Bewusstsein soll wieder Bürostunde haben

Lyrik 2002. Diesmal mit Weltneuheit

Wilhelm Pauli

Die Weltneuheit sitzt auf dem Treppchen vor einem Hauseingang nahe dem Boxhagener Platz zu Friedrichshain in der Sonne. In seinem Stoffbeutel, dicht am Leib, stecken Gedichte. Lose und gebunden. Die Szene brunst links und rechts vorbei und weiß vor lauter neuen Bars nicht, wo sie brunchen soll. Die Weltneuheit wird sie in ihre Höhlen verfolgen. Jetzt aber verkauft sie uns eine Hand voll ihrer Gedichte. 50 Cents das Stück. Mehr geht immer. Ein Bändchen, von eigener Hand geklebt und in bunten Karton geklammert, kostet 18 Euro. Das ist nicht schüchtern, Dichterfreund! Ja, aber hier Werke voller Schönheit, sagt die Weltneuheit: voller Schönheit des Gesetzes. Einige explodieren wie Sterne und überschütten dich mit gleißendem Staub des künftigen Glücks, andere wiederum führen dich wie endlose Kanäle ins Tiefste der Erkenntnis, und gegen das harte Aber ist die lösende Liebe geschnitten! Sie müssen jetzt nicht stumpf auf das Blatt glotzen, sie müssen es laut lesen, Mann, gegebenenfalls ziemlich laut! Zeit, sich zu verabschieden. Ein paar kleinformatige Seiten rascheln in der Jackentasche, die werden den ganzen Tag überdröhnt. Abends fallen sie auf den Tisch, in verschiedenen Schriften. Und bevor man sie in den Eimer wischt – man kennt ja dies Ablasszettelchen aus den alternativen Schleimküchen für Touristenbedarf – schaut man noch mal drauf ...

Gedichte
"Manchmal sind wir"! "Wortschorf"!
"Vergessene Lieder laufen mit uns
große Wunden entlang"! "Ich glaube
mir instinktive Extraktion", "daß
Kompliziertes! Ein gefundener
Diamant ist"!!: Gedichte laufen mit
uns große Wunden entlang!
Vergessene Lieder sind Wortschorf,
daß Gefundenes wie ein
komplizierter Diamant ist.

... und kratzt sich verblüfft am Schorf, pfeift durch die Schneidezähne, hockt sich hin: Wie heißt sie denn überhaupt, die Weltneuheit? Timo Dege.

Was aber machen die alten Bekannten? – Günter Herburger ist gerade 70 geworden. Er soll immer noch Marathon- und Extremlangstreckenläufe aufführen. Kritiker können sich nicht darauf einigen, ob der Weitgereiste und vielfältig Werktätige eher ein Schrank mit tausend Schubladen oder ein prächtiger, praller Seesack ist, in dem die Erträge seiner Umtriebe gesammelt sind. Jedenfalls geben ihm die langen Strecken Zeit, seine sieben Zwetschgen zu sortieren und in langen Gedichten an- und abzulegen. Ein Fall für das generationenübergreifende Kapitel: Dichter, die zu viel wissen. Allerdings hat es in dem neuen Band Eine fliegende Festung auch einige sehr schöne, kurze lakonische Gebilde, die mit seltsamem Zauber sprechen, meist einem neuen Kapitel vorstehend, unter die Fotografie eines an die Statuen der Osterinseln gemahnendes (Holz-?) Bauwerk gesetzt, ein naturkundlicher Ausguck vielleicht.

Die Stauden neigen sich,
es hängen Tropfen an den Zweigen,
durch Unkraut morgens stapft
die schöne Gärtnerin,
schwingt ihre Hacke.
Sie ist ledig, hat zwei Kinder,
reitet gern.

Es ist einmal mehr das Offene, das die Rezeptibilität des Rezipienten reanimiert.

Herburger schreibt im Vorspruch leichtfertig allerlei Geschäftsschädigendes in sein Buch hinein. Beispielsweise: "Die Geschichte der Verdichtungskunst ist bekannt, ihre Regeln leiern inzwischen, können nur noch als Pastinake gehandhabt werden, Wurzelgemüse, Viehfutter." Und er fragt: "Wo lauern trotzdem Form und Sinn, Hoffnung und Freundlichkeiten?", antwortend: " In Mut und Frevel, verknüpft mit Zorn ..." Aber gerade an diesen drei guten Zutaten fehlt es seinen durchaus vergangenwartswachen Versen. Ist doch zu oft so: "Mund auf, Breilein hinein" ("Ulm").

Rüstig an die 70 rauscht bald auch Sarah Kirsch heran, der, als sie so um die 55 war, auf den Seiten dieser Serie wenig Ehrerbietung entgegengebracht worden war. Indes muss der Autor nun eingestehen, dass das neue, vergleichsweise umfangreich ausgefallene Werk der Dichterin Schwanenliebe mit kristallinen Miniaturen aus Wald, Wasser, Wiese und Altersweisheit ihn durchaus bezaubert und erfrischet hat. Sinkt er unterdessen selbst in den Kalk? Er hat also in alten Bücher geblättert und kann nur wiederholen: größere Konzentration, weniger Eitelkeit und Selbstüberhebung des Dichterinnen-Ichs, weniger Larmoyanz kippen die kleinen Schundnickel ins makellos Schöne. Schaffen gelegentlich gar bekömmlich Ironisches.

