeitlich nacheinander ausprägten, heute aber gleichzeitig existieren.

1. Protest gegen Stadt- und Naturzerstörung
Die Anfänge grüner Verkehrspolitik und gleichzeitig eine der Wurzeln der Partei. Die Grünen waren die Protestbewegungen gegen Autobahnbau und Flughäfen. In jeder Stadt und jeder Region gibt es bis heute heftig umstrittene Infrastrukturprojekte. Die bundesweit bekannt gewordenen Projekte, wie die Westtangente in Westberlin in den 70er Jahren, die Startbahn West in Frankfurt in den 80er Jahren, die Küstenautobahn A 20 und der Transrapid von Hamburg nach Berlin in den 90er Jahren, stehen beispielhaft hierfür. Motive des Widerstands sind, wie beim Protest gegen die Nutzung der Atomenergie, die Erhaltung einer möglichst unzerstörten Natur, eine tiefverwurzelte Skepsis gegen den großindustriell verwerteten technischen Fortschritt und die prinzipielle Ablehnung eines einseitig auf Wachstum orientierten Wirtschaftssystems.

Die alten Ablehnungsfronten bröckeln - nicht nur wegen der allgemein zu beobachtenden Flaute der Basisbewegungen. Bei den bündnisgrünen KommunalpolitikerInnen hat sich eine einzelfallbezogene Beurteilung von Straßenbaumaßnahmen durchgesetzt. Die großen Neubaumaßnahmen werden weiterhin abgelehnt, während der Bau von Ortsumgehungen differenzierter beurteilt wird. Auch die anfangs strikt ablehnende Haltung gegenüber ICE-Neubaustrecken wandelt sich zu einer Zustimmung im Einzelfall. Schließlich haben auch die Erfahrungen in den neuen Bundesländern (nachholende Motorisierung der Bevölkerung und ein gleichzeitig völlig marodes und überlastetes Straßennetz) zu einer Ausdifferenzierung grüner Positionen in Fragen des Straßenbaus beigetragen.

Je stärker die Einbindung der Bündnisgrünen in parlamentarische Strukturen und Regierungskoalitionen ist, um so häufiger wird die Erfahrung gemacht, daß immer dann, wenn die Bündnisgrünen die Ziele des Protests nicht in Reinformen umsetzen können oder sich bei einem Zielkonflikt gegen den Protest entscheiden, die politische Unterstützung durch die Initiativen in Ablehnung umschlagen kann.

Aber: trotz der genannten inhaltlichen Weiterentwicklung und der Notwendigkeit von Kompromissen in Koalitionsregierungen auf Länderebene ist bündnisgrüne Verkehrspolitik auch zukünftig immun gegen den naiven Glauben, durch massiven Infrastrukturausbau könnten Verkehrsprobleme gelöst werden. Dies gilt für den Straßenverkehr genauso wie für den Luftverkehr, für den Transrapid und in bestimmten Fällen auch für Binnenwasserstraßen (Havelausbau) und Hochgeschwindigkeitstrassen der Bahn (z. B. Nürnberg-Ingolstadt-München). Für viele Bündnisse, vor allem auf lokaler und regionaler Ebene, ist der Widerstand gegen "umweltzerstörende Großprojekte" das einigende Band. Wenn es darum geht, etwas zu verhindern, sind die Bündnisgrünen immer noch die politischen Hauptansprechpartner.

2. Kritischer verkehrspolitischer Sachverstand
In vielen Bereichen ist die bündnisgrüne Verkehrspolitik über den reinen Protest hinausgegangen, hat konzeptionelle Gegenentwürfe entwickelt und vor allem in kommunalpolitischen Handlungsfeldern auch umgesetzt. Dies gilt beispielsweise für die Weiterentwicklung des öffentlichen Personennahverkehrs, die Verkehrsberuhigung und bei der Radverkehrspolitik. In diesen Bereichen haben die grünen VerkehrspolitikerInnen fachliche Kompetenzen und eine hohe Akzeptanz grüner Position in der Öffentlichkeit erarbeitet. Positionspapiere des Deutschen Städtetages und Marketingkampagnen des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen könnten in weiten Teilen aus grüner Feder stammen. In der kritischen Verkehrswissenschaft und in Teilen der Kommunalverwaltungen wird "grün" gedacht.

Im Zuge der Erarbeitung von konzeptionellen Gegenentwürfen hat sich der Prototyp der Verkehrspolitikerin und des Verkehrspolitikers als Fachexperte herausgebildet. Deren Handlungsperspektiven sind die Problemlösungen in kurz- und mittelfristigen Zeiträumen. An die Grenzen stößt dieser pragmatische Politikansatz, wenn es um langfristige Orientierungen geht.

