Rettung durch Umbau?

Über die Baupolitik in ostdeutschen Städten

Wolfgang Kil

Vielen ostdeutschen Städten hat die Vereinigung einen Bauboom beschert, der - zumindest quantitativ - den Vergleich mit der Gründerzeit vor rund einhundert Jahren nahelegt. Besonders die wirtschaftlich gefragten Landeshauptstädte Dresden, Magdeburg und Potsdam, aber auch einige Regionalzentren wie Leipzig, Görlitz, Jena, Cottbus oder Dessau, haben sich in Großbaustellen verwandelt, die eine deutliche Veränderung des Stadtbildes erwarten lassen. Das kann, wie in Dresden oder Görlitz, zu einer Rückgewinnung einstmals berühmter Schönheit führen; das kann aber auch die achtlose Nivellierung noch erhaltener Eigenart unter der Parole einer "nachholenden Modernisierung" zur Folge haben, wie etwa bei Jena, Dessau, großen Teilen Leipzigs oder vielen Kleinstädten zu befürchten ist.

Im "Wende-Jahr" 1990 hatte es weder an guten Ratschlägen noch an hochfliegenden Plänen gemangelt. Dann gingen die Macher ans Werk. Wer jetzt, fünf Jahre später, nach den allmählich erkennbaren Konturen des baulichen "Aufschwungs" fragt, muß sich gegen allerlei Ernüchterungen wappnen. Längst nicht alle Blütenträume sind gereift, und die meisten der anfangs geäußerten Befürchtungen haben sich als nur allzu begründet erwiesen. Vor allem jene sind nun enttäuscht, die sich von den spezifischen Ausgangsbedingungen und Problemlagen der neuen Bundesländer innovative Ansätze zu einer bürgernahen, ressourcenschonenden und insgesamt behutsamen Stadtentwicklung erhofft hatten. Galt die große Zahl an historisch bedeutenden Altstadtanlagen noch als überraschende und verpflichtende Entdeckung, so blieben alle übrigen Besonderheiten, die ökonomischen, sozialen, kulturellen und mentalen, bei den fälligen politischen Rahmensetzungen weitgehend außer Betracht. Viele Konflikte sowie erhebliche ökonomische Zusatzlasten wurden damit programmiert. Im folgenden sollen einige dieser vernachlässigten Ausgangsgrößen beschrieben werden.

Stadt und Bürgerinitiative

Die offizielle Baupolitik der DDR hatte ein grundsätzlich gespanntes Verhältnis zur historisch überkommenen Bausubstanz. Während im Westen die Nachkriegsmoderne zu ähnlich radikalen Traditionsbrüchen und Stadtumbauten verleitete, hielt sich im Osten das ideologische Verdikt bis zum bitteren Ende: Nur ein Leben im Neubau galt als "dem Sozialismus gemäß"; Altbaugebiete waren "Überbleibsel früherer Klassengesellschaften", wurden daher generell als minderwertig und nur in Ausnahmefällen als erhaltenswert angesehen.

Die starke Ideologisierung der Baupolitik führte dazu, daß Bürgerinitiativen zum Stadterhalt sich geradezu notwendig auch als politische Opposition begriffen und zumeist auch als solche behandelt wurden. Trotzdem waren es ausgerechnet auf Stadterhalt orientierte Gruppen wie Schelfstadt (Schwerin), Rykestraße (Berlin, Prenzlauer Berg), Argus (Potsdam) oder Andreasviertel (Erfurt), die bereits ab 1988 mit kritischen Ausstellungen und Gegenprojekten ihre zunehmende Legalisierung erreichten.

Sind unsere Städte noch zu retten? war dann auch der Tenor vieler Transparente, unter denen die Demonstranten der "Wende" ihrem angestauten Unmut öffentlich Luft machten. Im Dezember 1989 bildete eine Menschenkette rund um die Erfurter Altstadt den "Erfurter Bürgerwall", die wohl eindrücklichste Willensbekundung zum Erhalt historischer Bausubstanz in jenen Tagen. Die Liebe zur eigenen Stadt und die Empörung über die Achtlosigkeit, mit der diese preisgegeben worden war, trug ganz erheblich zum allgemeinen Volkszorn bei - ein in seiner schließlichen Radikalität seltener Ausweis von Bürgersinn. Bei Nachbetrachtungen über die "Wende" in der DDR wird er viel zu oft unterschätzt.

