Kultur oder Krieg

Plädoyer für einen Kontinent des Friedens in Europa

Lojze Wieser

Der Krieg hat wieder Einzug gehalten in Europa. Sowohl dem Inhalt als auch der Form nach ist es ein europäischer Krieg geworden. Bisher hatten alle Kriege, die in Europa nach dem Zweiten Krieg heiß geworden sind, mehr oder weniger regionalen Charakter. Auch wenn sich im Bosnischen Krieg abzeichnete, daß er die Grenzen der Region sprengen würde, war er in den Köpfen der beteiligten internationalen Truppen noch ein Ordnungsruf und waren die IFOR und SFOR ein Puffer zwischen den beteiligten Gegnern, eine Schlichtungsstelle in einem Bruderkrieg. So wurde er genannt. Im jetzigen, im Serbischen Krieg, wurde die UNO übergangen. Die NATO hat sich direkt eingeschaltet. Der westliche militärische Block hat seine Geburtstagsfeier gebührend gefeiert, auch auf das Risiko hin, den wunden östlichen Bären zu reizen, ohne wirklich davon auszugehen, daß dieser im Stande ist zu agieren.

Alle Versuche der Rechtfertigung dieses Krieges laufen auf eines hinaus: Jetzt ist genug. Die Serben, sprich Milosevic, verletzten die Menschenrechte, und um noch größeres Leid zu vermeiden, müsse eingegriffen werden. Alle vorherigen Erkundungen hätten ergeben, daß im Kosovo eine ethnische Säuberung bisher unbekannten Ausmaßes in Vorbereitung war. Der müsse man zuvorkommen.

Wie wahr es doch ist, daß gegenüber den Albanern im Kosovo schon seit gut fünfzehn Jahren eine Vertreibungs- und Vernichtungspolitik betrieben wird. Vor den Augen der internationalen Gemeinschaft, mit Billigung der internationalen Gemeinschaft. Obwohl die Albaner in diesen Jahren eine ghandistische Friedenspolitik entwickelten und trotz der Verschärfungen Anfang der neunziger Jahre und auch noch während des Zerfalls Jugoslawiens und des Bosnien-Krieges daran festgehalten haben, bekamen sie keine Unterstützung, bis auch innerhalb der albanischen Bevölkerung der Ruf nach Radikalisierung unüberhörbar wurde und zur Gründung der UÇK führte. Man überhörte die Rufe und das Flehen der Albaner mit dem Argument, die albanische Autonomie im Kosovo würde die gesamte Region in ein Pulverfaß verwandeln, und man könne doch nicht einer Forderung nach Selbstbestimmungsrecht der Nation auf Kosten des Friedens in der gesamten Region Rechnung tragen. In der Zwischenzeit ist Jugoslawien zerfallen, die Konföderation nicht geglückt, Slowenien wurde nach einem Zehn-Tage-Scharmützel selbständig, Kroatien auch, und wollte sich mit Serbien zusammen Bosnien einverleiben. Es folgte der Bosnische Krieg mit seiner Vielzahl von ethnischen Säuberungswellen. Mit Dayton wurde der Staat Bosnien und Herzegowina befriedet. Der Krieg hatte die inneren Grenzen des Landes in die Köpfe der Menschen bombardiert, Bevölkerungsvermischungen wurden, soweit es ging, bereinigt und ethnisch saubere Gebiete geschaffen. Man schuf Voraussetzungen der Nationalstaatlichkeit, ohne sie jemals umsetzen zu können.