3. Verkehrswende - nachhaltige Mobilität
In den Jahrzehnten der Massenmotorisierung war zumindest in den alten Bundesländern Verkehrspolitik die Fortsetzung einer wachstumsorientierten Wirtschaftspolitik mit anderen Mitteln. Vor allem aus Sicht der Umweltpolitik, aber auch der Stadtentwicklungspolitik, Gesundheitspolitik und Finanzpolitik, wird diese bisherige Verkehrspolitik grundlegend kritisiert. Es wird ein Ausgleich von Ökonomie und Ökologie auch im Bereich der Verkehrspolitik eingefordert. Notwendig ist die Entwicklung eines Konzeptes der Nachhaltigkeit im gesamtgesellschaftlichen und globalen Maßstab. Diese politischen Anforderungen verbinden sich mit einem Paradigmenwechsel in der herrschenden Verkehrspolitik: die Infrastruktur- und Produktionsorientierung des Verkehrssektors verliert zugunsten der Dienstleistungsorientierung an Bedeutung.

Das Konzept der Verkehrswende ist der Versuch, die aus diesen Entwicklungstendenzen folgende Reformstrategie begrifflich zu fassen. Auch Theorieansätze von "Sustainable Development" oder das Nachdenken über ein "Zukunftsfähiges Deutschland" oder "Faktor Vier" sind Versuche, aus Sicht der bedrohten natürlichen Grundlagen des globalen Lebens neue Leitbilder des Konsums und des Produzierens zu formulieren. Mit dem Konzept der Ökosteuer, wie er in dem Gesetzesentwurf der bündnisgrünen Bundestagsfraktion niedergelegt ist, wird ein wirksames übergreifendes Instrument zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung unter Einschluß des Verkehrs formuliert. Beachtlich sind auch die individuellen Ansätze, durch intelligentere Nutzung von Verkehrsmitteln oder Selbstbeschränkung einen individuellen Beitrag zur Nachhaltigkeit zu leisten.

Mit der Verkehrswende und der nachhaltigen Entwicklung sind theoretische Bausteine für eine Umweltpolitik formuliert, die sich ihrer ökologischen, sozial- und gesellschaftspolitischen Bezüge bewußt bleibt. Die Aufgabe, diesen ganzheitlichen und ambitionierten Ansatz in politisches Handeln zu übertragen und in allen gesellschaftlichen Bereichen durchzusetzen, ist - noch - Zukunftsmusik.

Verkehrspolitische Korrekturen

1. Bündnisgrüne Verkehrspolitik richtet sich nicht gegen Mobilität und Selbstverwirklichung
Wir suchen nach Verkehrsmodellen, die dauerhaft ein Wohlstand und Selbstverwirklichung garantierendes Maß an Mobilität garantieren und global verallgemeinerbar sind. Aufgrund der Beschränktheit an Ressourcen können Strukturbrüche der Verkehrsökonomie nur durch ein rechtzeitiges und geplantes Umsteuern vermieden werden. Um erfolgreich zu sein, darf jedoch auch grüne Verkehrspolitik selbst nicht als Strukturbruch empfunden werden. Letztlich entscheidet die real feststellbare Umsteuerung und nicht die Radikalität der Programmsätze. Gerade wenn Grüne für Bonn eine Alternative zur Politik des Abkassierens und der Umverteilung von unten nach oben darstellen wollen, dürfen sie den Fragen nach der sozialen Tragbarkeit und Berechenbarkeit des Ökosteuermodells nicht ausweichen.

2. Wir sind nicht pauschal gegen Individualverkehr
Eine pauschale Bekämpfung des Individualverkehrs ist nicht unser Ziel. Wir wollen den Zwang zur Nutzung des Autos, seinen gedankenlosen Einsatz für jeden Zweck und als Aggressionswaffe, vermindern beziehungsweise verhindern. Das Streben nach Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung des einzelnen - wofür das Auto als Symbol steht - nehmen wir aber ernst. Die Alternative zum Auto muß deshalb ebenfalls mit Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung in Verbindung gebracht werden können. Der öffentliche Personenverkehr wird häufig mit dem Gegenteil, mit Gängelung, Abhängigkeit und Fremdbestimmung, assoziiert. Der öffentliche Verkehr muß dieses Negativimage ablegen und attraktiver und individueller gestaltet werden. Bahnen und Busse sollten gegenüber einem vernünftigen Gebrauch des Autos - zum Beispiel beim Car-Sharing - nicht verabsolutiert werden. Alle Verkehrsträger können Bestandteil eines ökologischen Verkehrskonzepts sein und sind gleichzeitig - vor allem, wenn sie im Übermaß genutzt werden - eine Belastung für die Umwelt. Der ökologisch verträglichste Individualverkehr bleibt natürlich das Fahrradfahren.