Der Verfall der Städte hatte längst die Dimension kultureller Stadtbildkritik überschritten; er war zum puren Existenzproblem vieler Betroffener geworden. Was dazu in Versammlungen diskutiert und auf der Straße skandiert wurde, meinte also vorerst kaum mehr als Instandsetzung und pfleglichen Ausbau der vertrauten Milieus, die Erreichung erträglicher Wohnstandards. Die Not vor aller Augen erforderte schlicht die Wiedereinsetzung normaler Lebenszyklen für die Stadt und ihre Häuser: Bauen, Benutzen, Altern, Reparieren, gelegentlich ein Stück ersetzen. Im Januar 1990 begannen auf der "1. Leipziger Volksbaukonferenz" Architekten, Kommunalpolitiker und Bürger, gemeinsam Strategien für den Stadterhalt zu entwickeln. Die Prämisse: "Kein Geld, um so mehr Phantasie". (Nur die Eigentumsfrage - an die dachte damals noch niemand...)

Viele, die sich vor und während der "Wende" in der Bürgerbewegung zum Stadterhalt engagiert hatten, übernahmen in den neuen Verwaltungen Verantwortung: Sie wurden Baudezernenten, Bauamtsleiter, Mitarbeiter in Planungs- und Denkmalschutzbehörden. Andere ließen sich in Kommunalparlamente wählen und in Ausschüsse delegieren. Wieder andere setzten sich ehrenamtlich in Betroffenenvertretungen ein oder bauten auf ABM-Basis Mieterberatungen auf. Eingebunden in die neuen Strukturen, engte das bald eingeführte bundesdeutsche Bau- und Förderrecht die Spielräume für organisatorische und andere Experimente merklich ein. Die oft unkonventionellen Denk- und Handlungsansätze der außerparlamentarisch agierenden Bürgergruppen begannen, sich erneut an den Realitäten zu reiben, doch nun hatten vielfach die Aktivsten der Gruppen "die Seiten gewechselt", das heißt sie waren Amtsträger geworden und sammelten als solche auch nicht immer die glücklichsten Erfahrungen: Der Umgang mit den Sachzwängen praktischer Politik und Verwaltung hat viel an konzeptioneller Phantasie zur Neugestaltung der bedürftigen Städte verschlissen. Wo auf ungewöhnliche Lösungen verwiesen werden kann - auf die runden Tische zur Legalisierung besetzter Häuser, die schnelle Gründung von Selbsthilfegremien und Mietergenossenschaften, die vorrangige Lenkung von Investitionen zur Belebung der Innenstadt und anderes mehr - datieren diese zumeist auf die ganz frühe, rechtlich noch unübersichtliche Phase. Mit der "Normalisierung" der Verhältnisse kam die Routine bundesdeutscher "Verwaltsamkeit" über alle Vorgänge; die Sachkompetenzen nahmen enorm zu, das Gegen-den-Strich-Denken ab.

Als weitere Einschränkung möglicher Erneuerungspotentiale muß die "gründliche Entwertung des Erfahrungswissens örtlicher Fachleute" (Bernd Hunger) gelten. Der flächendeckende "Import westlichen Sachverstandes" hat zwar den notwendigen Nacholbedarf an Verfahrensdurchblick gedeckt, doch gerade Konzepte für die Stadterneuerung setzen eine genaue Ortskenntnis und Sensibilität für die besonderen, zumal sozialen und ökonomischen Verhältnisse jedes betroffenen Quartiers voraus. Diese simple Grunderfahrung ist bei vielen routiniert abgelieferten Planungsgutachten und anderen Beraterleistungen auf gröblichste Weise ignoriert worden - von gutgläubigen oder überforderten Verwaltungen vor Ort ebenso wie von geschäftstüchtigen Planerbüros. Zahlreiche strukturelle Fehlentwicklungen (bis hin zur offen einkalkulierten Segregation ganzer Stadtgebiete, etwa in Dresden, Leipzig oder Ostberlin) haben in dieser planerischen "Fremdperspektive" ihre Ursache.