Lustig & wahr:

Dreizehnuhrsiebenundzwanzig
Findet die Materialisierung des
Postboten statt Dreizehnuhr
Dreißig wieder nur Regen.

Traurig & wahr:

Epitaph
Ging in Güllewiesen als sei es
Das Paradies beinahe verloren im
Märzen der Bauer hatte im
Herbst sich erhängt.

Da wir bei den letzten Dingen sind: Lange hatte ich von Christoph Meckel nichts gelesen, Meckel, Jahrgang 1935 wie Kirsch. Und obgleich er mir immer schon ein dunkler Bursche war, bin ich nun von diesem Bändchen Blut im Schuh, von diesen schlichten, liedhaften Gedichten ohne Aufbegehren über Verlust und Verlorenes, über Tod und Teufel, Blut und Asche überrascht. "Ich traf auf einen Tod./ Er lag am Weg und schlief./ Ich ging an ihm vorüber/ und war schon fort, als er mich rief ..." heißt’s in "Ein Tod" – nützt nichts. "Kalt lag der Tote auf dem Boden./ Sein Tod saß schlechter Laune neben ihm./ Er hatte sich im Mann geirrt,/ der, den er hatte, war nicht zu gebrauchen ...", heißt’s im zweiten Teil – nützt nichts! "In der Aschenmühle/ dreht sich ein Rad/ es knirscht, es leiert." ("Rad") – hilft nichts!, es "wird nicht angestellt/ nicht abgestellt/ es knirscht und leiert ..." Und der Schlussapplaus kommt uns, die wir durch den "Blutsumpf" der getränkten Erde gewankt sind, schwer an:

Applaus


Er schlägt seine Hände zusammen und kriegt sie
nicht mehr auseinander. Er kriegt seine Hände
nicht mehr auseinander, kriegt seine Hände
nicht mehr auseinander, die Hände, die Hände
nicht mehr auseinander, kriegt Finger und Daumen
nicht mehr auseinander, Gelenk, Haut, Hände
und Finger und Daumen – nicht mehr auseinander.
Er schlug die Hände zusammen und kriegte sie
nicht mehr auseinander.

Kurz vor Ostern treffe ich die Weltneuheit in der großen Bibliothek. Ich will mehr Gedichte haben. Timo Dege trägt heute das längere blonde Haar zu einem festen, aufrecht stehenden Horn oder Rettich an den Kopf gebunden. Er ist achtundzwanzig. "Ich bin gut", sagt er. "Meine Gedichte sind hervorragend." Und liest schon wieder laut vor. Mitten im Bibliothekswispern. Eigentlich müsste er gerade Erziehungswissenschaften studieren. Aber er pausiert. In irgendwie halb offener Therapie formt er tagsüber Ton. Er schreibt zurzeit wenig. Als er viel schrieb, ergriffen war vom Schreiben, das Gesetz über ihn kam und er ganz voll war von dem, was ihm gelang, hat er ziemlich gekifft. Zurzeit darf er nicht kiffen. Trakl, Celan, Rimbaud sprachen anfangs zu ihm. Kriegsliteratur wurde ihm wichtig. Sich über das Leid beugen, vom Leid erfüllt, noch lange nicht gebeugt. Gleichwohl isoliert, gelegentlich angepinkelt. Blond, äugig, gertenstolz, wie dem Lebensborn entstiegen. Er, dessen umfangreichstes Kapitel "Gedichte aus dem Käfig" heißt.

"Judensau"!!
"Ich bin eine Judensau"!!
"Und ich spucke auf das
Bild der Kuh"!
"Irrationale Sterne Werfe ich
in die Himmel"!,
"Dass ich mich nicht hören muss"!
Das weiss-graue Lied (!)",
"der flatternden Gänse"
In einem grau-mattbraunem
Stacheldrahtverhau"!

Leichte Schweißausbrüche im Bibliothekskörper. Erst als sein "Herz brach" fing Timo Dege zu schreiben an, fing es zu bluten an, unstillbar. Erst brach es, wie es in "Das Gefäß" heißt: "... am/ Ritual der Ehe!/ meiner Eltern!", und dann endgültig wohl, als er erkannte "wie ich mich vernachlässigt hatte, wie ich gesunken, gefallen war". Als er die Augen aufschlug und sah, wie er sein Chinchilla-Pärchen durch Zimmerhaltung quälte und verstand, warum es mit ihm nimmer reden wollte, in welcher Sprache auch immer. Und er begriff, wie sehr die Menschheit verkommen war und wie dringlich sie der Hilfe bedarf. Das wird noch Folgen haben.

Zwei Bändchen hat er fertig gestellt, Die Götterbotin und Woll-X-Dichtung. An einem segensreichen Buch für Kinder arbeitet er. Timo Dege ist guter Dinge und der Zukunft zugewandt. Zwar wird er noch von der Familie finanziert, aber er hat es ausprobiert: Wenn er vierzig Gedichte pro Tag verkauft, reicht das für sein einfaches Leben. Allerdings ist er sicher, dass seine Verse demnächst viel wert sein werden. Er will Millionär werden, er muss Millionär werden, denn er hat Umstürzendes vor ...