Wir sollten uns jedoch nicht nur die letzten zehn Jahre der Geschichte am Balkan vor Augen halten, wir sollten vielleicht ein weiteres Jahrzehnt zurückgehen, an den Beginn der 80er Jahre. Damals war die Welt noch ganz. Die Blöcke existierten, das Gleichgewicht der Kräfte war intakt. Eine Abrüstungskonferenz jagte die andere. Auf intellektuellem Gebiet war es eine Zeit der Symposien und Konferenzen. Die Mitteleuropadebatte war ein Versuch, die europäische Spaltung zu überwinden. Erstmals nach dem Prager Frühling 1968 gab es große Streiks. Die Kirche meldete sich massiv auf das Feld der politischen Auseinandersetzungen im Osten Europas zurück. Spekulanten traten auf und begannen, in die Kultur zu investieren, als Mittel des Demokratieexports in den Osten. Die vielen Versuche, unter den gegebenen Verhältnissen neues Denken einzuleiten und damit die bisher als unüberwindbar geltende Spaltung zwischen Ost und West in demokratischer Weise aufzuheben, wurden im Westen gar nicht wahrgenommen. Im Feuilleton war für die verschiedenen Sprachtöne und ihre oft auch äsopische Ausdruckskraft kein Platz. Literarische Übersetzungen gab es zu dieser Zeit faktisch keine. Bis zum Anfang der 80er Jahre waren aus der slowenischen, kroatischen, serbischen und albanischen Sprache in gut 200 Jahren keine 300 Titel übersetzt worden. 1979 konnte man im deutschsprachigen Raum keinen slowenischen Titel in deutscher Übersetzung kaufen. Damals, wie in der Regel heute noch, waren und sind diese Literaturen nicht Teil der Weltliteratur.

Die Ehre, dazu erwählt worden zu sein, wie sie heute einem Aleksandar Tisma zuerkannt wird oder wie einem Handke, der 1981 noch als großer deutscher Dichter gefeiert wurde, als er Florjan Lipus übersetzte oder seinen großen Roman Die Wiederholung, eine Epopöe auf die slowenische Sprache, und das Pletersnik-Wörterbuch schrieb, hatten sie nicht. Schon zum Beginn der Wende, Anfang der 80er Jahre, wurde ein Lipus als exotischer Literat nur kurzzeitig wahrgenommen. Und auch ein Emporheben Tismas geschieht nicht seiner literarischen Qualität wegen, sondern weil durch sein Schreiben wieder der Beweis geliefert wird, es in diesem Teil der Welt mit einem barbarischen Menschenschlag zu tun zu haben.

Die armen Nachbarn, die in den Fängen des realen Sozialismus lebten, klopften von allen Seiten an die Tür des reichen Mannes im westlichen Europa. Wenn man gewollt hätte, hätte man die Tschechen und Slowaken, die Polen und Ungarn, die Letten, Litauer und Esten, die Weißrussen und Russen, die Ukrainer, Moldawier und Rumänen, die Bulgaren, Albaner, Serben, Makedonier, die Kroaten und Slowenen und alle ihren zahllosen, kleinen Sprachen gehört und von ihrer Kultur Kenntnis genommen. Doch sie wurden abgeschmettert. Man nahm sie und ihren Beitrag zur europäischen Geschichte nicht ernst. Das neuerliche Erwachen ihres Nationalbewußtseins zu Beginn der 80er Jahre entsprach nicht dem westlichen Standard und seine materielle und moralische Existenz wurde von vornherein bestritten. Man ist geradewegs verleitet zu glauben, daß man im Westen froh war, daß sie sich im Verband der kommunistischen Länder befanden. So mußte man sich mit ihnen und ihrer Existenz nicht im Detail beschäftigen. Und damit setzte man nur fort, was über Jahrhunderte den Völkern zwischen Baltikum, Karpaten, Adria und Balkan angetan wurde.

Anders jedoch verhielt man sich gegenüber dem eigenen, westeuropäischen Nationalbewußtsein und dem Recht auf Selbstbestimmung der Nation. Als die osteuropäischen Länder ihre ideologische Klammer verloren und es sich Ende der 80er Jahre zeigte, daß das sowjetische Imperium der deutschen Wiedervereinigung nicht mehr gefährlich werden könne, wurde diese auch sofort durchgeführt, ohne dabei auch nur einen Gedanken an die Folgen dieser Tat für die weitere politische Entwicklung in West-  und Osteuropa zu verschwenden. Somit wurde erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg ein Recht wahrgenommen, das bis dato jedem mit dem Hinweis, daß Grenzverschiebungen im Nachkriegseuropa Krieg bedeuteten, verwehrt worden war: das Recht auf Grenzverschiebung. Vorerst noch ohne Krieg.