Vor der Übermacht solcher neugeschaffenen Fakten und unter dem enormen Tempodruck haben die auf Stadterhalt gerichteten Bürgerinitiativen der "Wendezeit" mehr und mehr resigniert. Netzwerke neueren Datums, wie das im Herbst 1995 in Berlin gegründete "Stadtforum von unten", befassen sich notgedrungen weniger mit dem Schutz gefährdeter Baubestände, als vielmehr mit den sozialen Folgen der aktuellen Modernisierungsprozesse.

Stadt und Geld

Selbst die großzügigste Unterstützung durch die alten Bundesländer oder den Bund (der allein seit 1990 fast fünf Milliarden Mark dafür aufgewendet hat) kann den normalen Reproduktionsprozeß der Städte kaum in Gang setzen, geschweige denn stabilisieren. Der Nachholbedarf ist einfach zu enorm, er ist angesichts der zu erwartenden Zeiträume und Summen nicht einmal verläßlich zu schätzen. Es wäre deshalb vernünftiger, hier nicht von einem abzuarbeitenden Programm zu reden, sondern sich auf einen völlig andersartigen Zustand von Stadtentwicklungspolitik einzustellen. Vielleicht könnte diese veränderte Erwartungshaltung ohne den ständigen Vergleich mit westdeutschen Verhältnissen die Suche nach adäquaten Lösungsstrategien erleichtern.

Das gilt zum Beispiel für die Fördermodalitäten, die in der Regel ja als Anteilfinanzierung konzipiert sind. Bauwillige Eigner und bedürftige Kommunen müssen Teile (zumeist mindestens die Hälfte) der Kosten selbst aufbringen. Wer nicht einmal das schafft, bringt oft gar keine Fördermaßnahme in Gang. Die notorisch mittellosen Ostkommunen sind somit zunehmend auf die Almosen einer unberechenbaren Großzügigkeit angewiesen. Viele alteingesessene Eigentümer verzichten überdies auf Baumaßnahmen, weil Förderungen häufig an die Erfüllung bestimmter, als übertrieben empfundener Standards (Denkmalpflege, Wärmeschutz, technische Ausstattung) gebunden sind, aber auch eine private Kreditaufnahme mit Blick auf die eigene Lebenserwartung nahezu sinnlos erscheint. Der Anreiz einer indirekten Förderung per Sonderabschreibungen entfällt für die meisten ostdeutschen Hauseigner mangels Vermögen sowieso.

Zum anderen zwingen die leeren Kassen die Kommunen zum Ausverkauf. "Insbesondere die Klein- und Mittelstädte mit ihren wertvollen historischen Stadtkernen haben oft nicht einmal genügend Steuereinkünfte, um die laufenden Kosten des Stadthaushalts abzudecken. In dieser Situation ist zunächst einmal jeder Investor hochwillkommen, der Gebäude erwerben möchte. Wenn er gar die Schaffung neuer Arbeitsplätze in Aussicht stellt, wird sich so leicht keiner mit ihm darüber streiten wollen, ob trotz bestätigter Gestaltungssatzung die alten Straßenbilder durch modische Ganzglasfassaden aufgerissen werden können oder ob der letzte mittelalterliche Stadtmauerrest, der einer Tiefgarage im Wege steht, unbedingt in situ erhalten werden muß." So beschrieb der Leipziger Bauhistoriker Thomas Topfstedt die allgemeine Situation. Die Wismarer Bürgermeisterin brachte es noch kürzer auf den Punkt: "Ab einer Arbeitslosigkeit von zehn bis fünfzehn Prozent aufwärts wird jede Kommune bodenlos erpreßbar."

Sieht man von wenigen begehrten Ausnahmestandorten wie Leipzig, Dresden oder Potsdam ab, dann ist diese "bodenlose Erpreßbarkeit" das entscheidende Handicap der ostdeutschen Kommunen, sobald sie sich auf eine public-privat-partnership einlassen. Weitsichtige Planer haben unter diesen Umständen vor ihren Kommunalparlamenten so gut wie nie eine Chance; dort werden stadtförderliche Entwicklungsszenarien im Zweifelsfall immer den wirtschaftlichen Standortkalkülen der einzelnen Investoren nachgeordnet.