"Entdeckungen"
Ich ersticke!!,
eure sauren Blicke!,
Leeren! Der Suppen!,
Schluchzraben! – Suppen!
Mein Gewissen leckt! an
meinem
Suppenteller! – mein saures
Ersticken"!
Ich schnelle in die Höhe! und
schreie: "Gärten"!!
"Aber Sie hören ja gar nicht"!
Mein Ohr ist im Zeitgeist
gewunden!, wie ein Rad!!

Was reißt, stemmt oder stürzt man denn sonst in Debütanten-Kreisen? – Nicht viel. Auf Silke Scheuermann (Jg. 73) treffen die herburgerschen Feststellungen, Form wie mediokere Milde betreffend, vollständig zu. Als Suhrkamp-Debütantin ist man zwar erbberechtigt, was den Leonce-und-Lena-Preis betrifft (2001), aber man musste den Band schon mittels eines kleinen Versehens impfen, um ein bisserl von der schier unglaublichen Jungroutine und Abgeschmirgeltheit in traditioneller moderner Themenbereitschaft des guten Gymnasiasten abzulenken. Man betitelte den Band nämlich Der Tag an dem die Möwen zweisprachig sangen. Zweistimmig hätte es, nach dem Gedicht, aber heißen müssen. Man kriegt einfach nie genug. Gelegentlich gibt es eine schöne Überschrift zu einem Gedicht, das dieselbe aber nimmer erreicht: "Erbsenbrei heiß Erbsenbrei kalt/ Erbsenbrei im Topf neun Tage alt", heißt so eine, und in "Foto von 1914" steht, wie es ist:

"Eine uralte Wolke/ schwebt über dem Acker/ wie eine brüchige Stimme/ Ich weiß noch wie/ Großmutter anhand solcher/ Bilder ins Erzählen kam/ die immergleichen// Rezepte zur fest verbackenen/ Landschaft sprach und/ Tee dazu brühte für winzige Tassen/ aus denen wir stundenlang tranken/ Da war statische Ruhe im Raum/ nicht zu verwackeln ..."

Nicht anders bei Björn Kuhligks Am Ende kommen Touristen. Das ist merkwürdig. Denn Kuhligk hat 1997 den "open-mike" gewonnen und 2000 den jungle-b-Wettbewerb des Berliner-Brecht-Forums – was immer das für ein Preis sein mag – und da denkt man gleich: Aufstand oder -schrei, Unbotmäßigkeit und schäumende Lefzen, Wörter, die wir noch gar nicht kennen, und dem Betrieb was in die Batterie!

Äugerl! Es ist alles brav, fehlerlos ersonnen und vorbildlich gefühlt. Gewiss, Kuhligk hat Unerhörtes gewagt. Nämlich Liebesgedichte (im ersten Teil des Bandes), gar erotische. Aber auch hier plätschert der ausgewiesene Liebhaber der weiblichen, vornehmlich bearbeiteten Brust im Mainstream:

EIN LAMPENSCHIRM, das Licht
das den Raum zerteilt
und dein letzter Rücken
den ich in den Käfig
meiner Finger nahm
und die Sommersprossen
ich dachte Himmelskörper
als ich zwischen deinen Brüsten
kam/ ich kam nie an/ ich bin
hier nie gewesen/ als du leise gingst
hast du das Schweigen, das dich
überhört, zurückgelassen und unsere Haut
die ich in die Träume verwebe

Es ist so: Alles ist die Form für alles und könnte von jedem sein. Das ist ein Problem. Selbst bei "high-ranking quality".