Im selben Maße wurden aber auch Hoffnungen bei den kleinen, armen, von der Geschichte und dem Westen verschmähten Völkern im Baltikum, im Donau- und Karpatenraum und auf dem Balkan geschürt, daß auch für sie dieses Recht auf Grenzverschiebung und Selbstbestimmung der Nation gelte. Wie für Deutschland. Und es sind derer bisher nicht wenige, denen die Chance verwehrt blieb, ihren eigenen Nationalstaat zu besitzen, obwohl dies doch das Höchste der menschlichen Gefühle sein soll, wie die westliche Geschichtsschreibung lehrt. Also wurde der Ruf nach neuen Staaten laut, und dieser traf sich mit dem Wunsch, das Joch des real existierenden Sozialismus abzustreifen und mit dem Interesse des Westens, neue Märkte zu erschließen.

Aus heutiger Sicht kann man nicht umhin zu erkennen, daß das egozentrische Vorgehen bei der deutschen Wiedervereinigung für die weitere Entwicklung in Europa eine Lawine losgetreten hat, deren endgültigen Ausgang wir noch gar nicht absehen können. Das Verheerende am Vorgehen der deutschen Wiedervereinigung ist nicht die Tatsache, daß sich der westliche und der östliche Teil Deutschlands zusammengeschlossen haben. Verheerend war, daß sich am Ende des 20. Jahrhunderts (einem Jahrhundert zahlloser Kriege, geführt für Nationalstaaten, verbunden mit gewaltsamer Produktion von Minderheiten in all diesen Staaten) ein Staat das Recht nahm, wieder zusammenzutun, ohne zu bedenken, daß dann andere kommen und dieses gleiche Recht für sich in Anspruch nehmen würden, auch wenn in diesen neu zu bildenden oder neu entstandenen Staaten keine reale Basis für einen Nationalstaat existiert, das heißt die zahlenmäßige Vorherrschaft einer Staatsnation gegenüber den zahllosen zur Minderheit gewordenen und zur Minderwertigkeit verurteilten Angehörigen anderer Kulturen und Völker. Die Folge kann nur sein, entweder mit Gewalt die Vorherrschaft einer Staatsnation durchzusetzen und die anderen zu disziplinieren, oder, das Prinzip der ethnischen Säuberung anzuwenden. All das ist zumindest seit dem Jahre 1992 wieder aktuell und bekannt.

Und das nicht minder Entsetzliche an der einseitigen, verantwortungslosen Vorgehensweise der Wiedervereinigung der Deutschen ist, daß zu keiner Zeit und in keinem Moment darüber nachgedacht wurde, wie am Beginn des 21. Jahrhunderts Europa nicht nach nationalen Prinzipien, sondern etwa als ein Verband gleichberechtigter und freier Menschen mit nationalen, kulturellen, individuellen, wirtschaftlichen und vielen anderen Interessen und Bedürfnissen organisiert werden könnte.

Die Anwendung des Rechtes auf Selbstbestimmung bei den Deutschen mußte unweigerlich zum Erstarken des Chauvinismus in Europa führen. Mit welchem Recht durfte man danach den Tschechen und Slowaken die Trennung verweigern? Mit welcher Begründung sollten die Slowenen, die Balten und andere in der ehemaligen SU auf das Selbstbestimmungsrecht verzichten? Und wie sollte man den Albanern, den Serben und den Kroaten das Recht auf Selbstbestimmung verweigern? Es sei denn, man wendete zweierlei Recht an, eines für die Reichen und Starken und eines für die Schwachen und Armen. Allein an dieser Fragestellung zeigt sich die Tragik der Entscheidung zu Beginn der 90er Jahre und führt vor Augen, wie kurzsichtig Weltpolitik im Interesse eigener Dominanz innerhalb einer Vereinigung von Ländern des reichen Europas gemacht wird und wie leichtfertig das Leid des anderen in Kauf genommen wird.

Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der Argumentation, mit der eine sofortige Öffnung der EU gegenüber dem Osten Europas verzögert wird, erhärtet sich immer mehr der Verdacht, daß die Ereignisse auf dem Balkan in den letzten Jahren und der momentane NATO-Krieg gegen Serbien wenig mit der Durchsetzung demokratischer Prinzipien des Zusammenlebens von Menschen, Kulturen und Völkern zu tun haben.