Diese Not der Gewerbeansiedlung um jeden Preis hat auch zu den flächenfressenden Einkaufs- und Logistikzentren der städtischen Peripherien geführt. Und wo nicht rechtzeitig Vereinbarungen mit dem Umland zustande kamen, gab die Konkurrenz der Nachbargemeinden den Rest im Krieg der Baulandpreise: Für den "Saalepark", Europas größtes Einkaufszentrum zwischen Leipzig und Halle, kostete der Quadratmeter Ackerland 2,50 Mark. In Leipzigs Zentrum bringt, nach einer rasanten Spekulationswelle, der Quadratmeter 12 bis 15.000 Mark. Bis in dieses Zentrum hinein reichen inzwischen aber auch die Folgen des gigantischen Kaufkraftabzuges auf die grünen Wiesen rund um Ostdeutschlands zweitgrößte Stadt.

Etwa elf Milliarden Mark sollen seit 1990 in den Stadterhalt der neuen Ländern privat investiert worden sein. Das klingt beachtlich, sorgt in vielen, vor allem kleineren Städten auch für deutlichen Sanierungsgewinn. Doch je größer die Städte, je rasanter das Baugeschehen, desto mehr nimmt die erhoffte Stadtreparatur den Charakter eines krassen Stadtumbaus an. Im Wettlauf um die 1A-Lagen wurden ganze Zentrumsquartiere zusammengekauft und zu voluminösen Bürokomplexen um- oder aufgebaut. Oft erfolgten solche Investitionen rein spekulativ (schon die Sonderabschreibungen sorgten für ein moderates Risiko) und zeigten sich prompt als völlig am Bedarf vorbei produziert. Modernisierte oder neu errichtete Geschäftsgebäude weisen in der Regel einen sehr hohen Standard auf, bei entsprechenden Mieterwartungen. Ortsansässige Interessenten können da kaum mithalten; entweder waren sie als "Kundschaft" nicht gemeint oder dem auswärtigen Bauherrn fehlte es am Gespür für die lokale Marktsituation. Büroleerstand in aufdringlichen Größenordnungen prägt inzwischen das Bild zahlreicher ostdeutscher Innenstädte.

Die gewaltige Investitionswelle traf die ostdeutschen Kommunen just in dem Augenblick, da sie selbst noch im Prozeß einer vollkommenen Reorganisation und Selbstfindung steckten. Ohne notwendigen Planungsvorlauf, oft sogar noch ohne ausreichende Rechtssicherheit, hatten sie einem horrenden Entscheidungsdruck nur wenige Steuerungskräfte, vor allem jedoch noch kaum gefestigte bürgerschaftliche Souveränität entgegenzusetzen. So wurden sie zu exemplarischen Testfeldern einer Stadtentwicklung, die auf weitreichende Privatisierung unter Einschränkung öffentlicher Handlungsspielräume setzt. Die allzu häufig ungefiltert durchschlagenden Negativfolgen solch radikaler Marktförmigkeit blieben nur jenen Regionen erspart, an denen der "Aufschwung" bisher vorübergegangen ist ... und die gelten ja nun erst recht als Verlierer dieses gigantischen Strukturwandels.

Stadt und Eigentum

Obwohl die Grundsatzregelung "Rückgabe vor Entschädigung" sich bald als einer der verhängnisvollsten Fehler des Einigungsvertrages herausgestellt hat, wird, zumal in der politischen Öffentlichkeit, über ihre Folgen nur ungern gesprochen. Für die Sanierung der ostdeutschen Städte hat aber gerade jene Regelung in mehrfacher Hinsicht fatale Auswirkungen.

Soweit ortsansässige Alteigentümer innerstädtische Immobilien zurückerhalten, sind diese häufig nicht in der Lage, aus eigener Kraft Sanierungen vorzunehmen. Ein Ergebnis des Niedergangs der Altstädte war ja eben, daß dort überwiegend Alte und sozial schwächere Familien übrigblieben, die am meisten gefährdeten Areale sind somit heute zugleich Soziotope der Verlierer. Wird nun an solche Bewohner reprivatisiert, müssen sie früher oder später doch verkaufen, oder aber die Häuser verfallen weiterhin.