Da siehts bei Sabine Scho scho a bisserl anders aus. Sabine Scho ist von Thomas Kling für die Reihe "Lyriker entdecken Lyriker" vom Europa Verlag entdeckt worden. Und das Bändchen eröffnet dann gleich mit dem Bild einer derart zahnenden Scho, dass du untern Tisch möchtest, sicherheitsmäßig. Dann haut der ja nun verantwortliche Kling-King in die Tasten, dass Widerspruch erst gar nicht gedacht werden möchte, und wuchtet die Dichterin mit ihren jetzt gradmal vierzig bekannten Seiten wie nichts auf den Olymp: "Die hohe – durchrhythmisierte – Sprachbewusstheit, auch die Thematik der jüngeren, totalitären Vergangenheit, teilt die Dreißigjährige mit Marcel Beyer. Zusammen mit dessen Gedichtband Falsches Futter gehört Sabine Schos’ Album, das ist jetzt schon abzusehen, zu den wichtigsten, nicht zuletzt durch die offene Geschlossenheit überzeugenden deutschen Gedichtbüchern der letzten Jahre." Durchrhythmisieren kann heut jeder, ist – nebenbei – 50 Jahren Rock & Pop geschuldet, jüngere, totalitäre Vergangenheit ist praktisch Pflicht und "offene Geschlossenheit" ist ein Baatz. Aber sonst ist allerlei dran, am seitenlangen klingschen Hindringen zum Dichterinnenmark. Erstmal hat sich die Scho eine richtige Arbeit vorgenommen und sich so dem regelmäßig schlampigen Zusammenbinden von allerlei Gelegenheitsergüssen und Ergebenheitsgefühlen entwunden. Sie hat sich ihr Familienalbum geschnappt. Alte Schwarzweißfotos aus den frühen Tagen der Republik, wo der Endkrieg noch hineinrußte, und die neuen Helden über alliierten Flugplätzen bereits wieder zur Technik verführten, aus der Zeit der gebügelten Hosen und der Limousinen mit Weißwandreifen, der wieder erwachenden Liebe der bürgerlichen Frau zum Pferd, und den Träumen von der Südsee, die vor Helgoland endeten. Die Scho zieht ziemlich vom Leder – das liest sich nicht immer auf einen Happs – sie ist nicht nur "Bildwandlerin" (Kling), von Bildern, aus denen sie uns leider nur Ausschnitte gönnt (wir müssen ihr also auch noch einiges unbesehen abnehmen – raffiniert), sondern sie blickt quasi durch die Herrenhosen bis aufs Gemächt, durch die Pneus in die Hypophyse und vom First der Bettfedernfabrik an der Wirtschaftswunderscheide in Konkurrenz und Konkubine. War bei den anderen Debütanten von Glattschmirgelung, so kann hier endlich von rücksichtsloser Raufbolzerei die Rede sein.

sinnend für den Führerschein

seitwärts zu den
Weißwandwangen, (hin-
halten is Usus), Lichtsinn-
Lesorgane, kaum mehr zurück-(
zu halten), taxieren drauf los
blindlings bleibt in der Gesellschaft
der Augen ein Mund offen stehn:
prima facies, fällt das Landschafts-
gesicht aus der Kurve, Infant
am Steuer: SIDS, Blendling
auf laubloser Straße, ein-
Mann-wie-ein-Baum GENOM-
men hit-and-run: >>was sind das
Für Zeiten, wo<<

Hier jetzt leider ohne Bild, auf dem nichts zu sehen wäre, als unterm Knie abgeschnittene Männerbeine in Anzughose und Sonntagsschuhen vor etwa zur Hälfte sichtbarem Weißwandreifen. SIDS ist das "sudden infant death syndrome", das müsste man noch wissen. Wie am Ende die Scho diesen geflügelten Dichterfurz anhält, statt ihn noch mal schamlos abknattern zu lassen, vielleicht gar "witzig" modu- oder variiert, das hat schon Klasse.

Worüber aber lacht man in diesem Frühjahr, oder staunt wenigstens schmunzelnd? – Zwei dem Leser nicht ganz unbekannte Herren aus dem Österreichischen müssen hier einmal mehr die Situation retten. Der Geburtsachtundsechziger Martin Amanshauser (Wien) war uns im Jahr 2000 Sieger der Lyrik-Hitparade. Hansjörg Zauner (1959, Wien/Obertraun) lag im 98er Jahr mit Mein Mund Das Saegeloch Handtuch dicht hinter dem unterdessen verblichenen Gerald Bisinger. Zauners neue Sammlung heißt luft verkehrt stock papier, und der Dichter lässt wieder Wörterfälle bei gültiger Grammatik durch den Kahlschädel stürzen, um sie in seltenen Verbindungen zu Gedichtströmen zu ordnen. Oder wie der verehrte Heimrad Bäcker in einem Nachwort spricht: "Zauners Phänomene haben keine andere Eigenschaft als: Textpartikel zu sein; das aber heißt, es gehen von ihnen keine Handlungsstränge oder Bilderbogen aus; es wird nichts erzählt, nichts erörtert oder abgebildet; die Reflexion begnügt sich mit dem Moment der Montage ungewohnter Verbindungsstücke: dies aber als sich ständig erneuerndes Moment, weshalb sich diese Dichtung unbegrenzt entfalten kann." Wohl wahr, auf die Gefahr allzu unbegrenzter Entfaltung. Lustig ist nämlich, wie das Rezipientenhirn geradezu winselnd im sinnfreien Text nach Sinnresten sucht, um sich entlangzuhangeln, manchmal mag einfach der Rhythmus weitertragen, manchmal die Ästhetik neuer Kopulationen, insgesamt ermüdet aber grad die "unbegrenzte Entfaltung" des Un-Sinns. Im Band Mein Mund Das Saegeloch Handtuch steuerte Zauner diese Gefahr durchs Gatter strenger Vierzeiler und durchs Treiben der Zeilen aus einem, wenn auch sich ständig weitenden Wortfeld. In der neuen Sammlung fehlt solch kluge Beschränkung, und so will uns manchmal allein im Wald der Mut oder das Augenlied sinken. Aber dann machen wir doch weiter, weil hinterm nächsten Buschen wartet ja vielleicht schon wieder ein kleines Glück.

innerhalb des reiskorns ist regnen
ein fleischstück aus salbei
das zieht in bretter auf
meine u-bahn ist hier klebstoff
im bauch ziehen brücken zu narben
die haut eine kerze im körper zerfällt
ich verlasse das verlassen als schlaufe
und sclüpfe ins reiskorn zum duschen
die tasche ist klebstoff für salbei
klebt auseinander die tasche hinein
oder die kirsche aus kisten
fällt in die kerze hinüber
es bleibt der klang nur ein ritzen
im greifen das fenster spuckt aus

Hat nicht auch Timo Dege ein Körnchen Reis beizutragen?