So dringend die klare Zurückweisung eines lokalen Aggressors wie Milosevi ist, der verantwortlich ist für die langjährige systematische Vertreibung des albanischen Volkes im Kosovo, der auch den oppositionellen Menschen innerhalb der serbischen Gesellschaft Schaden zufügt, so ist doch auch klar, daß seine Politik in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten von Seiten des Westens gefördert und mitgetragen wurde.

Cohn-Bendit spricht im Zusammenhang mit dem Kosovo davon, daß "... die Implosion der sowjetischen Macht nicht nur die weltweite ,Führungsrolle` der Amerikaner etabliert, sie hat auch die Entstehung einer anderen Macht gefördert: Europa, dessen Ziel es ist, alle Länder im Osten des Kontinents zu integrieren" (Liberation, zit. nach Kleine Zeitung, 11.4.99). Es wird sich noch herausstellen, ob es Europa tatsächlich um die Integration der armen Völker im Osten geht. Derzeit zeichnet sich eher ab, daß die Kosovo-Krise und der Krieg gegen Serbien genutzt werden, um den Russischen Bären vollends als Führungsmacht in der Welt abzusetzen und seine Machtlosigkeit bloßzustellen. Dabei sollte nicht übersehen werden, daß bei der Realisierung dieses Ziels Amerika und Europa an einem Strang ziehen, gleichzeitig aber im Hintergrund zwischen beiden um die Neuaufteilung der Einflußsphären in Europa gerungen wird. Hier kommt es beiden nur zu gelegen, daß Milosevic in seiner lokalen Aggressionspolitik gegen die Albaner und gegen sein eigenes Volk nicht nachgibt. Die Beschwichtigungspolitik gegenüber der Politik von Milosevic im letzten Jahrzehnt ist ein deutlicher Beleg dafür, daß man sich einen regionalen Ordungsfaktor gewünscht hat. Deshalb ist der jetzige Einsatz der Westmächte für die humanistischen Ziele nicht ganz glaubwürdig.

Aus heutiger Sicht muß auch festgestellt werden, daß es den Westmächten gelegen kam, diesen Ordnungsfaktor auf dem Balkan gehabt zu haben. Wäre er ihnen nicht von Nutzen gewesen, man hätte in den vergangenen Jahren genug Möglichkeiten gefunden, sich seiner auf billigere und schonendere Art zu entledigen. Jedoch erhielt man dadurch das ideologische Umfeld und zugleich die Möglichkeit, den Krieg demokratisch zu legitimieren, gleichzeitig aber auch zu verschleiern, was man an Möglichkeiten der Verständigung unter den Völkern östlich der Karpaten und Balkanlinie versäumt hatte. In der jahrhundertealten Überheblichkeit, als westeuropäische Nationalstaaten den barbarischen Massen Osteuropas überlegen zu sein, schläfern die westeuropäischen Völker "vernebelten Blicks auch heute noch mit dieser Art narzissoiden Fetischismus ihr Gewissen ein, denn die halluzinatorische Kraft dieser Rhetorik ist so anziehend, daß sie bis heute nichts von ihrer faszinierenden Wirkung verloren hat" (Miroslav Krleza, Was ist Europa?).

Fast könnte man glauben, daß Europa im Begriff steht, sein Dilemma zu lösen und die Spaltung des Kontinents aufzuheben. Doch nirgends sehe ich eine humane und kulturelle Offensive, die den spezifisch kulturellen, literarischen, humanistischen Beitrag dieser Völker zum europäischen Amalgam beschreibt, verbreitet und allgemein bekannt macht. Wohl sehe ich aber heute wieder Milliarden in Rauch aufgehen, höre ich Säbelrasseln, die brüllenden Luftstaffeln und die unendlichen Kolonnen von Vertriebenen, die ethnisch gesäubert an unsere Tore klopfen, wo sie gefiltert und vereinzelt hereingelassen werden, schief beäugt und mit einer Überheblichkeit konfrontiert, daß es mir hochkommt. Die Scheinheiligkeit des Ganzen ist von einer Penetranz, die zum Himmel stinkt.