Über die Behinderung von Baumaßnahmen infolge anhaltender Rechtsstreitigkeiten als Planungsproblem zahlreicher größerer Städte ist immer wieder berichtet worden. Doch selbst die Detailfolgen solch schwebender Verfahren sind für den Althausbestand gravierend: So wurden beispielsweise die Ostberliner Wohnungsgesellschaften per Stichtag von ihrer Zuständigkeit für Tausende von "antragsbefangenen" Mietshäusern entbunden, obwohl Dauer und Ausgang der Verfahren völlig unabsehbar sind. Allein im Bezirk Prenzlauer Berg befinden sich seither etwa 16.000 Wohnungen in sogenannter "Notverwaltung", das heißt, nur die konkreten Mieterträge eines Hauses dürfen für dieses aufgewendet werden. Damit sind nicht einmal mehr normale Pflegereparaturen möglich, von Modernisierungen ganz zu schweigen. Für diese Häuser dürfen keine unbegrenzten Verträge eingegangen werden, neue Gewerbevermietungen sind völlig ausgeschlossen. Verantwortungsvolle Haus- und Grundstücksbewirtschaftung wird dadurch unmöglich gemacht.

Die Reaktion der Mieter auf diese Verhängung "undefinierter Zustände" ist verheerend. Zu DDR-Zeiten hatten sie noch wenigstens ihre Wohnung als eigenen Zuständigkeitsbereich empfunden und zum Teile erhebliche Gelder und Arbeitsmühe in deren Erhalt und Modernisierung gesteckt. Nun ist die frühere Bereitschaft zur Eigenleistung, auch angesichts bald erreichter Kostenmieten, der reinen Konsumhaltung gewichen: Ich bezahle, also habe ich Ansprüche... Eine der wichtigsten Ressourcen zur raschen Stadtreparatur wie auch zur Kostensenkung dieser riesigen Aufgabe wird somit lahmgelegt. Selbst der angestrebte Verkauf von Wohnungen an Mieter soll nicht vorrangig die erprobte Improvisations- und Selbsthilfementalität mobilisieren (etwa indem marode Substanz zu symbolischen Preisen angeboten wird), sondern ist nach den westdeutschen Modellen der Vermögensbildung konstruiert. Für solche Motivation der Besitzvorsorge jedoch fehlt es in der ehemaligen DDR sowohl an baulichen Voraussetzungen als auch weithin noch an einschlägiger Wertorientierung. Der Soziologe Bernd Hunger hat diese Ausklammerung der Bewohner vom praktischen Gesundungsprozeß ihrer Städte als "fremdbestimmtes Entwicklungshilfe-Modell" charakterisiert: Statt Eigeninitiative freizusetzen, hängt nun alles vom Zufluß (oder Ausbleiben) fremder Gelder ab. Da muß Stadterneuerung zu einem Faß ohne Boden werden. In den von Mietshausbeständen geprägten Innenstädten hat die Wiedereinführung privaten Grundbesitzes (nach zwei bis drei Generationen des staatlich dirigierten "Volkseigentums") zu einer tiefgreifenden Orientierungs- und Identitätskrise der Bewohner geführt. Wenn - historisch ein wohl einmaliger Vorgang - beinahe der gesamte Immobilienbestand eines Landes ruckartig von Eigentumsbewegungen betroffen wird und wenn dabei der Löwenanteil der Besitztitel auch noch an Ortsfremde übergeht, dann geht die traditionelle Bindung von Hauseigentum und kommunalen Entwicklungsinteressen fast schon zwangsläufig verloren. In den Wohnvierteln der ostdeutschen Städte vollzieht sich nun, was in allen dynamischeren Geschäftszentren bereits seit längerem zu beobachten ist: die Auflösung der Bürgerstadt und ihre Transformation zum anonymen Anlage- und Verwertungsstandort. In Großstädten mag diese Anonymisierung noch einer gewissen Akzeptanz begegnen; für Klein- und Mittelstädte mit ihrer stark auf Personen fixierten Lokalpolitik bedeutet sie ein schwer kalkulierbares Entwicklungsrisiko. Und wenn schließlich (mit den Worten des vormaligen Erfurter Planungsdezernenten H. Saitz) "Einheimische resignierend zuschauen müssen, wie ihre Heimatstadt Stück für Stück geradezu generalstabsmäßig aufgekauft wird", dann relativiert sich der erwartungsfrohe Blick auf die zunehmend frischen Fassaden im bislang so altersgrauen Straßenbild doch erheblich - zumindest bei jenen, die bei der Rettung und zukünftigen Entwicklung ihrer Städte als Bewohner gern auch selber zum Zuge gekommen wären.