Gelbes Wasser!
Du sinkst in einen
großen Haufen Reis.

"Schmeiß alle Artikel weg"!
"Reiß dir alle Zähne raus"!
"Suche Kommunisten hinter
deinen Augen"!

Manchmal möchte man mit seiner Motorsäge auf die Plätze rennen, um Schädel zu öffnen, hineinzuschauen und umzurühren!

Martin Amanshauser ist mir mit dem Siegertitel 2000 in der todestunde von alfons alfred schmidt als sehr komisch und angenehm säuisch in Erinnerung. Das ist er in der Sammlung 100.000 verkaufte Exemplare, in der wir auch Unvergessliches aus a. a. schmidt wiederfinden, immer noch, aber insgesamt kommt hier auch eine Melancholie zur Ausschüttung, die ihm prima steht, und ein Alltagsweltwissen von hoher Luzididät. Hört nur her:

walzen

als walzen rollen wir heute im bett.
so zweisam schwierig. solange das gähnen
lebt ist der schlaf nicht verloren.

ich bin keine prüde person: ich bin mutter.
dein schatten
aus dem ich mich hinausdrehe
schlüpft aus dem bett aus dem fenster
tauben flattern dort
albherzig und fassungslos
weiter in das nächste gedicht.
wer schläft oder stirbt
lässt dem anderen zeit zurück.

Ein sehr empfehlenswertes Abenteuerbuch mit hohem Gebrauchswert, hier: Muttertag.

Kurt Drawert ist wieder da, so wir mit den tragenden Säulen aus der mittleren Generation des einheimischen Lyrik- Kosmos beginnen. Kurt Drawert aus Hennigsdorf – heute Darmstadt – ist der Heimat und den arbeitenden Menschen treu geblieben und er hält sich dicht an den gesellschaftlichen Klüften & Schründen unserer Tage. Das ehrt ihn. Die Kapitel seiner Frühjahrskollektion heißen "Ich liebe Industriegebiete, Die Engel der Landstraße, Geld und Gedichte". Er hat gute Ideen. Beispielsweise über das Outsourcing der Engel aus dem Stammhaus – wenngleich das ein wenig neben den neuesten Erkenntnissen der Engelforschung daherflattert –, oder über den kleinen Grenzverkehr in Görlitz/Zgorzelec, wo sich früh die leeren und abends die vollen Plastiktüten der unstillbaren Ersatzhoffnungen auf der Brücke begegnen, "verwundert darüber,/ was die einen im anderen/ und was die anderen im einen Teil der Stadt/ suchen oder gesucht haben könnten." Aber immer wieder ist es bei Drawert so, als wäre er von der enzensbergerschen Krankheit geschlagen, die sich schon ganz früh, beispielsweise 1962, in Enzenbergers lesebuch für die oberstufe dergestalt manifestierte, dass man eine ideologieschwangere, hammerharte Pointe aus einfach nicht Zusammengehörigem pfriemelte, den Gymnasiasten einfach überrumpelte, oder anders: nicht zum Kern der Sache drang, sondern linksnaiv oder -populistisch auf der Oberfläche klamaukte: "lies keine oden, mein sohn, lies die fahrpläne: sie sind genauer ...", so dröhnte sich das Ahnderl in unsere nach einfachen Alternativen und Ohos (!) lechzenden Herzen.

Lassen wir einmal seinen vorzüglichen Landsmann Andreas Koziol aus dem Bestiarium Literaricum (1991) röhren: "Die Drawert ist eine Löffelente mit lichtblauen, durch weiße Streifen gebrochenen Spiegelfedern. Sie bevorzugt süßes Wasser, lebt aber auch an seichten Küsten. Sie hat ein ausgezeichnetes Gehör für die Geräusche ihrer Freunde und Feinde, nur Schwierigkeiten, dieselben immer naturgerecht zuzuordnen ..." Sag ich doch schon seit Jahren.

Dennoch, die Frühjahrskollektion scheint mir das Beste an Dichtung von Drawert bisher.

Geld

Mit der Zinslast der Schulden
wächst das Rettende auch.
Frau Kröpke zum Beispiel,
immer irgendwie Husten
unter der Mütze, die Hand,
den Ärzten zum Gruß hingegeben,
nur noch kalt wie Hundeknochen,
medizinisch betrachtet
schon Abgang. Grab geordert,
Gepäck aufgegeben. Gewinnt
im Gewinnspiel und ist
auf der Stelle gesund. Lehre:
Geld macht nicht glücklich,
aber hält fit. Zumindest laut
Auskunft der Hypo Vereinsbank.

Merkts der werte Leser? Auch hier diese enzensbergersche Krankheit, diese Oberstufenkulmination, wos leider ziemlich klappert.