Das intellektuelle Gewissen in Westeuropa reagiert wie gelähmt auf die zahllosen Vertreibungen von Moslems, Kroaten und Serben in Bosnien, ist entsetzt über die Bilder aus dem Kosovo und begreift nicht, warum und wann die verschiedenen Parteien zum Krieg in Südosteuropa aufgerüstet und zu Entscheidungsschlachten geführt werden. Es sieht sich heute immer öfter unter den Theoretikern der Rechtfertigung des Krieges in Europa, um die Werte der westlichen Demokratie vor Barbarismus und Unkultur zu retten. Man findet sie aber nicht bei der Suche nach Alternativen und Lösungsvorschlägen, man hört von ihnen kaum Vorschläge, die der Vernunft zum Siege verhelfen würden. Man hört nicht einmal ein Flüstern, aus dem man vielleicht heraushören könnte, daß doch daran gedacht wird, die Grenzen Europas aufzumachen, das Geld statt für Waffen für Nahrung, Wohnung, Arbeit, Bekleidung, Sprache und Kultur für die Vertriebenen auszugeben und massenweise Literatur und Film, Geschichte und Humanismus zu verbreiten, und daß man endlich auch die Hintergründe der europäischen Differenzen in der Teilung in Arm und Reich zu begreifen und vor allem einzusehen beginnt: Die intellektuelle westeuropäische Vorherrschaft muß beendet werden und ein menschen- und völkerübergreifender Dialog beginnen, der auch imstande ist, jeglichen Versuch, aggressive, faschistische, völkerausrottende Politik von vornherein zu ächten.

Das derzeitige Engagement der Westkräfte am Balkan zeigt schon klar, daß es kein Spaziergang sein wird. Sogar die österreichische Kronen Zeitung stellt am 11.4.99 in einem Kommentar fest, daß das amerikanische Engagement "hauptsächlich humanitären Zielen dient". Und welchen Zielen dient es nebensächlich? Das, was derzeit als Alternativen verkauft wird, sind keine: Für den Krieg zu sein bedeute gegen Milosevic zu sein, oder für Milosevic zu sein bedeute gegen den Krieg zu sein – diese beiden Seiten ein und derselben Medaille gehen am Wesen der Frage vorbei, so, wie es auch nicht heißen kann: Für Milosevic zu sein bedeute gegen das serbische Volk zu sein. Irrig ist es auch zu behaupten, für die Albaner im Kosovo zu sein würde bedeuten gegen das serbische Volk zu sein. Die Verwirrung in diesen Fragen ist unendlich und geht doch am Wesentlichen vorbei.

Das ist die Gleichberechtigung aller Kulturen und aller Völker nicht nur in Südosteuropa, die Ablehnung jeglichen Chauvinismus und das Eintreten für eine Demokratie für alle.

Nur wenn das jahrhundertelange Unrecht gegenüber den armen Völkern und Kulturen des Karpaten-, Donau- und Balkanraums und im Baltikum endlich aufgehoben wird,

nur wenn der jahrhundertelange Bruch Europas in Ost und West behoben wird,

nur wenn die Grenzen geöffnet werden, die Bewegungsfreiheit in ganz Europa für alle ermöglicht,

nur wenn die politische Verantwortung wahrgenommen und eine kulturelle, humanistische und wirtschaftliche Offensive eingeleitet wird, die mit derselben Menge von Kapital ausgestattet ist, die jetzt für die Kriegsführung aufgewendet wird,

nur dann wird es zum Sieg der Vernunft kommen.

Kultur oder Krieg wird zur zentralen Alternative. Um zu einem Kontinent des Friedens zu werden, muß als erster Schritt mit der sofortigen Entwaffnung aller beteiligten Parteien in Südosteuropa begonnen werden, muß eine gewalt- und militärfreie Zone geschaffen werden, wie ab Mitte der 80er Jahre in immer stärkerem Maße von Friedensinitiativen in Exjugoslawien gefordert wurde.