Die Lust am Verbot ist ein schlechter verkehrspolitischer Ratgeber
Autofreies Wohnen ist eine geniale Idee, weil es die Menschen, die auf das Auto verzichten, zu Nutznießern ihres "Konsumverzichts" macht. Die neuen Qualitäten des Wohnens und nicht die Durchsetzung des Verzichts sollten bei der Propagierung solcher Modelle im Vordergrund stehen. Eine Schwerpunktsetzung der Diskussion auf die Durchsetzung eines möglichst hundertprozentigen Autoverzichts ist dagegen kontraproduktiv und kann dazu führen, daß die autofreien Wohnprojekte allesamt scheitern. Der positive Nutzen und die Freiwilligkeit des Autoverzichts müssen im Vordergrund stehen. Für Menschen, die zeitweilig oder immer auf die Nutzung eines Autos angewiesen sind (zwangsmotorisiert), muß die Möglichkeit geschaffen werden, unter bestimmten Auflagen ebenfalls in solchen Gebieten zu wohnen beziehungsweise wohnen zu bleiben. Hierzu sind Vorhalteflächen, gebührenpflichtige Quartiersgaragen beziehungsweise Car-Sharing-Modelle der richtige Weg.

4. Sowohl Straßenbau als auch Straßenbauverhinderung sind noch keine Verkehrspolitik
Engpässe im Straßennetz können partiell eine Bremse für das Verkehrswachstum sein. Die bloße Umkehrung dieses Zusammenhangs ist aber noch lange kein verkehrspolitisches Erfolgsrezept. Durch die Verknappung der Verkehrsinfrastruktur Lenkungswirkungen zu erzielen ist nur dann eine effiziente Politik, wenn positive Alternativen wie ein Ausbau des ÖPNV oder Schienenverkehrs hinzukommen. Eine Verkehrspolitik, die auf steigende Verkehrsmengen und unzureichende Infrastrukturkapazitäten starrt wie das Kaninchen auf die Schlange beinhaltet den Verzicht auf Gestaltung. Wir sollten deshalb die Dienstleistung Verkehr und "weiche" - gleichwohl aber wirksame - Lenkungsinstrumente (Ökosteuer, Ausbau und Marketing für den Umweltverbund) stärker in den Mittelpunkt stellen als die Abwehrschlachten gegen vermeintliche oder tatsächliche Straßenbaufetischisten.

5. Gegen dauerhafte Subventionen - für einen Verkehrsmarkt mit ökologisch wahren Preisen
Die vielbeschworene "freie" Wahl des Verkehrsmittels muß erst noch hergestellt werden. Sowohl die LKW-Lobbyisten als auch die Verantwortlichen für die heutige ÖPNV-Politik sind hiervon noch meilenweit entfernt. Wir müssen deshalb die Ökosteuer weniger dafür einsetzen, zusätzliche Mittel zur Subventionierung des öffentlichen Personennahverkehrs einzukassieren. Wir brauchen sie vielmehr, um die Wettbewerbsverhältnisse zwischen Autoverkehr und Schienenverkehr auf dem Verkehrsmarkt zu harmonisieren. ÖPNV-Leistungen, die über die Daseinsvorsorge hinausgehen, müssen durch Fahrgelderträge finanziert werden, wenn der ÖPNV nicht dauerhaft vom Subventionstropf des Staates abhängig bleiben soll - was weder ökonomisch noch ökologisch ein erfolgversprechender Weg ist.

6. Trotz Globalisierung die Chancen der Regionalisierung nutzen
Das Anheizen des Verkehrswachstums, besonders im Güterbereich, durch die wirtschaftliche Globalisierung scheint ein zunächst überwältigender Trend zu sein. Es muß untersucht werden, ob nicht bestimmte Bereiche im Güter- und Personenverkehr von der Globalisierung auf eine Regionalisierung zurückgeführt werden können. Wir müssen die Entwicklungschancen nutzen, die sich heute in einigen Bereichen schon andeuten, zum Beispiel die steigende Nachfrage nach regional produzierten Lebensmitteln oder die Renaissance von "Ostprodukten" in den neuen Bundesländern.

7. Ökologische Stadt und nicht eine zersiedelte Region ist das räumliche Leitbild für eine ökologische Verkehrspolitik
Die auch bei den Grünen wieder vermehrt anzutreffende Romantisierung des Landlebens und das Ideal des Häuschens im Grünen kann aus verkehrspolitischer Sicht nicht unterstützt werden. Genauso, wie die Stadt das Umland jahrzehntelang als Müllabladeplatz und Reserve- und Ausgleichsfläche mißbrauchte, externalisieren heute viele Landbewohner die Kosten ihres Lebens zu Lasten der Stadtbewohner. Es muß aber klar sein, daß eine künftige Politik der ökologischen Raumnutzung den Flächenverbrauch und die Stimulation des motorisierten Verkehrs einschränken muß. Die Kraftfahrzeugzulassungszahlen, die Länge der Wege und die Unmöglichkeit, den ländlichen Raum qualitativ gleichwertig mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erschließen, sprechen für kompakte - also urbane - Siedlungsstrukturen.