Grünbein, Grünbein, Grünbein ... Wir verehren ihn ja alle, fast knien wir schon. Grünbein der Leuchtturm für die Djänereischen Pisa, wenn die ihn kennte, und lesen könnte. So nur ein zunehmend tragischer, sinnloser Gegenentwurf. Dichter, die zu viel wissen; ich sagte es weiter oben. Erklärte Nacht heißt sein diesjähriger Beitrag zur vergangenen Evolution. Es reicht ja nicht, dass er stipendienhalber oder sonst wie in Italien oder sonst wo zwischen altem Gerümpel herumgurkt, er muss auch noch seitenweise in seinem Arkadien herumlungern und uns antike Spitzdichter oder -denker oder -klicker aufpolieren, grad als ob die uns was zu sagen hätten. Kein Gedicht, durch das nicht ein Säulenheilger wankt und die grünbeinsche Brillanzbildung beglaubigt. Halt doch endlich mal die Luft an!, möchte man dem Götterliebling zurufen. Aber Grünbein gnadenlos: Rapparber-rapparber ... Lassen wir folglich aus seelenhygienischen Gründen ausfallen.

Marcel Beyer, der andere große Dresdner, steht indes auf seinen passgenauen Stiefelchen mitten in unserem Wurzelgeflecht. Also westdeutscher Tierfilm, Sielmann, beispielsweise, Kondensmilch ... Passgenau, wie gesagt, in vorbildlicher Gedichtökonomie. Und er macht etwas längst Überfälliges, er ignoriert die wackeligen Brücken der mutlosen Sonntagsreden, schlägt trotzig mit Leib und Seele lieber selbst welche und macht sie tragfähig. Die Brücke zur östlichen Nachbarschaft. Erdkunde heißt das Werk und führt nach Polen, Estland, Tschechien und Kaliningrad. Aber nicht nur. Liebe in Liebesau ist schon auch dabei. Erinnere mich des ersten Teils: Wer ist der kälteste Vogel?, fragt Karli seine kindliche Liebe Greti: Der Zeisig. Vorne Z und hinten eisig. Und der wärmste? Das Möwchen. Hat hinterm M ein Öfchen. So geht es doch auch! Neulich sprach ich in Plauen mit einer erfahrenen Oberstufenlehrerin: "Alle haben Russisch vergessen. Niemand macht es mehr. Alle konvertieren zu Englisch. Drüben im Westen sitzen junge Leute, bereiten sich aufs Kommende vor und lernen Russisch. Nu nene nu: Was da an Möglichkeiten vergeigt wird. Hinterher wieder Jammer: Die nehmen uns alles!" Nur so am Rande der uns bekannten Erdkunde.

Etwas funky stuff aus FUNKY SABBATH:

III

Ich stehe da zur Lungerstunde, am späten Nachmittag
die Sonne auf Kaliningrad. MEI HEIMATLAND, MEI
WOLGALAND, hier lernst du fix, was FUNKY ganz
genau bedeutet, mit dem Akkordeon direkt in deine
Fresse. Kein Wimpernschlag, und kein Gesang. Kein
Bruder des verdünnten Blutes. Halbwaisenhände winken
dich vom Platz, DIE SCHNÜFFELKINDER WÜNSCHEN EINE
GUTE REISE. Langsame Augen, schwere Winterblässe.

Und weil es so anrührend ist, noch dies aus Beyers Liebesau:

Der letzte Schlurf

Und manchmal, nachts, schuffele ich leise
durch dein Zimmer, doch meinen Namen
rufen sollst du nicht, auch von den alten
Platten nichts erzählen, Zimt: Du siehst
mich ja, wie ich im, Bad verschwinde,
kein Mann, kein Möbelstück, kein Kind, und

wie ich mir die Pokemonkrawatte binde, bis
meine müden Finger eingeschlafen sind.

Der Siegersekt spritzt dieses Jahr jedoch zu gleichen Teilen auf Jan Koneffke und Frank-Wolf Matthies. Beiden verdanken wir etwas – wenn auch gänzlich unterschiedlich – Rares und Kostbares. Koneffke, der andere große Darmstädter, lebt schon seit 1995 in Rom, ohne uns in Was rauchte ich Schwaden zum Mond auch nur mit einer römischen Elegie oder einem Götterschwank zu vercatullen. Indes bergen seine durchaus diesseitigen, mit dem Grauen unserer Tage gepuderten Verse magisch fantastische Räume, bengalisch illuminierte Höhlen des Zagens und Hoffens und Abenteuers, gleich will man seine Kinder rufen, mit ihnen die sich einstellende Verzauberung zu teilen – wunderbar: "Ein Notarztwagen humpelte in mein Zimmer/ nimm mich huckepack! Ich muß ins Krankenhaus!/ er war kreideweiß ich umklammerte seine/ Vorderreifen hinten schleifte er nach/ ..." (aus "Krankenhaustraum") –, bis einem wieder einfällt: Man hat ja keine! Glücksmomente, wohin man greift!

Meiner Mutter Hausputz

Um nicht im Staub zu ersticken
der sich vermehrt Tag um Tag
richtete Mutter ein Laugenbad an
Sofa und Sessel zerrieb sie behende
scheuerte Eisschrank und Wanne zu Luft
Staubsauger heulte zu Diensten
vom Fleck weg
saugte er Estrich und Erde
ans schwebende Dach lehnte sie eine Leiter
und Mutters Lappen beseitigte es
klatschte energisch um Sonne und Mond
bis sie am Himmel zerflossen
in einer Staubwolke schwebte sie weinend
und mutterseelenallein

Die Überschrift der 2002er Kollektion ist diesmal Koneffke entwunden, dem Gedicht "Mondreise", wo ein außer Rand und Band geratener Vollkäse des Dichters Bett mitnimmt, trotz aller inneren und öffentlichen Gegenwehr: "vergebens mein Bett sauste weiter/ überbrückte verschiedene Spreearme Mülltonnen hoppelnd/ durch Schluchten dem Mondkrater zu –/ erst als Nachtwächter riefen: Bewußtsein soll wieder Bürostunde haben!/ schlingerte es sackte unsanft zur Erde kein Zureden half/ barfuß mußte ich umkehren".

Vergelt’s Gott.

Frank-Wolf Matthies, der andere mit der kleinen Besonderheit, ist ein bedeutender Heimatdichter unseres Ostens. Von der Erotik des Zeiten vernichten heißt sein neuer Band. In hohen Tönen lobt Adolf Endler Vielfalt, Vielform und Vielstimmigkeit des matthiesschen Werkes: "Grölend wie lispelnd, rasant wie bedächtig, schmissig wie zögerlich, rau und nicht minder sanft ..." Und das lange Gedicht "Wildau im September" ist ihm "das vermutlich bisher trefflichste, poetische Werk zum Thema ,Nachwende Osten‘ ..." Da will man sich nicht einmischen. Wildau, im Berliner Umland, dort lebt Matthies, Kontenführer, Reparatur-Schuster, Dispatcher, Kellner, Taxifahrer, Leichenwäscher, Kameraassistent, Grabenzieher, Bausoldat, Eisverkäufer, Filmvorführer ... Verhaftungen, Bedrückungen. Ach, ein leichtes Leben hat der nie gehabt. Heute:

"Was ich im Leben bin, lässt sich schnell sagen: ein Einsiedler zu sechst – mit meiner Frau, unserem Hund, der Katze und zwei Kaninchen – der es sich zur Gewohnheit gemacht hat, nicht, oder nur sehr selten mit seinen Zeitgenossen zu verkehren ..." "Und wir zwischen/ den Sesseln und/ Stühlen:/ mit nichts als/ Gefühlen –/ zerbröckelt, verbetoniert,/ gestöckelt ..., heißt es in "Mühlen".

So bittersüß Matthies’ Exkursionen in Restnatur und Restleben im Datschenelend sind, wie von weit her die alten Dichter-Träume von der feuchtschimmernden, bestiegenen, heilenden Frau, hier wird er aus anderen Gründen dringlich ins Feld geführt: Matthies knittelt in rüden, rücksichtslosen Versen die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse nieder, und das ist wie wieder atmen dürfen, nach all den Windungen und Sedierungen mit Niveau der Bildungsboheme und dem Plätschern im Entlegenen. Es ist eine Frischluftdusche und es tut so gut, weil es Zeit ist: "Bewusstsein muss wieder Bürostunde haben!" Mindestens.

Ein Arsch muss wieder ein Arsch genannt werden, die Globalisierungswichserei ein alter verkommener Dreck, kapitalistisches Rasen, Mercedes-Sterne in Mitte zu ernten und sie umgeschmolzen über Bethlehem leuchten zu lassen, eine Ehre; "die Mitte" sei wieder ein Loch und das Dauergrinsen muss aus den Zähnen geschlagen werden! So steht es geschrieben. Schon verhöhnt uns ja die zarte Weltneuheit: "Ein kleines Bewußtsein und ein großes Bewußtsein liegen mit ihren Füßen im Waldmoos ..." ("Der Ablaß")

Böller aus der Matthies-Kanone: "... Die mächtigen Freunde in Übersee/ wann immer ich mir die News in meine vier Wände hole/ Immer nur Grinsen/ Grinsen und Kriege um Kohle/ Das Leben ist wie ein einziges Schmieren- nein Grinsetheater/ jetzt grinst der Sonnyboy/ vorher grinste der Vater/ Ich versuche erst gar nicht nach oben zu linsen/ muß ich doch fürchten: auch da oben ein Grinsen ..." ("Alles Prima") "... Wie eh & je. Dieselbe Tristesse wie/ Im 20sten Jahrhundert, im 2ten Jahrtausend,// dieselben blöden Arschgesichter, dieselben/ in den Fernsehnachrichten, dieselben verlogenen// Sprüche aus den grinsenden Löchern in/ Denselben blöden Arschgesichtern über denselben// Titten, oder aber den adretten Krawatten/ Derselben Strolche aus Kunst & Politik, alles// Wie gehabt: der fabrikneue Müll der Versandhaus-/ Kataloge, das Narrengedudel der Hitparaden, die// Allgemeine Verblödung, die Sehnsucht nach/ Vermassung, nach lustloser Spaßgemeinschaft,// Gestank, Geflimmer, Gefotze (,Schröder die Fotze‘// Gesprächsfetzen, vorbeigeweht, am halboffenen/ Autofenster, Oranienburg, Vorortnachmittag, vorbei// Die Zeiten, da Arschloch noch kein// Kompliment und Fotze nur uns beide was/ Anging, von einem Staatstrolch mindestens// Soweit entfernt, wie die beiden Enden/ Von Dantes Wanderung) ..." ("21stes Jahrhundert") "... Der/ Tellerrand ist/ der Tellerrand. Wer aber/ Klimmzüge machen muß/ darüber hinweg zu/ blinzeln, der ihn nicht hoch/ kriegt und sich nicht/ hoch kriegt, der kann nicht/ zugleich in der Mitte sein. Aber/ dann ist doch Deine Mitte gar nicht/ die Mitte, dann ist doch da eine/ und da eine und da/ vielleicht auch noch eine/ höre ich schon den coolen Mr. Cool/ zwischen zwei Geldbündeln/ einwenden. Genau so/ die Mitte des Bürgerrechtlers/ ist das Arschloch/ das seine Rentenbescheide/ ausscheißt und die Mitte der netten/ Psychologin ist da, wo Chiquita ein/ und aus geht und die Mitte/ all der Stasi-Enttarner ist ein riesiger/ Scheißhaufen aus Zelluloid/ Bunkerbeton und muffigen/ Erinnerungen ...", sagt Matthies und steckt seinen Ringfinger in die Saftmitte von Kim Carnes ("Ihr da, an den Rändern"). "Ich wünschte", wünscht Matthies, "Gott griffe zum Telefonhörer, nachts halb drei ... Hör zu, nimm Deinen 38er und geh los." Wer wünschte das nicht.

Wollte noch von Timo Deges großem Plan berichten. Wie es weitergeht. Also, die Million will er nicht für sich und verjubeln. Vielmehr soll sie ihm zur Umsetzung seines Welt-Ernährungsplanes dienen. Geplant ist, große Teile der Erde zu befreien, dass die Menschen, streng getrennt von den Personen oder Nummern, die im Elend bleiben, unter den sie nährenden Bäumen der befreiten Gebiete sitzen können, liebend, lesend, lernend. Dafür müssen viele erst zu Menschen werden. Und da er so allein ist, hat sich Timo Dege an Deutschlands obersten General gewendet, mit der Bitte, der Vernachlässigung der Menschen durch sie selbst aufrüttelnd Einhalt zu gebieten, so wie sich er seiner Selbst-Vernachlässigung bewusst wurde, seine Ketten der Verrottung im Schatten der Chinchillas durchschlug, und ihn aufgefordert, einzumarschieren in die großen Tier-KZs und die Tore zu öffnen. Bisher leider noch keine Antwort. Aber beste Hoffnung. Ein General, über das Leid gebeugt – wie er selbst.

Und wie denn die Trennung der Menschen von den Personen zu bewerkstelligen sei? So schwer ist das nicht: Wer (seine) Gedichte der Liebe kauft, wer sich mit Gedichten beschäftigt, darf unter den Nährbaum. Wer bewusstlos ablehnt, gar spottet: verrottet!

So könnte es gehen.

Günter Herburger, Eine fliegende Festung, München (A1 Verlag) 2002 (88 S., 15,80 €)

Sarah Kirsch, Schwanenliebe, Stuttgart/München (DVA) 2001 (250 S., 19,90 €)

Christoph Meckel, Blut im Schuh, Lüneburg (zu Klampen Verlag) 2001 (43 S., 17,00 €)

Silke Scheuermann, Der Tag an dem die Möwen zweisprachig sangen, Frankfurt am Main (edition suhrkamp) 2001 (74 S., 6,50 €)

Björn Kuhligk, Am Ende kommen Touristen, Berlin (Berlin Verlag) 2002 (104 S., 12,00 €)

Sabine Scho, Album, Hamburg/Wien (Europa Verlag) 2001 (65 S., 12,90 €)

Hansjörg Zauner, luft verkehrt stock papier, Wien (Literaturverlag Droschl) 2001 (104 S., 18,00 €)

Martin Amanshauser, 100.000 verkaufte Exemplare, Wien/Frankfurt am Main (Deuticke) 2002 (205 S., 14,90 €)

Kurt Drawert, Frühjahrskollektion, Frankfurt am Main (Suhrkamp) 2002 (92 S., 15,00 €)

Durs Grünbein: Erklärte Nacht, Frankfurt am Main (Suhrkamp) 2002 (145 S., 18,00 €)

Marcel Beyer, Erdkunde, Köln (DuMont) 2002 (113 S., 16,90 €)

Jan Koneffke, Was rauchte ich Schwaden zum Mond, Köln (DuMont) 2001 (87 S., 17,80 €)

Frank-Wolf Matthies, Von der Erotik des Zeit vernichten, Berlin (Edition Galrev) 2002 (141 S., 12,50 €)

Timo Dege, Die Götterbotin & Woll-X-Dichtung. Berlin (Selbstverlag: Timo Dege, Oderstraße 41, 12049 Berlin), je 18 €/Verhandlungsbasis